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Nun also, es war einstmals ein sehr mächtiger, reicher König. Jener König hatte einen einzigen schönen Sohn. So sprach zum König sein Sohn:
»Lieber Vater, lasst mich mit den zwölf Jägern jagen gehen!«
Sprach zu ihm sein Vater:
»Ich würde dich schon lassen, lieber Sohn, doch du kannst das Pferdegeschüttel nicht aushalten.«
Sprach der kleine Knabe:
»Seid so gut und lasst das Pferd satteln und die zwölf Jäger sich bereit machen, dass ich mit ihnen ausziehen kann, wenn auch das Pferd ein bischen schüttelt.«
Damit machte er sich auf, und sie zogen hinaus zum Jagdplatz, auf den Schneeberg, und unter einem Baum dort hielten sie an. Da sprach der kleine Knabe:
»Meine lieben Gefährten, ich bin müde und werde mich niederlegen; ihr elf geht jagen, der zwölfte bleibe hier.«
Da gingen auch die elf Jäger jagen, und der zwölfte blieb dort bei ihm. Plötzlich kamen drei Königstöchter des Wegs. Spricht die Älteste:
»Liebe Schwester, was für ein schöner Prinz liegt dort! Wenn ich mir den zu eigen machen könnte, ich würde sein ganzes Heer aus einem Spinnfaden ein Jahr lang kleiden.«
Spricht darauf das mittelste Mädchen:
»Wenn ich diesen Königssohn mir zu eigen machen könnte, ich würde das ganze Heer mit einem Gerstenbrot erhalten!«
Spricht die jüngste:
»Meine beiden lieben Schwestern, wenn ich jenen Königssohn mir zu eigen machen könnte, ich würde ihm zwölf goldhaarige Kinder schenken gleich wie zwölf Tulpen.«
Der Königssohn schlief fest und hörte nichts; nur der Jäger hörte, was sie sagten. Eine winzige Fliege zwickte den Königssohn, und davon erwachte er. Sagt der Jäger zu ihm:
»Lieber Königssohn, habt die Güte, wenn Euch meine Rede nicht zu nahe tritt, und hört mir zu, ich könnte Euch eine Kunde sagen.«
Der Königssohn war sehr erpicht darauf: »Na, nur los, sag an!«
Da erzählte der Jäger schön der Reihe nach, was die Prinzessinnen gesagt hatten, während der Königssohn schlief. Da liess der Königssohn den Jäger das Hifthorn blasen, und die andern Jäger kamen herbei. Sprach der Königssohn:
»Meine lieben Jägerfreunde, macht euch bereit, wir jagen nicht weiter.« Sie zogen heimwärts.
Sein Vater lief ihnen entgegen und hob den Knaben vom Pferd herunter und fragte ihn:
»Lieber Sohn, ist dir auch nichts zugestossen?« Der Königssohn entgegnete:
»Nein, nicht das mindeste.«
Sehr bald ging der Königssohn hinein; sie trinken einen Becher Wein, essen ein Stück Brot, und allsogleich sagt er zu seinem Vater:
»Lasst für mich eine Kutsche mit vier Pferden bespannen!«
Gleich lässt sein Vater eine Kutsche mit vier Pferden bespannen, und sie fahren zum Schloss des Schwarzen Königs. Sie treten ein, grüssen:
»Guten Tag, Majestät!«
»Willkommen, liebes Kind, was führt euch her?«
»Wir sind zu Euer Majestät gekommen, um uns umzuschauen; aber hauptsächlich sind wir gekommen, dass Ihr mir Eure jüngste Tochter zur Gemahlin gebt.«
Der König gab die Tochter auch gleich, und sie machten aus, wann die Hochzeit sein sollte; aber sie blieben nicht die ganze Zeit dort. Sie machten sich auf und fuhren heim, und der Königssohn sprach zu seinem Vater:
»Lieber, guter Vater, wir waren fortgegangen, um eine Gemahlin für mich zu werben.«
Nun, und da rüsteten sie also auch hier und dort eifrig für die Hochzeit. Mit vierundzwanzig Kutschen holten sie das Mädchen ein und brachten sie, und die Hochzeit wurde begangen, und sie lebten in Glück und Freude.
Doch die beiden andern Töchter des Königs härmten sich, dass ihre jüngste Schwester verheiratet war, sie aber zu Hause geblieben waren. Spricht die älteste Tochter zu ihrem Vater:
»Vater, wo habt Ihr Euren Verstand gehabt, dass Ihr Eurer jüngsten Tochter einen Gemahl gabt und uns hier in Schmach und Schande sitzen lasst!« Spricht die Mittelste:
»Vater, wenn Ihr uns hier in Schmach und Schande sitzen gelassen habt, lasst uns auf einem grossen Schneeberg einen zweistöckigen Palast machen, dass wir dorthin ziehen und da wohnen, denn wir können die Schmach hier im Hause nicht mehr ertragen.«
Der König rief sogleich Maurer und Bauaufseher zusammen und liess den Palast bauen. Er versah ihn mit allem, was zu einem königlichen Leben gehört, und die beiden Mädchen zogen dahin.
Die jüngste Prinzessin wurde guter Hoffnung, und es kam die Zeit, dass der Königssohn ins Feld ziehen musste. Der Königssohn war sehr bekümmert und bat seine Eltern, sie sollten so für die Prinzessin Sorge tragen »wie für mich, als ich noch klein war, dass ihr kein Leid geschehe, bis ich heimkehre.« Sprach sein Vater:
»Sei unbesorgt, denn wir werden mit Gottes Hülfe für sie Sorge tragen, während du fort bist.«
Damit nahm der junge König unter bitteren Tränen von seiner Gemahlin Abschied und zog fort von Hause.
