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Ring, der Königssohn

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Es waren einmal ein König und eine Königin in ihrem Reiche; sie hatten eine Tochter, welche Ingibjörg hieß und einen Sohn Namens Ring. Dieser war nicht so muthig, wie es sonst die Söhne der vornehmen Leute zu jener Zeit zu sein pflegten, und verstand sich auch nicht auf ritterliche Künste.
Als Ring zwölf Jahre alt war, ritt er eines schönen Tages mit seinem Gefolge in den Wald hinaus, um sich zu erlustigen. Sie ritten lange, bis sie eine Hindin erblickten, welche goldene Ringe auf dem Geweih hatte. Der Königssohn wollte die Hindin fangen und sie verfolgten daher dieselbe so lange, bis sie alle ihre Pferde zu Tode geritten hatten und endlich auch das Pferd des Königssohnes todt zusammenstürzte.
Da fiel plötzlich so finsterer Nebel ein, daß sie die Hindin nicht mehr sehen konnten. Sie hatten sich sehr weit von allen Menschenwohnungen entfernt und wollten jetzt umkehren; allein sie hatten sich verirrt. Sie gingen nun zuerst alle zusammen, bis jeder von ihnen einen anderen Weg für den richtigen hielt, und sie trennten sich daher und gingen Jeder nach einer anderen Richtung weiter.
Der Königssohn ging ebenfalls irre und wanderte umher ohne zu wissen wohin, bis er zu einem kleinen offenen Platze im Walde kam, der nicht weit vom Meere entfernt war. Hier sah er ein Weib auf einem Stuhle sitzen, neben dem sich ein großes Faß befand. Der Königssohn schritt auf das Weib zu und begrüßte es höflich, worauf dasselbe seinen Gruß freundlich erwiederte. Er blickte in das Faß hinein und sah auf dem Boden desselben einen überaus schönen goldenen Ring liegen. Da wurde er von einer unbezwinglichen Begierde erfüllt, diesen Ring zu besitzen, von dem er die Augen nicht abwenden konnte.
Das Weib bemerkte dies und sagte, es sehe, daß er große Lust nach dem Ringe habe, der in dem Fasse liege.
Dies sei auch der Fall, entgegnete der Königssohn.
Das Weib sagte hierauf, daß er denselben erhalten solle, wenn er sich die Mühe nehmen würde, ihn aus dem Faße hervorzuholen.
Der Königssohn begann nun sich in das Faß hinein zu strecken, welches ihm nicht sonderlich tief zu sein schien, und wollte sich beeilen, den Ring herauszunehmen; aber je mehr er sich streckte, desto tiefer wurde das Faß. Als er zur Hälfte über die Kante des Fasses gebeugt war, stand das Weib auf, stürzte ihn kopfüber in das Faß und sagte, daß er darin bleiben solle. Hierauf verschloß sie das Faß und rollte es hinaus in’s Meer.
Der Königssohn fühlte nun wenig Behagen. Er merkte, daß das Faß sich vom Lande entfernte und lange von den Wogen umhergetrieben wurde; wie viele Tage aber dies dauerte, wußte er nicht. Endlich merkte er, daß dasselbe gegen einen Felsen stieß; er war darüber sehr erfreut, denn er dachte, daß es Land, nicht etwa eine Klippe, sei. Er kam auf den Gedanken, den Boden des Fasses mit den Füßen auszustoßen, denn er konnte etwas schwimmen.
Er that dies auch, obschon er fürchtete, daß er das Land nicht erreichen werde; da aber flache und niedrige Felsen in das Meer hinausragten, so gelang es ihm doch an’s Land zu kommen. Hier waren aber hohe Berge und es schien ihm schwierig zu sein, landeinwärts zu kommen; er ging eine Strecke weit am Fuße der Berge hin und versuchte sodann emporzuklettern, was er schließlich auch zu Stande brachte. Als er die Höhen erreicht hatte, blickte er um sich und sah, daß es eine Insel war; dieselbe war mit Wald bewachsen und schien ihm sehr fruchtbar zu sein; es wuchsen auf derselben gute Aepfel zum Essen und er fand, daß es hier allem Anscheine nach ganz behaglich zu leben sein müsse.
