1
(2)
Es war einmal ein König, dem war seine Frau gestorben, und hatte ihm sieben Töchter hinterlassen, die waren eine immer schöner als die andre, die jüngste aber war die schönste und klügste. Die Minister des Königs riethen ihm wiederholt, er solle doch wieder eine Gemahlin nehmen, und sprachen: »Die Königin des benachbarten Staates ist Wittwe, und hat sieben schöne und starke Söhne. So höret denn auf unsern Rath, und begehret sie zur Gemahlin; eure sieben Töchter aber gebet ihren sieben Söhnen.« Dem König gefiel dieser Rath gar wohl, und er sandte einen Boten zur Königin und ließ sie fragen, ob er wohl die Ehre haben könne, sie zu seiner Gemahlin zu nehmen, und ihre sieben Söhne mit seinen sieben Töchtern zu verheirathen. Die Königin war es zufrieden, und so wurden alle acht Hochzeiten an einem Tage gefeiert mit großer Pracht. Durch Gottes Gnade wurden die sieben Königstöchter denn auch bald guter Hoffnung.
Nun begab es sich aber eines Tages, daß ein Krieg ausbrach, und der König mit seinen sieben Schwiegersöhnen in den Krieg ziehen mußte. Da kamen die sieben Königssöhne zu ihrer Mutter und sprachen: »Liebe Mutter, euch empfehlen wir unsere Frauen: pfleget sie wohl, wenn ihre Stunde kommt.« Darauf zogen sie in den Krieg. Die Königin war aber eine böse Frau, die ihre Schwiegertöchter nicht leiden mochte, und da sie sie immer weinen und jammern sah, ward sie ungeduldig, rief die Schergen herbei, und sprach zu ihnen: »Nehmet diese sieben Frauen, die täglich nichts thun als weinen und klagen, führt sie in den Wald wo er am dichtesten ist; stecht ihnen die Augen aus und überlaßt sie dann ihrem Schicksal. Die sieben Paar Augen aber müßt ihr mir herbringen.« Also mußten die armen Königstöchter das Schloß verlassen, und die Schergen führten sie in den Wald, wo er am dichtesten war, fielen über sie her, und stachen ihnen die Augen aus, ohne sich an ihr Weinen zu kehren. Dann überließen sie sie ihrem Schicksal, und brachten der bösen Königin die Augen. Da standen nun die armen Königstöchter in ihrem Zustand, und konnten sich nicht helfen, mußten in dem Wald bleiben und sich kümmerlich von Wurzeln nähren.
Endlich kam die Zeit, wo die älteste gebären sollte, und sie gebar ein schönes kleines Mädchen. Weil aber die armen Königstöchter so sehr vom Hunger litten, so brachten sie das unschuldige Kindlein um, und verzehrten es. Kurze Zeit darauf gebar die zweite auch ein Mädchen, das aßen sie wie das erste. So kamen nach und nach sechs kleine Mädchen zur Welt, die aßen sie eins nach dem andern. Endlich kam auch für die jüngste ihre Stunde und sie gebar einen wunderschönen kleinen Knaben. Da sprach sie: »Liebe Schwestern, lasset dies Kindlein am Leben, es ist ja ein Knabe, der wird uns später behülflich sein können. Lasset ihn uns aufziehn.« Also ließen sie das Kindlein am Leben, und seine Mutter nannte es Cacciaturino. Cacciaturino wuchs heran und wurde mit jedem Tage schöner und kräftiger.
Aber lassen wir ihn nun im Walde mit seiner Mutter und seinen Tanten sehen wir uns nach den armen Königssöhnen um, die so lange Zeit im Kriege geblieben waren.
Als sie nach Hause kamen, war ihre erste Frage nach ihren Frauen. »Sie sind Alle gestorben,« antwortete die böse Königin. Denkt euch nun die Verzweiflung der sieben Königssöhne. »Und meine Frau ist auch gestorben? Und mein Kindlein auch?« frug ein Jeder. »Alle, alle todt!« antwortete die Mutter. Da wurden die sieben Königssöhne so traurig, daß sie ganz krank davon wurden, und keinen Trost annehmen wollten, und so vergingen drei oder vier Jahre.
