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Märchenbasar

Vom Ohimè

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Es war einmal ein armer alter Holzhacker, der hatte drei schöne Enkeltöchter. Von ihnen war die jüngste auch die schönste und klügste, und hieß Maruzza. Der arme Mann hatte keinen Verdienst, Geld hatte er auch nicht, so daß er gar nicht wußte, was er mit seinen Enkelinnen machen sollte.
Als er nun eines Tages im Walde Holz sammelte, ward er so müde und matt, daß er sich auf einen großen Stein setzte, und laut seufzte: »Ach, (Ohimè).« Sogleich erschien ein großer Mann, der frug ihn: »Warum rufst du mich?« »Ich habe euch nicht gerufen,« sagte der Holzhacker ganz erschrocken. »Hast du nicht Ohimè gerufen? Daß ist mein Name,« sprach der große Mann. »Du siehst aber aus, wie ein armer Schlucker, darum will ich dir helfen. Bringe deine älteste Enkelin zu mir, daß sie meiner Frau diene, so will ich dich reich beschenken. Führe sie an diese Stelle, und rufe mich bei meinem Namen, so werde ich erscheinen.« Bei diesen Worten gab er ihm etwas Geld, und der alte Mann lief voll Freude nach Haus zu seinen Enkeltöchtern. »Denke dir,« sprach er zur Aeltesten, »dir ist ein großes Glück bescheert; ein vornehmer Herr will dich in seinen Dienst nehmen, damit du seiner Frau dienest; nun bist du versorgt.« Als seine Enkelin das hörte, küßte sie den Boden und sprach: »Ich danke euch, mein Gott!« Nach einigen Tagen machte sie sich bereit, und ihr Großvater brachte sie in den Wald, und rief laut: »Ohimè!« Da erschien Ohimè, und als er das schöne Mädchen sah, sprach er: »Du hast dein Wort gehalten, und nun soll deine Enkelin es auch gut haben, und einmal jede Woche kannst du kommen, und dich nach ihr erkundigen.« Da machte er dem Großvater ein schönes Geschenk, nahm das Mädchen an die Hand, und führte sie vor einen Felsen. Alsobald öffnete sich dieser, daß sie hineintreten konnten. Drinnen aber waren prachtvolle Säle, mit den herrlichsten Schätzen und Kostbarkeiten. »Wo ist die Patrona?« frug das Mädchen. »Die Patrona bist du,« antwortete Ohimè, »und wenn du mir gehorchst, und Alles thust, was ich dir gebiete, sollst du auch meine Frau werden.« Mit diesen Worten führte er sie durch das ganze Schloß, und zeigte ihr die schönen Sachen. Zuletzt aber kamen sie in einen Saal, darin lagen viele ermordete Mädchen. »Siehst du,« sprach Ohimè, »alle diese haben mir nicht gehorcht, und haben ihre Pflicht nicht erfüllt, deßhalb haben sie ihre Strafe bekommen. Darum laß dich warnen.« »Wenn sie euch nicht gehorcht haben, so ist es ihnen recht geschehen,« sagte sie, »ich aber will schon meine Pflicht thun.« Also blieb das Mädchen bei Ohimè und hatte es gut bei ihm.
Nach einigen Tagen sprach Ohimè zu ihr: »Ich muß auf drei Tage verreisen, und lasse dir ein Gebot zurück; wenn du das nicht erfüllst, so geht es dir schlimm.« »Was soll ich denn thun?« frug sie. Da gab er ihr ein Todtenbein, und sprach: »Das mußt du essen, und wenn ich wiederkomme, so will ich es nicht mehr sehen.« Mit diesen Worten verließ er sie; sie aber blieb in schweren Sorgen zurück. »Wie kann ich denn ein Todtenbein essen?« dachte sie, »so ein schmutziges, ekliges Ding. Da kann Ohimè lange warten, bis ich das esse.« Weil sie es nun nicht essen wollte, warf sie es zum Fenster hinaus, und meinte, Ohimè werde es nicht merken. Als er aber nach Hause kam, war seine erste Frage: »Hast du deine Pflicht gethan?« »Ja wohl, Patron.« Da rief Ohimè mit lauter Stimme: »Wo bist du, Bein?« »Hier bin ich!« »Komm doch einmal her zu mir.« Da kam das Bein hervor, und Ohimè sprach zu dem Mädchen: »Weil du mich belogen hast, und deine Pflicht nicht gethan, so sollst du nun auch deine Strafe haben.« Damit ergriff er sie, schleppte sie in den Saal, wo die vielen todten Mädchen lagen, und ermordete sie.
