Vor langer Zeit, als der Padischah auf dem Thron von Buchara wie ein Blutegel am Nacken des Volkes saß, arbeitete bei einem reichen Bei ein junger Knecht mit dem Spitznamen Kahlkopf-Kalj. Tag und Nacht plagte Kalj sich ab, doch der Bei gab ihm dafür keinen Heller. Seine Kleidung verschliß und hing ihm in Fetzen herab. Vor dem Feiertag gab ihm die Frau des Beis ein altes Nesselhemd ihres Mannes. Dann goß sie einen Eimer mit Brühe voll. „Bring das zu den Ackerknechten“, befahl sie, „und wasch nachher den Eimer aus!“ Die Ackerknechte aßen die Brühe auf, Kalj säuberte den Eimer und ging dann nach Hause. Dabei schlug er auf ihn wie auf einer Trommel: Tam-tam-tam. Plötzlich begann es zu regnen. „Oh, die Herrin wird mich ausschelten“, dachte Kalj, zog Hemd und Hose aus, steckte sie in den Eimer und stülpte sich den Eimer über den Kopf.
Als der Regen aufgehört hatte, kleidete sich Kalj wieder an. Eben wollte er in den Kischlak zurück, da sah er einen Mann sitzen, dessen Turban, Chalat und Hemd durch und durch naß waren. „Heda, Kalj, komm doch mal her!“ rief der Mann. Kalj trat näher. „Warum bist du im Regen nicht naß geworden?“ fragte der Mann. „Ich weiß einen Zauberspruch.“ — „Dann bringe ihn mir bei!“ — „Und wer bist du?“ — „Ich bin Schaitan, der Teufel!“ — „Erst lehre mich deine Teufelssprüche, Schaitan, dann lehre ich dich, den Regen wegsprechen!“ Der Teufel war einverstanden und brachte Kalj seine Zaubersprüche bei. „Und jetzt unterweise du mich!“ verlangte er. „Nimm den Eimer!“ sagte Kalj. „Wenn es anfängt zu regnen, ziehst du dich aus, steckst deine Sachen in den Eimer und stülpst ihn dir über. Das ist mein Zauberspruch.“ — „Ach du Spitzbube!“ schimpfte der Teufel und verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.
Kalj stellte den Eimer in den Hof seines Brotherrn und besuchte seine alte Mutter. „Ich kann dir nichts zu essen geben, ich habe nichts im Hause“, klagte die Mutter. „Und wenn ich dir eine Schüssel voll Pilaw gebe, wirst du ihn dann essen?“ — „Wo willst du ihn denn hernehmen?“staunte die Alte. Da murmelte Kalj einen Teufelsspruch, und plötzlich stand vor ihnen eine Schüssel voll Pilaw. Mutter und Sohn aßen sich satt. Danach sagte Kalj noch einen Teufelsspruch herunter, und die ganze Welt blieb ohne Feuer. Wie sich die Menschen auch abmühten und auf den Feuerstein schlugen — es gab keine Funken. Da zogen sie alle zum Padischah. „O Gebieter des Weltalls! In deiner Macht liegt alles, gib uns doch Feuer! Schon drei Tage können die Menschen kein Essen kochen!“ Da der Padischah kein Feuer machen konnte und Angst bekam, daß das Volk ihm den Kopf abreißen würde, sandte er einen Herold aus und ließ verkünden: „Wer Feuer beschafft, den überschütten wir von Kopf bis Fuß mit Gold!“ Als Kalj das vernahm, ging er zum Palast. Vor dem Palast stand eine riesige Menschenmenge, und alles schrie: „Nieder mit dem Padischah! Tod dem Padischah!“ — „Was ist denn das für ein Lärm?“ erkundigte sich Kalj. „Wir verlangen vom Padischah Feuer!“ — „Kann er denn welches beschaffen? Geht zu ihm und sagt, daß ich Feuer beschaffe!“ Alle brachen in Gelächter aus und verspotteten ihn. Die Höflinge meldeten dem Padischah, draußen stehe ein Kahlkopf, der sich anheischig mache, Feuer zu beschaffen. „Sofort her mit ihm!“ rief der Padischah.