Da begab es sich eines Tages, daß ihre Mutter sie in den Wald schickte, um zu jagen, denn sie meinte, das solle sie von ihren trüben Gedanken befreien. Wie sie nun so im Walde jagten, sehen sie auf einmal einen wunderschönen Knaben von drei oder vier Jahren, der war so schön, daß sie ihn anriefen und frugen: »Wie heißest du, mein Kind?« »Cacciaturino!« »Mit wem wohnst du hier im Wald?« »Mit meiner Mutter.« »Hättest du wohl Lust, mit uns an den Hof zu kommen, und bei uns zu bleiben? Denn wir sind Königssöhne, und wollen dich halten wie unser eignes Kind.« »Wartet hier ein wenig auf mich,« sprach Cacciaturino, »so will ich zuerst meine Mutter fragen.« Da lief er hin, und erzählte seiner Mutter, was die sieben Jäger zu ihm gesagt hatten. Seine Mutter aber antwortete: »Sage den Königssöhnen, du wollest mit ihnen gehn, wenn sie dir erlauben wollen, jede Woche einmal in den Wald zu gehn, um mich zu besuchen. Und wenn du in Noth bist, komme nur zu mir.« Also ging Cacciaturino zu den Königssöhnen zurück, und sie nahmen ihn mit an den Hof und hielten ihn wie ihren Sohn, und besonders der Jüngste hatte ihn von Herzen lieb. Nun hatte aber die Königin eine Schwester, die war eine böse Menschenfresserin. Als nun Cacciaturino in seinem zwölften Jahre war, kam die Königin einst zu ihrer Schwester, die sprach zu ihr: »Weißt du auch, wer der kleine Cacciaturino ist, den deine Söhne wie ihren Sohn halten? Das ist das Kind deines jüngsten Sohnes und der jüngsten Königstochter. Seine Mutter aber wohnt noch mit ihren Schwestern im Wald, und du wirst sehen, eines Tages wird Cacciaturino schon erfahren, wer er ist, und wird dich umbringen.« »Ach, liebe Schwester,« bat nun die Königin, »hilf mir doch, und gib mir einen guten Rath, wie ich ihn los werden kann.« »Weißt du was? wenn du nach Hause kömmst, so stelle dich sterbenskrank, und lasse einen Arzt kommen, den du vorher bestochen hast, daß er sagen soll, nur das Blut des Menschenfressers könne dich retten. Du aber schickst dann den kleinen Cacciaturino hin es zu holen, so wird der Menschenfresser ihn verschlingen.«
Dieser Rath gefiel der Königin gar wohl, sie ging sogleich zu einem Arzt, und bestach ihn, daß er sagen sollte, wie sie ihm heißen werde, und als sie nach Hause kam, legte sie sich sogleich ins Bett, und weinte und klagte. »Ich sterbe! ich sterbe!« »Liebe Frau, was ist dir denn?« frug der König ganz besorgt. »Schnell, die Diener sollen sogleich einen Arzt rufen.« Sogleich wurde der Arzt gerufen, und als er die Königin im Bette liegen sah, sprach er: »Wenn die Königin nicht ein Fläschchen vom Blute des Menschenfressers bekommt, so muß sie sterben.« »Ach, wo sollen wir denn das herbekommen,« rief der König, »es kann ja Niemand zum Menschenfresser gehn.« »Schickt den Cacciaturino!« sprach die Königin, »der weiß, wo der Menschenfresser wohnt; aber schnell, sonst muß ich sterben.« Da ließ der König den armen Cacciaturino kommen, und sprach zu ihm: »Cacciaturino, mache dich bereit; du mußt sogleich gehn, und ein Fläschchen vom Blute des Menschenfressers holen, denn die Königin ist krank, und kann sonst nicht genesen.« »Königliche Majestät,« sprach Cacciaturino, »ich will euer Gebot erfüllen. Vergönnt mir nur, vorher noch einmal in den Wald zu gehn, und von meiner Mutter Abschied zu nehmen.« »Das sei dir gewährt,« sprach der König, und Cacciaturino ging in den Wald zu seiner Mutter. »Denkt euch nur, liebe Mutter, das und das hat mir der König aufgetragen.« Die jüngste Königstochter aber war sehr klug, und sprach zu ihrem Sohne: »Laß dir vom König ein feines Messerchen und ein Fläschchen geben, und mache dich getrost auf den Weg zum Menschenfresser. Wenn du hinkommst, wird er unter einem Baum liegen und schlafen, wenn du dich aber näherst, wird er dich ergreifen und verschlingen. Fürchte dich nicht, sondern greife nur nach deinem Messerchen, schneide ihm im Leibe die Adern auf, und fülle dein Fläschchen mit dem Blut. Davon wird er sterben, und sein Mund wird sich öffnen, daß du wieder hinauskriechen kannst. Gehorche deiner Mutter, mein Kind, so wird dir kein Leid zustoßen.«
Cacciaturino kam zum König und sprach: »Königliche Majestät, gebet mir ein Messerchen und ein Fläschchen, so will ich gehn und das Blut des Menschenfressers holen.« Da gab ihm der König ein scharfes, kleines Messer und ein Fläschchen, und Cacciaturino ging zum Menschenfresser, der lag unter einem Baum und schlief. Als aber Cacciaturino sich näherte, erwachte er, griff sogleich nach dem kleinen Knaben und verschluckte ihn. Cacciaturino erschrak wohl ein wenig, als es im Leibe des Menschenfressers so finster war, aber er gedachte an die Worte seiner Mutter, zog sein Messerchen hervor, und schnitt alle die Adern auf. Nun konnte aber der Menschenfresser nicht länger leben, und als er starb, öffnete sich sein Mund wie ein großes Thor. Da füllte Cacciaturino sein Fläschchen mit Blut, kroch wieder hervor und eilte vergnügt zum König. Der hatte natürlich eine große Freude, als ihm Cacciaturino das Blut brachte, die Königin aber stellte sich, als wäre sie nun ganz genesen.
