Suche

Treue Liebe

1
(3)

Es war einmal ein reicher Kaufmann, der hatte nur einen Sohn und sonst keine Kinder. Da er sich nun alt und schwach fühlte, sprach er eines Tages: „Mein Sohn, ich kann des Geschäftes nicht mehr warten und werde nur noch kurze Zeit leben; du aber bist gesund und kräftig, und es fehlt dir nichts als eine brave Frau. Ziehe aus und suche, bis du eine findest, die deinem Herzen gefällt.“ Dann liess er die schönste seiner Kutschen vorfahren, und der Sohn setzte sich hinein und fuhr in die weite Welt, um ein Mädchen zu suchen, das seinem Herzen gefiele.

Wie er nun eines Tages so dahinfuhr, sass nicht weitab von der Strasse an einem Rain ein armes Mädchen, das hütete die Schweine und hatte einen goldenen Stern auf der Brust. Der Kaufmannssohn sah den Stern schon von weitem leuchten und fuhr rasch dem Glänze nach. Als er des Mädchens ansichtig wurde, stieg er sogleich aus dem Wagen, näherte sich ihm, und fragte, wer es sei und wo seine Eltern wohnten. Das Mädchen gab freundlich Bescheid: es sei des Schweinehirten Tochter, Vater und Mutter wohnten am Ende des Dorfes in einer Kolibe (Hütte). Sie sprachen noch viel miteinander, und der Kaufmannssohn gewann das Mädchen lieb, dass er sich entschloss, keine andere zur Frau zu nehmen, und alsbald nach Hause zurückkehrte. Als ihn der Vater kommen sah, rief er: „Nun, mein Sohn, hast du eine gefunden, die deinem Herzen gefällt?“ Und der Sohn erzählte ihm alles, auch dass er nie eine andere zur Frau nehmen werde als des Schweinehirten Tochter mit dem goldenen Stern auf der Brust. Der Vater wars zufrieden, liess eine neue, weit schönere Kutsche machen, und fuhren beide nach dem Dorf, wo das Mädchen wohnte. Eines Tages, als der Hirt die Schweine noch nicht ausgetrieben hatte, erreichten sie das Dorf und sahen schon von Ferne den Stern in der Kolibe leuchten. Der Vater ging voran und öffnete die Türe, um in die Kolibe einzutreten; aber der Glanz des goldenen Sternes blendete ihn so sehr, dass er zurücktaumelte und zu Boden fiel. Nachdem er sich erholt hatte, führte ihn der Sohn hinein und warb um die Hand des Mädchens, das auf dem Herde sass und spann. Der Schweinehirt fühlte sich anfangs geschmäht, weil er meinte, die reichen Leute hielten ihn zum Besten; als er aber sah, wie seine Tochter dem Kaufmannssohn begegnete, willigte er mit Freuden ein. Und sie setzten das Mädchen in die Kutsche, nahmen es mit und liessen ihm schöne Kleider machen, wie es deren in seinem Leben nicht gesehen hatte. Und als sie fertig waren, wusch es sich, zog die schönen Kleider an, und niemand hielt es für eines Schweinehirten Tochter, so schön war sie. Darauf wurde die Hochzeit gefeiert mit grosser Pracht, wie am Hof eines Königs. Der alten Eltern aber nahm sich das junge Paar an, also dass der Vater die Herde fortan nicht mehr zu hüten brauchte. Es traf sich aber, dass der alte Kaufmann starb, und der Sohn, der nun das Geschäft allein führte, mit drei andern Kaufleuten in ein entferntes Land zog, um Waren zu holen. Als sie daselbst eingekauft hatten und auf der Rückreise waren, trafen sie eines Abends nicht weit von der Heimat in einem Wirtshaus ein, wo sie übernachten wollten. Wie sie abends zu Tische sassen und so miteinander redeten über dies und jenes, rühmten sie auch ihrer Weiber Treue. Einer überbot den ändern, aber keiner rühmte so laut als der junge Kaufmann die Liebe und Treue seines jungen Weibes. Darob erzürnte einer der Reisegefährten, schmähte die Gerühmte, dass sie eines Schweinehirten Tochter, und erbot sich zum Beweise, dass sie untreu sei, ihren Trauring am andern Morgen dem Kaufmann zu überbringen, wenn er eine Wette, mit ihm eingehen und so lange im Wirtshaus zurückbleiben wolle. Der junge Kaufmann setzte all sein Gut auf diese Wette, und der andere ritt alsbald nach der Stadt. Als er hier anlangte, war es schon Nacht, und die sittsame Frau des jungen Kaufmanns gestattete ihm, nur solange zu bleiben, bis sie ihn über das Befinden ihres Gatten ausgefragt hatte, dann wies sie ihn aus dem Hause. Da sann der Bösewicht auf Mittel, den hohen Preis der Wette zu gewinnen. Flugs ging er zu einer Hexe, die am äussersten Ende der Stadt wohnte, und versprach ihr eine Summe Geldes, wenn sie ihm den Ring verschaffte. Die Hexe nahm zwei ihres Gelichters mit sich, kaufte eine grosse Truhe, kroch in dieselbe und liess sich von den beiden zur Frau des Kaufmanns tragen. Hier baten diese um Nachtherberge, aber die Truhe müsse in ein sicheres Zimmer gebracht werden, weil sie einen grossen Schatz enthalte. Die arglose Frau liess die Truhe in ihr Schlafzimmer stellen, entkleidete sich und ging zu Bett. Die Hexe aber sah durch das Schlüsselloch alles, den goldenen Stern auf der Brust der jungen Frau und die Stelle, wo sie den Trauring hinlegte. Als nun die Frau schlief, schlich die Hexe aus ihrem Versteck hervor, nahm den Ring und kroch in die Truhe zurück. Am Morgen kamen die Weiber, dankten und trugen die Truhe wieder weg.

