5
(1)
Es war einmal ein Prinz, der wollte gern heirathen, fand aber gar keine Prinzessin, die ihm gefiel. Wie er nun so im Lande umherreiste, so stand auch im Walde ein kleines Hüttchen. Da wohnte eine alte Frau mit ihrer Tochter. Die Tochter war sehr schön, wollte aber gar nichts arbeiten, so daß ihre Mutter sie zur Strafe mit ihrem Spinnrocken auf das Dach setzte; da mußte sie spinnen. Kommt der Prinz gefahren, und da sitzt sie gerade auf dem Dach, und sie gefällt ihm gleich sehr. Geht also in das Haus und fragt die Alte, ob sie ihm ihre Tochter nicht zur Frau geben möchte. Die war damit einverstanden und sagte: Ja, sie thäte es recht gerne, und lobte noch ihre Tochter, daß sie aus Stroh Gold spinnen könne. So wird denn gleich Hochzeit gemacht, und der Prinz nimmt seine junge Frau mit sich auf sein Schloß. Da werden alle Kammermädchen zusammengerufen mit ihren Spinnrocken, und der Prinz verlangt von seiner jungen Frau, daß sie ihnen mit ihrem Beispiel vorgehen solle. Nun ist sie denn so traurig, wie das werden sollte, da sie doch nicht Gold spinnen konnte. Wie sie so dasitzt und sich deshalb grämt, kommt unter dem Kamin hervor ein Koboldchen, wie ein kleines Menschchen. Er fragt sie, was ihr fehlt, und sie klagt ihm ihre Noth. Da sagte er: Ach, ich kann dir helfen; ich gebe dir solche Handschuhe, wenn du die anziehst, so kannst du Gold spinnen; du mußt mir aber dafür morgen, wenn ich wiederkomme, sagen, wie ich heiße, oder du mußt mit mir Hochzeit machen. Nun setzt sie sich hin, zieht die Handschuhe an und kann richtig Gold spinnen und spinnt so viele, viele Spulen von Gold. Aber bald sitzt sie wieder in Sorgen, wie der Kleine doch heißen mag! Ihr Mann, der Prinz, war unterdessen auf die Jagd gegangen, der Kobold aber hatte sich in einen Vogel verwandelt und war auch in den Wald geflogen. Da setzte er sich auf einen Baum und sang und sang immer von Neuem: »Morgen hab‘ ich Hochzeit, meine Braut spinnt Gold; sie weiß nicht wie ich heiße, ich heiße Titelituri.« Der Prinz hörte, was der Vogel sang, und erzählte, als er nach Hause kam, Alles seiner Frau. Die merkt nun gleich, daß der Vogel von ihr gesungen hat, und freut sich, daß sie nun seinen Namen weiß, und sitzt und wiederholt den Namen, um ihn nicht zu vergessen, in einem fort den ganzen Tag. Den andern Tag, wie das Koboldchen wieder unter dem Kamin hervorkommt, ruft sie ihm seinen Namen zu: Titelituri heißt du! Da fährt er auf in die Luft, reißt das Dach des Hauses mit sich und verschwindet für immer. Der Prinz und seine Frau aber lebten glücklich und in Freuden.
Aus Klein Jerutten
[Polen: M. Toeppen: Aberglauben aus Masuren]