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Märchenbasar

Unheil über Schreckenfleck

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Es war einmal vor unendlich langer Zeit, da gab es am großen tiefen Meer ein kleines unbekanntes Fischerdorf. Seine genau einhundertachtzehn Bewohner nannten es nur Schreckenfleck. Denn Neptun, der strenge Beherrscher aller großen und kleinen Gewässer, residierte ausgerechnet dort in seinem prunkvollen Unterwasserpalast. Und jedes Mal, wenn er sich ärgerte oder auch nur langweilte, hatten die gar braven Fischersleute unter seinem rasenden Zorn zu leiden. Er überflutete dann meistens ihre ärmlichen Hütten, ließ die Fangnetze von den Sägefischen zerfetzen und kam des Nachts in Gestalt eines riesengroßen hässlichen Wassermolches vom Meeresgrund herauf, um alle ihre mageren Vorräte zu vernichten. Ahmon, wie Neptun auch genannt wurde, hatte vierundzwanzig reizende Töchter. Eine schöner als die andere und dazu recht brav und folgsam. Nur Nyla, die Jüngste, war sehr vorwitzig, leichtsinnig und tat fast nie, was man von ihr verlangte. Trotz des strengen Verbotes ihres Vaters stieg Nyla im Schutze der Dunkelheit immer wieder an Land. Neugierig betrachtete sie aus einem Versteck heraus das für sie seltsame Treiben der Menschen.

So geschah es auch, dass sie in einer herrlichen Sommernacht den jungen Burschen Qamil beobachtete. Er saß auf einem umgestülpten morschen Nachen, starrte in die züngelnden Flammen eines Funken sprühenden Feuers. Obwohl er der einzige Sohn war, mochte er nicht das Fischerhandwerk seines betagten Vaters weiterführen. Nein, der Jüngling träumte lieber von der großen weiten Welt. Er hielt seine wahrlich unstillbare Sehnsucht in Versen und fantastischen Geschichten fest. Zum Leidwesen der Dorfgemeinschaft beschrieb er jedes Stück Papier, dessen er nur irgendwie habhaft werden konnte. Im wild tanzenden Feuerschein erschien Qamils Antlitz recht feingeschnitten und geheimnisvoll. Die Meeresmaid fühlte sich von der Gestalt am Feuer magisch angezogen. Sie konnte sich an ihr einfach nicht sattsehen und schlich sich unvorsichtigerweise etwas dichter heran. Dabei geriet sie ins Stolpern, schlug lang hin und wurde durch ihren erschrockenen Aufschrei von Qamil entdeckt. Er lief sogleich zu der Fremden, half ihr freundlich auf und sagte verwundert:

,,Ich kenne dich nicht. Du bist nicht von hier.”
Einen Schritt zurückweichend entgegnete sie auf das Meer hinaus weisend:
,,Dort! Von dort komme ich.”
,,Wie das? Willst du sagen, dass du eine Schiffbrüchige bist? Ja, das muss wohl so sein, so triefnass, wie du bist.”
Die Unbekannte wich einen weiteren Schritt zurück.
,,Halt, so warte doch. Lauf bitte nicht weg”, bat er, “du musst dich nicht fürchten.”

Nyla nahm ein Korallenamulett von ihrem Hals und reichte es dem Burschen mit den Worten:
,,Nimm es als Zeichen meines Dankes für deine Freundlichkeit. Ich werde morgen Nacht zur selben Stunde hier auf dich warten.“
Dann stieg sie vor seinen Augen furchtlos in die salzigen Fluten. Voller Entsetzen starrte Qamil auf das wogende Wasser. Schon wollte er ihr nachstürzen, als es ihn blitzartig durchzuckte:
,,Ei der Daus! Mir deucht der heilige Martin hat mich erleuchtet.“