Kalj wurde zu ihm geführt. „He, Kahlkopf“, herrschte ihn der Padischah an. „Wenn du uns Feuer beschaffst, laß ich dich mit Gold überhäufen, wenn nicht, verlierst du deinen Kopf!“ — „Meinen Kopf brauche ich selber, erhabener Padischah. Mögen die Leute nach Hause gehen, sie werden Feuer bekommen.“ Der Padischah befahl den Leuten, in ihre Häuser zu gehen. „Kommt mit mir“, forderte Kalj den Padischah auf und führte ihn in den Garten. Am Wege lag ein elender räudiger Hund mit schwarzen und gelben Flecken. Da erklärte Kalj seinem Gebieter: „Das Feuer ist im Innern dieses Hundes. Blast ihm in den Hintern — dann wird die Flamme aus seinem Rachen schlagen!“ — „Wie kannst du es wagen, von mir, dem Padischah, so etwas zu verlangen! Blase selbst hinein! Wenn das Feuer herauskommt, gebe ich dir alles, was du willst.“ Kalj aber erwiderte: „Ich könnte tausendmal hineinblasen, es wird doch kein Feuer kommen. Das Feuer kommt nur heraus, wenn der Padischah selbst hiheinbläst.“ >Da wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben<, überlegte der Padischah, >sonst reißt mich das Volk in Stücke! Ich werde hineinblasen und den Kahlkopf umbringen, damit er es niemandem erzählt.< Der Padischah blies dem Hund in den Hintern. Wie ein Blitz kam aus seinem Rachen eine Flamme, loderte auf und war verschwunden. „Es genügt, o Herr, es genügt!“ rief Kalj. „Jetzt gibt es überall Feuer.“
Der Padischah führte Kalj in den Palast und ließ ein festliches Gelage richten. Danach befahl er seinen Stallknechten, zwei Pferde zu satteln und Jagdfalken zu bringen. „Reiten wir zusammen auf die Jagd, Kalj!“ Der Padischah wollte Kalj nämlich in der einsamen Steppe töten, damit dieser die Geschichte mit dem Hunde niemandem erzähle. Plötzlich flatterte zwischen den Beinen des Pferdes ein Fasan empor. . Der Padischah ließ seinen Falken aufsteigen, doch der flog nach einer anderen Seite. Da gab Kalj seinen Falken frei. Der Falke packte den Fasan und brachte ihn zu Fall. Der Falke des Padischahs hatte sich indessen auf einen Baum gesetzt, und wie sehr der Padischah ihn auch lockte, er wollte zu ihm nicht zurückkehren. „Ach, ich bin müde“, klagte der Padischah. „Gib mir deinen Falken, Kalj, und du lock den meinen herbei!“ Kalj sagte einen Zauberspruch — und sofort flog ihm der Vogel auf den Arm. Inzwischen tastete der Padischah nach dem Griff seines Schwertes, um Kalj zu töten. Kalj aber wußte um die Hintergedanken des Padischahs. „O erhabener Padischah“, begann Kalj und hielt sein Pferd an, „hier in der Nähe lebt meine Mutter, und ich möchte ein paar Worte mit ihr sprechen.“ Als sie sich der Hütte näherten, flüsterte Kalj einen Zauberspruch und rief nach seiner Mutter. Aus der Hütte kam eine so schöne Frau, daß Himmel und Sterne sie beneiden konnten. Als der Padischah ihrer ansichtig wurde, wäre er beinahe vom Pferd gestürzt. „Wer ist das!“ fragte er, wobei er die Worte kaum hervorbrachte. „Das ist meine Mutter.“ — „Gib sie mir zur Frau! Du kannst alles haben, was du willst!“ — „Schreibt ein Testament, daß ich nach Eurem Tode Euer Erbe werde! Dann bin ich einverstanden.“
Der Padischah kehrte in den Palast zurück, setzte das Testament auf und überreichte es Kalj. Kalj vermählte seine Mutter mit dem Padischah, und die Hochzeit wurde mit allem Prunk gefeiert. Als der Padischah ins Brautgemach trat, sah er darin ein altes Weib sitzen. Er raste hinaus und stürzte sich auf Kalj. „Elender Kahlkopf! Das alles hast du angerichtet! Solange ich dich nicht getötet habe, finde ich keine Ruhe vor dir.“ Er schwang seinen Säbel nach Kalj, der aber sagte einen Zauberspruch und blies, wonach der Padischah tot zu Boden sank.
Von da ab herrschte der kahlköpfige Kalj über den Staat.
Quelle:
(Usbekische Volksmärchen)