Als er einige Tage hier geweilt hatte, hörte er im Walde ein starkes Gedröhn; da begann er sich sehr zu fürchten und lief in den Wald um sich zu verbergen. Er sah aber alsbald einen großen Riesen mit einem Schlitten daherkommen, der gerade auf ihn zuging; da blieb ihm nichts Anderes übrig, als sich niederzuwerfen, wo er stand. Als der Riese ihn fand, blieb er eine Weile vor ihm stehen und blickte ihn an; hierauf nahm er ihn auf die Arme, trug ihn mit sich nach Hause und war überaus freundlich gegen ihn; daheim übergab er den Knaben seinem Weibe, welches so alt war, daß es im Bette liegen mußte.
Er erzählte demselben, daß er dieses Kindlein im Walde gefunden habe, und sagte, daß es dasselbe eine Woche lang bei sich behalten solle.
Das Weib war darüber sehr erfreut und streichelte dem Königssohne die Wangen und sprach sanfte, freundliche Worte zu ihm. Er verblieb nun bei ihnen, war willig und folgsam in Allem, was sie ihn thun hießen, und die beiden alten Leute waren überaus gut gegen ihn.
Eines Tages zeigte der Riese dem Königssohne alle seine Zimmer und Verschläge mit Ausnahme der Küche; da bekam Ring große Lust auch diese zu sehen; denn er glaubte, daß darin seltene Kostbarkeiten verborgen seien. Als daher der Riese eines Tages im Walde draußen war, versuchte er in die Küche zu kommen, konnte jedoch die Thüre nur zur Hälfte öffnen; er sah, daß sich darin etwas Lebendes schüttelte, hin und her lief und hörte auch, daß es etwas sprach. Da taumelte der Königssohn entsetzt von der Thüre zurück, schlug dieselbe wieder zu und pißte aus Schrecken in die Hosen. Als die Furcht vorüber war, öffnete er abermals die Thüre, denn er hätte gerne gehört, was das lebende Wesen sagte; allein es geschah dasselbe wie früher. Da wurde der Königssohn über sich selbst ärgerlich, faßte Muth, so gut er konnte, und machte zum dritten Male den Versuch, in die Küche zu sehen. Er sah jetzt einen zottigen Hund, welcher zu ihm sagte:
»Nimm mich, Ring, Königssohn!«
Ganz erschreckt eilte er zurück und dachte bei sich: »Das ist ja kein so kostbarer Gegenstand;« die Worte des Hundes aber konnte er gleichwohl nicht vergessen.
Er blieb noch eine Zeitlang bei dem Riesen, bis dieser eines Tages zu ihm kam und sagte, daß er ihn jetzt von der Insel auf das Festland bringen wolle, denn er werde nicht mehr lange auf derselben leben. Er dankte auch dem Königssohne für seine guten Dienste und sagte, derselbe könne sich nun was immer für einen Gegenstand, den er besitzen möchte, aus seiner Habe wählen, er werde ihm denselben ohne Weiteres geben.
Ring dankte ihm dafür und sagte, daß er durchaus keinen Lohn verdient habe; wenn er ihm aber schon etwas geben wolle, so wähle er dasjenige, was sich in der Küche befinde.
Da wurde der Riese sehr niedergeschlagen und sagte:
»Du wähltest da meines alten Weibes rechte Hand; ich will jedoch mein Wort nicht brechen.«
Hierauf holte er den Hund. Als dieser in einem mächtigen Satze und voll Freude dahergesprungen kam, fürchtete sich der Königssohn so sehr, daß er kaum wieder Muth fassen konnte.
Der Riese ging hierauf mit ihm zum Meere hinab und sie stiegen hier in ein steinernes Boot, welches so klein war, daß es kaum für sie Beide und den Hund Raum bot. Als sie an’s Land gekommen waren, nahm der Riese von Ring freundlich Abschied und sagte, daß er ihm dasjenige, was sich auf der Insel befinde, als Erbe hinterlassen werde; er solle es in einem halben Monate holen; denn dann werde weder er noch sein Weib mehr am Leben sein.
Der Königssohn dankte ihm für seine Güte und hierauf schieden sie von einander. Der Riese ruderte wieder zurück nach der Insel, der Königssohn aber ging landeinwärts. Er wußte ganz und gar nicht, in welchem Lande er war, und wagte es auch nicht, den Hund anzusprechen.