Am nächsten Morgen ging Cacciaturino in den Wald, und erzählte seiner Mutter, daß er Alles vollbracht habe, und seine Mutter sagte: »Wohl, mein Kind, folge nur stets meinem Rath, so wird es Dir immer gut gehn.« Die Königin aber konnte keine Ruhe finden, darum, daß Cacciaturino gesund wiedergekehrt war. Sie ging also zu ihrer Schwester und sprach: »Ach, liebe Schwester, Cacciaturino ist zurückgekehrt, ohne daß der Menschenfresser ihn gefressen hätte.« »Ja, liebe Schwester,« antwortete die Menschenfresserin, »so müssen wir eben etwas anderes ausdenken, um ihn zu verderben. Wenn du nach Hause kommst, mußt du dich stellen, als ob du plötzlich erblindet wärest. Den Arzt aber mußt du wieder bestechen, daß er dem König sage, wenn du nicht das Wasser des guten Gesichtes hättest, so würdest du blind bleiben. Dieses Wasser hat Niemand als nur ich, und wenn du Cacciaturino zu mir schickst, so will ich schon dafür sorgen, daß er nicht wiederkehre.« Die Königin ging sogleich zum Arzt und bestach ihn, daß er sagte, was sie wollte. Als sie aber nach Hause kam, fing sie an zu jammern: »Ach, Hülfe! Hülfe! ich bin plötzlich blind geworden!« Der König eilte ganz erschrocken herbei: »Liebe Frau, was ist dir denn? Erkennst du mich denn nicht?« »Ach, was soll ich euch erkennen! ich sehe ja gar nichts mehr!« Da ließ der König schnell den Arzt holen. Der betrachtete die Königin erst eine lange Weile, dann sprach er: »Wenn die Königin nicht das Wasser des guten Gesichtes findet, um sich die Augen damit zu waschen, so kann sie nie wieder sehend werden.« »Ach,« sprach der König, »wo sollen wir denn dieses Wasser herholen?« »Schickt nur den Cacciaturino,« rief die Königin, »der weiß, wo es zu haben ist.«
Also ließ der König den armen Cacciaturino vor sich kommen, und sprach zu ihm: »Cacciaturino, du mußt sogleich ausziehn und ein Fläschchen vom Wasser des guten Gesichts holen, denn die Königin ist blind geworden, und kann sonst nicht wieder sehend werden.« »Königliche Majestät,« antwortete Cacciaturino, »ich will euer Gebot erfüllen. Vergönnt mir nur vorher einmal in den Wald zu gehen und Abschied von meiner Mutter zu nehmen.« »Das sei dir gewährt,« sprach der König, und Cacciaturino ging in den Wald zu seiner Mutter und erzählte ihr, was der König ihm aufgetragen habe. »Verliere nur nicht den Muth,« sagte sie, »und höre auf meine Worte. Das Wasser des guten Gesichts besitzt Niemand, als die Menschenfresserin. Geh zum König und bitte dir ein Pferd aus, denn es ist zu weit, um zu Fuße zu gehn. Wenn du nun zur Menschenfresserin kommst, mußt du dich wohl hüten, jemals vom Pferde zu steigen; sie wird dich freundlich aufnehmen und dich einladen, bei ihr zu essen, dann antworte nur: ‚Wenn ich bei euch essen soll, so müßt ihr mir einen Tisch decken, der so hoch sei, daß ich auf meinem Pferde davor sitzen kann.‘ Das wird sie thun und wird zwei Teller bringen, einen für sich mit guten Speisen, den andern für dich mit vergifteten Speisen. Ehe du nun auch nur einen Bissen davon nimmst, mußt du deine Gabel auf den Boden fallen lassen und die Menschenfresserin bitten, sie dir zu holen. Sie wird dir eine andre anbieten, nimm sie aber nicht, sondern nöthige sie, sich zu bücken und deine Gabel aufzuheben. Während sie sich aber bückt, mußt du schnell die Teller vertauschen, daß sie selbst von den vergifteten Speisen ißt und stirbt. Wenn sie nun todt ist, so reiße ihr das Kleid vorn auf und nimm die Zaubergerte, die sie im Busen trägt. In einem Schrank wirst du vierzehn Augen finden, das sind meine Augen und die meiner Schwestern, bringe sie uns mit. Endlich fülle dein Fläschchen mit dem Wasser des guten Gesichts, und komme zuerst hierher, ehe du es zum Könige bringst.«
Cacciaturino eilte zum König und bat ihn um ein Pferd, wie seine Mutter ihm befohlen hatte. Dann steckte er auch noch seine eigene Gabel in die Tasche, bestieg das Pferd und ritt zur Menschenfresserin. Als er an ihren Palast kam, stand sie am Fenster und rief ihm freundlich zu: »Ei, mein schöner Bursche, steiget herab von eurem Pferd, und kommet herein und setzt euch an meinen Tisch.« Cacciaturino antwortete: »Wenn ich bei euch essen soll, so müßt ihr mir einen Tisch decken lassen, daß ich auf meinem Pferde davor sitzen kann; denn so bin ich es gewöhnt.« Weil ihn nun die Menschenfresserin vergiften wollte, that sie ihm den Willen und ließ einen so hohen Tisch zurichten, daß er auf seinem Pferde daran sitzen konnte. Sie selbst aber mußte eine kleine Leiter nehmen, um hinauf zu gelangen. Da brachte sie zwei Teller herein, und stellte den einen vor Cacciaturino und sprach: »Eßt nur, mein schöner Bursche.« Cacciaturino antwortete: »Ich bin nicht gewohnt, mit fremden Gabeln zu essen, erlaubet daher, daß ich meiner eigenen mich bediene.« Als er aber die Gabel aus der Tasche zog, stellte er sich, als glitte sie ihm aus der Hand und ließ sie fallen. »Ach, edle Frau,« bat er, »seid so gut und holet mir meine Gabel, denn ich kann mein Pferd nicht verlassen.« »Hier ist eine andre Gabel,« sprach die Menschenfresserin. Er aber antwortete: »Nein, nein, edle Frau, ich bin nicht gewohnt, mit einer andern Gabel zu essen, als mit meiner eigenen.« Da stieg sie hinunter, um die Gabel aufzuheben; Cacciaturino aber vertauschte schnell die beiden Teller.