Völlig durcheinander und aufgewühlt begab sich der Knabe auf sein Nachtlager. Doch der Schlaf ließ lange, sehr lange auf sich warten. Als er dann nach kurzer Zeit wieder erwachte glaubte er, die Begegnung mit der fremden Maid wäre nur im Traume geschehen. ,,Ach, wie schade”, dachte er, “gerne hätte ich sie wiedergesehen.“ Um die Müdigkeit von dem Gesicht zu waschen, wollte er seinen Kopf in den Wasserbottich tauchen und bemerkte dabei am Halse das Amulett.
,,Es war ja doch kein Traum”, rief er erfreut aus und nun konnte er sich auch genau an alles erinnern. Seine Freude auf das bevorstehende mitternächtliche Stelldichein wurde von Ungeduld begleitet, denn der Tag floss sehr zähe dahin. Überpünktlich begab er sich zum verabredeten Ort.
,,Ob sie wohl kommen wird?”, murmelte er leise vor sich hin. Wenig später hörte er hinter sich raunen:
,,Ich bin hier.”
Geschwind wendete er sich um, und erblickte die sehnlichst Erwartete. Er trat vorsichtig auf sie zu und sprach:
,,Du .., du kommst aus dem Meer und musst zu Neptuns Hofstaat gehören, stimmt`s?” Verlegen senkte sie ihr Haupt, berührte leicht seine Hand und bemerkte:
,,Zu seinem Reich gehöre ich schon, jedoch bin ich Nyla, seine jüngste Tochter.”
,,Das …, … du …?”
,,Hab keine Sorge, ich bin gekommen um euch Menschen besser kennenzulernen. Doch so sag mir, wie nennt man dich?”
,,Willst du uns denn auch wirklich nichts Böses?”, fragte er misstrauisch.
,,Nein, in der Tat nicht!”
,,Ja, also, mein Vater gab mir den Namen Qamil.”

Von Stunde an trafen sich die Meeresmaid und der Fischerbub so oft es ihnen nur möglich war. Sie berichteten einander aus ihren gar unterschiedlichen Welten. Bald erwuchs zwischen ihnen ein starkes Band der Freundschaft.
Eines Tages nun, erschien der mächtige Ahmon am hellerlichten Tag im Dorfe, zitierte seine Bewohner herbei und verkündete mit laut donnernder Stimme den verängstigten Menschen:
,,Vernehmt meinen Willen ihr Tagediebe und Nichtsnutze. Für eure Raubzüge in meinen Fischbeständen soll sich ab dem nächsten Vollmond jedes Jahr ein kräftiger Jüngling in meine Dienste verdingen. Widersetzt ihr euch, so werde ich das Dorf und alles Leben darin auslöschen.”

Aus Furcht gehorchte das Fischervölkchen und entsandte wie verlangt alle zwölf Monate einen ihrer Söhne ins wässrige Reich. Schon drei Mal musste ein vom Los getroffener junger Bursche in die Fluten steigen. Doch noch niemals kehrte sein Vorgänger zurück. Nun stand bereits der vierte Jahrestag vor der Tür und da kam dem Träumer Qamil eine Eingebung. Er bat die Dorfältesten anstelle des Ausgelosten in Neptuns Reich gehen zu dürfen. All zu gerne erfüllten sie ihm seine Bitte und ließen ihn ziehen. Sein alter Vater gab ihm einen Talisman, den Haifischzahn aus seiner linken Schulter, mit auf den Weg. Dann begleitete der Fischer seinen Sohn zur Mitternacht an den nahen Strand und sah unter Tränen wie die Wellen ihn gierig verschlangen.
Bangen Herzens schritt der Bursche immer tiefer hinein, bis ihn ein starker Sog unweigerlich auf den Meeresgrund herabzog. Nun glaubte er jämmerlich ertrinken zu müssen, schlug verzweifelt um sich und verlor im gleichen Moment das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, befand er sich bereits in Ahmons Palast. Um ihn herum stand neugierig der gesamte Hofstaat versammelt. Viele seltsame, noch nie geschaute Wesen, mit Tentakeln, mit Rückenflossen, Hörnern und sogar Schwänzen, jedoch waren sie weder Fisch noch Mensch. Die ängstlichen Blicke des Jünglings suchten Nyla und gewahrten sie hinter einer Säule. Stumm deutete sie ihm, sich von ihr fernzuhalten. Auf einmal wichen die Wasserwesen ehrfurchtsvoll zurück und Neptun trat auf Qamil zu:
,,Du hast die Wahl, unwürdige Landratte, entweder du hütest gemeinsam mit den drei anderen Burschen meine tausendköpfige Seekuhherde, oder aber du kämpfst in den Reihen meiner Krieger gegen die zwölfköpfige Seeschlange Hydra.”
Blitzartig ging es dem Jungen durch den Kopf:
,,Feige bin ich ganz sicher nicht. Aber -die anderen drei- können nur die vorangegangenen Knaben aus unserem Dorf sein. Ich muss ihnen zur Seite stehen.” So antwortete er dem Meeresbeherrscher:
,,Mit Freuden will ich eure kostbare Herde bewachen.”