Als es ein Jahr war, dass er von dannen gezogen war, kam seine Gemahlin ins Kindbett. Sie brachte mit einem Schlage zwölf goldhaarige Knaben zur Welt, die waren wie zwölf Tulpen. In die liebe Sonne hättet ihr eher schauen können als auf sie. Da freuten sich die Alten sehr, dass Gottes Macht ihrer Schwiegertochter zwölf so schöne goldhaarige Knaben geschenkt hatte. Sie liessen ihr auf der Stelle vier Wärterinnen holen und dazu auch zwölf Doktoren, damit ihr nichts zustossen sollte. Sprach der alte König:
»Mein Kind, wir sind jetzt dafür, dass wir unserm Sohn auch die frohe Botschaft melden sollten.«
Gleich schrieb der König einen Brief und versiegelte ihn. Am Hofe war ein alter Mann. Den rüsteten sie aus und gaben ihm den Brief in die Hand, dass er auf der Stelle hingehe und ihn dem erlauchten Königssohn übergebe. Der Alte zog die Strasse durch das Schneegebirge, wo die beiden älteren Töchter des Schwarzen Königs wohnten, just an dem Weg. Die Mädchen erspähten den Alten von ihrer Burg aus, riefen ihn ins Schloss und fragten ihn, was ihn herführe. Der Alte erzählte die Sache. Sogleich liessen sie ihn niedersitzen, essen und trinken. Der Alte betrank sich wie ein Schwein, und die Prinzessinnen nahmen ihm den Brief fort. Sie vertauschten ihn mit einem andern und hiessen ihn, bei der Rückkehr zu ihnen herein kommen.
Als der junge König den Brief gelesen hatte, begann er so zu weinen, dass alle, die bei ihm waren, vor Kummer in Weinen ausbrachen. Also stand es im Briefe geschrieben:
»Wahrlich, lieber Sohn, du hast uns solch eine Schwiegertochter gebracht, die dir zwölf junge Hunde geboren hat.«
Schrieb der Königssohn zurück: »Der mächtige Gott hat mich schwer heimgesucht; doch ob Hunde- ob Katzenjunge, sorgt für sie, bis ich heimkomme.«
Wieder ging der Alte beim Schneebergschloss vorüber, und die Prinzessinnen riefen ihn hinein, liessen ihn sich betrinken, dass er nichts mehr von sich selber wusste, und vertauschten den Brief. Sie schrieben hinein: »Die zwölf goldhaarigen Knaben werft ins Meer, meine Gemahlin jedoch schneidet in Stücke!«
Der alte Mann ging heim und übergab dem König den Brief. Kaum hatte er hineingeblickt, da begannen sofort seine Tränen zu fliessen. Darauf eilte die alte Königin herbei, warum der König weinte, und auch sie begann auf der Stelle zu weinen. Dann sagte einer zum andern, ob er denn gar kein Herz hätte, dass er jene zwölf schönen Kinder ins Meer werfen und ihre Mutter in Stücke schneiden wollte? Der König ging hinein zur Schwiegertochter, und da sah seine Schwiegertochter, dass der König so heftig weinte. Also fragte die Schwiegertochter:
»Was ist denn, lieber guter Vater? schon zwei Jahre bin ich hier, und bisher sah ich Euch noch niemals weinen!«
Sprach drauf der König:
»Lass, mein Kind, denn nicht zu deinem Wohle ist’s, worum ich weine.«
Gleich fragte die junge Königin, ob ihr Gemahl vielleicht einen Brief geschickt habe, und sagte:
»Gebt ihn her, damit ich ihn auch lese.«
Da gab ihn der König; sie schaute in den Brief und sah, was darin geschrieben stand, und begann zu weinen wie der strömende Regen. »Wenn er wusste, dass er mich verderben werde, warum liess er mich dann nicht in Frieden!«
Auf der Stelle las der König Zimmerleute aus und liess eine Arche für sie machen, und elf Knaben wurden ins Meer geworfen, der zwölfte wurde neben sie in die Arche gelegt, und dann stiessen sie sie in das Meer. Also sprach der König:
»Gott behüte dich, das wünsche ich.«
Als ein Jahr verflossen war, kam der Königssohn heim; aber er war voll Kummer, dass sie seine Gemahlin getötet hatten. An ihrer Statt heiratete er die ältere Schwester seiner Gemahlin.
Das Meer trug sie dahin und dorthin. Wie die Arche weit, weit gefahren war, trug das Meer sie an eine Meeresinsel. Der Knabe war unterdessen in der Arche so gewachsen, dass er kaum noch Platz drinnen hatte. Der Knabe stiess an die Archenwand, und da stürzte sie ein. Sie gingen hinaus und sanken aufs Knie und dankten Gott, dass er sie aufs Trockene geleitet. Da sprach Christus zu St. Peter:
»Peter, blicke hinunter auf die Erde; was siehst du?«
»Mein Herr und Schöpfer, ich sehe eine Frau, die hat einen kleinen Sohn; auf den Knieen flehen sie zu Gott.« Sagt Christus:
»Nun siehst du, Peter, dieser Knabe ist noch nicht getauft; wir wollen hinabsteigen und ihn taufen.«
Unser Herr Christus ging mit Peter fort und stieg hinab zu ihnen, und sie tauften den Knaben Schilf- Peter. Plötzlich sagt unser Herr Christus zu St. Peter:
»Nun lass uns ihm etwas schenken!«
Sie gaben ihm einen ganzen Anzug und gaben ihm einen solchen Pfeil, dass wonach auch immer auf Erden damit geschossen wurde, das musste niederfallen. Unser Herr Christus gab ihm einen Apfel und sagte ihm:
»Nun Peter, geh und such dir solch einen schönen Platz, wo du gern wohnen möchtest, wirf diesen Apfel in die Höhe, und aus ihm wird ein zweistöckiger Palast werden, und so lange ihr lebt, kannst du mit deiner lieben Mutter darinnen wohnen.«
Wie sie wanderten, gelangten sie auf ein Feld. Da sprach die Mutter:
»Wohin gehen wir jetzt, lieber Sohn? denn wir haben kein Reich und kein Haus.«
»Lass nur, liebe Mutter, denn Gott hat es bestimmt.«
Dann warf er den Apfel in die Höhe, und der zweistöckige Palast erstand. Nun lebte er mit seiner lieben Mutter glücklich in diesem zweistöckigen Palast. Doch unser Herr Christus hatte ihm auch eine goldene Gerte gegeben, und Schilf-Peter warf die goldene Gerte über das Meer, und aus ihr wurde ein grosses Schiff, mit dem konnte man auch Wagen hinüber führen.