Nach einigen Tagen kam der alte Holzhacker wieder in den Wald, und rief den Ohimè, und als er erschien, frug er ihn: »Wie geht es meiner Enkelin?« »Ei, der geht es sehr gut,« antwortete Ohimè, »und meine Frau hält sie wie ihre eigene Tochter. Sie möchte auch gerne die zweite Schwester in ihren Dienst nehmen. Bringe sie mir her, so will ich dir ein schönes Geschenk machen.« Da lief der alte Holzhacker voll Freude nach Hause, und erzählte seiner zweiten Enkelin, sie solle auch zu dem vornehmen Herrn in Dienst kommen. Die war es denn auch zufrieden, und der Großvater führte sie in den Wald. »O, Ohimè!« rief er, und alsbald erschien Ohimè, und nahm die Enkelin in Empfang. Da führte er sie durch den Felsen in seinen Palast, und zeigte ihr die herrlichen Säle mit den vielen Schätzen. »Wo ist denn meine Schwester?« frug sie. »Deine Schwester will ich dir gleich zeigen,« antwortete er, und führte sie in den Saal, wo sie ihre todte Schwester mitten unter den anderen Leichen sah. »Siehst du, deine Schwester hat meinen Geboten nicht gehorcht, darum ist sie so bestraft worden; und wenn du mir nicht gehorchst, so wird es dir auch so ergehen.« »O, ich will schon meine Pflicht thun,« sagte sie, aber in ihrem Herzen zitterte sie und dachte: »Wer weiß, welch schreckliches Gebot er meiner armen Schwester gegeben hat.«
So vergingen einige Tage, und eines Morgens kam Ohimè zu ihr, und sprach: »Ich muß nun auf drei Tage verreisen; während dieser Zeit mußt du das Gebot erfüllen, das ich dir geben werde; sonst geht es dir schlimm.« Mit diesen Worten gab er ihr einen Fuß von einem Todten, den sollte sie essen. Als nun Ohimè fort war, blieb das arme Mädchen in schweren Sorgen zurück, und dachte: »Wie kann ich diesen garstigen, schmutzigen Fuß essen? Ich will ihn aufs Dach werfen, und dem Bösewicht von Ohimè sagen, ich habe ihn gegessen.« Das that sie denn, und meinte er solle es nicht merken, als er aber nach Hause kam, war seine erste Frage: »Hast du mein Gebot erfüllt?« »Ja wohl, Herr!« »Fuß! wo bist du? komm doch einmal her zu mir!« Da erschien der Fuß, und Ohimè rief: »Meinst du, du könnest mich belügen? Weil du deine Pflicht nicht gethan hast, so werde ich dich ermorden.« Da schleppte er sie in den Saal, wo die anderen Todten waren, und ermordete auch sie.