Nun brachte man ihn in einen riesengroßen Felsendom. Dort ruhten die Seekühe recht friedlich unter der Aufsicht jener verlorengeglaubten Fischersöhne. Als sie dann Qamils ansichtig wurden, umarmten sie ihn sehr stürmisch, weinten zugleich aus Freude und aus Schmerz. Zuerst musste der Neuankömmling alles genau über ihre Familien und das ganze Dorf berichten. Hernach erzählten sie über ihre harte und äußerst schwierige Arbeit mit den Tieren, denn sie waren keineswegs so brav, wie sie wirkten. Immer wieder brachen sie in kleinen Gruppen aus ihren Weidegründen aus, gingen sogar vereinzelt kampfeslustig auf die Burschen los. Aber besonders schwierig gestaltete sich das monatliche Melken der Kühe. Die gewonnene Milch diente ausschließlich Ahmons Töchtern zum Bade. Schon bald bewältigte auch Qamil diese Aufgaben.
Nach einem schweren Tag gerade eingeschlafen schreckte er gleich wieder auf. Neben ihm kniete Nyla:
,,Psst! Ich bin es ja nur.”
,,Wie kommst du hier her?”, flüsterte er, “das ist deinem Vater bestimmt nicht recht.” ,,Nein, das ist es nicht. Aber ich will euch trotzdem helfen, dass die Arbeit ein wenig leichter wird.”
,,Hm, und wie soll das gehen?”
,,Pass gut auf”, meinte die Maid, “benutze diese Korallenpfeife. Sind von den Kühen welche verschwunden, so blase genau fünf Mal kräftig hinein und die Ausreißer kehren brav zurück. Werdet ihr angegriffen, dann blase sieben Mal und die Tiere werden augenblicklich so sanft wie das Sternenlicht.”
Plötzlich erwachte einer der drei anderen Burschen und rief warnend:
,,Wehe dir mein Bruder, du verwirkst unser aller Leben, denn die Schöne ist Neptuns Jüngste!”
,,Schnell”,raunte Qamil ihr zu, “ziehe dich besser zurück.”

Geduldig mühte sich der Jüngling seinen Kameraden die Furcht zu nehmen und von Nylas gutgemeinter Hilfe zu überzeugen. Bald schlossen auch sie die Meeresmaid in ihre Herzen und zählten sie gerne zu ihrer kleinen verschworenen Gemeinschaft. Dann sollte ein ungewöhnliches Ereignis ihrem Schicksal eine unerwartete Wendung geben. Es war an Qamil die Seekuhmilch in den Palast zu tragen. Dort hörte er einen der Wächter zum anderen sagen:
,,Es ist mal wieder soweit, unser Herrscher tobt vor Langeweile.”
,,Ja und wie”, lachte dieser voller Schadenfreude, “das wird Schreckenfleck ganz und gar nicht gut bekommen.”
,,Oh nein, das werde ich zu verhindern wissen”, dachte der Bursche und wagte sich todesmutig bis zu Ahmon vor. Beherzt sprach er ihn an:

,,Erlaubt mir, alleiniger Beherrscher aller Meere, euch eine Geschichte zu erzählen.” ,,Was erdreistest du dir, du elendiger Wurm. Das kostet dich deinen Kopf!”, schleuderte Neptun ihm lautstark entgegen. In diesem heiklen Moment erschien Nyla: ,,Mein lieber Vater”, schmeichelte sie, “so lasst ihn doch bitte erzählen. Ich möchte ja auch seiner Mär lauschen.”
Noch niemals konnte der sonst so grimmige Herrscher seiner Jüngsten einen Wunsch versagen und deutete dem Fischersohn sogleich zu beginnen. Schon nach kurzer Zeit hingen alle Anwesenden wie gebannt an den Lippen des Erzählenden. Als Qamil dann endete, war Ahmon tatsächlich besänftigt. Allerdings meinte er lauernd:

,,Wenn du so Wundersames zu berichten weißt, dann kennst du ganz bestimmt auch ein Mittel, mit dem du meine Feindin, die Hydra, vernichten kannst.”
Augenblicklich fuhr dem Jüngling ein gar heftiger Schreck in die Glieder. Blitzgescheit antwortete er:
,,Gebt mir nur ein wenig Bedenkzeit, um dem Ungeheuer schließlich den Garaus zu machen.”
,,Sie sei dir gewährt, aber in zwei Tagen will ich deine Antwort wissen.”

