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Vor langer Zeit lebte ein armes Bäuerlein, das drei Töchter hatte. Die beiden älteren waren schön und gescheit, die jüngste konnte eben nicht mit ihrer Schönheit prahlen, und auch am Verstand schien es ihr zu fehlen. Die zwei stolzen Dinger taten über die Maßen groß und nobel und mußten immer schöne Kleider haben, um den reichsten Bauerntöchtern nicht nachzustehen. Wenn sie dann so geputzt waren, lachten sie ihre jüngste Schwester aus und taten nicht anders, als ob sie ihr Stubenmädchen wäre.
Dieser Staat, den sie führten, kostete aber viel Geld, und das arme Bäuerlein sah, daß er bei dieser Wirtschaft trotz allem Sichabschinden auf die Gant kommen müßte. Deshalb sagte er eines Tages zu seinen Töchtern: »Meine Kinder, die Sache wird mir bald zu arg, wenn ich alle drei länger kleiden und nähren soll. Ihr seid so alt, daß ihr euch selbst das Brot verdienen könnt, und deshalb mein‘ ich, soll eine von euch in einen Dienst gehen.«
Damit war die älteste sogleich einverstanden, denn sie glaubte, sie werde wegen ihrer Schönheit in der Stadt ein gutes Unterkommen finden. Sie packte ihre Kleider und Habseligkeiten zusammen und verließ voll schöner Hoffnungen die väterliche Hütte. Sie schlug den nächstbesten Weg ein und kam bald in einen großen, stockfinsteren Wald, der sich viele Stunden ausdehnte. Als sie einige Stunden im Forst fortgegangen war, fühlte sie Müdigkeit in ihren Gliedern und Hunger in ihrem Magen. Sie setzte sich deshalb auf einen Stein, der am Weg lag, und zog ein Stück Brot aus ihrem Kittelsack, um sich zu laben. Kaum hatte sie aber zu essen angefangen, als ein schneeweißer Pudel kam und sich ihr gegenübersetzte. Es war ein abgemagertes Tier, und der Hunger sah aus seinen Augen. Er winselte und bat um ein Stücklein Brot, aber die Hartherzige dachte sich, Selbstessen macht fett, und kümmerte sich um den Pudel blutwenig.
Nachdem sie sich gestärkt hatte und weitergehen wollte, fing der Hund plötzlich an zu reden und sprach: »Wenn du weiter in den Wald kommst, wird dir ein graues Männlein begegnen, das dich fragen wird, ob du nicht bei ihm in Dienst treten möchtest. Du wirst bei ihm zwar nur Sauerkraut und Totengebeine zu essen bekommen, ich rate dir aber, sein Angebot gleich anzunehmen.«
Nach diesen Worten war der Pudel verschwunden. Darüber verwunderte sich das Mädchen nicht wenig, noch mehr aber über das graue Männlein und seine sonderbare Kost. Sie sah gar wohl ein, daß es hier nicht mit gewöhnlichen Dingen zugehe, und beschloß den Dienst anzunehmen. Gefaßten Mutes ging sie weiter durch den Wald und wünschte sich nach Hause zurück.
Sie war noch nicht weit gegangen, da begegnete ihr wirklich ein kleines Männlein, dem ein eisgrauer Bart bis auf die Füße reichte, und fragte sie, ob sie bei ihm in Dienst treten wolle; zu essen bekäme sie aber nur Sauerkraut und Totengebeine. Das Mädchen sagte ohne Bedenken zu und folgte dem graubärtigen Männlein. Dieses führte sie lange, lange Zeit fort über Stock und Stein, bergauf, bergab, bis sich endlich ein großes, altes Schloß zeigte. Er führte die Magd hinein, die gar müde und schläfrig war und alsbald ihr Bett aufsuchte.
Am anderen Tag zeigte ihr das Männlein die Arbeiten, die sie besorgen sollte, gab ihr Sauerkraut und Totengebein und verließ dann mit dem weißen Pudel, den sie am vorigen Tag im Wald gesehen hatte, das alte Schloß.
