Suche

Vom eisernen Derwisch und dem Prinzen mit den drei Zwiebäcken

1.7
(3)
Es war einmal eine Königin, die bekam keine Kinder, und war darüber sehr traurig. Als sie eines Tages vor ihrer Türe saß und über ihr Mißgeschick nachdachte, kam ein Derwisch zu ihr, und fragte sie: »warum bist du so traurig, Frau Königin?« Diese aber erwiederte: »gehe deiner Wege und frage mich nicht.« »So sage mir’s doch, vielleicht kann ich dir helfen.« »Ich bin darüber so traurig, daß ich keine Kinder bekomme.« »Wenn es weiter nichts ist, so kann ich dir helfen; wenn ich aber mache, daß du drei Kinder bekommst, giebst du mir dann eins davon?« Da rief die Königin: »wenn du machst, daß ich drei Kinder bekomme, so will ich dir gerne eins davon geben.« Er gab ihr drei Äpfel, und als sie diese gegessen hatte, wurde ihr Leib gesegnet, und sie gebar drei Knaben, den einen nach dem andern.
Als die Knaben heranwuchsen und in die Schule geschickt wurden, kam eines Tags der Derwisch unterwegs zu dem jüngsten, gab ihm einen Apfel und sagte: »stecke ihn in den Busen, und wenn dich am Abend die Mutter auszieht und der Apfel auf die Erde fällt, da sage ihr: denke an das Versprechen, das du dem Derwisch gegeben hast.«
Als am Abend die Mutter den Jüngsten auszog, fiel der Apfel zur Erde, und dabei fiel ihm der Auftrag des Derwisches ein, und er sagte zu seiner Mutter: »ein Derwisch hat mir diesen Apfel gegeben und mir aufgetragen, dir zu sagen, daß du dich an das Versprechen erinnern sollest, das du ihm gegeben hast.« Die Mutter antwortete: »wenn er dir morgen wieder begegnet, so sage ihm, daß er zu mir kommen soll.« Der Knabe tat, wie ihm geheißen, und als der Derwisch am andern Morgen zu ihm kam, sagte er ihm, was ihm seine Mutter aufgetragen hatte. Da ging der Derwisch zur Königin und verlangte von ihr einen ihrer drei Knaben. Die Königin aber beriet sich lange mit dem Könige, welchen von den dreien sie hergeben sollten; den ältesten? das ging nicht, weil er der erstgeborene war; den zweiten? – aber der war so klug und lernte so wacker; – den dritten? – aber der war ein so hübscher, lieber Junge. Sie wußten lange nicht, was sie tun sollten; endlich beschlossen sie, den jüngsten herzugeben, und auf dessen Schönheit nicht zu achten. Darauf sagten sie zu dem Derwisch, wenn die Knaben nach Hause kommen, so nimm denjenigen mit dir, auf den wir heimlich deuten werden.
Als nun die Knaben aus der Schule kamen und ihre Eltern begrüßt hatten, setzten sie sich der Reihe nach hin, und nun deuteten jene auf den Jüngsten. Da sagte der Derwisch zu diesem: »stecke mir die Pfeife an!« Der Knabe sah seinen Vater an, und da dieser nichts sagte, so tat er, was ihm der Derwisch geheißen hatte. Nachdem aber der Derwisch seine Pfeife ausgeraucht, sagte er zu dem Knaben: »nimm meine Pfeife und komm mit mir!« »Ich will nicht«, antwortete der Knabe; der König aber befahl ihm, mit dem Derwisch zu gehn, und der Knabe mußte gehorchen. Er folgte jedoch dem Derwisch nur eine Strecke weit, und entschlüpfte ihm dann. Dieser lief ihm nach, konnte ihn aber nicht fangen.
Der Knabe kehrte darauf nach Hause zurück, und als ihn seine Mutter fragte, wie er dem Derwisch entkommen sei, sagte er: »Ihr habt mich wohl dem Derwisch gegeben, um mich zu fressen? Ich habe aber keine Lust, mich fressen zu lassen; gieb mir Geld und ein Pferd, und ich will mich schon vorsehn, daß er mich nicht fängt.« Da gab ihm seine Mutter ein gutes Pferd und einen Gurt voll Geld, und der Knabe ritt fort, so schnell, als das Pferd laufen konnte.
Nachdem er eine Zeitlang geritten war, geriet er in eine Gegend, wo drei Draken waren, die Menschen fraßen, und als er zur Wohnung des ersten kam, traf er Lamia, dessen Frau, über dem Brotbacken, denn der Drakos fraß jeden Tag einen ganzen Backofen voll Brot. Die Lamia verstand sich aber nicht auf das Backen, denn sie nahm den Teig und warf ihn auf die glühenden Kohlen. Da zeigte ihr der Prinz, wie man Brot bäckt, und die Lamia war darüber so erfreut, daß sie zu ihm sagte: »für die Guttat, die du mir erwiesen, will ich dich vor dem Drakos schützen, und dich in den Schrank verstecken, und wenn er mir schwört, daß er dich nicht fressen will, so lasse ich dich heraus, wenn er es aber nicht tut, so bleibst du darin.«