Nach einigen Tagen kam wieder der Holzhacker, um nach seinen Enkelinnen zu fragen. »O, denen geht es sehr gut,« antwortete Ohimè, »und meine Frau hat sie Beide so lieb, als ob sie ihre Töchter wären. Sie möchte jetzt aber auch die dritte Schwester haben.« Der arme Holzhacker wußte sich gar nicht zu fassen vor Freude, daß alle seine Enkelinnen so wohl versorgt werden sollten, und eilte nach Hause zu seiner jüngsten Enkeltochter. »Maruzza, mache dich schnell bereit; denn der vornehme Herr will auch dich in seinen Dienst nehmen,« rief er, und brachte sie in den Wald, wo Ohimè sie freundlich aufnahm, und in den Felsen hineinführte. »Wo sind denn meine Schwestern?« frug Maruzza. »Die will ich dir gleich zeigen,« sprach er, und schloß den Saal auf, in dem die Leichen lagen. »Siehst du, da sind deine Schwestern, weil sie ihre Pflicht nicht erfüllt haben.« Die arme Maruzza erschrak in ihrem Herzen, aber sie sagte nur: »Da habt ihr recht gethan, daß ihr sie gestraft habt, als sie ihre Pflicht nicht erfüllt haben. Mir könnt ihr befehlen, was ihr wollt; ich werde es Alles thun.«
Nach einigen Tagen sprach Ohimè zu Maruzza »Ich muß auf drei Tage verreisen, und nun ist der Augenblick gekommen, wo du mir deinen Gehorsam beweisen kannst. Sieh hier diesen Todtenarm, den mußt du aufessen, während ich nicht da bin, und es darf auch kein Bröcklein davon übrig bleiben.« Mit diesen Worten ging er fort, und ließ die arme Maruzza in schweren Gedanken zurück. »Ach,« dachte sie, »was soll ich nun thun! ach! ich Unglückliche! wie kann ich diesen Todtenarm essen! O, heilige Seele meiner Mutter, gebt mir einen guten Rath und helft mir!« Auf einmal hörte sie eine Stimme, die rief: »Maruzza, weine nicht, denn ich will dir helfen. Heize den Backofen so heiß wie möglich, und laß den Arm so lange darin, bis er zu Kohle gebrannt ist. Dann zerstoße ihn zu feinem Pulver, und binde dir dieses in einem feinen Läppchen fest um den Leib, so wird Ohimè nichts merken, und dich verschonen.« Diese Stimme aber war die heilige Seele ihrer Mutter, die der armen Maruzza half. Da that sie Alles, wie die Stimme sie geheißen hatte, heizte den Backofen und ließ den Arm darin, bis er ganz zu Kohle gebrannt war; dann zerstieß sie ihn im Mörser, wickelte das Pulver in ein feines Läppchen, und band es sich fest um den Leib.
Als nun Ohimè nach Hause kam, frug er gleich: »Hast du mein Gebot erfüllt?« »Ja wohl, Herr!« »Arm, wo bist du? komm doch einmal her zu mir!« »Ich kann nicht kommen!« antwortete der Arm. »Wo bist du denn?« »Ich bin in Maruzzas Leib.« Als Ohimè das hörte, ward er sehr froh, und rief: »Nun, Maruzza, sollst du auch meine Gemahlin sein, denn jetzt weiß ich, daß du ein aufrichtiges und gehorsames Gemüth hast.« Von nun an hatte Maruzza es gut bei ihm; Ohimè hatte sie lieb, und brachte ihr Alles, was sie sich wünschte. Eines Tages zeigte er ihr auch alle seine Schränke, in denen viele Flaschen mit Tränken und Salben standen. »Siehst du,« sprach er, »hier ist eine Salbe, wenn man damit die Todten bestreicht, so werden sie wieder lebendig. Ich zeige sie dir, weil ich weiß, daß du mir treu ergeben bist.« Als er ihr nun Alles gezeigt hatte, führte er sie auch vor eine verschlossene Thür, und sprach: »Sieh, Maruzza, Alles was hier ist, gehört dir, und du darfst thun und lassen, was du willst. Diese Thüre aber darfst du nicht aufmachen, denn wenn ich es merke, so ermorde ich dich.« Kaum war Ohimè das nächstemal verreist, so nahm Maruzza ihren Schlüsselbund, ging und machte die Thüre auf. Als sie hineintrat, sah sie einen wunderschönen Jüngling, der lag am Boden als ob er todt wäre, und in seinem Herzen stak ein Dolch. »Ach!« dachte Maruzza voll Mitleid, »armer, unglücklicher Jüngling! Darum also wollte der böse Ohimè nicht, daß ich die Thüre aufmachen solle.« Da lief sie hin, und holte ein wenig von der Salbe; zog den Dolch aus dem Herzen, und bestrich die Wunde mit der Salbe, und alsbald schlug der Jüngling die Augen auf und war gesund. »Schönes Mädchen,« rief er, »du hast mich erlöst; denn ich bin ein Königssohn, und der böse Ohimè hat mich hier gefangen gehalten.« »Ach,« antwortete sie, »was hilft es, daß ihr nun gesund seid? Bald wird Ohimè wiederkommen, und wenn er euch dann gesund und am Leben findet, wird er euch und mich umbringen. Darum müsset ihr euch wieder hinlegen, und ich will euch den Dolch ins Herz stoßen; und dann will ich sehen, was wir thun können, um den bösen Ohimè zu ermorden.« Und so thaten sie denn auch; der Königssohn legte sich wieder hin, und Maruzza stieß ihm mit vielen Thränen den Dolch ins Herz. Denn sie war in heftiger Liebe zu ihm entbrannt.