Als sie eine Weile so dahingegangen waren, sprach endlich der Hund selbst ihn an und sagte:
»Du scheinst mir nicht sehr neugierig zu sein, da Du nicht einmal nach meinem Namen frägst.«
Da fragte der Königssohn stammelnd:
»Wie heißt Du?«
Der Hund antwortete:
»Es ist am besten für Dich, Du nennst mich Snati- Snati. Wir kommen jetzt in ein Königreich und da sollst Du den König bitten, daß er Dir den Winter über Aufenthalt bei sich gewähre und Dir für uns Beide ein kleines Schlafgemach überlasse.«
Der Königssohn verlor nun allmählich die Furcht vor dem Hunde. Er kam in das Königreich und bat den König, daß er ihm den Winter über Aufenthalt bei sich gewähre, was dieser ihm auch sogleich bewilligte.
Als die Leute des Königs den Hund sahen, fingen sie an zu lachen und wollten ihn necken. Sowie aber der Königssohn dies bemerkte, sagte er:
»Ich möchte Euch rathen, meinen Hund nicht zu necken; es könnte Euch sonst übel bekommen.«
Da machten die Leute sich über ihn lustig. Ring bekam eine Herberge und es dauerte nicht lange, so hatte der König ihn sehr lieb gewonnen und achtete ihn mehr als alle Andern.
Der König hatte einen Rathgeber, welcher Raudur hieß. Als dieser sah, daß Ring vom König so hoch geachtet wurde, ward er von Neid gegen diesen erfüllt. Er kam eines Tages zum König und sagte, er könne nicht begreifen, was all‘ die Aufmerksamkeit zu bedeuten habe, welche er Ring erweise; derselbe habe sich ja, seit er hier sei, in keiner Weise vor den Uebrigen durch besondere Thaten oder Künste hervorgethan.
Der König sagte, es sei ja noch nicht lange her, daß Ring gekommen sei.
Raudur schlug nun vor, daß der König sie am nächsten Tage beide in den Wald hinaus gehen und Bäume fällen heiße, damit es sich zeige, wer von beiden die meisten fällen würde.
Dies hört Snati-Snati und erzählte es Ring. Er rieth ihm zugleich, den König zu bitten, daß er ihm zwei Aexte borge für den Fall, daß die eine entzweibrechen sollte.
Am nächsten Morgen forderte der König Raudur und Ring auf, in den Wald zu gehen und Bäume zu fällen.
Sie waren beide gleich dazu bereit. Ring bekam zwei Aexte und sie gingen hierauf jeder seinen Weg.
Als Ring in den Wald hinausgekommen war, nahm Snati die eine Axt und begann zugleich mit Ring Bäume zu fällen. Abends kam der König, wie Raudur es verabredet hatte, um zu sehen, wie viel jeder von ihnen gearbeitet habe. Da war der Holzhaufen des Ring um mehr als das Doppelte größer als der des Raudur.
Der König aber sagte:
»Ich wußte es ja, daß Ring kein unnützer Schwächling ist, und niemals habe ich ein solches Tagewerk gesehen.«
Ring genoß nun ein noch größeres Ansehen bei dem Könige als früher. Raudur aber war über all‘ dies höchst mißvergnügt. Eines Tages kam er wieder zum König und sagte:
»Da Ring schon ein gar so tüchtiger Mann ist, solltest Du ihn doch bitten, daß er die beiden Opferstiere draußen im Walde tödte, sie am selben Tage noch abhäute und Dir Abends die Hörner und Bälge überbringe.«
Der König antwortete:
»Scheint es Dir nicht, daß dies dasselbe ist, als wenn Du ihn in den Tod schickst, da die Stiere so wild sind, daß es noch Niemand wagte, sich ihnen zu nahen?«
Raudur antwortete, daß Ring ja nur einmal sein Leben verlieren könne; es wäre ein Spaß, ihn auf die Probe zu stellen, und der König sei dann noch mehr berechtigt als früher, ihn zu ehren, wenn er die Stiere überwunden habe.