Als nun die Menschenfresserin einige Bissen genommen hatte, fiel sie auf einmal um und war todt. Da aß sich Cacciaturino erst satt, dann stieg er vom Pferd und riß ihr das Kleid auf, und in ihrem Busen fand er richtig die Zaubergerte, die nahm er zu sich. Dann schaute er sich weiter um und fand die vierzehn Augen in einem Glasschrank, je zwei und zwei, die nahm er auch. Endlich füllte er sein Fläschchen mit dem Wasser des guten Gesichtes, bestieg sein Pferd, und ritt fröhlich dem Walde zu. »Bist du wieder da, mein Sohn, mein lieber Sohn!« rief seine Mutter voll Freude. »Ja wohl, liebe Mutter, und hier habe ich euch auch eure Augen mitgebracht.« Da bestrich er die Augenhöhlen seiner Mutter mit dem Wasser des guten Gesichts, setzte ihr ihre Augen ein, und alsobald ward sie sehend. So heilte er auch alle seine Tanten. Dann zog er seine Zaubergerte hervor und wünschte sich prächtige Kleider für seine Mutter und ihre Schwestern und zwei goldne Wagen mit edeln Pferden bespannt, und zuletzt einen wunderschönen Palast, dem königlichen Schloß gerade gegenüber.
Kaum hatte er sich das Alles gewünscht, so stand das auch schon da; sie setzten sich Alle in die Wagen und fuhren in ihr schönes Schloß, wo Diener und Dienerinnen in Menge sie erwarteten, diese wuschen und badeten die armen Königstöchter mit wohlriechendem Wasser, bis sie wieder schön und gesund wurden. Am Morgen trat der König auf den Balkon; da sah er sich gegenüber das herrliche Schloß, und die schönen Frauen standen mit einem wunderschönen Knaben am Fenster. Weil er aber neugierig war, schickte er einen Boten hinüber, um den fremden Knaben mit den schönen Damen zu sich einzuladen. Der Bote ging hinüber, um den Auftrag des Königs auszurichten. Cacciaturino aber antwortete: »Saget dem König, meine Damen verließen ihre Wohnung nicht, darum möge er uns die Gnade erzeigen und mit der Königin und ihren sieben Söhnen zu uns zur Tafel zu kommen.« Als der König das hörte, sprach er: »Nun wohl, so sei es,« und ging mit der Königin und den Schwiegersöhnen ins schöne Schloß.
Denkt euch nun, wie die Tafel gedeckt sein mochte, und was für herrliche Speisen wohl darauf standen; genug, daß Alles von Feenhand gemacht war, denn Cacciaturino brauchte seiner Gerte nur zu befehlen, so stand Alles so herrlich da, wie es nicht einmal der König hatte. Zu Tische aber ließ Cacciaturino jeden Königssohn neben seiner Frau sitzen. Als sie nun fertig gegessen hatten, sprach der König: »Wie wäre es, wenn Jeder von uns eine Geschichte erzählte?« »Wie es euch beliebt, königliche Majestät,« antwortete Cacciaturino, »und euch gebührt es, anzufangen.« »Nein, nein, fangt ihr an,« rief der König, »ihr seid ja der Jüngste.« »Ich gehorche, königliche Majestät,« sprach Cacciaturino, »aber unter einer Bedingung, gebet mir euer königliches Wort, daß Keiner das Zimmer verlassen darf, während ich erzähle.« »Ihr habt mein königliches Wort,« rief der König, und befahl alle Thüren zu verschließen.
Nun fing Cacciaturino an zu erzählen, und erzählte die ganze Geschichte, wie ich sie euch erzählt habe, von der Zeit an, wo der König um die Königin freite. Bei jedem Worte, das er sprach, wurde die Königin blaß und immer blässer und hätte gern den Saal verlassen, der König aber erlaubte es nicht, denn er hatte sein königliches Wort gegeben. Als Cacciaturino nun die ganze Geschichte erzählt hatte, fuhr er fort: »Königliche Majestät, ich bin Cacciaturino, hier sind mein Vater und meine Mutter, und ihr seid mein Großvater. Die böse Königin aber ist an all dem Unglück schuld.« »Dafür soll sie auch ihre Strafe bekommen,« rief der König. »Schnell, ergreifet sie, und werfet sie in einen Kessel mit siedendem Oel, und werfet sie den Hunden vor.«
Und so geschah es. Die böse Königin wurde in einem Kessel mit siedendem Oel gekocht und dann den Hunden vorgeworfen. Der alte König lebte glücklich und zufrieden mit seinen sieben Töchtern und ihren sieben Männern. Cacciaturino aber war Alles so wohl gelungen, weil er den Worten seiner Mutter gehorcht hatte, denn Gott verläßt den Gerechten nicht, und wer Gutes thut wird Gutes erhalten.