Als aber Ohimè nach Hause kam, ging sie mit ihm in den Garten, und schmeichelte ihm mit vielen süßen Worten: »Sagt mir doch, lieber Herr, wenn je das Unglück wollte, daß euch einer nach dem Leben trachtete, wie müßte er es anfangen, um euch umzubringen?« »Warum frägst du mich das?« sprach Ohimè, »willst du mich vielleicht verrathen?« »Ach, was denkt ihr auch! Bin ich nicht eure gehorsame, treue Maruzza? Es war nur ein Gedanke, der mir eben durch den Kopf ging.« »Nun, weil du es bist, will ich es dir sagen,« sprach Ohimè. »Sieh, ermorden kann man mich nicht; wenn mir aber Jemand einen Zweig von diesem Kraut in die Ohren stopft, so schlafe ich ein, und kann nicht wieder aufwachen.« »Nun, nun, sagt mir nichts mehr, ich will gar nichts davon wissen,« sagte Maruzza; heimlich aber bückte sie sich, brach ein Zweiglein ab, und steckte es in die Tasche. »Nun setzt euch ein wenig hin, so will ich euch lausen,« sprach sie zu Ohimè, und setzte sich; er aber legte seinen Kopf in ihren Schoß, und sie lauste ihn, bis er einschlief. Dann nahm sie schnell das Kraut, und stopfte es ihm in beide Ohren, daß er in einen tiefen Schlaf verfiel. So ließ sie ihn im Garten liegen, und eilte wieder ins Haus, nahm die Salbe, und bestrich zuerst den Königssohn, daß er wieder lebendig wurde; dann lief sie auch in den Saal, wo die todten Mädchen lagen, und bestrich sie Alle mit der Salbe; zuerst ihre Schwestern, dann auch die anderen Mädchen, die der böse Ohimè nach und nach umgebracht hatte. Als sie nun Alle wieder lebendig waren, beschenkte Maruzza sie reichlich, und ließ sie in ihre Heimath zurückkehren, sie selbst aber und der Königssohn nahmen die übrigen Schätze, und gingen fort nach der Heimath des Königssohnes. Denkt euch nun die Freude des Königs und der Königin als ihr Sohn wiederkam, den sie seit so vielen Jahren für todt beweint hatten, und nun kam er wieder und brachte erst noch ein so schönes, kluges Mädchen mit. Da wurde eine prächtige Hochzeit gefeiert, und der Königssohn heirathete die schöne Maruzza, und lebte mit ihr glücklich und zufrieden.
Unterdessen lag Ohimè im Garten, und schlief, und schlief, mehrere Jahre lang. Endlich aber verfaulte das Kraut durch den Wind und Regen, und eines Tages fiel es heraus, und Ohimè fuhr aus dem Schlaf empor. »Wo bin ich?« dachte er, sprang auf und lief in das Haus. Als er aber dort nur die nackten Wände sah, gerieth er in einen großen Zorn, und rief: »Diese Nichtswürdige! Sie hat mich verrathen, nachdem ich mich so auf sie verlassen hatte! Aber warte nur, ich will mich schon an dir rächen!« Da machte er sich auf, und zog durch alle Länder, um Maruzza zu suchen, und wanderte so lange, bis er endlich eines Tages in die Stadt kam, wo Maruzza wohnte.