Sie ging an ihre Arbeit und hatte sie bald verrichtet, denn viel hatte sie nicht zu tun. Dann setzte sie sich zu Tisch und aß das Sauerkraut; die Totenknochen verbarg sie aber im Tischtuch. Nachdem sie ihren Hunger gestillt, vertrieb sie sich durch allerlei Dinge die Zeit, bis der Abend ins Tal sank. Dann kam wieder das graue Männlein mit dem weißen Pudel nach Hause und fragte sogleich, ob sie die Totengebeine gegessen habe. Sie besann sich nicht lange und sagte gleich ja.
Da wandte sich das Männlein an seinen Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!«
Alsogleich machte sich der weiße Pudel auf und schnupperte und witterte lange Zeit in der Stube umher, bis er endlich die Tischlade herauszog, die Totenknochen darin fand und sie dem grauen Männlein vor die Füße legte. Wie das Zwerglein die Gebeine sah, wurde es ganz wütend, lief in die Küche, holte sich dort ein Beil und schlug damit die Magd tot.
Als nach vielen Wochen die älteste Tochter noch nie zu den Ihrigen zurückgekommen war und sie keine Kunde von ihr erhalten hatten, dachte die zweite Tochter des Bäuerleins bei sich: Meine älteste Schwester muß ein rechtes Glück gehabt haben, daß sie uns so ganz und gar vergißt. Dabei stieg ihr der Gedanke auf, auch in die Stadt zu gehen und dort das Glück zu versuchen.
Gedacht, getan. Sie packte ihre Kleider und Habseligkeiten zusammen, nahm einen Laib Brot und ein Stück Käse mit und machte sich, nachdem sie von ihrem Vater Abschied genommen hatte, auf den Weg in die Stadt. Als sie eine Strecke gegangen war, kam sie zum großen, stockfinsteren Wald, in dem sie sich auch, als sie müde und hungrig war, niederließ und sich mit Brot und Käse laben wollte. Da kam auch wieder der weiße Pudel und setzte sich ihr gegenüber und blickte so lüstern auf das Brot, als ob er ihr jeden Bissen wegschnappen wollte. Das Mädchen hatte aber ein steinhartes Herz, aß sich selbst satt und warf dem bettelnden Hund kein Bröslein vor. Dann stand sie auf und wollte ihres Weges weitergehen.
Da fing der weiße Hund plötzlich zu reden an und sprach: »Wenn du tiefer in den Forst kommst, wird dir ein graues Männlein begegnen. Das wird dich fragen, ob du nicht in seine Dienste treten möchtest. Du wirst bei ihm zwar nur Sauerkraut und Totengebeine zu essen bekommen, und die Kost wird schmal sein. Ich rate dir aber, sein Angebot gleich anzunehmen.«
Nach diesen Worten war der Pudel verschwunden. Das Mädchen konnte sich über den redenden Pudel und seinen Rat nicht wenig wundern, verlor jedoch nicht den Mut und dachte sich, da kann ich vielleicht mein Glück finden. Guter Dinge wanderte sie nun weiter in den dichten, dunklen Forst hinein und hing ihren Gedanken nach. Als sie ein gutes Stück Weges gegangen war, stand plötzlich das kleine Männlein mit dem langen, eisgrauen Bart vor ihr und fragte sie, ob sie nicht bei ihm als Magd dienen wollte; zu essen bekomme sie aber nur Totengebeine und Sauerkraut. Sie ließ sich jedoch dadurch nicht abschrecken und nahm das Angebot an. Das graue Männlein führte sie nun über Stock und Stein, bergauf, bergab durch den finsteren Wald, bis sie endlich in der schauerlichsten Wildnis das alte Schloß sahen. In dieses gingen das Männlein und die Magd, die gar müde und schläfrig war und alsbald ihr Bett aufsuchte.
Am anderen Tag wies das Männlein der neuen Magd ihre Arbeit an, zeigte ihr dies und das und gab ihr die besagte Kost. Dann verließ er mit dem weißen Pudel das Schloß und verschwand im wilden Wald.
Die Magd besorgte ihre Arbeiten, und als sie beendet waren, setzte sie sich auf die Küchenbank, nahm das Tellerchen mit der ekelhaften Kost, suchte die Totengebeine heraus und verbarg sie unter der Asche. Dann nahm sie das Kraut und stillte damit ihren Hunger. Später schaute sie sich im Schloß um und schaffte dies und das, bis es Abend wurde. Nun kam auch das graue Männlein mit seinem weißen Pudel heim und fragte alsbald, ob sie Kraut und Totengebeine gegessen habe. Sie bejahte ohne Zaudern seine Frage.