Nun begab es sich aber eines Tages, daß ein Krieg ausbrach, und der König mit seinen sieben Schwiegersöhnen in den Krieg ziehen mußte. Da kamen die sieben Königssöhne zu ihrer Mutter und sprachen: »Liebe Mutter, euch empfehlen wir unsere Frauen: pfleget sie wohl, wenn ihre Stunde kommt.« Darauf zogen sie in den Krieg. Die Königin war aber eine böse Frau, die ihre Schwiegertöchter nicht leiden mochte, und da sie sie immer weinen und jammern sah, ward sie ungeduldig, rief die Schergen herbei, und sprach zu ihnen: »Nehmet diese sieben Frauen, die täglich nichts thun als weinen und klagen, führt sie in den Wald wo er am dichtesten ist; stecht ihnen die Augen aus und überlaßt sie dann ihrem Schicksal. Die sieben Paar Augen aber müßt ihr mir herbringen.« Also mußten die armen Königstöchter das Schloß verlassen, und die Schergen führten sie in den Wald, wo er am dichtesten war, fielen über sie her, und stachen ihnen die Augen aus, ohne sich an ihr Weinen zu kehren. Dann überließen sie sie ihrem Schicksal, und brachten der bösen Königin die Augen. Da standen nun die armen Königstöchter in ihrem Zustand, und konnten sich nicht helfen, mußten in dem Wald bleiben und sich kümmerlich von Wurzeln nähren.
Endlich kam die Zeit, wo die älteste gebären sollte, und sie gebar ein schönes kleines Mädchen. Weil aber die armen Königstöchter so sehr vom Hunger litten, so brachten sie das unschuldige Kindlein um, und verzehrten es. Kurze Zeit darauf gebar die zweite auch ein Mädchen, das aßen sie wie das erste. So kamen nach und nach sechs kleine Mädchen zur Welt, die aßen sie eins nach dem andern. Endlich kam auch für die jüngste ihre Stunde und sie gebar einen wunderschönen kleinen Knaben. Da sprach sie: »Liebe Schwestern, lasset dies Kindlein am Leben, es ist ja ein Knabe, der wird uns später behülflich sein können. Lasset ihn uns aufziehn.« Also ließen sie das Kindlein am Leben, und seine Mutter nannte es Cacciaturino. Cacciaturino wuchs heran und wurde mit jedem Tage schöner und kräftiger.
Aber lassen wir ihn nun im Walde mit seiner Mutter und seinen Tanten sehen wir uns nach den armen Königssöhnen um, die so lange Zeit im Kriege geblieben waren.
Als sie nach Hause kamen, war ihre erste Frage nach ihren Frauen. »Sie sind Alle gestorben,« antwortete die böse Königin. Denkt euch nun die Verzweiflung der sieben Königssöhne. »Und meine Frau ist auch gestorben? Und mein Kindlein auch?« frug ein Jeder. »Alle, alle todt!« antwortete die Mutter. Da wurden die sieben Königssöhne so traurig, daß sie ganz krank davon wurden, und keinen Trost annehmen wollten, und so vergingen drei oder vier Jahre.
Da begab es sich eines Tages, daß ihre Mutter sie in den Wald schickte, um zu jagen, denn sie meinte, das solle sie von ihren trüben Gedanken befreien. Wie sie nun so im Walde jagten, sehen sie auf einmal einen wunderschönen Knaben von drei oder vier Jahren, der war so schön, daß sie ihn anriefen und frugen: »Wie heißest du, mein Kind?« »Cacciaturino!« »Mit wem wohnst du hier im Wald?« »Mit meiner Mutter.« »Hättest du wohl Lust, mit uns an den Hof zu kommen, und bei uns zu bleiben? Denn wir sind Königssöhne, und wollen dich halten wie unser eignes Kind.« »Wartet hier ein wenig auf mich,« sprach Cacciaturino, »so will ich zuerst meine Mutter fragen.« Da lief er hin, und erzählte seiner Mutter, was die sieben Jäger zu ihm gesagt hatten. Seine Mutter aber antwortete: »Sage den Königssöhnen, du wollest mit ihnen gehn, wenn sie dir erlauben wollen, jede Woche einmal in den Wald zu gehn, um mich zu besuchen. Und wenn du in Noth bist, komme nur zu mir.