Als er nun durch die Straßen ging, hob er zufällig die Augen auf, und sah an einem Fenster die schöne Maruzza stehen. »Ei!« dachte er, »bist du hier, und lebst gar prächtig in einem königlichen Schloß? Nun, warte nur, ich will dich schon kriegen.« Da ging er hin, und machte eine Statue aus Silber, die war eben so groß, wie er selbst, und inwendig hohl. In das Innere aber steckte er mehre Instrumente, um Musik zu machen, rief dann einen Burschen herbei, und sprach zu ihm: »Ich mache dir ein schönes Geschenk, wenn du diese Statue auf deinen Rücken nimmst, und damit in der ganzen Stadt herumziehst, um sie für Geld sehen zu lassen. Zuletzt mußt du sie zum Könige bringen, und sie einige Tage bei ihm lassen.« Der Bursche versprach Alles zu besorgen, und Ohimè schloß sich in die Statue ein. Da nahm der Bursche ihn auf den Rücken, und trug ihn in der ganzen Stadt herum, und rief mit lauter Stimme: »Ei, was habe ich für einen schönen heiligen Nikolaus, und was der für schöne Musik machen kann.« Als die Leute das hörten, riefen Manche ihn herbei und baten: »Laß uns doch deinen heiligen Nikolaus einige Tage hier, daß wir uns an der schönen Musik erfreuen, wir wollen dir auch ein schönes Geschenk dafür machen.« Da ließ der Bursche die Statue in den Häusern, und Ohimè spielte dann so wunderschön, daß man bald in der ganzen Stadt von nichts anderm sprach, als von der wunderbaren Statue, und Jeder sie sehen und hören wollte. So gelangte denn endlich auch das Gerücht davon zum Könige, und zu Maruzza, die sprach: »Ach, ruft mir doch auch einmal den Burschen her, ich möchte so gerne die Statue einige Tage hier behalten.« Da ließ der König den Burschen aufs Schloß kommen und machte ihm ein schönes Geschenk, damit er seinen heiligen Nikolaus da lassen sollte, und ließ die Statue in sein Schlafzimmer tragen, und ergötzte sich mit Maruzza an der schönen Musik. Am Abend aber, als sie Beide zu Bette lagen, hörte Maruzza auf einmal ein leises Geräusch, und schrie laut: »Zu Hülfe!« »Was gibt es?« frug der König, und alle Leute im Schloß liefen erschrocken zusammen. »Dort bei der Statue habe ich ein Geräusch gehört,« sagte Maruzza; als aber die Diener die ganze Kammer durchsuchten, fanden sie nichts, und der König dachte, Maruzza habe wohl geträumt. Als alles wieder ruhig war, ließ sich dasselbe Geräusch wieder vernehmen; Maruzza schrie laut auf, die Diener liefen zusammen; sie konnten aber nichts entdecken, und der König sagte: »Maruzza, du träumst; wenn du noch einmal schreist, so soll Niemand mehr kommen.« Das hörte Ohimè in der Statue, denn das hatte er ja eben gewollt; und als der König schlief, machte er leise die Statue auf und kam heraus. Maruzza schrie laut auf, aber es kam Niemand, denn Ohimè legte schnell ein Fläschchen aufs Bett, und alsbald verfielen der König und alle die Leute im Schlosse in einen tiefen Schlaf; Keiner konnte aufwachen, nur Maruzza blieb wach, und sah, wie Ohimè auf sie zutrat, und sie am Arme ergriff. »Du hast mich verrathen!« rief er, »und meinst nun, du seiest hier sicher. Jetzt aber bist du in meiner Macht, und wirst deiner Strafe nicht entgehen.« Dann ging er in die Küche, machte ein großes Feuer an, und stellte einen Kessel mit Oel darüber, und als das Oel recht am Sieden war, eilte er in die Kammer zurück, ergriff die arme Maruzza, und wollte sie in die Küche schleppen, um sie in den Kessel mit siedendem Oel zu werfen. Sie weinte und schrie, aber Niemand hörte sie, denn ein tiefer Schlaf lag auf dem König und dem ganzen Schloß. Wie sie sich aber so wehrte, fiel auf einmal das Fläschchen auf den Boden, und in demselben Augenblick erwachte der König, und die Diener kamen in das Zimmer gestürzt. Maruzza aber schrie: »Zu Hülfe! zu Hülfe! der Bösewicht will mich ermorden!« Da ergriffen die Diener den bösen Ohimè, und der König erkannte ihn nun auch, und befahl, man solle ihn in denselben Kessel mit siedendem Oel werfen, in dem er die schöne Maruzza hatte umbringen wollen. Und so geschah es; der böse Ohimè wurde in das siedende Oel geworfen, und mußte elendiglich verbrennen; der König und Maruzza aber lebten noch lange reich und getröstet, und wir sind hier sitzen geblieben.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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