Einstmals kamen drei Knechtewagen vom Hof seiner Mutter; sie führten Proviant für des Grünen Königs Heer hinüber. Und als sie dort bei ihnen angelangt waren, ging ein Knecht hinein und sagte zu dem Knaben:
»Schifferknabe, seid so gut und setzt uns für Geld über!«
Fragte Peter: »Von wannen kommt ihr?«
Er erzählte, dass sie vom Roten König kommen. Jetzt war Peter auch nicht faul, sprang auf, lief hinaus und erblickte die Wagen mit der Last. Sogleich rief er die Knechte herein und setzte sie an den Tisch; er versah sie mit Speise und Trank und setzte sie auf dem Schiff über. Anderntags kamen die Knechte zurück. Wiederum holte er sie herüber, lud sie ein und bewirtete sie wieder. Die Knechte machten sich auf, heim zu gehen. Peter hatte einen kleinen Hund. Also sprach er zum ältesten Knecht:
»Lieber guter Herr Onkel, seid so gut und nehmt diesen kleinen Hund mit. Wenn Ihr zum König hineingehen werdet, lasst ihn auch hinein; doch achtet darauf, dass er auch hinaus kommen kann, wenn Ihr hinausgeht.«
Sie laugten zu Hause an, spannten die Tiere aus und banden sie an ihren Plätzen an. Der Knecht eilte zu berichten, wie es ihnen ergangen war. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Aber ich habe Euer Majestät eine Kunde mitgebracht.«
»Gern hört ich die Kunde,« sagte der König.
»Erlauchter Vater König, ich bitte schön, ich bringe die Kunde: da und da an der Meeresinsel lebt ein Schifferknabe. Wir boten ihm Geld, weil er uns übersetzte, doch das nahm er nicht. Zurück holte er uns auch wieder; aber auch dann begehrte er nichts; mit Speise und Trank bewirtete er uns schön.«
Entgegnet drauf die Königin:
»Eine noch grössere Lüge weiss ich zu melden.«
Spricht der König: »Was das wäre, hörte ich gern.«
»Da und da am Meer ist ein Eber, so gross wie ein dreijähriger Stier. Wenn sich ein Mensch fände, der hinginge und jenen Eber von dort fortführte und ihn bändigte, würde er in einem Jahr so viel ackern, dass er es selbst in sechs Jahren nicht aufbrauchen könnte.«
All das hörte der kleine Hund. Dann verabschiedete sich der Knecht, öffnete die Tür, und sie gingen hinaus. Das Hündchen machte sich auf, und in einem Augenblinzeln war es daheim. Fragt es sein Herr, was es beim König gehört habe. Spricht das Hündchen:
»Vor allen Dingen bin ich hungrig, habe keine Zeit zum unterhalten.« Sogleich gab Peter dem Hund zu essen, und er ass sich satt und sprach zu Peter:
»Das sagte die Königin: am Meer ist ein Eber, so gross wie ein dreijähriger Stier. Wenn sich ein Mensch fände, der hinginge und jenen Eber von dort fortführte und ihn bändigte, so würde er in einem Jahr soviel ackern, dass er es selbst in sechs Jahren nicht aufbrauchen könnte.«
Peter also steht in der Frühe auf, kleidet sich an und nimmt seinen Pfeil auf die Schulter, macht sich auf zur Meeresinsel, und plötzlich trifft er den Eber an; er richtet auf ihn seinen Pfeil, ihn zu durchschiessen. Sagt der Eber:
»Holla, Peter, schiess mich nicht, denn ich werde tun, worum du gekommen bist. Komm her, setz dich auf meinen Rücken; denn ich trage dich heim.«
Peter sass auf, und sie gingen nach Hause. Nun ging der Eber hinaus aufs Feld und wühlte, säte und eggte, dass es mehr garnicht hätte sein können. Als das Korn reif geworden war, schnitt er es auch und brachte es auch ein, drosch es und lud es auch auf den Kornboden und besorgte alles auf der Welt.
»Nun Peter, mein lieber Herr, alles ist fertig, ich gehe fort, gehabt euch wohl!«
Der Abend nahte, und als sie sich niedergelegt hatten, hörten sie draussen so bitterlich weinen, dass es Peter in der Seele jammerte. Er sprach zu seiner Mutter:
»Steht auf, liebe Mutter, zündet Licht an! wir wollen nachsehen, was draussen weint.«
Seine Mutter steht auf und zündet Licht an, um nachzusehen. Doch als sie auf die Strasse hinausgetreten waren, da hörte man nirgends weinen. Sie gingen hinein, doch da begann es wieder so bitterlich zu weinen, dass sie es nicht aushalten konnten. Wieder gingen sie hinaus und begannen zu suchen. Da sahen sie, dass zwei Männer in den Schanzgraben gefallen waren. Sie zogen sie ganz mit Morast bedeckt heraus und führten sie in die Stube, legten sie ins Bett und gaben ihnen zu essen und zu trinken. Als sie eingeschlafen waren, sprach Christus zu St. Peter:
»Wir haben mein Patenkind auf die Probe gestellt, ob er hochmütig geworden sei, ob er einen armen wegmüden Mann, der zur Nachtzeit kommt, hineinrufen würde in sein Haus und ihm Herberge geben? Doch du siehst, dass sein gutes Herz immer das gleiche bleibt.«
In der Frühe standen sie auf, und Christus gab ihm einen Goldapfel, und dann zogen sie von dannen. Doch er hatte Schilf-Peter geheissen, den Apfel über das Meer zu werfen. Peter warf den Apfel hinüber, und aus ihm wurde eine goldene Brücke, wie Menschenaugen sie nimmer gesehen.
Bald darauf kamen drei Wagen vom Roten König herüber zum Grünen König. Die Knechte sahen von weitem, was für eine strahlende Brücke bei jenem Schiff war. Als sie anlangten, wagten sie nicht, die Brücke zu betreten, bis sie den Schiffer gefragt hatten.
Der älteste Knecht ging hinein:
»Gott zum Gruss, Schifferknabe.«
»Grüss Gott!«
»Erlaubt Ihr, dass wir über diese goldene Brücke gehen?«
»Warum sollte ich’s nicht erlauben? Gab Gottes Macht sie doch nicht nur, damit nur ich darauf gehe.« Fragte Peter: »Von wannen kommt Ihr?«
Er berichtete, dass sie vom Roten König kämen.