So kehrte Qamil zu seinen drei Gefährten in den Felsendom zurück, berichtete ihnen von dem Geschehenen und bat sie, ihm zu vertrauen. Er fand in den folgenden Nächten keinen Schlaf, suchte nach einer List, bis ihm die alte Marte in den Sinn kam. Sie lebte einsam und abgeschieden ganz am Ende des Dorfes, weitab von den übrigen Hütten. Niemand kannte ihr wahres Alter. Aber man munkelte, dass sie über hundertzwanzig Jahre sei, sich auf Hexenkünste verstünde und man sich besser von ihr Fernhalten sollte.
,,Sie weiß bestimmt Rat, ich muss sie bitten mir zu helfen”, überlegte er sich, suchte Ahmon auf und schlug ihm vor:
,,Ich wüsste schon die Bestie zu besiegen, aber zuvor lasst mich noch einmal zu den Meinen hinauf, um mich gebührend von ihnen zu verabschieden. Ihr habt mein Wort, ich kehre ganz gewiss zurück.”
Misstrauisch bemerkte Neptun:
,,Hm, ihr Menschen seid merkwürdige Wesen, hängt wie die Schlingpflanzen aneinander und gebt sogar euer Leben für das eines anderen hin. Nun, so steige hinauf, doch wehe dir, bist du morgen zur siebenten Stunde nicht zurück, dann sterben deine Freunde.”

Die Bewohner Schreckenflecks lagen alle in tiefem Schlaf, als Qamil den Strand betrat. Eiligst machte er sich auf den Weg zu Martes Kate. Er pochte mehrere Male an das Fensterchen, bis die Alte endlich fragte:
,,Wer da?”
Obwohl es dem Burschen nicht ganz geheuer war, antwortete er respektvoll: ,,Verzeiht mir Marte, dass ich eure Nachtruhe störe. Ich benötige gar dringend Rat und Hilfe von euch, es geht um Leben und Tod.”
Unendlich lange Minuten verstrichen, dann öffnete sich langsam die Tür. Dem kleinen, gebeugten Mütterchen hing das schneeweiße Haar wirr im runzligen Gesicht. Sie leuchtete den ungebetenen Gast mit der Petroleumlampe an, musterte ihn eingehend und hieß ihn einzutreten. Zögernd überschritt er die Schwelle, nahm auf dem angebotenen Schemel Platz, um dann der weisen alten Frau sein Anliegen vorzutragen. Aufmerksam lauschte sie seinen Worten, nickte dabei manchmal zustimmend.
,,Nun wisst ihr um meine schier unlösbare Aufgabe”, endete der Jüngling leise. Unverwandt schaute Marte ihn starr an, als wolle sie ihm ins Herz blicken. Dann trippelte sie in eine im Dunkeln liegende Ecke, kramte dort vor sich hinmurmelnd herum und brachte ein kleines Lederbeutelchen zum Vorschein. Sie reichte es ihrem Gast, näherte sich seinem Ohr und erklärte flüsternd, wie er zu verfahren habe. Erleichtert bedankte sich Qamil bei der Alten, barg den Beutel auf seiner Brust, eilte unverzüglich zum Meer und warf sich in die Wogen.

Kaum in Neptuns Reich angekommen lief er umgehend zu seinen Gefährten, dass sie sich nicht länger um ihn ängstigten. Er versprach ihnen bald wieder frei zu sein. Dann begab er sich zum Palast, trat festen Schrittes vor Ahmon und sprach:
,,Ihr seht, ich habe Wort gehalten.”
,,Soweit, so gut”, entgegnete der Herr der Meere, “aber wirst du jetzt auch die Seeschlange vernichten?”
,,Gemach, gemach. Du sollst wissen, dass nur ich allein in der Lage bin, die Hydra zu besiegen. Jedoch bewerkstellige ich das nur unter einer Bedingung.”
,,Wie? Du wagst es Forderungen zu stellen?”
Der pfiffige Knabe antwortete schlicht, aber mit Bestimmtheit:
,,Gewiss! Da ihr ja selber nicht fähig seid euch von dem Ungeheuer zu befreien.”