Da wandte sich das Männlein an seinen Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!«
Sogleich sprang der Pudel auf und schnupperte und stöberte in allen Ecken und Enden der Küche, bis er schließlich zum Aschenhaufen kam und darin die gesuchten Knochen fand. Wie das Zwerglein die Gebeine sah, schäumte es vor Wut, griff nach dem Beil und köpfte damit die lügnerische Magd.
Indessen war auch das arme Bäuerlein gestorben, und das verschuldete Anwesen fiel den Gläubigern anheim. Da blieb der jüngsten Tochter auch keine Wahl, und sie mußte ihr Brot in der weiten Welt suchen. Sie schnürte deshalb ihr Bündel und machte sich auf den nächstbesten Weg, der nach ihrer Meinung in die Stadt führte.
Da kam auch sie in den großen Wald, und als sie eine lange Strecke darin gegangen war, fühlte sie Müdigkeit an ihren Gliedern und Leere in ihrem Magen. Sie setzte sich deshalb auf einen alten, bemoosten Baumstamm, um ein wenig auszurasten und sich zu stärken. Als sie so dasaß und ihr hartes Brot kaute, kam wieder der weiße Pudel und setzte sich ihr gegenüber. Da schaute er so unverwandt und lüstern nach dem Stücklein Brot in ihrer Hand, daß sie gleich wußte, was er haben wollte. Sie hatte nun das größte Mitleid mit ihm und gab ihm all ihr Brot, obwohl sie erst wenig davon gegessen hatte.
Da aß der Pudel, daß es eine Freude war, und hernach fing er zu reden an und sprach: »Dir wird im Wald ein graues Männlein begegnen und dich fragen, ob du etwa bei ihm dienen möchtest. Zu essen wirst du bei ihm jedoch nichts bekommen als Sauerkraut und Totengebeine. Willige aber nur in den Antrag, denn die Knochen kannst du ja in den Garten hinunterwerfen, dort werde ich sie schon verscharren.«
Nach dieser Rede war der Pudel aus ihren Augen verschwunden. Obwohl ihr die Geschichte mit diesem Tier nicht geheuer vorkam, fürchtete sie sich doch nicht, nahm ihr Bündel wieder auf und setzte ihren Weg fort. Als sie wieder ein Stück Weges zurückgelegt hatte, begegnete ihr das Männlein mit dem eisgrauen Bart und fragte sie, ob sie in seinen Dienst treten möchte. Sie hätte nicht viel zu arbeiten, aber zu essen werde sie nur Sauerkraut samt Totengebeinen bekommen. Das Mädchen dachte an die Worte des Pudels, sagte gleich zu und folgte dem kleinen Zwerg, der sie lange, lange durch den dichten Wald führte, bis sie endlich zum alten, großen Schloß kamen. Nun war das Mädchen aber müde und matt, daß ihm die Augen zufielen, und suchte bald sein Bettchen auf, wo es ruhig und sanft bis zum folgenden Morgen schlief.
Als die Sonne hinter den Bergen emporstieg, stand auch die neue Magd auf und ging an ihre Arbeit. Das Männchen wies ihr das Tagwerk an, gab ihr die ekelhafte Kost und verließ dann mit dem weißen Pudel das Schloß. Das Mädchen tat nun gewissenhaft die Arbeit, und als es diese beendet hatte, nahm es sein Schüsselchen, stillte mit dem Sauerkraut seinen Hunger und warf die Gebeine in den Garten hinab, wo sie der Pudel vergrub.
Als die Sonne untergegangen war und es Nacht wurde, kam das graue Männlein nach Hause und fragte das Mädchen, ob es Kraut und Knöchlein gegessen habe. Da sagte die Magd ja, obwohl ihr dabei das Herz pochte.
Das Männlein wandte sich nun an den Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!« Doch dieser machte keine, und die vergrabenen Gebeine kamen nicht an das Licht.