« Also ging Cacciaturino zu den Königssöhnen zurück, und sie nahmen ihn mit an den Hof und hielten ihn wie ihren Sohn, und besonders der Jüngste hatte ihn von Herzen lieb. Nun hatte aber die Königin eine Schwester, die war eine böse Menschenfresserin. Als nun Cacciaturino in seinem zwölften Jahre war, kam die Königin einst zu ihrer Schwester, die sprach zu ihr: »Weißt du auch, wer der kleine Cacciaturino ist, den deine Söhne wie ihren Sohn halten? Das ist das Kind deines jüngsten Sohnes und der jüngsten Königstochter. Seine Mutter aber wohnt noch mit ihren Schwestern im Wald, und du wirst sehen, eines Tages wird Cacciaturino schon erfahren, wer er ist, und wird dich umbringen.« »Ach, liebe Schwester,« bat nun die Königin, »hilf mir doch, und gib mir einen guten Rath, wie ich ihn los werden kann.« »Weißt du was? wenn du nach Hause kömmst, so stelle dich sterbenskrank, und lasse einen Arzt kommen, den du vorher bestochen hast, daß er sagen soll, nur das Blut des Menschenfressers könne dich retten. Du aber schickst dann den kleinen Cacciaturino hin es zu holen, so wird der Menschenfresser ihn verschlingen.«
Dieser Rath gefiel der Königin gar wohl, sie ging sogleich zu einem Arzt, und bestach ihn, daß er sagen sollte, wie sie ihm heißen werde, und als sie nach Hause kam, legte sie sich sogleich ins Bett, und weinte und klagte. »Ich sterbe! ich sterbe!« »Liebe Frau, was ist dir denn?« frug der König ganz besorgt. »Schnell, die Diener sollen sogleich einen Arzt rufen.« Sogleich wurde der Arzt gerufen, und als er die Königin im Bette liegen sah, sprach er: »Wenn die Königin nicht ein Fläschchen vom Blute des Menschenfressers bekommt, so muß sie sterben.« »Ach, wo sollen wir denn das herbekommen,« rief der König, »es kann ja Niemand zum Menschenfresser gehn.« »Schickt den Cacciaturino!« sprach die Königin, »der weiß, wo der Menschenfresser wohnt; aber schnell, sonst muß ich sterben.« Da ließ der König den armen Cacciaturino kommen, und sprach zu ihm: »Cacciaturino, mache dich bereit; du mußt sogleich gehn, und ein Fläschchen vom Blute des Menschenfressers holen, denn die Königin ist krank, und kann sonst nicht genesen.« »Königliche Majestät,« sprach Cacciaturino, »ich will euer Gebot erfüllen. Vergönnt mir nur, vorher noch einmal in den Wald zu gehn, und von meiner Mutter Abschied zu nehmen.« »Das sei dir gewährt,« sprach der König, und Cacciaturino ging in den Wald zu seiner Mutter. »Denkt euch nur, liebe Mutter, das und das hat mir der König aufgetragen.« Die jüngste Königstochter aber war sehr klug, und sprach zu ihrem Sohne: »Laß dir vom König ein feines Messerchen und ein Fläschchen geben, und mache dich getrost auf den Weg zum Menschenfresser. Wenn du hinkommst, wird er unter einem Baum liegen und schlafen, wenn du dich aber näherst, wird er dich ergreifen und verschlingen. Fürchte dich nicht, sondern greife nur nach deinem Messerchen, schneide ihm im Leibe die Adern auf, und fülle dein Fläschchen mit dem Blut. Davon wird er sterben, und sein Mund wird sich öffnen, daß du wieder hinauskriechen kannst. Gehorche deiner Mutter, mein Kind, so wird dir kein Leid zustoßen.«
Cacciaturino kam zum König und sprach: »Königliche Majestät, gebet mir ein Messerchen und ein Fläschchen, so will ich gehn und das Blut des Menschenfressers holen.« Da gab ihm der König ein scharfes, kleines Messer und ein Fläschchen, und Cacciaturino ging zum Menschenfresser, der lag unter einem Baum und schlief. Als aber Cacciaturino sich näherte, erwachte er, griff sogleich nach dem kleinen Knaben und verschluckte ihn. Cacciaturino erschrak wohl ein wenig, als es im Leibe des Menschenfressers so finster war, aber er gedachte an die Worte seiner Mutter, zog sein Messerchen hervor, und schnitt alle die Adern auf. Nun konnte aber der Menschenfresser nicht länger leben, und als er starb, öffnete sich sein Mund wie ein großes Thor. Da füllte Cacciaturino sein Fläschchen mit Blut, kroch wieder hervor und eilte vergnügt zum König. Der hatte natürlich eine große Freude, als ihm Cacciaturino das Blut brachte, die Königin aber stellte sich, als wäre sie nun ganz genesen.