Der König ließ sich endlich doch überreden, obwohl er es nur sehr ungern that, und bat eines Tages Ring, in den Wald zu gehen, die Stiere zu tödten, welche sich dort befänden, und ihm Abends die Hörner und Bälge derselben zu überbringen.
Ring wußte nichts von der Wildheit der Stiere und war sogleich bereit des Königs Wunsch zu erfüllen. Er ging in den Wald hinaus; Raudur aber war darüber sehr erfreut und rechnete Ring bereits zu den Todten.
Als Ring die Stiere erblickte, kamen dieselben brüllend auf ihn los; der eine von ihnen war überaus groß, der andere jedoch kleiner. Nun begann Ring sich sehr zu fürchten. Da sagte Snati:
»Wie gefällt Dir dies jetzt?«
»Schlecht«, antwortete Ring.
Snati sagte:
»Es bleibt nun nichts Anderes übrig, als sie anzugreifen; geh‘ Du gegen den kleineren, ich will es mit dem großen aufnehmen.«
Nach diesen Worten lief der Hund sogleich gegen den großen Stier, und es dauerte nicht lange, so hatte er denselben überwunden.
Der Königssohn ging bebend vor Furcht dem kleineren Stier entgegen und als Snati hinzukam, hatte der Stier ihn bereits zu Boden geworfen; der Hund brachte ihn jedoch sogleich in Sicherheit und überwand auch den kleinen Stier. Hierauf zog jeder seinem Thiere die Haut ab, und als Snati den großen bereits vollständig abgehäutet hatte, war Ring mit dem kleinen erst bis zur Hälfte gekommen.
Als sie nun Abends mit ihrer Arbeit fertig waren, fühlte Ring, daß er nicht die Kraft habe, um die Hörner und Häute zu tragen. Da sagte Snati, er solle dieselben nur auf seinen – Snati’s – Rücken werfen; er werde sie schon bis zum Thore der Stadt hintragen.
Der Königssohn that hierauf, wie der Hund sagte, und lud Alles auf dessen Rücken, mit Ausnahme der Haut von dem kleinen Stiere, welche er selbst trug. All dies ließ er an dem Stadtthore zurück, ging hierauf zum König und bat ihn, mit ihm zu kommen, worauf er ihm die Hörner und Häute übergab.
Der König bewunderte Ring’s Heldenmuth, sagte, daß es nicht seines Gleichen gebe und dankte ihm für die Arbeit, die er ihm da besorgt habe. Er ließ ihn hierauf an seiner Seite sitzen und Ring wurde von Allen hochgeschätzt. Selbst Raudur konnte nicht umhin, ihn für den größten Kämpen anzusehen, brütete aber doch stets über dem Plane, ihn aus dem Wege zu schaffen.
Da kam Raudur eines Tages ein guter Gedanke. Er ging zum König und sagte, daß er etwas Wichtiges mit ihm zu sprechen habe.
Der König fragte, was es sei. Raudur sagte, es seien ihm nun wieder der gute goldene Mantel, das gute goldene Brettspiel und das gute lichte Gold eingefallen, welche Dinge dem König vor einigen Jahren abhanden gekommen seien.
Der König bat ihn, er möge ihn nicht an diesen Verlust erinnern.
Raudur aber fragte, ob der König nicht dieselben Gedanken habe, wie er.
Der König fragte:
»Was meinst Du damit?«
Raudur sagte, man könne sehen, daß Ring ein ausgezeichneter Mann sei und Alles zu Stande bringe; deshalb sei er auf den Gedanken gekommen, dem Könige zu rathen, daß er Ring bitte, ihm diese Kleinodien aufzusuchen und noch vor Weihnachten zu bringen; als Lohn dafür solle er ihm seine Tochter versprechen.
Der König entgegnete, er finde es unpassend, Ring um etwas Solches zu bitten, da er ihm nicht einmal einen Wink geben könne, wo er diese Gegenstände zu suchen habe.
Raudur stellte sich, als ob er nicht hörte, was der König sagte; und sprach solange in denselben hinein, bis er ihn endlich überredete, nach seinem Willen zu thun.
Einen Monat vor Weihnachten sprach der König mit Ring und sagte, daß er eine große Bitte an ihn zu richten habe.
Ring fragte, was es sei.