Darob schien das Männlein froh und munter zu sein, und es sprach zur Magd: »Danke Gott und steh heute um elf Uhr auf und bete bis zwölf Uhr, dann wird dir nichts geschehen. Fürchte dich nur nicht vor dem Löwen und den Untieren, die dich zu verschlingen drohen werden. Wenn du ausharrst, sollst du glücklich werden.«
Die Magd folgte den Worten des Zwergleins genau. Sie ging nach vollendeter Arbeit in ihre Kammer, warf sich auf die Knie und betete mit größter Andacht. Kaum begann es aber auf dem Schloßturm elf Uhr zu schlagen, entstand ein so schreckliches Lärmen und Poltern im Schloß, daß alle Mauern zitterten. Türen flogen auf und zu, und es schien, als ob die wilde Fahrt los sei. Bald flog auch die Kammertür auf, und schreckenerregende Ungetüme kamen hereingesprungen und drohten unter ohrenzerreißendem Geheul, das Mädchen zu verschlingen. Doch dieses ließ sich im Beten nicht irremachen, sondern flehte nur noch inbrünstiger zu Gott, bis es zwölf Uhr schlug. Da wurde es aber wieder mäuschenstill, und die müde Magd legte sich ins Bett und schlief bis der Morgen graute.
Wie war sie aber überrascht, als sie morgens ihre Augen öffnete, denn sie befand sich nicht in ihrer kleinen, düsteren Kammer, sondern in einem großen, herrlichen Zimmer. Sie ruhte in einem seidenen Bett anstatt auf ihrem elenden Strohsack, und die Wände waren mit den herrlichsten Spiegeln geschmückt. Sie konnte sich an all dieser Pracht und Herrlichkeit nicht satt sehen, stand auf und wollte sich ankleiden. Da waren die schönsten Kleider für sie bereitet, und ihr früheres Gewändlein war nicht mehr zu finden.
Nachdem sie sich angekleidet hatte, trat ein wunderschöner Jüngling in das Zimmer und dankte ihr innigst für seine und seines Vaters Rettung. Denn sie beide waren verzaubert gewesen, er in den weißen Pudel und sein Vater in das alte Männlein, und waren nun wieder erlöst. Zum Dank für die Rettung machte er das brave Mädchen zu seiner Frau und hielt noch am selben Tag seine Hochzeit. Da schmetterten Pauken und Trompeten, und die Gläser klangen, als ob Kirchweih wäre. Sie und der Ritter blieben auch ihr Lebtag so glücklich wie am Hochzeitstag und erreichten ein hohes Alter.
Dieser Staat, den sie führten, kostete aber viel Geld, und das arme Bäuerlein sah, daß er bei dieser Wirtschaft trotz allem Sichabschinden auf die Gant kommen müßte. Deshalb sagte er eines Tages zu seinen Töchtern: »Meine Kinder, die Sache wird mir bald zu arg, wenn ich alle drei länger kleiden und nähren soll. Ihr seid so alt, daß ihr euch selbst das Brot verdienen könnt, und deshalb mein‘ ich, soll eine von euch in einen Dienst gehen.«
Damit war die älteste sogleich einverstanden, denn sie glaubte, sie werde wegen ihrer Schönheit in der Stadt ein gutes Unterkommen finden. Sie packte ihre Kleider und Habseligkeiten zusammen und verließ voll schöner Hoffnungen die väterliche Hütte. Sie schlug den nächstbesten Weg ein und kam bald in einen großen, stockfinsteren Wald, der sich viele Stunden ausdehnte. Als sie einige Stunden im Forst fortgegangen war, fühlte sie Müdigkeit in ihren Gliedern und Hunger in ihrem Magen. Sie setzte sich deshalb auf einen Stein, der am Weg lag, und zog ein Stück Brot aus ihrem Kittelsack, um sich zu laben. Kaum hatte sie aber zu essen angefangen, als ein schneeweißer Pudel kam und sich ihr gegenübersetzte. Es war ein abgemagertes Tier, und der Hunger sah aus seinen Augen. Er winselte und bat um ein Stücklein Brot, aber die Hartherzige dachte sich, Selbstessen macht fett, und kümmerte sich um den Pudel blutwenig.