Am nächsten Morgen ging Cacciaturino in den Wald, und erzählte seiner Mutter, daß er Alles vollbracht habe, und seine Mutter sagte: »Wohl, mein Kind, folge nur stets meinem Rath, so wird es Dir immer gut gehn.« Die Königin aber konnte keine Ruhe finden, darum, daß Cacciaturino gesund wiedergekehrt war. Sie ging also zu ihrer Schwester und sprach: »Ach, liebe Schwester, Cacciaturino ist zurückgekehrt, ohne daß der Menschenfresser ihn gefressen hätte.« »Ja, liebe Schwester,« antwortete die Menschenfresserin, »so müssen wir eben etwas anderes ausdenken, um ihn zu verderben. Wenn du nach Hause kommst, mußt du dich stellen, als ob du plötzlich erblindet wärest. Den Arzt aber mußt du wieder bestechen, daß er dem König sage, wenn du nicht das Wasser des guten Gesichtes hättest, so würdest du blind bleiben. Dieses Wasser hat Niemand als nur ich, und wenn du Cacciaturino zu mir schickst, so will ich schon dafür sorgen, daß er nicht wiederkehre.« Die Königin ging sogleich zum Arzt und bestach ihn, daß er sagte, was sie wollte. Als sie aber nach Hause kam, fing sie an zu jammern: »Ach, Hülfe! Hülfe! ich bin plötzlich blind geworden!« Der König eilte ganz erschrocken herbei: »Liebe Frau, was ist dir denn? Erkennst du mich denn nicht?« »Ach, was soll ich euch erkennen! ich sehe ja gar nichts mehr!« Da ließ der König schnell den Arzt holen. Der betrachtete die Königin erst eine lange Weile, dann sprach er: »Wenn die Königin nicht das Wasser des guten Gesichtes findet, um sich die Augen damit zu waschen, so kann sie nie wieder sehend werden.« »Ach,« sprach der König, »wo sollen wir denn dieses Wasser herholen?« »Schickt nur den Cacciaturino,« rief die Königin, »der weiß, wo es zu haben ist.«
Also ließ der König den armen Cacciaturino vor sich kommen, und sprach zu ihm: »Cacciaturino, du mußt sogleich ausziehn und ein Fläschchen vom Wasser des guten Gesichts holen, denn die Königin ist blind geworden, und kann sonst nicht wieder sehend werden.« »Königliche Majestät,« antwortete Cacciaturino, »ich will euer Gebot erfüllen. Vergönnt mir nur vorher einmal in den Wald zu gehen und Abschied von meiner Mutter zu nehmen.« »Das sei dir gewährt,« sprach der König, und Cacciaturino ging in den Wald zu seiner Mutter und erzählte ihr, was der König ihm aufgetragen habe. »Verliere nur nicht den Muth,« sagte sie, »und höre auf meine Worte. Das Wasser des guten Gesichts besitzt Niemand, als die Menschenfresserin. Geh zum König und bitte dir ein Pferd aus, denn es ist zu weit, um zu Fuße zu gehn. Wenn du nun zur Menschenfresserin kommst, mußt du dich wohl hüten, jemals vom Pferde zu steigen; sie wird dich freundlich aufnehmen und dich einladen, bei ihr zu essen, dann antworte nur: ‚Wenn ich bei euch essen soll, so müßt ihr mir einen Tisch decken, der so hoch sei, daß ich auf meinem Pferde davor sitzen kann.‘ Das wird sie thun und wird zwei Teller bringen, einen für sich mit guten Speisen, den andern für dich mit vergifteten Speisen. Ehe du nun auch nur einen Bissen davon nimmst, mußt du deine Gabel auf den Boden fallen lassen und die Menschenfresserin bitten, sie dir zu holen. Sie wird dir eine andre anbieten, nimm sie aber nicht, sondern nöthige sie, sich zu bücken und deine Gabel aufzuheben. Während sie sich aber bückt, mußt du schnell die Teller vertauschen, daß sie selbst von den vergifteten Speisen ißt und stirbt. Wenn sie nun todt ist, so reiße ihr das Kleid vorn auf und nimm die Zaubergerte, die sie im Busen trägt. In einem Schrank wirst du vierzehn Augen finden, das sind meine Augen und die meiner Schwestern, bringe sie uns mit. Endlich fülle dein Fläschchen mit dem Wasser des guten Gesichts, und komme zuerst hierher, ehe du es zum Könige bringst.«
Cacciaturino eilte zum König und bat ihn um ein Pferd, wie seine Mutter ihm befohlen hatte. Dann steckte er auch noch seine eigene Gabel in die Tasche, bestieg das Pferd und ritt zur Menschenfresserin. Als er an ihren Palast kam, stand sie am Fenster und rief ihm freundlich zu: »Ei, mein schöner Bursche, steiget herab von eurem Pferd, und kommet herein und setzt euch an meinen Tisch.« Cacciaturino antwortete: »Wenn ich bei euch essen soll, so müßt ihr mir einen Tisch decken lassen, daß ich auf meinem Pferde davor sitzen kann; denn so bin ich es gewöhnt.« Weil ihn nun die Menschenfresserin vergiften wollte, that sie ihm den Willen und ließ einen so hohen Tisch zurichten, daß er auf seinem Pferde daran sitzen konnte. Sie selbst aber mußte eine kleine Leiter nehmen, um hinauf zu gelangen. Da brachte sie zwei Teller herein, und stellte den einen vor Cacciaturino und sprach: »Eßt nur, mein schöner Bursche.« Cacciaturino antwortete: »Ich bin nicht gewohnt, mit fremden Gabeln zu essen, erlaubet daher, daß ich meiner eigenen mich bediene.« Als er aber die Gabel aus der Tasche zog, stellte er sich, als glitte sie ihm aus der Hand und ließ sie fallen. »Ach, edle Frau,« bat er, »seid so gut und holet mir meine Gabel, denn ich kann mein Pferd nicht verlassen.« »Hier ist eine andre Gabel,« sprach die Menschenfresserin. Er aber antwortete: »Nein, nein, edle Frau, ich bin nicht gewohnt, mit einer andern Gabel zu essen, als mit meiner eigenen.« Da stieg sie hinunter, um die Gabel aufzuheben; Cacciaturino aber vertauschte schnell die beiden Teller.