,,Vermaledeiter Seeteufel”, schoss es Neptun durch den Kopf, “der Kerl hat Recht. Gehe ich darauf ein oder nicht? Was wird er bloß von mir wollen?”
Während er nervös seinen buschigen Bart strich, meinte er:
,,So sprich.”
Der Fischersohn trat näher heran:
,,Ich schaffe dir die gefährliche Bestie vom Halse, du lässt dafür meine drei Gefährten und mich frei. Außerdem verlange ich dein Wort, dass du meinem Dorf niemals wieder Schaden zufügen wirst.”
,,Du bist mir reichlich unverschämt, Bürschchen!”, rief Ahmon aufspringend, lief herum und überlegte fieberhaft:
,,Was soll mein Hofstaat von mir halten, wenn ich so ohne Weiteres diese Bedingungen erfülle? Ich kann nicht einfach Kleinbeigeben, da verliere ich an Macht. Ich muss diesem Lümmel ebenfalls etwas abverlangen. Aber was?”

Währenddessen tuschelte Nyla mit ihren dreiundzwanzig Schwestern, dann trat sie zum Vater und schlug ihm wispernd etwas vor. Seiner Töchter Wünsche gefielen ihm selber sehr gut und so verkündete er:

,,Vernimm nun meine Antwort, Fischerjunge von Schreckenfleck. Sobald du mir das Herz der zwölfköpfigen Hydra bringst, entlasse ich euch vier aus meine Dienste und ihr dürft dann zu den Euren zurückkehren. Du aber, wirst alle hundert Tage für eine Nacht lang in meinen Palast herunterkommen, um mir und meinen Töchtern bis zum Sonnenaufgang wundersame Geschichten zu erzählen. Des weiteren sollen die Dorfbewohner für Nyla und ihre Schwestern einmal im Jahr ein Fest mit Musik und Tanz ausrichten.”
Qamil reichte Neptun die Hand und sprach:
,,So sei denn unser Abkommen besiegelt.”

Flugs eilte er zu den Gefährten, die frohe Kunde zu überbringen. Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Nun hieß es die gefährliche Seeschlange zu beseitigen. Bevor Qamil sich auf die Suche machte, meinte er zu den Kameraden:
,,Mit dem Ungeheuer werde ich schon allein fertig. Aber unterdessen müsst ihr eine von den fetten Seekühen erlegen, ich benötige das Herz.”

Nach Anweisung der alten Marte begab er sich nun zu einem nördlich liegenden Korallenriff. Dort klaubte er einen Gesteinsbrocken vom Meeresboden und schlug damit mehrfach gegen das Riff. Es dauerte nicht lange und ein furchterregendes Wesen schwamm heran. Seine zwölf Köpfe bewegten sich sehr geschickt in alle Richtungen. Geschwind öffnete der Jüngling den Lederbeutel, entnahm ihm eine dicke Haarsträhne der weisen Frau und hielt sie der Hydra entgegen. Augenblicklich verharrte die Schlange, beäugte neugierig den winzigen Menschen. Plötzlich geschah etwas Unfassbares. Eines der Häupter verwandelte sich in ein menschliches Antlitz und sprach zu ihm:
,,Ich sehe Marte hat dich geschickt, um mir eine Nachricht zu überbringen.”
,,Ja”, antwortete er heiser vor Aufregung, “sie lässt dir sagen, es ist für dich an der Zeit zu deinem Ursprung zurückzukehren.”

Zwölf Köpfe verneigten sich tief vor Qamil:
,,Ich danke dir für deine freundlichen Worte und nehme nun wieder meinen Platz am Himmelszelt ein.”
Im gleichen Moment schoss anstelle der Seeschlange ein gleißender Lichtstrahl aus dem Meer hinauf in den Nachthimmel.
Gemeinsam überbrachten die Burschen dem Meeresbeherrscher das verlangte Herz. Neptun hielt sein Wort und ließ sie heimgehen.

Die Freude über die Rückkehr ihrer totgeglaubten Söhne war so unbeschreiblich groß, dass die Fischer drei Tage lang feierten. Qamil musste dabei wieder und wieder seinen blutigen Kampf mit der gefährlichen Bestie Hydra schildern. Allerdings verschwieg das recht gewitzte Kerlchen, dass Marte, Ahmons Mutter, den Himmelsdrachen beauftragt hatte, ihren herrschsüchtigen Sohn ein wenig in Schach zu halten.

Der ausgehandelte Frieden zwischen dem kleinen Fischerdorf Schreckenfleck und Neptun hielt sogar ein ganzes Leben lang, denn jeder trug brav seinen Teil zur Abmachung bei.
Heute noch feiern die Bewohner einmal im Jahr das große Neptunfest.

Quelle: Ulla Magonz

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