Als der Drakos nach Hause kam, rief er: »Lamia, bringe das Essen!« und war ganz vergnügt, denn er hatte unterwegs einen Menschen angetroffen und ihn gefressen. Die Lamia brachte ihm das Brot, und das schmeckte ihm vortrefflich, und als er fertig war, sagte er: »ach Lamia, heute habe ich so viel von deinem guten Brote gegessen, daß ich jetzt selbst Menschenfleisch stehn lassen würde.« »Schwöre mir, daß das wahr ist«, sagte die Lamia. Da schwor der Drakos, und darauf ließ sie den Prinzen heraus. Dieser verbeugte sich tief vor dem Drakos, küßte ihm die Hand und sprach: »ich bitte dich, errette mich von dem Derwisch, dem eisernen Manne.« »Mein Kind«, antwortete der Drakos, »der ist von Eisen und frißt selbst unsereinen; doch nimm diesen Brief und diesen Zwieback und gehe damit weiter abwärts zu meinem Bruder.«
Da ging der Prinz weiter zu dem andern Drakos, und dort war es wie beim ersten, die Lamia verstund sich auch dort nicht aufs Brotbacken, er zeigte ihr, wie sie es machen solle, und die Lamia erwirkte ihm dafür Frieden von dem Drakos. Der Prinz bat ihn um Schutz vor dem eisernen Derwisch, der Drakos antwortete ihm aber gerade so, wie sein Bruder, doch gab er ihm einen Brief und einen Zwieback und sagte ihm, daß er damit weiter abwärts zu seinem Schwager gehn solle.
Wie er zu diesem kam, ging es ihm, wie die beiden ersten Male, denn auch hier war die Lamia seine Fürsprecherin bei ihrem Manne, und auch dieser gab ihm einen Zwieback und einen Brief und sagte: »du mußt nun noch eine Strecke weiter abwärts gehn, da wirst du an eine Quelle kommen; in diese wirf die Zwiebäcke und die Briefe und rufe: Leichter, Kluger und Schwerer, kommt heraus! und dann werden drei stattliche Kerle aus der Quelle hervorkommen, die allein im Stande sind, dich vor dem eisernen Derwisch zu schützen.«
Da machte es der Prinz, wie ihm der Drakos gesagt hatte, er ging zur Quelle, warf die Briefe und die Zwiebäcke hinein und rief: »Leichter, Kluger und Schwerer, kommt heraus!« und sogleich sprangen die drei Löwen heraus und folgten ihm nach.
Nachdem er eine Zeit lang mit ihnen durch die Welt gezogen, erfuhr er, daß jenseits eines Sees eine Prinzessin allein mit ihren Mägden wohne. Er kaufte also das schönste Roß, was er finden konnte, ritt damit an den See und tummelte es dort, bis ihn die Prinzessin sah. Kaum aber wurde die ihn gewahr, so befahl sie ihren Mägden, den See mit der Rute zu schlagen, damit er sich teile, und der Prinz zu ihr hinüber kommen könne. Die Mägde taten, wie ihnen befohlen worden, und als sie ihn der Prinzessin brachten, nahm sie ihn zum Manne. Der Prinz vergnügte sich dort mit der Jagd und brachte allezeit viel Wild nach Hause, denn der Kluge wußte, wo es stand, der Leichte fing es, und der Schwere trug es nach Hause.
Der Derwisch aber suchte unterdessen in der ganzen Welt nach dem Prinzen und erfuhr endlich, wo er sei. Da kaufte er sich ein noch schöneres Pferd als jener, ritt damit zum Seeufer und tummelte es dort. Kaum erblickte ihn die Prinzessin, so befahl sie ihren Mägden, auch ihn herüber zu bringen. Da schüttelten die Mägde den Kopf und sprachen: »Frau, du hast ja einen sonnenentsprossenen Mann; was willst du denn mit jenem Raben anfangen?« Sie aber erwiederte: »ich will ihn, geht und holt ihn.« Darauf schlugen die Mägde den See mit dem Stabe, bis er sich teilte, und der Derwisch hindurchreiten konnte. Als er zu der Prinzessin kam, sagte er zu ihr: »wir wollen den Mann aus dem Wege schaffen, den du hast, und dann sollst du mich heiraten; denn ich bin unsterblich und lebe ewig.« »Wie sollen wir das anfangen?« fragte jene. »Am Abend mußt du mich in eine Truhe verstecken und nicht einschlafen, bis ich herauskomme und ihn totschlage.« »Gut!« sagte sie.
Als das im Hause vorging, war der Prinz auf der Jagd, aber der Kluge verriet ihm, daß der Derwisch zu seiner Frau gekommen sei, und was sie mit einander ausgemacht hatten, und darauf sprach der Starke: »fürchte dich nicht, o Herr, du kannst ruhig schlafen, denn ich werde mich auf die Truhe setzen und ihn darin drücken, so stark ich kann.« Als sie des Abends nach Hause kamen, ging der Starke stracks auf die Truhe zu und – plumps – ließ er sich auf sie fallen und blieb die ganze Nacht darauf sitzen, und drückte den Derwisch so, daß dieser sich nicht einmal umdrehen konnte.