Als nun die Menschenfresserin einige Bissen genommen hatte, fiel sie auf einmal um und war todt. Da aß sich Cacciaturino erst satt, dann stieg er vom Pferd und riß ihr das Kleid auf, und in ihrem Busen fand er richtig die Zaubergerte, die nahm er zu sich. Dann schaute er sich weiter um und fand die vierzehn Augen in einem Glasschrank, je zwei und zwei, die nahm er auch. Endlich füllte er sein Fläschchen mit dem Wasser des guten Gesichtes, bestieg sein Pferd, und ritt fröhlich dem Walde zu. »Bist du wieder da, mein Sohn, mein lieber Sohn!« rief seine Mutter voll Freude. »Ja wohl, liebe Mutter, und hier habe ich euch auch eure Augen mitgebracht.« Da bestrich er die Augenhöhlen seiner Mutter mit dem Wasser des guten Gesichts, setzte ihr ihre Augen ein, und alsobald ward sie sehend. So heilte er auch alle seine Tanten. Dann zog er seine Zaubergerte hervor und wünschte sich prächtige Kleider für seine Mutter und ihre Schwestern und zwei goldne Wagen mit edeln Pferden bespannt, und zuletzt einen wunderschönen Palast, dem königlichen Schloß gerade gegenüber.
Kaum hatte er sich das Alles gewünscht, so stand das auch schon da; sie setzten sich Alle in die Wagen und fuhren in ihr schönes Schloß, wo Diener und Dienerinnen in Menge sie erwarteten, diese wuschen und badeten die armen Königstöchter mit wohlriechendem Wasser, bis sie wieder schön und gesund wurden. Am Morgen trat der König auf den Balkon; da sah er sich gegenüber das herrliche Schloß, und die schönen Frauen standen mit einem wunderschönen Knaben am Fenster. Weil er aber neugierig war, schickte er einen Boten hinüber, um den fremden Knaben mit den schönen Damen zu sich einzuladen. Der Bote ging hinüber, um den Auftrag des Königs auszurichten. Cacciaturino aber antwortete: »Saget dem König, meine Damen verließen ihre Wohnung nicht, darum möge er uns die Gnade erzeigen und mit der Königin und ihren sieben Söhnen zu uns zur Tafel zu kommen.« Als der König das hörte, sprach er: »Nun wohl, so sei es,« und ging mit der Königin und den Schwiegersöhnen ins schöne Schloß.
Denkt euch nun, wie die Tafel gedeckt sein mochte, und was für herrliche Speisen wohl darauf standen; genug, daß Alles von Feenhand gemacht war, denn Cacciaturino brauchte seiner Gerte nur zu befehlen, so stand Alles so herrlich da, wie es nicht einmal der König hatte. Zu Tische aber ließ Cacciaturino jeden Königssohn neben seiner Frau sitzen. Als sie nun fertig gegessen hatten, sprach der König: »Wie wäre es, wenn Jeder von uns eine Geschichte erzählte?« »Wie es euch beliebt, königliche Majestät,« antwortete Cacciaturino, »und euch gebührt es, anzufangen.« »Nein, nein, fangt ihr an,« rief der König, »ihr seid ja der Jüngste.« »Ich gehorche, königliche Majestät,« sprach Cacciaturino, »aber unter einer Bedingung, gebet mir euer königliches Wort, daß Keiner das Zimmer verlassen darf, während ich erzähle.« »Ihr habt mein königliches Wort,« rief der König, und befahl alle Thüren zu verschließen.
Nun fing Cacciaturino an zu erzählen, und erzählte die ganze Geschichte, wie ich sie euch erzählt habe, von der Zeit an, wo der König um die Königin freite. Bei jedem Worte, das er sprach, wurde die Königin blaß und immer blässer und hätte gern den Saal verlassen, der König aber erlaubte es nicht, denn er hatte sein königliches Wort gegeben. Als Cacciaturino nun die ganze Geschichte erzählt hatte, fuhr er fort: »Königliche Majestät, ich bin Cacciaturino, hier sind mein Vater und meine Mutter, und ihr seid mein Großvater. Die böse Königin aber ist an all dem Unglück schuld.« »Dafür soll sie auch ihre Strafe bekommen,« rief der König. »Schnell, ergreifet sie, und werfet sie in einen Kessel mit siedendem Oel, und werfet sie den Hunden vor.«
Und so geschah es. Die böse Königin wurde in einem Kessel mit siedendem Oel gekocht und dann den Hunden vorgeworfen. Der alte König lebte glücklich und zufrieden mit seinen sieben Töchtern und ihren sieben Männern. Cacciaturino aber war Alles so wohl gelungen, weil er den Worten seiner Mutter gehorcht hatte, denn Gott verläßt den Gerechten nicht, und wer Gutes thut wird Gutes erhalten.
[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]