Der König sagte, er wolle ihn bitten, ihm den guten goldenen Mantel, das gute goldene Brettspiel und das gute lichte Gold, welche Dinge ihm vor einigen Jahren gestohlen worden seien, zu holen; wenn er dieselben noch vor Weihnachten zurück bringen könne, wolle er ihm seine Tochter zum Weibe geben.
Ring sagte:
»Wo soll ich nach diesen Dingen suchen?«
Der König entgegnete:
»Das mußt Du selbst herausfinden, denn ich weiß es nicht.«
Ring entfernte sich und war sehr gedankenvoll; denn es schien ihm, daß er große Schwierigkeiten zu überwinden habe, während er andererseits doch auch gerne die Königstochter haben wollte.
Als Snati sah, daß sein Herr so rathlos war, sagte er zu ihm, er möge nicht verzweifeln wegen des Wunsches des Königs; er solle nur seinen Rath befolgen, denn sonst würde es ihm nicht gut ergehen.
Hierauf rüstete sich Ring zur Abreise und nahm Abschied vom Könige.
Als er sich nun auf den Weg machte, sagte Snati:
»Wandere in der ganzen Umgegend herum und verschaffe Dir so viel Salz als Du kannst.«
Dies that der Königssohn und er bekam so viel Salz zusammen, daß er es nicht tragen konnte.
Da sagte Snati, er solle ihm den Sack auf den Rücken legen.
Ring that dies auch und der Hund lief nun dem Königssohne so lange voraus, bis sie zu einem großen Berge kamen.
»Da müssen wir hinauf«, sagte Snati.
»Das wird keine leichte Sache sein«, meinte der Königssohn.
»Halte Dich nur an meinem Schwanze fest«, entgegnete Snati.
Hierauf sprang Snati mit Ring am Schwanze auf den niedersten Bergabsatz; da wurde Ring schwindelig.
Sodann sprang der Hund auf dem nächsten Absatz; da war Ring nahe daran, ohnmächtig zu werden.
Endlich sprang Snati mit dem Königssohne ganz auf den Berg hinauf, und nun wurde Ring ganz ohnmächtig.
Als der Königssohn nach einer Weile wieder zu sich gekommen war, gingen sie beide eine Zeit lang auf ebenen Strecken dahin, bis sie zu einer Höhle kamen. Es war dies am Weihnachtsabend. Sie untersuchten dieselbe von außen und fanden ein Fenster, durch welches sie vier Riesen, zwei Männer und zwei Weiber, um das Feuer herum schlafen sahen, über welchem ein großer Breikessel hing.
»Streue nun das ganze Salz über den Brei«, sagte Snati.
Ring that, wie der Hund ihm sagte, und nun erwachten alle vier Riesen. Das alte Riesenweib, welches am abscheulichsten von ihnen aussah, kostete zuerst den Brei und sagte:
»Nun ist der Brei versalzen; wie kann das sein? Ich zauberte gestern die Milch aus vier Königreichen hierher und dennoch ist sie jetzt versalzen!«
Gleichwohl begannen alle Vier den Brei zu verschlingen, und er schmeckte ihnen recht gut; als sie aber damit fertig waren, wurde das alte Riesenweib so durstig, daß es nahe daran war zu verschmachten; es bat daher seine Tochter, daß sie hinausgehen und von dem nahen Flusse Wasser holen möge.
»Ich gehe nicht einen Schritt weit«, sagte das Riesenmädchen, »wenn Du mir nicht das gute lichte Gold leihst.«
»Eher will ich sterben«, entgegnete das alte Riesenweib »bevor Du es bekommst.«
»So stirb denn«, antwortete das Mädchen.
»Da nimm es, abscheuliche Dirne«, sagte die Alte, »und beeile Dich, daß Du das Wasser bringst.«
Das Mädchen nahm das Gold und lief hinaus; da leuchtete es über die ganze Strecke hin. Als aber das Mädchen zum Flusse kam, legte es sich flach auf die Erde nieder und begann zu trinken. Da liefen Ring und Snati vom Fenster weg und warfen das Mädchen in den Fluß, nachdem sie ihr das zuvor gute lichte Gold genommen hatten.