Gleich rief er die Knechte herein, setzte sie an den Tisch, versorgte sie mit Essen und Trinken; so entliess er sie über die Brücke. Anderntags kamen die Knechte zurück. Wiederum liess er sie durch, rief sie herein und bewirtete sie wieder. Die Knechte machten sich auf den Heimweg. Peter übergab wieder sein Hündchen und sprach zum ältesten Knecht:
»Lieber guter Herr Onkel, seid so gut und nehmt dieses Hündchen mit. Wenn Ihr zum König hineingehen werdet, lasst es auch hinein; doch achtet drauf, dass es auch hinaus kommen kann, wenn Ihr hinaus geht.«
Sie langten zu Hause an, spannten die Ochsen aus und banden sie an ihren Plätzen an. Der Knecht eilte zu berichten, wie es ihnen ergangen war. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König.«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Doch ich habe dem erlauchten Vater König eine Kunde mitgebracht.«
»Gern würde ich die Kunde vernehmen.«
»Erlauchter Vater König, ich bitte schön, ich bringe diese Kunde: da und da bei der Meeresinsel lebt ein Schifferknabe, der hat eine solche Brücke, wie sie ein Christenauge noch nicht erblickt. Schon von weitem erschrickt man vor dem Glanz. Wir boten ihm Geld, weil er uns hinüberliess, doch das nahm er nicht, brachte uns auch wieder zurück, aber auch dann begehrte er nichts; mit Speise und Trank bewirtete er uns wohl.«
Da wandte sich die Frau um:
»Eine noch grössere Lüge weiss ich zu melden.« So sprach die Frau: »Da und da bei der Meeresinsel wohnen elf gekrönte Schwäne. Zehn Schwäne spielen Tag aus, Tag ein, so schön, dass es eine Wonne zu schauen ist; der elfte aber weint so bitterlich und flattert umher, dass dem, der es hört und sieht, fast das Herz brechen muss. Wer jene elf Schwäne schiesst, der gewinnt solch ein Königreich, dass selbst ein Vogel es nicht in einem Jahr durchfliegen kann.«
Drauf öffnete der Knecht die Tür, und sie gingen hinaus.
Und Peter machte sich also in der Frühe auf. Er wanderte auf der Meeresinsel, bis es fast voller Mittag war. Er sah von ferne, dass zehn gekrönte Schwäne so schön spielten, dass es herrlich anzuschauen war; aber der elfte weinte so bitterlich und flatterte umher, dass dem, der es sah und hörte, fast das Herz brechen musste. Mit lauter Stimme rief Peter:
»Lieber Bruder, weine nicht und flattere nicht umher! ich bin dein Bruder. Steig herab zu mir, denn lange ist’s her, seit wir zusammen spielten. Ihr wart wenigstens euer elf Brüder; doch ich wuchs einsam auf und verwaist!«
Da liess sich der Bruder herab von seinem Fluge, und alle elf wurden solche Knaben, wie sie gewesen waren, und alle elf fielen ihm um den Hals und küssen ihn wieder und wieder. Dann machten sich die zwölf Brüder auf den Heimweg. Als ihre Mutter sah, dass ihre zwölf Kinder heimkamen, fiel sie auf der Stelle in Ohnmacht. Die zwölf Knaben eilten hin und besprengten sie mit Wasser, und sie küsste alle zwölf immer wieder, dass Gottes Macht sie noch einmal an einem Ort zusammengeführt hatte.
Anderntags in der Frühe kamen wiederum des Roten Königs Knechte, und der älteste ging hinein. Als er in die Tür trat, staunte er, dass am Tisch zwölf solche Jünglinge sitzen gleich wie zwölf Tulpen.
So sprach der Knecht:
»Liebe Knaben, seid so gut und lasst uns über die Brücke!«
Peter eilte hinaus, rief sie herein, setzte sie an den Tisch, versah sie mit Essen und Trinken; so entliess er sie über die Brücke. Anderntags kamen die Knechte zurück, um heimzugehen. Peter liess sie durch; aber das Hündchen schickte er nicht mit. Sie langten zu Hause an, spannten die Ochsen aus und banden sie an ihre Plätze. Der Knecht eilte zu berichten, was für ein Wunder sie gesehen. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Aber ich habe dem erlauchten Vater König eine Kunde mitgebracht.«
»Gern würde ich die Kunde vernehmen«, sagte der König.
»Erlauchter Vater König, bei dem Schifferknaben sind elf Burschen gleich wie elf brennende Kerzen, wie zwölf Morgensterne.«
Bei diesen Worten sprang die Krone vom Haupte des Königs und stürzte auf den Tisch nieder, unter der Königin aber sprangen alle sieben Kissen fort, und die Königin stürzte zu Boden. Kaum wartete der König, dass es Morgen wurde; er kleidete sich an und nahm sein Gewehr und machte sich auf den Weg zum Schiffer. Als er bei der Tür angelangt war und seine Gemahlin und die zwölf Knaben erblickte, brach er an der Tür zusammen. Da eilte seine Gemahlin mit den zwölf Knaben herbei, und sie besprengten ihn gleich mit Wasser. Da kommt der König wieder zu sich und fragt voller Freude nach dem Grunde, wie alles gekommen. Spricht die Königin:
»Siehst du, siehst du, du Hartherziger, elf meiner Kinder hast du ins Meer werfen lassen, mich mit dem zwölften in einer Arche auf dem Meer ausgesetzt, doch Gott hat sich unserer erbarmt und uns nicht verlassen.«
Da begann der König zu weinen und sprach: »Gott sei Dank, dass ich dich wiedersehen kann! Meine zweite Gemahlin, die euch verderben wollte, lasse ich vierteilen, und ihre Asche soll der Wind in die vier Ecken der Stadt verwehen!«
Dann liess der König durch siebenmal sieben Lande ausrufen, dass Könige, Herzöge, Barone sich versammelten. Sie wurden noch einmal getraut und lebten glücklich.
Schüsseln, Teller gab’s genug; Brot und Wecken wenig nur. Bis die Hunde ’s nur gerochen, waren alle schon verreckt. Ein Wunder Gottes war’s, wer ’nen Tropfen Suppe kriegte.
