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Salomon von seiner Mutter verwünscht

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Der allweise Salomon sagte einmal gesprächsweise vor seiner Mutter, daß ein jedes Weib sich verführen lasse. Die Mutter schalt ihn gewaltig aus und sagte, es ist nicht wahr. Darauf bewies einmal Salomon seiner Mutter auf irgend eine Art, daß auch sie sei wie alle übrigen Weiber. Darob ergrimmte die Mutter und verwünschte ihn, daß er nicht früher sterben solle, als bis er die Tiefe des Meeres und die Höhen des Himmels gesehen hätte.
Als Salomon schon hoch gealtert und des Lebens auf dieser Welt überdrüßig war, fing er an nachzudenken, wie er diesen Mutterfluch lösen und sterben könne. Zuerst schmiedete er einen eisernen Kasten, so groß, daß er Raum genug behielt, um darin zu sitzen, an dem Deckel des Kastens befestigte er das Ende einer eisernen Kette, die so lang war als seiner Meinung nach das Meer tief. Darauf stieg er in den Kasten, befahl seiner Frau, ihn zu schließen und ins Meer zu werfen, aber das Ende der Kette in der Hand zu behalten, um ihn, wenn der Kasten den Meeresgrund erreicht hätte, wieder ans Ufer zu ziehen. Die Frau machte den Deckel zu, verschloß den Kasten und warf ihn ins Meer. Während sie aber das Ende der Kette noch in der Hand hielt, kam Einer und täuschte sie, indem er ihr sagte daß die Fische den Allweisen mit seinem Kasten schon längst verschlungen hätten, und sie werde ihn nie mehr ans Land ziehen können, sie möge nur die Kette loslassen und heim gehen. Da ließ sie die Kette fahren, und diese drückte mit ihrer ganzen Schwere den Allweisen im Kasten auf den Meeresgrund nieder. Einige Zeit nach diesem Ereigniß fanden die Teufel Stab, Käppchen und Meßgewand des heil. Johannes und geriethen über die Theilung dieser Sachen in Streit, bis sie zuletzt sagten: »Laßt uns zum Allweisen gehen, daß er unsern Streit schlichte.« Und als sie erfuhren, wo der Allweise sich jetzt befand, gingen sie zu ihm bis auf den Grund des Meeres, und ihn anrufend, sagten sie ihm, weshalb sie gekommen wären, er aber antwortete ihnen aus dem Kasten: »Wie soll ich aus dem Kasten heraus eure Sache entscheiden, wenn ich weder euch noch das, worüber ihr streitet, sehe? Tragt mich hinauf ans Ufer, und ich will euern Streit schlichten.« Die Teufel nahmen sogleich den Kasten mit dem Allweisen und trugen ihn ans Land. So wie der Allweise aus dem Kasten gestiegen war, und von den Teufeln das, weshalb sie sich stritten, in seine Hand genommen hatte, als wollte er sehen was es und wie viel es werth wäre, machte er mit dem Stab ein Kreuz, und die Teufel flohen nach allen Seiten, so daß ihm Alles blieb. Auf diese Art hatte der Allweise die Meerestiefe gesehen, jetzt hub er an nachzudenken, wie er auch die Himmelshöhe zu Gesicht bekommen könnte. Er fing zu diesem Zwecke zwei Strauße, gab ihnen einige Tage nichts zu essen, daß sie recht hungrig würden, band hierauf an ihre Füße einen großen Korb, in den er sich setzte, während er in den Händen über sich den Straußen an einem langen Bratspieße ein gebratenes Lamm vorhielt. Die Strauße, gierig den Braten zu erhaschen, flogen in die Höhe und flogen so in einemfort, bis der Allweise mit dem Bratspieß an das Himmelsgewölbe anstieß, dann wendete er den Bratspieß nach abwärts, und so trugen ihn die Strauße wieder auf die Erde. Und nachdem er so auch die Höhe des Himmels gesehen hatte, starb er.

[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]

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