Nachdem sie sich gestärkt hatte und weitergehen wollte, fing der Hund plötzlich an zu reden und sprach: »Wenn du weiter in den Wald kommst, wird dir ein graues Männlein begegnen, das dich fragen wird, ob du nicht bei ihm in Dienst treten möchtest. Du wirst bei ihm zwar nur Sauerkraut und Totengebeine zu essen bekommen, ich rate dir aber, sein Angebot gleich anzunehmen.«
Nach diesen Worten war der Pudel verschwunden. Darüber verwunderte sich das Mädchen nicht wenig, noch mehr aber über das graue Männlein und seine sonderbare Kost. Sie sah gar wohl ein, daß es hier nicht mit gewöhnlichen Dingen zugehe, und beschloß den Dienst anzunehmen. Gefaßten Mutes ging sie weiter durch den Wald und wünschte sich nach Hause zurück.
Sie war noch nicht weit gegangen, da begegnete ihr wirklich ein kleines Männlein, dem ein eisgrauer Bart bis auf die Füße reichte, und fragte sie, ob sie bei ihm in Dienst treten wolle; zu essen bekäme sie aber nur Sauerkraut und Totengebeine. Das Mädchen sagte ohne Bedenken zu und folgte dem graubärtigen Männlein. Dieses führte sie lange, lange Zeit fort über Stock und Stein, bergauf, bergab, bis sich endlich ein großes, altes Schloß zeigte. Er führte die Magd hinein, die gar müde und schläfrig war und alsbald ihr Bett aufsuchte.
Am anderen Tag zeigte ihr das Männlein die Arbeiten, die sie besorgen sollte, gab ihr Sauerkraut und Totengebein und verließ dann mit dem weißen Pudel, den sie am vorigen Tag im Wald gesehen hatte, das alte Schloß.
Sie ging an ihre Arbeit und hatte sie bald verrichtet, denn viel hatte sie nicht zu tun. Dann setzte sie sich zu Tisch und aß das Sauerkraut; die Totenknochen verbarg sie aber im Tischtuch. Nachdem sie ihren Hunger gestillt, vertrieb sie sich durch allerlei Dinge die Zeit, bis der Abend ins Tal sank. Dann kam wieder das graue Männlein mit dem weißen Pudel nach Hause und fragte sogleich, ob sie die Totengebeine gegessen habe. Sie besann sich nicht lange und sagte gleich ja.
Da wandte sich das Männlein an seinen Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!«
Alsogleich machte sich der weiße Pudel auf und schnupperte und witterte lange Zeit in der Stube umher, bis er endlich die Tischlade herauszog, die Totenknochen darin fand und sie dem grauen Männlein vor die Füße legte. Wie das Zwerglein die Gebeine sah, wurde es ganz wütend, lief in die Küche, holte sich dort ein Beil und schlug damit die Magd tot.
Als nach vielen Wochen die älteste Tochter noch nie zu den Ihrigen zurückgekommen war und sie keine Kunde von ihr erhalten hatten, dachte die zweite Tochter des Bäuerleins bei sich: Meine älteste Schwester muß ein rechtes Glück gehabt haben, daß sie uns so ganz und gar vergißt. Dabei stieg ihr der Gedanke auf, auch in die Stadt zu gehen und dort das Glück zu versuchen.
Gedacht, getan. Sie packte ihre Kleider und Habseligkeiten zusammen, nahm einen Laib Brot und ein Stück Käse mit und machte sich, nachdem sie von ihrem Vater Abschied genommen hatte, auf den Weg in die Stadt. Als sie eine Strecke gegangen war, kam sie zum großen, stockfinsteren Wald, in dem sie sich auch, als sie müde und hungrig war, niederließ und sich mit Brot und Käse laben wollte. Da kam auch wieder der weiße Pudel und setzte sich ihr gegenüber und blickte so lüstern auf das Brot, als ob er ihr jeden Bissen wegschnappen wollte. Das Mädchen hatte aber ein steinhartes Herz, aß sich selbst satt und warf dem bettelnden Hund kein Bröslein vor. Dann stand sie auf und wollte ihres Weges weitergehen.