»Lieber Vater, lasst mich mit den zwölf Jägern jagen gehen!«
Sprach zu ihm sein Vater:
»Ich würde dich schon lassen, lieber Sohn, doch du kannst das Pferdegeschüttel nicht aushalten.«
Sprach der kleine Knabe:
»Seid so gut und lasst das Pferd satteln und die zwölf Jäger sich bereit machen, dass ich mit ihnen ausziehen kann, wenn auch das Pferd ein bischen schüttelt.«
Damit machte er sich auf, und sie zogen hinaus zum Jagdplatz, auf den Schneeberg, und unter einem Baum dort hielten sie an. Da sprach der kleine Knabe:
»Meine lieben Gefährten, ich bin müde und werde mich niederlegen; ihr elf geht jagen, der zwölfte bleibe hier.«
Da gingen auch die elf Jäger jagen, und der zwölfte blieb dort bei ihm. Plötzlich kamen drei Königstöchter des Wegs. Spricht die Älteste:
»Liebe Schwester, was für ein schöner Prinz liegt dort! Wenn ich mir den zu eigen machen könnte, ich würde sein ganzes Heer aus einem Spinnfaden ein Jahr lang kleiden.«
Spricht darauf das mittelste Mädchen:
»Wenn ich diesen Königssohn mir zu eigen machen könnte, ich würde das ganze Heer mit einem Gerstenbrot erhalten!«
Spricht die jüngste:
»Meine beiden lieben Schwestern, wenn ich jenen Königssohn mir zu eigen machen könnte, ich würde ihm zwölf goldhaarige Kinder schenken gleich wie zwölf Tulpen.«
Der Königssohn schlief fest und hörte nichts; nur der Jäger hörte, was sie sagten. Eine winzige Fliege zwickte den Königssohn, und davon erwachte er. Sagt der Jäger zu ihm:
»Lieber Königssohn, habt die Güte, wenn Euch meine Rede nicht zu nahe tritt, und hört mir zu, ich könnte Euch eine Kunde sagen.«
Der Königssohn war sehr erpicht darauf: »Na, nur los, sag an!«
Da erzählte der Jäger schön der Reihe nach, was die Prinzessinnen gesagt hatten, während der Königssohn schlief. Da liess der Königssohn den Jäger das Hifthorn blasen, und die andern Jäger kamen herbei. Sprach der Königssohn:
»Meine lieben Jägerfreunde, macht euch bereit, wir jagen nicht weiter.« Sie zogen heimwärts.
Sein Vater lief ihnen entgegen und hob den Knaben vom Pferd herunter und fragte ihn:
»Lieber Sohn, ist dir auch nichts zugestossen?« Der Königssohn entgegnete:
»Nein, nicht das mindeste.«
Sehr bald ging der Königssohn hinein; sie trinken einen Becher Wein, essen ein Stück Brot, und allsogleich sagt er zu seinem Vater:
»Lasst für mich eine Kutsche mit vier Pferden bespannen!«
Gleich lässt sein Vater eine Kutsche mit vier Pferden bespannen, und sie fahren zum Schloss des Schwarzen Königs. Sie treten ein, grüssen:
»Guten Tag, Majestät!«
»Willkommen, liebes Kind, was führt euch her?«
»Wir sind zu Euer Majestät gekommen, um uns umzuschauen; aber hauptsächlich sind wir gekommen, dass Ihr mir Eure jüngste Tochter zur Gemahlin gebt.«
Der König gab die Tochter auch gleich, und sie machten aus, wann die Hochzeit sein sollte; aber sie blieben nicht die ganze Zeit dort. Sie machten sich auf und fuhren heim, und der Königssohn sprach zu seinem Vater:
»Lieber, guter Vater, wir waren fortgegangen, um eine Gemahlin für mich zu werben.«
Nun, und da rüsteten sie also auch hier und dort eifrig für die Hochzeit. Mit vierundzwanzig Kutschen holten sie das Mädchen ein und brachten sie, und die Hochzeit wurde begangen, und sie lebten in Glück und Freude.
Doch die beiden andern Töchter des Königs härmten sich, dass ihre jüngste Schwester verheiratet war, sie aber zu Hause geblieben waren. Spricht die älteste Tochter zu ihrem Vater:
»Vater, wo habt Ihr Euren Verstand gehabt, dass Ihr Eurer jüngsten Tochter einen Gemahl gabt und uns hier in Schmach und Schande sitzen lasst!« Spricht die Mittelste:
»Vater, wenn Ihr uns hier in Schmach und Schande sitzen gelassen habt, lasst uns auf einem grossen Schneeberg einen zweistöckigen Palast machen, dass wir dorthin ziehen und da wohnen, denn wir können die Schmach hier im Hause nicht mehr ertragen.«
Der König rief sogleich Maurer und Bauaufseher zusammen und liess den Palast bauen. Er versah ihn mit allem, was zu einem königlichen Leben gehört, und die beiden Mädchen zogen dahin.
Die jüngste Prinzessin wurde guter Hoffnung, und es kam die Zeit, dass der Königssohn ins Feld ziehen musste. Der Königssohn war sehr bekümmert und bat seine Eltern, sie sollten so für die Prinzessin Sorge tragen »wie für mich, als ich noch klein war, dass ihr kein Leid geschehe, bis ich heimkehre.« Sprach sein Vater:
»Sei unbesorgt, denn wir werden mit Gottes Hülfe für sie Sorge tragen, während du fort bist.«
Damit nahm der junge König unter bitteren Tränen von seiner Gemahlin Abschied und zog fort von Hause.
