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Märchenbasar

Vom Sonnengott und den Mondmädchen

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Zu der Zeit als die ersten Menschen auf der Welt lebten und langsam begannen überall zu siedeln, hatte der Sonnengott zwölf Schwestern als Frauen. Sie lebten alle mit ihm im Himmel, bei Tage leuchteten sie, die Nächte aber waren damals ganz finster und ohne jedes Licht. Hin und wieder besuchte der Sonnengott die Menschen, um sich von ihnen Fleisch zum Essen zu holen, und bei der Gelegenheit fragte er sie: „Wie geht es euch? Gibt es etwas, womit ich euch helfen kann?“ – „Ja“, sagten sie, „das gibt es. Wir haben es immer sehr schwer in der Nacht, weil wir gar nichts sehen können. Gib uns doch ein Licht für die Nacht!“ Der Sonnengott versprach es. Und nachdem er in den Himmel zurückgekehrt war, sagte er zu seinen Frauen: „Hört! “ sagt er, „die Menschen haben sich beklagt, daß sie während der Nacht nichts sehen. Ich habe nun beschlossen, daß immer sechs von euch bei mir bleiben sollen und mit mir wachsein und mit mir schlafen. Und die sechs anderen sollen am Tage schlafen und in der Nacht über die Himmelswiese gehen. Und in einigen Jahren werden wir wechseln, und dann sollen die Mädchen, die bei mir gewesen sind, in der Nacht zur Himmelswiese gehen, und die anderen sollen mit mir leben.“ Wie der Sonnengott es befohlen hatte, so geschah es. Und die Menschen freuten sich, weil die sechs der Mondmädchen in der Nacht ein gutes Licht gaben, so daß man auch während der Nacht auf die Jagd gehen oder fischen konnte.

Es verging einige Zeit. Aber man muß wissen, daß die Mondmädchen sehr heißblütig waren, und die Zeit, da sie nicht mit dem Sonnengott schlafen konnten, machte sie noch hitziger. Und sie konnten den Zeitpunkt nicht mehr erwarten, da sie den Dienst mit ihren Schwestern wechseln sollten. Endlich aber war es so weit, und der Sonnengott sagte zu jenen Mädchen, die bei ihm waren: „Geht zu euren Schwestern und löst sie in ihrem Dienst ab!“ Als nun aber die sechs Mondmädchen, die in der Nacht geleuchtet hatten, zum Sonnengott kamen, da wollte jede von ihnen zuerst auf sein Lager.
Sie rissen sich und prügelten sich bis aufs Blut, und da der Sonnengott mitten unter ihnen war, wurde er auch gekratzt und geschlagen, bis er blutete, das Blut aber tropfte auf die Erde hinunter, und wo es niederfällt, da bildete sich auf einmal Gold, wenn es Blut vom Sonnengott ist, und Silber, wenn es Blut von einem Mondmädchen ist. Der Sonnengott aber wurde sehr zornig, als er sah, wie es da zuging, und wie sich die Mondmädchen um ihn rauften. Und er sagte: „Von jetzt ab werden wir es anders machen, damit ihr nicht mehr so hitzig werdet und über einander herfallt. Es soll nur eine in der Nacht leuchten und das auch nur mehr zwanzig Nächte hindurch. Die andern aber sollen bei mir bleiben.“

Wenn nun das Mondmädchen, das seinen Dienst an der Himmelswiese antritt, kommt, dann ist es so erschöpft, daß es schmal ist und kaum leuchten kann. Aber nach einigen Tagen erholt es sich und wird ganz rund und prall wie eine schöne Frau. Es dauert aber nicht lange, da wird die Sehnsucht nach dem Sonnengott bei ihr so groß, daß sie wieder schmaler wird. Und endlich sehnt sie sich nach ihrem Mann, daß sie vom Himmel verschwindet, wenn sie auch eigentlich in der Nacht noch ihren Dienst tun und leuchten sollte. Und da die Schwestern einander gern haben, verraten sie die Schwester nicht, die früher heimkommt, denn jede zähle darauf, daß die andern auch sie nicht verraten werden, wenn sie Dienst haben.

Märchen aus Mexiko

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