Da fing der weiße Hund plötzlich zu reden an und sprach: »Wenn du tiefer in den Forst kommst, wird dir ein graues Männlein begegnen. Das wird dich fragen, ob du nicht in seine Dienste treten möchtest. Du wirst bei ihm zwar nur Sauerkraut und Totengebeine zu essen bekommen, und die Kost wird schmal sein. Ich rate dir aber, sein Angebot gleich anzunehmen.«
Nach diesen Worten war der Pudel verschwunden. Das Mädchen konnte sich über den redenden Pudel und seinen Rat nicht wenig wundern, verlor jedoch nicht den Mut und dachte sich, da kann ich vielleicht mein Glück finden. Guter Dinge wanderte sie nun weiter in den dichten, dunklen Forst hinein und hing ihren Gedanken nach. Als sie ein gutes Stück Weges gegangen war, stand plötzlich das kleine Männlein mit dem langen, eisgrauen Bart vor ihr und fragte sie, ob sie nicht bei ihm als Magd dienen wollte; zu essen bekomme sie aber nur Totengebeine und Sauerkraut. Sie ließ sich jedoch dadurch nicht abschrecken und nahm das Angebot an. Das graue Männlein führte sie nun über Stock und Stein, bergauf, bergab durch den finsteren Wald, bis sie endlich in der schauerlichsten Wildnis das alte Schloß sahen. In dieses gingen das Männlein und die Magd, die gar müde und schläfrig war und alsbald ihr Bett aufsuchte.
Am anderen Tag wies das Männlein der neuen Magd ihre Arbeit an, zeigte ihr dies und das und gab ihr die besagte Kost. Dann verließ er mit dem weißen Pudel das Schloß und verschwand im wilden Wald.
Die Magd besorgte ihre Arbeiten, und als sie beendet waren, setzte sie sich auf die Küchenbank, nahm das Tellerchen mit der ekelhaften Kost, suchte die Totengebeine heraus und verbarg sie unter der Asche. Dann nahm sie das Kraut und stillte damit ihren Hunger. Später schaute sie sich im Schloß um und schaffte dies und das, bis es Abend wurde. Nun kam auch das graue Männlein mit seinem weißen Pudel heim und fragte alsbald, ob sie Kraut und Totengebeine gegessen habe. Sie bejahte ohne Zaudern seine Frage.
Da wandte sich das Männlein an seinen Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!«
Sogleich sprang der Pudel auf und schnupperte und stöberte in allen Ecken und Enden der Küche, bis er schließlich zum Aschenhaufen kam und darin die gesuchten Knochen fand. Wie das Zwerglein die Gebeine sah, schäumte es vor Wut, griff nach dem Beil und köpfte damit die lügnerische Magd.
Indessen war auch das arme Bäuerlein gestorben, und das verschuldete Anwesen fiel den Gläubigern anheim. Da blieb der jüngsten Tochter auch keine Wahl, und sie mußte ihr Brot in der weiten Welt suchen. Sie schnürte deshalb ihr Bündel und machte sich auf den nächstbesten Weg, der nach ihrer Meinung in die Stadt führte.
Da kam auch sie in den großen Wald, und als sie eine lange Strecke darin gegangen war, fühlte sie Müdigkeit an ihren Gliedern und Leere in ihrem Magen. Sie setzte sich deshalb auf einen alten, bemoosten Baumstamm, um ein wenig auszurasten und sich zu stärken. Als sie so dasaß und ihr hartes Brot kaute, kam wieder der weiße Pudel und setzte sich ihr gegenüber. Da schaute er so unverwandt und lüstern nach dem Stücklein Brot in ihrer Hand, daß sie gleich wußte, was er haben wollte. Sie hatte nun das größte Mitleid mit ihm und gab ihm all ihr Brot, obwohl sie erst wenig davon gegessen hatte.
Da aß der Pudel, daß es eine Freude war, und hernach fing er zu reden an und sprach: »Dir wird im Wald ein graues Männlein begegnen und dich fragen, ob du etwa bei ihm dienen möchtest. Zu essen wirst du bei ihm jedoch nichts bekommen als Sauerkraut und Totengebeine. Willige aber nur in den Antrag, denn die Knochen kannst du ja in den Garten hinunterwerfen, dort werde ich sie schon verscharren.«
Nach dieser Rede war der Pudel aus ihren Augen verschwunden. Obwohl ihr die Geschichte mit diesem Tier nicht geheuer vorkam, fürchtete sie sich doch nicht, nahm ihr Bündel wieder auf und setzte ihren Weg fort. Als sie wieder ein Stück Weges zurückgelegt hatte, begegnete ihr das Männlein mit dem eisgrauen Bart und fragte sie, ob sie in seinen Dienst treten möchte. Sie hätte nicht viel zu arbeiten, aber zu essen werde sie nur Sauerkraut samt Totengebeinen bekommen. Das Mädchen dachte an die Worte des Pudels, sagte gleich zu und folgte dem kleinen Zwerg, der sie lange, lange durch den dichten Wald führte, bis sie endlich zum alten, großen Schloß kamen. Nun war das Mädchen aber müde und matt, daß ihm die Augen zufielen, und suchte bald sein Bettchen auf, wo es ruhig und sanft bis zum folgenden Morgen schlief.