Nachdem der Prinz und die Prinzessin zu Abend gegessen hatten, gingen sie zu Bett; der Prinz schlief fest, aber die Prinzessin tat kein Auge zu und wartete die ganze Nacht vergebens auf die Ankunft des Derwisches. Als am andern Morgen der Prinz auf die Jagd gezogen war, da ging sie in großem Zorne zur Kiste, öffnete sie und fragte den Derwisch, warum er nicht gekommen sei. Dieser aber antwortete: »ich weiß nicht, wie das zuging, aber ich konnte die Kiste nicht aufmachen, denn am Abend setzte sich etwas auf die Kiste und blieb die ganze Nacht darauf sitzen und drückte mich so, daß ich kein Glied rühren konnte. Am Abend mußt du mich in den Backofen verstecken und seinen Gefolgsleuten nicht erlauben, ins Haus zu kommen.«
Doch der Kluge hörte auch dieses Gespräch und sagte es dem Prinzen auf der Jagd; der Schwere aber versetzte darauf: »fürchte dich nicht, o Herr! ich will mich vor das Ofenloch setzen und ihn drücken, wie gestern Nachts.« Als sie am Abend von der Jagd zurückkehrten, wollte die Königin die Gefolgsleute nicht einlassen. Da bat sie ihr Mann und sprach: »lasse sie doch ein, sie tun dir gewiß nichts«, und da konnte sie wohl nicht anders und mußte sie einlassen. Der Schwere ging aber stracks auf den Backofen zu und setzte sich mit dem Rücken an dessen Türe; da konnte sich der Derwisch die ganze Nacht über wiederum nicht rühren, aber auch die Prinzessin tat kein Auge zu, weil sie fort und fort erwartete, daß er kommen und ihren Mann totschlagen werde.
Als nun am andern Morgen der Prinz auf die Jagd gezogen war, da lief sie in großem Zorne an den Backofen und fragte den Derwisch, warum er nicht herausgekommen sei. Der antwortete: »Es ging mir in dieser Nacht, wie in der vorigen; aber ich sehe nun, daß es im Hause nicht geht und daß wir es im Freien versuchen müssen. Morgen mußt du deinen Mann nicht auf die Jagd lassen und ihn in einen verschlossenen Garten locken, seine Gefolgsleute aber aussperren und es so anstellen, daß er auf einen Fruchtbaum steigt. Für das Weitere werde ich dann sorgen.«
Kaum hatten sie das ausgemacht, so sagte der Kluge zum Prinzen: »Herr! so eben haben sie sich verabredet, daß sie dich morgen in dem Garten totschlagen und uns davon aussperren wollen.« Darauf sagte der Leichte: »fürchte dich nicht, o Herr! denn wenn der Derwisch morgen kommt und dich fressen will, so brauchst du uns nur zu rufen, dann springe ich über die Mauer, öffne den andern die Türe, und wir kommen und zerreißen den Derwisch in vier Stücke.«
Am andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrem Manne: »Seit der Zeit, wo du hierher gekommen, bist du auch noch nicht einen einzigen Tag zu Hause geblieben, sondern hast mich stets allein gelassen, heute aber sollst du bei mir bleiben, und da wollen wir in unsern Garten gehn und Apfelsinen und andre Früchte pflücken.« Der Prinz erwiederte: »wenn es dir Vergnügen macht, so wollen wir in den Garten gehn.« Als sie aber zum Garten kamen und die Gefolgsleute des Prinzen ihnen in denselben folgen wollten, sprach die Prinzessin: »wenn diese da mitgehn, so traue ich mich nicht in den Garten und kehre um.« Die drei blieben also vor dem Garten stehn, und die Prinzessin schloß die Türe zu.
Als sie eine Weile im Garten gewandelt waren, rief die Prinzessin: »sieh diese beiden Apfelsinen auf jenem Baume, steige hinauf und brich sie, die eine soll für dich und die andere für mich sein.« Kaum war er aber oben, so erschien der Derwisch am Fuße des Baumes und rief: »habe ich dich endlich, du Hund, komme gleich herunter.« Der Prinz erwiederte: »ich bin nun dein so wie so, lasse mich nur noch drei Worte sagen.« »Nun so sage sie, aber schnell!« Da rief der Prinz: »Leichter, Kluger und Schwerer!« und wie ihn die drei rufen hörten, so war auch schon der Leichte über die Mauer gesprungen, hatte den andern das Tor aufgemacht und patt! patt! patt! kamen sie angetrappt, packten den Derwisch, der eine bei den Füßen, der andere bei den Händen, und rissen ihn in Stücke. Darauf töteten sie auch die Prinzessin, und der Prinz nahm eine von ihren Mägden zur Frau, und lebte von nun an herrlich und in Freuden.

[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]

 

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content