Als es ein Jahr war, dass er von dannen gezogen war, kam seine Gemahlin ins Kindbett. Sie brachte mit einem Schlage zwölf goldhaarige Knaben zur Welt, die waren wie zwölf Tulpen. In die liebe Sonne hättet ihr eher schauen können als auf sie. Da freuten sich die Alten sehr, dass Gottes Macht ihrer Schwiegertochter zwölf so schöne goldhaarige Knaben geschenkt hatte. Sie liessen ihr auf der Stelle vier Wärterinnen holen und dazu auch zwölf Doktoren, damit ihr nichts zustossen sollte. Sprach der alte König:
»Mein Kind, wir sind jetzt dafür, dass wir unserm Sohn auch die frohe Botschaft melden sollten.«
Gleich schrieb der König einen Brief und versiegelte ihn. Am Hofe war ein alter Mann. Den rüsteten sie aus und gaben ihm den Brief in die Hand, dass er auf der Stelle hingehe und ihn dem erlauchten Königssohn übergebe. Der Alte zog die Strasse durch das Schneegebirge, wo die beiden älteren Töchter des Schwarzen Königs wohnten, just an dem Weg. Die Mädchen erspähten den Alten von ihrer Burg aus, riefen ihn ins Schloss und fragten ihn, was ihn herführe. Der Alte erzählte die Sache. Sogleich liessen sie ihn niedersitzen, essen und trinken. Der Alte betrank sich wie ein Schwein, und die Prinzessinnen nahmen ihm den Brief fort. Sie vertauschten ihn mit einem andern und hiessen ihn, bei der Rückkehr zu ihnen herein kommen.
Als der junge König den Brief gelesen hatte, begann er so zu weinen, dass alle, die bei ihm waren, vor Kummer in Weinen ausbrachen. Also stand es im Briefe geschrieben:
»Wahrlich, lieber Sohn, du hast uns solch eine Schwiegertochter gebracht, die dir zwölf junge Hunde geboren hat.«
Schrieb der Königssohn zurück: »Der mächtige Gott hat mich schwer heimgesucht; doch ob Hunde- ob Katzenjunge, sorgt für sie, bis ich heimkomme.«
Wieder ging der Alte beim Schneebergschloss vorüber, und die Prinzessinnen riefen ihn hinein, liessen ihn sich betrinken, dass er nichts mehr von sich selber wusste, und vertauschten den Brief. Sie schrieben hinein: »Die zwölf goldhaarigen Knaben werft ins Meer, meine Gemahlin jedoch schneidet in Stücke!«
Der alte Mann ging heim und übergab dem König den Brief. Kaum hatte er hineingeblickt, da begannen sofort seine Tränen zu fliessen. Darauf eilte die alte Königin herbei, warum der König weinte, und auch sie begann auf der Stelle zu weinen. Dann sagte einer zum andern, ob er denn gar kein Herz hätte, dass er jene zwölf schönen Kinder ins Meer werfen und ihre Mutter in Stücke schneiden wollte? Der König ging hinein zur Schwiegertochter, und da sah seine Schwiegertochter, dass der König so heftig weinte. Also fragte die Schwiegertochter:
»Was ist denn, lieber guter Vater? schon zwei Jahre bin ich hier, und bisher sah ich Euch noch niemals weinen!«
Sprach drauf der König:
»Lass, mein Kind, denn nicht zu deinem Wohle ist’s, worum ich weine.«
Gleich fragte die junge Königin, ob ihr Gemahl vielleicht einen Brief geschickt habe, und sagte:
»Gebt ihn her, damit ich ihn auch lese.«
Da gab ihn der König; sie schaute in den Brief und sah, was darin geschrieben stand, und begann zu weinen wie der strömende Regen. »Wenn er wusste, dass er mich verderben werde, warum liess er mich dann nicht in Frieden!«
Auf der Stelle las der König Zimmerleute aus und liess eine Arche für sie machen, und elf Knaben wurden ins Meer geworfen, der zwölfte wurde neben sie in die Arche gelegt, und dann stiessen sie sie in das Meer. Also sprach der König:
»Gott behüte dich, das wünsche ich.«
Als ein Jahr verflossen war, kam der Königssohn heim; aber er war voll Kummer, dass sie seine Gemahlin getötet hatten. An ihrer Statt heiratete er die ältere Schwester seiner Gemahlin.
Das Meer trug sie dahin und dorthin. Wie die Arche weit, weit gefahren war, trug das Meer sie an eine Meeresinsel. Der Knabe war unterdessen in der Arche so gewachsen, dass er kaum noch Platz drinnen hatte. Der Knabe stiess an die Archenwand, und da stürzte sie ein. Sie gingen hinaus und sanken aufs Knie und dankten Gott, dass er sie aufs Trockene geleitet. Da sprach Christus zu St. Peter:
»Peter, blicke hinunter auf die Erde; was siehst du?«
»Mein Herr und Schöpfer, ich sehe eine Frau, die hat einen kleinen Sohn; auf den Knieen flehen sie zu Gott.« Sagt Christus:
»Nun siehst du, Peter, dieser Knabe ist noch nicht getauft; wir wollen hinabsteigen und ihn taufen.«
Unser Herr Christus ging mit Peter fort und stieg hinab zu ihnen, und sie tauften den Knaben Schilf- Peter. Plötzlich sagt unser Herr Christus zu St. Peter:
»Nun lass uns ihm etwas schenken!«
Sie gaben ihm einen ganzen Anzug und gaben ihm einen solchen Pfeil, dass wonach auch immer auf Erden damit geschossen wurde, das musste niederfallen. Unser Herr Christus gab ihm einen Apfel und sagte ihm:
»Nun Peter, geh und such dir solch einen schönen Platz, wo du gern wohnen möchtest, wirf diesen Apfel in die Höhe, und aus ihm wird ein zweistöckiger Palast werden, und so lange ihr lebt, kannst du mit deiner lieben Mutter darinnen wohnen.«
Wie sie wanderten, gelangten sie auf ein Feld. Da sprach die Mutter:
»Wohin gehen wir jetzt, lieber Sohn? denn wir haben kein Reich und kein Haus.«
»Lass nur, liebe Mutter, denn Gott hat es bestimmt.«
Dann warf er den Apfel in die Höhe, und der zweistöckige Palast erstand. Nun lebte er mit seiner lieben Mutter glücklich in diesem zweistöckigen Palast. Doch unser Herr Christus hatte ihm auch eine goldene Gerte gegeben, und Schilf-Peter warf die goldene Gerte über das Meer, und aus ihr wurde ein grosses Schiff, mit dem konnte man auch Wagen hinüber führen.