Als die Sonne hinter den Bergen emporstieg, stand auch die neue Magd auf und ging an ihre Arbeit. Das Männchen wies ihr das Tagwerk an, gab ihr die ekelhafte Kost und verließ dann mit dem weißen Pudel das Schloß. Das Mädchen tat nun gewissenhaft die Arbeit, und als es diese beendet hatte, nahm es sein Schüsselchen, stillte mit dem Sauerkraut seinen Hunger und warf die Gebeine in den Garten hinab, wo sie der Pudel vergrub.
Als die Sonne untergegangen war und es Nacht wurde, kam das graue Männlein nach Hause und fragte das Mädchen, ob es Kraut und Knöchlein gegessen habe. Da sagte die Magd ja, obwohl ihr dabei das Herz pochte.
Das Männlein wandte sich nun an den Pudel und sprach: »Weißer, mach deine Künste!« Doch dieser machte keine, und die vergrabenen Gebeine kamen nicht an das Licht.
Darob schien das Männlein froh und munter zu sein, und es sprach zur Magd: »Danke Gott und steh heute um elf Uhr auf und bete bis zwölf Uhr, dann wird dir nichts geschehen. Fürchte dich nur nicht vor dem Löwen und den Untieren, die dich zu verschlingen drohen werden. Wenn du ausharrst, sollst du glücklich werden.«
Die Magd folgte den Worten des Zwergleins genau. Sie ging nach vollendeter Arbeit in ihre Kammer, warf sich auf die Knie und betete mit größter Andacht. Kaum begann es aber auf dem Schloßturm elf Uhr zu schlagen, entstand ein so schreckliches Lärmen und Poltern im Schloß, daß alle Mauern zitterten. Türen flogen auf und zu, und es schien, als ob die wilde Fahrt los sei. Bald flog auch die Kammertür auf, und schreckenerregende Ungetüme kamen hereingesprungen und drohten unter ohrenzerreißendem Geheul, das Mädchen zu verschlingen. Doch dieses ließ sich im Beten nicht irremachen, sondern flehte nur noch inbrünstiger zu Gott, bis es zwölf Uhr schlug. Da wurde es aber wieder mäuschenstill, und die müde Magd legte sich ins Bett und schlief bis der Morgen graute.
Wie war sie aber überrascht, als sie morgens ihre Augen öffnete, denn sie befand sich nicht in ihrer kleinen, düsteren Kammer, sondern in einem großen, herrlichen Zimmer. Sie ruhte in einem seidenen Bett anstatt auf ihrem elenden Strohsack, und die Wände waren mit den herrlichsten Spiegeln geschmückt. Sie konnte sich an all dieser Pracht und Herrlichkeit nicht satt sehen, stand auf und wollte sich ankleiden. Da waren die schönsten Kleider für sie bereitet, und ihr früheres Gewändlein war nicht mehr zu finden.
Nachdem sie sich angekleidet hatte, trat ein wunderschöner Jüngling in das Zimmer und dankte ihr innigst für seine und seines Vaters Rettung. Denn sie beide waren verzaubert gewesen, er in den weißen Pudel und sein Vater in das alte Männlein, und waren nun wieder erlöst. Zum Dank für die Rettung machte er das brave Mädchen zu seiner Frau und hielt noch am selben Tag seine Hochzeit. Da schmetterten Pauken und Trompeten, und die Gläser klangen, als ob Kirchweih wäre. Sie und der Ritter blieben auch ihr Lebtag so glücklich wie am Hochzeitstag und erreichten ein hohes Alter.
(mündlich aus dem Zillertal)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]