Der Alten schien die Tochter zu lange auszubleiben, und sie sagte, daß die Dirne wohl sicherlich mit dem lichten Golde auf der Ebene herum hüpfe. Sie sprach daher jetzt zu ihrem Sohne:
»Geh‘ Du hin und hole mir einen Trunk Wasser!«
»Ich gehe nicht einen Schritt weit«, sagte dieser, »wenn Du mir nicht den guten goldenen Mantel giebst.«
»Eher will ich sterben«, sagte die Alte, »bevor Du den bekommst.«
»So stirb denn«, entgegnete ihr der Sohn.
»Da nimm ihn, Du abscheulicher Bursche«, sagte die Alte, »beeile Dich aber, daß Du das Wasser bringst!«
Der Bursche nahm den Mantel um, und als er hinaus kam, leuchtete ihm derselbe auf seinem Wege. Er kam hierauf zu dem Flusse und wollte ebenso trinken wie seine Schwester. Da liefen Ring und Snati herbei, nahmen ihm den Mantel ab und warfen ihn in den Fluß.
Nun konnte es das alte Riesenweib nicht länger vor Durst aushalten und es bat deshalb seinen Mann, Wasser zu holen, und sagte, daß die Kinder gewiß draußen spielen; das habe es gleich geahnt, als es ihren Bitten nachgegeben habe.
»Ich gehe nicht einen Schritt weit«, sagte der alte Riese, »wenn Du mir nicht das gute goldene Brettspiel giebst.«
»Eher will ich sterben«, sagte die Riesin, »bevor Du mir dieses bekommst.«
»Dann magst Du meinetwegen abfahren«, sagte der Mann, »wenn Du nicht einmal eine so geringe Bitte erfüllen willst.«
»Da nimm es, abscheulicher Mensch«, entgegnete die Riesin, »Du bist ebenso kindisch wie die Jungen.«
Hierauf ging der alte Riese mit dem Brettspiel fort, kam zu dem Flusse und begann zu trinken. Da liefen Ring und Snati eiligst herbei, nahmen ihm das Brettspiel weg und warfen ihn in den Fluß. Bevor sie aber wieder zur Höhle zurückgekommen waren, stieg das Gespenst des Riesen aus dem Flusse empor und kam auf sie zu. Snati lief demselben entgegen und faßte es an, ebenso auch Ring, obschon er beinahe wieder all seinen Muth verloren hatte. Sie überwanden den Riesen zum zweiten Male. Als sie jedoch zu dem Fenster zurückgekommen waren, sahen sie, daß das alte Riesenweib aus der Höhle zu kriechen sich anschickte. Da sagte Snati:
»Nun müssen wir hineingehen und versuchen, ob wir nicht mit ihr fertig werden können; denn wenn sie herauskommt, werden wir sie niemals überwinden können. Sie ist das schlimmste Riesenweib, welches auf Erden lebt, und kein Eisen kann sie verwunden. Nun soll der eine von uns kochenden Brei aus dem Kessel auf sie gießen, der andere aber sie mit glühendem Eisen kneipen.«
Hierauf gingen sie in die Höhle. Als die Riesin Snati erblickte, sprach sie zu ihm:
»Du bist hieher gekommen, Ring, Königssohn? Du hast gewiß meinem Mann und meinen Kindern den Garaus gemacht!«
Snati ahnte sogleich, daß dies der Anfang zu einer Zauberformel sei und fuhr mit einem glühenden Eisen auf sie los, welches er aus dem Feuer herausgenommen hatte; Ring aber begoß sie unablässig mit Brei, bis sie dieselbe endlich überwunden hatten.
Hierauf verbrannten sie sowohl das Riesenweib wie auch das todte Gespenst des alten Riesen, untersuchten die Höhle und fanden darin viel Gold und Kostbarkeiten, wovon sie das Beste auf den Bergabhang brachten. Sie beeilten sich sodann, mit den drei Kleinodien zum König zu kommen.
Spät am Weihnachtsabend erschien Ring in der Halle des Königs und übergab ihm die drei kostbaren Gegenstände. Da war der König ganz außer sich vor Erstaunen über Ring’s Tapferkeit und Schlauheit. Er liebte ihn noch mehr als früher, verlobte ihm seine Tochter und noch in der Weihnachtszeit sollte die Hochzeit stattfinden.