Einstmals kamen drei Knechtewagen vom Hof seiner Mutter; sie führten Proviant für des Grünen Königs Heer hinüber. Und als sie dort bei ihnen angelangt waren, ging ein Knecht hinein und sagte zu dem Knaben:
»Schifferknabe, seid so gut und setzt uns für Geld über!«
Fragte Peter: »Von wannen kommt ihr?«
Er erzählte, dass sie vom Roten König kommen. Jetzt war Peter auch nicht faul, sprang auf, lief hinaus und erblickte die Wagen mit der Last. Sogleich rief er die Knechte herein und setzte sie an den Tisch; er versah sie mit Speise und Trank und setzte sie auf dem Schiff über. Anderntags kamen die Knechte zurück. Wiederum holte er sie herüber, lud sie ein und bewirtete sie wieder. Die Knechte machten sich auf, heim zu gehen. Peter hatte einen kleinen Hund. Also sprach er zum ältesten Knecht:
»Lieber guter Herr Onkel, seid so gut und nehmt diesen kleinen Hund mit. Wenn Ihr zum König hineingehen werdet, lasst ihn auch hinein; doch achtet darauf, dass er auch hinaus kommen kann, wenn Ihr hinausgeht.«
Sie laugten zu Hause an, spannten die Tiere aus und banden sie an ihren Plätzen an. Der Knecht eilte zu berichten, wie es ihnen ergangen war. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Aber ich habe Euer Majestät eine Kunde mitgebracht.«
»Gern hört ich die Kunde,« sagte der König.
»Erlauchter Vater König, ich bitte schön, ich bringe die Kunde: da und da an der Meeresinsel lebt ein Schifferknabe. Wir boten ihm Geld, weil er uns übersetzte, doch das nahm er nicht. Zurück holte er uns auch wieder; aber auch dann begehrte er nichts; mit Speise und Trank bewirtete er uns schön.«
Entgegnet drauf die Königin:
»Eine noch grössere Lüge weiss ich zu melden.«
Spricht der König: »Was das wäre, hörte ich gern.«
»Da und da am Meer ist ein Eber, so gross wie ein dreijähriger Stier. Wenn sich ein Mensch fände, der hinginge und jenen Eber von dort fortführte und ihn bändigte, würde er in einem Jahr so viel ackern, dass er es selbst in sechs Jahren nicht aufbrauchen könnte.«
All das hörte der kleine Hund. Dann verabschiedete sich der Knecht, öffnete die Tür, und sie gingen hinaus. Das Hündchen machte sich auf, und in einem Augenblinzeln war es daheim. Fragt es sein Herr, was es beim König gehört habe. Spricht das Hündchen:
»Vor allen Dingen bin ich hungrig, habe keine Zeit zum unterhalten.« Sogleich gab Peter dem Hund zu essen, und er ass sich satt und sprach zu Peter:
»Das sagte die Königin: am Meer ist ein Eber, so gross wie ein dreijähriger Stier. Wenn sich ein Mensch fände, der hinginge und jenen Eber von dort fortführte und ihn bändigte, so würde er in einem Jahr soviel ackern, dass er es selbst in sechs Jahren nicht aufbrauchen könnte.«
Peter also steht in der Frühe auf, kleidet sich an und nimmt seinen Pfeil auf die Schulter, macht sich auf zur Meeresinsel, und plötzlich trifft er den Eber an; er richtet auf ihn seinen Pfeil, ihn zu durchschiessen. Sagt der Eber:
»Holla, Peter, schiess mich nicht, denn ich werde tun, worum du gekommen bist. Komm her, setz dich auf meinen Rücken; denn ich trage dich heim.«
Peter sass auf, und sie gingen nach Hause. Nun ging der Eber hinaus aufs Feld und wühlte, säte und eggte, dass es mehr garnicht hätte sein können. Als das Korn reif geworden war, schnitt er es auch und brachte es auch ein, drosch es und lud es auch auf den Kornboden und besorgte alles auf der Welt.
»Nun Peter, mein lieber Herr, alles ist fertig, ich gehe fort, gehabt euch wohl!«
Der Abend nahte, und als sie sich niedergelegt hatten, hörten sie draussen so bitterlich weinen, dass es Peter in der Seele jammerte. Er sprach zu seiner Mutter:
»Steht auf, liebe Mutter, zündet Licht an! wir wollen nachsehen, was draussen weint.«
Seine Mutter steht auf und zündet Licht an, um nachzusehen. Doch als sie auf die Strasse hinausgetreten waren, da hörte man nirgends weinen. Sie gingen hinein, doch da begann es wieder so bitterlich zu weinen, dass sie es nicht aushalten konnten. Wieder gingen sie hinaus und begannen zu suchen. Da sahen sie, dass zwei Männer in den Schanzgraben gefallen waren. Sie zogen sie ganz mit Morast bedeckt heraus und führten sie in die Stube, legten sie ins Bett und gaben ihnen zu essen und zu trinken. Als sie eingeschlafen waren, sprach Christus zu St. Peter:
»Wir haben mein Patenkind auf die Probe gestellt, ob er hochmütig geworden sei, ob er einen armen wegmüden Mann, der zur Nachtzeit kommt, hineinrufen würde in sein Haus und ihm Herberge geben? Doch du siehst, dass sein gutes Herz immer das gleiche bleibt.«
In der Frühe standen sie auf, und Christus gab ihm einen Goldapfel, und dann zogen sie von dannen. Doch er hatte Schilf-Peter geheissen, den Apfel über das Meer zu werfen. Peter warf den Apfel hinüber, und aus ihm wurde eine goldene Brücke, wie Menschenaugen sie nimmer gesehen.
Bald darauf kamen drei Wagen vom Roten König herüber zum Grünen König. Die Knechte sahen von weitem, was für eine strahlende Brücke bei jenem Schiff war. Als sie anlangten, wagten sie nicht, die Brücke zu betreten, bis sie den Schiffer gefragt hatten.
Der älteste Knecht ging hinein:
»Gott zum Gruss, Schifferknabe.«
»Grüss Gott!«
»Erlaubt Ihr, dass wir über diese goldene Brücke gehen?«
»Warum sollte ich’s nicht erlauben? Gab Gottes Macht sie doch nicht nur, damit nur ich darauf gehe.« Fragte Peter: »Von wannen kommt Ihr?«
Er berichtete, dass sie vom Roten König kämen.