Als nun der Kaufmann den Trauring seiner Gattin an der Hand des Reisegefährten sah, ergrimmte er sehr, gab ihm alle seine Ware hin und kam betrübt nach Hause. Freudig eilte ihm die Gattin entgegen, und als sie seiner ansichtig wurde, fragte sie gleich nach der Ursache seines Kummers. Er aber schwieg und dachte nach, wie er ihre Untreue bestrafen könnte. Töten wollte er sie nicht, weil er sie sehr geliebt; aber er liess ein Schiff bauen und mit allerlei Lebensmitteln auf viele Jahre versehen. Als es fertig war, führte er sie spazieren an das Meer, wo das Schiff stand. Wie sie nun in das Schiff stiegen, um es zu besichtigen, sprang er plötzlich zurück ans Ufer und stiess das Schiff vom Lande. Die Wellen bemächtigten sich seiner und trieben es jahrelang hin und her, bis es durch einen Sturm ans Land verschlagen wurde. Da stieg die arme Frau aus dem Schiffe, fiel auf die Knie und dankte Gott. Aber sie sah weder Dorf noch Stadt, weder Menschen noch Vieh; in der ganzen Gegend war es so einsam wie auf dem Meere. Eines Abends entschlief sie unter einem Baum. Auf den Baum aber kam noch vor Tagesanbruch ein Vöglein und rief: „Heute nacht ist Tau gefallen; mit drei Tropfen von diesem Tau kann der blinde Kaiser wieder sehend gemacht werden, und wer dies an ihm vollbringt, wird eine grosse Belohnung erhalten.“ Das hörte die Frau, sprang auf, füllte ihren Fingerhut mit Tau und machte sich auf den Weg nach der Stadt, wo der blinde Kaiser wohnte. Das Vöglein aber flog vor ihr her und zeigte ihr den Weg. Als sie in der Stadt anlangte, verkleidete sie sich als Mann, liess sich vor den Kaiser führen und erbot sich, ihn wieder sehend zu machen. Als Lohn bedang sie sich nichts anderes aus als eine Stadt seines Reiches und das Recht, darinnen zu befehlen und zu herrschen nach ihrem Willen. Dann nahm sie drei Tautropfen aus dem Fingerhut goss sie zur Hälfte in das rechte, zur Hälfte in das linke Auge des Kaisers und alsbald wurde er sehend. Und sie wählte unter den Städten seines Reiches diejenige aus, in der sie mit ihrem Mann gewohnt hatte. Dahin zog sie nun, noch immer als Mann verkleidet, und wie sie sich der Stadt näherte, kamen ihr viele Menschen entgegen, darunter auch Arme, die sie um eine Gnade baten. Unter diesen erblickte sie auch ihren Mann, der sehr ärmlich aussah. Alsbald liess sie ihn vor sich rufen und lud ihn zu Tische. Nach langem Weigern kam er endlich und labte sich an ihrer Tafel, ohne sie zu kennen. Wie nun die Mahlzeit zu Ende war, schickte sie alle Gäste hinaus, ihn aber hiess sie bleiben. Dann entblösste sie ihre Brust und sprach: „Kennst du mich, dein treues Weib?“ Und er fiel vor ihr nieder und umfasste ihre Knie. Da hob sie ihn auf und verzieh ihm, und sie lebten wieder vergnügt miteinander. Den Bösewicht aber und die Hexen, die alle noch am Leben waren, liess sie hinrichten.

Quelle:
(Rumänische Märchen)

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content