Ring dankte dem König für seine Güte und nachdem er in der Halle gegessen und getrunken hatte, ging er in seine Herberge um zu schlafen. Da sagte Snati, daß er in Ring’s Bett liegen wolle, Ring dagegen auf dem Hundelager ruhen solle.
Der Königssohn antwortete, daß er gerne dazu bereit sei; er war ja Snati viel mehr schuldig als diese kleine Unbequemlichkeit.
Hierauf sprang Snati in das Bett hinauf, kam aber nach einiger Zeit wieder herab und sagte, nun möge Ring in’s Bett steigen, sich aber darin auf keine Weise bewegen.
Während dies zwischen dem Hunde und dem Königssohne vorging, kam Raudur in die Halle und zeigte dem König seinen Arm, von welchem die Hand abgebissen war. Er sagte dabei, der König könne nun sehen, welche Eigenschaften sein zukünftiger Schwiegersohn besitze, denn dies habe er gethan und zwar ohne allen Grund.
Da wurde der König rasend vor Zorn, und sagte, er werde sogleich die Wahrheit erfahren; wenn Ring dem Raudur ohne allen Grund die Hand abgehauen habe, so solle er gehängt werden; sei dies aber nicht der Fall, so solle Raudur sein Leben verlieren.
Der König ließ nun Ring holen und fragte ihn, warum er Raudur die Hand abgehauen und ob er dies ohne allen Grund gethan habe.
Snati hatte Ring bereits früher Alles gesagt, und dieser bat den König mit ihm zu gehen, er habe ihm etwas zu zeigen.
Der König ging mit Ring in dessen Schlafgemach und sah hier im Bette eine Menschenhand liegen, welche ein Schwert hielt. Ring erzählte, daß diese Hand durch die Wand gekommen sei und ihn mit dem Schwerte habe durchbohren wollen; er habe sich nur vertheidigt.
Da fand der König, daß Raudur sein Leben verwirkt habe, und er wurde gehängt; Ring aber hielt Hochzeit mit der Königstochter.
Als das Brautpaar in der ersten Nacht beisammen schlief, bat Snati, daß er zu ihren Füßen liegen dürfe. Ring erlaubte es ihm. In der Nacht hörte dieser Lärm und Geheul. Er machte Licht und sah nun ein erschrecklich häßliches Hundegewand auf dem Boden, im Bette aber einen schönen Königssohn liegen. Er nahm sogleich das Hundegewand und verbrannte es; dem Königssohn sprengte er Wasser in’s Gesicht, da er betäubt dalag; hierauf erwachte derselbe zum Bewußtsein.
Der Bräutigam fragte ihn um seinen Namen.
Er heiße Ring und sei ein Königssohn, antwortete Jener.
Hierauf erzählte derselbe, er habe, als er noch jung war, eine Mutter verloren und sein Vater habe hierauf eine Riesin zur Königin genommen. Diese habe ihn in einen Hund verwandelt und den Zauber über ihn ausgesprochen, daß er nie wieder zu einem Menschen werden solle, wenn nicht ein Königssohn von gleichem Namen ihm erlaube in der Hochzeitswoche zu seinen Füßen zu liegen.
»Da sie wußte«, so fuhr er fort, »daß Du denselben Namen trägst wie ich, wollte sie Dich aus dem Wege räumen, damit Du mich nicht aus der Verzauberung erlösen könntest. Sie war die Hindin, welche Du mit Deinen Leuten verfolgtest; sie war das Weib, welches Du im Walde bei dem Fasse antrafst, und sie war auch das Riesenweib, welches wir in der Höhle erschlugen.«
Als die Hochzeit vorüber war, begaben sich die Königssöhne nach dem Berge, wo sie die Schätze aus der Höhle aufbewahrt hatten, und brachten hierauf diese Reichthümer in die Königsburg. Sodann holten sie alles Gold, welches sie auf der Insel fanden.
Ring gab dem erlösten Namensgenossen seine Schwester Ingibjörg und überließ ihm sein Erbreich. Er selbst aber regierte über das halbe Reich seines Schwiegervaters und wurde nach dem Tode desselben König über das ganze Land.

[Island: Jos. Cal. Poestion: Isländische Märchen]

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