Gleich rief er die Knechte herein, setzte sie an den Tisch, versorgte sie mit Essen und Trinken; so entliess er sie über die Brücke. Anderntags kamen die Knechte zurück. Wiederum liess er sie durch, rief sie herein und bewirtete sie wieder. Die Knechte machten sich auf den Heimweg. Peter übergab wieder sein Hündchen und sprach zum ältesten Knecht:
»Lieber guter Herr Onkel, seid so gut und nehmt dieses Hündchen mit. Wenn Ihr zum König hineingehen werdet, lasst es auch hinein; doch achtet drauf, dass es auch hinaus kommen kann, wenn Ihr hinaus geht.«
Sie langten zu Hause an, spannten die Ochsen aus und banden sie an ihren Plätzen an. Der Knecht eilte zu berichten, wie es ihnen ergangen war. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König.«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Doch ich habe dem erlauchten Vater König eine Kunde mitgebracht.«
»Gern würde ich die Kunde vernehmen.«
»Erlauchter Vater König, ich bitte schön, ich bringe diese Kunde: da und da bei der Meeresinsel lebt ein Schifferknabe, der hat eine solche Brücke, wie sie ein Christenauge noch nicht erblickt. Schon von weitem erschrickt man vor dem Glanz. Wir boten ihm Geld, weil er uns hinüberliess, doch das nahm er nicht, brachte uns auch wieder zurück, aber auch dann begehrte er nichts; mit Speise und Trank bewirtete er uns wohl.«
Da wandte sich die Frau um:
»Eine noch grössere Lüge weiss ich zu melden.« So sprach die Frau: »Da und da bei der Meeresinsel wohnen elf gekrönte Schwäne. Zehn Schwäne spielen Tag aus, Tag ein, so schön, dass es eine Wonne zu schauen ist; der elfte aber weint so bitterlich und flattert umher, dass dem, der es hört und sieht, fast das Herz brechen muss. Wer jene elf Schwäne schiesst, der gewinnt solch ein Königreich, dass selbst ein Vogel es nicht in einem Jahr durchfliegen kann.«
Drauf öffnete der Knecht die Tür, und sie gingen hinaus.
Und Peter machte sich also in der Frühe auf. Er wanderte auf der Meeresinsel, bis es fast voller Mittag war. Er sah von ferne, dass zehn gekrönte Schwäne so schön spielten, dass es herrlich anzuschauen war; aber der elfte weinte so bitterlich und flatterte umher, dass dem, der es sah und hörte, fast das Herz brechen musste. Mit lauter Stimme rief Peter:
»Lieber Bruder, weine nicht und flattere nicht umher! ich bin dein Bruder. Steig herab zu mir, denn lange ist’s her, seit wir zusammen spielten. Ihr wart wenigstens euer elf Brüder; doch ich wuchs einsam auf und verwaist!«
Da liess sich der Bruder herab von seinem Fluge, und alle elf wurden solche Knaben, wie sie gewesen waren, und alle elf fielen ihm um den Hals und küssen ihn wieder und wieder. Dann machten sich die zwölf Brüder auf den Heimweg. Als ihre Mutter sah, dass ihre zwölf Kinder heimkamen, fiel sie auf der Stelle in Ohnmacht. Die zwölf Knaben eilten hin und besprengten sie mit Wasser, und sie küsste alle zwölf immer wieder, dass Gottes Macht sie noch einmal an einem Ort zusammengeführt hatte.
Anderntags in der Frühe kamen wiederum des Roten Königs Knechte, und der älteste ging hinein. Als er in die Tür trat, staunte er, dass am Tisch zwölf solche Jünglinge sitzen gleich wie zwölf Tulpen.
So sprach der Knecht:
»Liebe Knaben, seid so gut und lasst uns über die Brücke!«
Peter eilte hinaus, rief sie herein, setzte sie an den Tisch, versah sie mit Essen und Trinken; so entliess er sie über die Brücke. Anderntags kamen die Knechte zurück, um heimzugehen. Peter liess sie durch; aber das Hündchen schickte er nicht mit. Sie langten zu Hause an, spannten die Ochsen aus und banden sie an ihre Plätze. Der Knecht eilte zu berichten, was für ein Wunder sie gesehen. So sprach der Knecht zum König:
»Schönen guten Abend, Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Gott sei Dank, dass ihr heimgekehrt seid!«
»Aber ich habe dem erlauchten Vater König eine Kunde mitgebracht.«
»Gern würde ich die Kunde vernehmen«, sagte der König.
»Erlauchter Vater König, bei dem Schifferknaben sind elf Burschen gleich wie elf brennende Kerzen, wie zwölf Morgensterne.«
Bei diesen Worten sprang die Krone vom Haupte des Königs und stürzte auf den Tisch nieder, unter der Königin aber sprangen alle sieben Kissen fort, und die Königin stürzte zu Boden. Kaum wartete der König, dass es Morgen wurde; er kleidete sich an und nahm sein Gewehr und machte sich auf den Weg zum Schiffer. Als er bei der Tür angelangt war und seine Gemahlin und die zwölf Knaben erblickte, brach er an der Tür zusammen. Da eilte seine Gemahlin mit den zwölf Knaben herbei, und sie besprengten ihn gleich mit Wasser. Da kommt der König wieder zu sich und fragt voller Freude nach dem Grunde, wie alles gekommen. Spricht die Königin:
»Siehst du, siehst du, du Hartherziger, elf meiner Kinder hast du ins Meer werfen lassen, mich mit dem zwölften in einer Arche auf dem Meer ausgesetzt, doch Gott hat sich unserer erbarmt und uns nicht verlassen.«
Da begann der König zu weinen und sprach: »Gott sei Dank, dass ich dich wiedersehen kann! Meine zweite Gemahlin, die euch verderben wollte, lasse ich vierteilen, und ihre Asche soll der Wind in die vier Ecken der Stadt verwehen!«
Dann liess der König durch siebenmal sieben Lande ausrufen, dass Könige, Herzöge, Barone sich versammelten. Sie wurden noch einmal getraut und lebten glücklich.
Schüsseln, Teller gab’s genug; Brot und Wecken wenig nur. Bis die Hunde ’s nur gerochen, waren alle schon verreckt. Ein Wunder Gottes war’s, wer ’nen Tropfen Suppe kriegte.
[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]