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Vom singenden Dudelsack

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Es waren einmal ein König und eine Königin, die hatten drei schöne Söhne. Nun begab es sich eines Tages, daß der König und die Königin Beide von einer schweren Augenkrankheit befallen wurden und kein Arzt ihnen helfen konnte und kein Mittel anschlagen wollte. Als nun einst die Königin spazieren ging, begegnete sie einem alten Mütterchen, das bat um eine Gabe. Da schenkte ihm die Königin ein Almosen und das alte Mütterchen sprach: »Königliche Majestät, ihr habt kranke Augen und kein Arzt kann euch helfen. Ich weiß aber ein Mittel, das ist unfehlbar. Wenn ihr drei Federn von dem Vogel Pfau hättet, und damit eure Augen bestrichet, so würdet ihr von eurem Leiden genesen.« »Wie soll ich mir aber die drei Federn verschaffen?« frug die Königin. »Ihr habt ja drei kräftige Söhne,« antwortete die Alte, »lasset sie ausziehen, euch die Federn zu suchen.« Da berief die Königin ihre drei Söhne und sprach: »Meine lieben Kinder, eine alte Frau hat mir gesagt, meine Augen und die eures Vaters könnten wieder gesund werden, wenn unsere Augen mit drei Federn von dem Vogel Pfau bestrichen würden. So ziehet denn aus und suchet die drei Federn, daß wir wieder gesund werden.« Da sprach auch der König: »Und wer mir die drei Federn bringt, soll nach mir König sein.« Da segneten sie ihre drei Söhne, und sie wanderten fort, immer gerade aus.
Als sie nun eine lange Zeit gewandert waren, begegneten sie einer alten Frau, das war dieselbe, die ihrer Mutter den Rath wegen der drei Federn gegeben hatte. »Wo geht ihr hin, schöne Jünglinge,« frug die Alte. »Wir sind ausgezogen, unseren Eltern drei Federn von dem Vogel Pfau zu suchen, damit ihre Augen wieder gesund werden,« antworteten die Brüder, »Ach, ihr armen Kinder,« rief die Alte, »da müßt ihr noch lange gehen, bis ihr die findet. Erst müßt ihr ein Jahr, einen Monat und einen Tag lang wandern.« »Wenn es denn nicht anders ist, so werden wir eben wandern, bis wir die drei Federn gefunden haben,« antworteten die Königssöhne.
Als sie nun wieder eine lange Zeit gewandert waren, begegneten sie derselben alten Frau. Die frug sie: »Wohin geht ihr, schöne Jünglinge?« Da erzählten sie ihr, wie sie ausgezogen wären, die drei Federn zu suchen. »Wohl,« sprach sie, »wenn nun ein Jahr, ein Monat und ein Tag vergangen sind, so werdet ihr an eine tiefe Cisterne kommen, da muß einer von euch sich hinunterlassen, und wieder ein Jahr, einen Monat und einen Tag drin zubringen, so kann er dem Vogel Pfau die drei Federn ausreißen.«
Da wanderten die Brüder wieder weiter und als ein Jahr, ein Monat und ein Tag vergangen waren, kamen sie an die tiefe Cisterne. Da ließ sich der älteste Bruder an einem Strick festbinden und in die tiefe Cisterne hinunter, und nahm ein Glöckchen mit, wenn er das läutete, so sollten ihn seine Brüder wieder hinaufziehen. Er kam aber nicht weit, denn es war in der Cisterne so dunkel, daß er bald den Muth verlor, und mit dem Glöckchen das Zeichen gab, seine Brüder sollten ihn hinaufziehen. »Versuche du es einmal,« sprach er zum zweiten Bruder. Dem ging es aber auch nicht besser; er verlor in der dunkeln Cisterne den Muth und schellte, zum Zeichen, daß seine Brüder ihn hinaufziehen sollten. Nun ließ sich der Jüngste festbinden und sprach: »Wartet hier oben auf mich ein Jahr, einen Monat und einen Tag; wenn ich dann noch kein Zeichen gebe, dann bin ich wohl todt.« Also ließ sich der jüngste Königssohn in die Cisterne hinunter, und ob es gleich dunkel war, so verlor er doch nicht den Muth, sondern ging tapfer weiter, bis er auf den Grund kam. Als er sich nun umsah, befand er sich in einem großen Gewölbe und auf der einen Seite sah er eine Thür. Als er die aufmachte kam er in einen hellen Saal, darin weilte der Vogel Pfau. Da blieb er bei dem Vogel ein Jahr, einen Monat und einen Tag und diente ihm, und nach dieser langen Zeit gelang es ihm endlich, dem Vogel drei Federn auszureißen. Sobald er aber die drei Federn hatte, kehrte er in die Cisterne zurück und ließ sein Glöckchen erschallen. Seine Brüder waren schon im Begriff, weg zu gehen, denn sie dachten: »Der arme Junge ist gewiß schon lange todt.« Als sie aber das Glöckchen hörten, waren sie sehr erfreut und zogen ihn schnell aus der Cisterne heraus. Da zeigte er ihnen die drei Federn und sie machten sich auf den Weg nach Haus.
Der älteste Bruder aber war neidisch, daß der Jüngste König werden sollte und sprach: »Wir haben doch Alle drei gearbeitet, so wollen wir Jeder eine Feder unseren Eltern überbringen.« Der jüngste Bruder war es zufrieden, zog seine Federn heraus und gab dem Aeltesten die schlechteste, weil er am kürzesten in der Cisterne geblieben war, dem zweiten Bruder die zweitbeste und für sich behielt er die schönste. Da entbrannte das Herz seines ältesten Bruders vor Neid, und er beschloß, ihn zu tödten.
Also sprach er zum zweiten Bruder: »Warum hat unser jüngster Bruder das gethan und hat mir die schlechteste Feder gegeben, da ich doch der Aelteste bin? Dafür will ich ihn tödten.« »Ach, thu das nicht,« antwortete der zweite Königssohn, »er hat ja am meisten gearbeitet, also gebührt ihm auch die beste Feder, was willst du ihn umbringen?« »Nein,« rief der Andere, »er muß sterben, und wenn du mir nicht einen heiligen Eid schwörst, daß du zu Hause Nichts davon sagen willst, so reiße ich dir auch den Kopf ab.« Da schwur ihm der zweite Bruder einen heiligen Eid, er wolle Nichts verrathen, und der Aelteste erschlug den jüngsten Bruder und verscharrte ihn im Sand. Es war aber an den Ufern des Jordanflusses. Die Feder hatte er ihm fortgenommen, und so wanderten die beiden Brüder weiter. Der Jüngere aber weinte immer und sprach: »Was sollen wir nun unseren Eltern sagen, wenn sie uns fragen, wo unser armer Bruder geblieben ist?« »Wir sagen, er sei im Jordan ertrunken,« antwortete der Andere.
So kamen sie endlich nach Haus und sprachen zum König und zur Königin: »Liebe Eltern, hier sind die drei Federn von dem Vogel Pfau.« Da bestrichen sie die Augen ihrer Eltern damit, also daß sie wieder sehend wurden. »Wo ist denn euer jüngster Bruder?« frug die Mutter. »Er ist im Jordan ertrunken,« antwortete der Aelteste. Da war die Mutter sehr betrübt und weinte um ihren verlorenen Sohn. Der König aber sprach: »Mein ältester Sohn hat mir zwei Federn mitgebracht und sein Bruder nur eine, so soll also der Aelteste nach mir König sein.«
Ein Schäfer aber hatte gesehen, wie die Beiden ihren Bruder im Sand verscharrten und dachte: »Ich will ihn wieder herausscharren und aus seinen Knochen und der Haut einen Dudelsack machen.« Er hatte aber einen Hund mit sich, dem zeigte er den frischen Sandhügel, und der Hund scharrte so lange, bis er den todten Jüngling herausgescharrt hatte. Da ließ der Schäfer ihn an der Sonne trocknen, und nahm die Knochen und die Haut und machte einen Dudelsack daraus. Weil aber der Jüngling vor der Zeit eines gewaltsamen Tode gestorben war, so war sein Geist noch nicht zu seiner Ruhe eingegangen, sondern weilte in dem todten Körper. Als nun der Schäfer anfing zu spielen, ließ der Dudelsack ein schönes Lied ertönen, das lautete also:

»Spiele mich, spiele mich, o mein Bauer,
Spiele nur immer munter fort;
Für drei Federn eines Pfauen
Ward ich getödtet am Jordan dort,
Von meinem Bruder, dem Verräther.
Der Zweite hat keine Schuld zu tragen,
Dem Großen aber geht es an den Kragen.«

So oft nun der Schäfer auf dem Dudelsack spielte, ertönte dieses Lied, das war so schön, daß Alle die es hörten davon gerührt wurden. Da zog der Schäfer durch alle Länder und ließ überall sein Lied hören, und die Leute gaben ihm gern viel Geld dafür.
So kam er auch endlich in die Stadt wo der König herrschte, und da sich das Gerücht verbreitet hatte, er spiele ein so wunderschönes Lied, so ließ ihn der König aufs Schloß kommen, damit er vor ihm und der Königin und den beiden Söhnen spielen solle. Da nun der Schäfer das Lied spielte, fing die Königin an bitterlich zu weinen und der König sprach: »Laß mich auch einmal darauf spielen.« Als er nun anfing zu spielen, sang der Dudelsack:

»Spiele mich, spiele mich, o mein Vater,
Spiele nur immer munter fort;
Für drei Federn eines Pfauen
Ward ich getödtet am Jordan dort,
Von meinem Bruder, dem Verräther.
Der Zweite hat keine Schuld zu tragen,
Dem Großen aber geht es an den Kragen.«

Als nun der König zu Ende gespielt hatte, gab er den Dudelsack der Königin und sprach: »Spiele du auch einmal.« Da nahm die Königin den Dudelsack, der sang:

»Spiele mich, spiele mich, o meine Mutter,
Spiele nur immer munter fort;
Für drei Federn eines Pfauen
Ward ich getödtet am Jordan dort,
Von meinem Bruder, dem Verräther.
Der Zweite hat keine Schuld zu tragen,
Dem Großen aber geht es an den Kragen.«

Nach der Königin spielte auch der jüngere Bruder und der Dudelsack sang:

»Spiele mich, spiele mich, o mein Bruder,
Spiele nur immer munter fort;
Für drei Federn eines Pfauen
Ward ich getödtet am Jordan dort,
Von meinem Bruder, dem Verräther.
Du hast keine Schuld zu tragen,
Dem Großen aber geht es an den Kragen.«

Als der König das hörte, rief er: »Nun soll der Alteste auch einmal darauf spielen.« Der wollte nicht, aber der König zwang ihn zu spielen, und nun klang das Lied:

»Spiele mich, spiele mich, Verräther,
Spiele nur immer munter fort;
Für drei Federn eines Pfauen
Hast du mich getödtet am Jordan dort.
Der Zweite hat keine Schuld zu tragen,
Du bist es, dir geht es an den Kragen.«

Da merkten Alle, daß der falsche Bruder seinen jüngsten Bruder ermordet hatte, und der König ließ einen Galgen errichten und ihn daran aufhängen. Dem Schäfer aber gab er große Schätze, damit er ihm den Dudelsack lasse.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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