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Es war einmal ein Kaufmann, der war über alle Maaßen reich, und hatte solche Schätze, wie sie nicht einmal der König hatte. In seinem Zimmer, wo er Audienz gab, standen drei wunderschöne Stühle, der eine war von Silber, der zweite von Gold, der dritte von Diamanten. Dieser Kaufmann hatte eine einzige Tochter, die hieß Caterina und war schöner als die Sonne.
Eines Tages saß Caterina in ihrem Zimmer. Auf einmal sprang die Thüre ganz von selbst auf, und es trat eine schöne, hohe Frau herein, die hielt in ihren Händen ein Rad. »Caterina,« sprach sie, »wann willst du lieber dein Leben genießen, in der Jugend oder im Alter?« Caterina schaute sie ganz verwundert an, und wußte sich nicht zu fassen, und die schöne Frau frug noch einmal: »Caterina, wann willst du lieber dein Leben genießen, in der Jugend oder im Alter?« Da dachte Caterina: Wenn ich sage: in der Jugend, so werde ich dafür im Alter leiden müssen. Deshalb will ich lieber im Alter mein Leben genießen, und in der Jugend gehe es mir nach dem Willen Gottes. Also antwortete sie: »Im Alter!« »Dir geschehe, wie du gewünscht hast,« sprach die schöne Frau, drehte einmal ihr Rad, und verschwand. Diese hohe, schöne Frau aber war das Schicksal der armen Caterina.
Nach einigen Tagen bekam ihr Vater plötzlich die Nachricht, einige von seinen Schiffen seien in einem Sturme gescheitert; wieder nach einigen Tagen erfuhr er, noch mehrere von seinen Schiffen seien untergegangen, und um es kurz zu fassen, es war kaum ein Monat verflossen, so sah er sich aller seiner Reichthümer beraubt. Er mußte Alles verkaufen, was er hatte, aber auch das verlor er, bis er endlich ganz arm und elend blieb. Aus Kummer darüber erkrankte er und starb.
So blieb denn die arme Caterina ganz allein in der Welt zurück, ohne einen Grano, ohne Jemanden zu haben, der sie hätte zu sich nehmen wollen. Da dachte sie: »Ich will in eine andere Stadt gehen, und mir dort einen Dienst suchen,« machte sich auf, und wanderte, bis sie in eine andere Stadt kam. Wie sie durch die Straßen ging, stand eben eine vornehme Frau am Fenster, die frug sie: »Wohin gehest du so allein, du schönes Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen, und möchte gern in Dienst treten, um mir mein Brod zu verdienen. Könnet ihr mich nicht brauchen?« Da nahm die vornehme Frau sie zu sich, und Caterina diente ihr treu.
Nach einigen Tagen sprach eines Abends die Frau: »Caterina, ich muß einen Ausgang machen, und werde die Hausthüre zuschließen.« »Gut,« sprach Caterina, und als ihre Herrin fort war, nahm sie ihre Arbeit, setzte sich hin und nähte. Plötzlich ging die Thüre auf, und ihr Schicksal trat herein. »So?« rief dasselbe, »hier bist du, Caterina? und meinst nun wohl, ich solle dich in Ruhe lassen?« Mit diesen Worten lief das Schicksal an alle Schränke, riß die Wäsche und die Kleider von Caterinas Herrin heraus, und riß Alles in tausend Stücke. Caterina aber dachte: »Ach, weh mir, wenn meine Herrin wiederkommt, und Alles in diesem Zustand findet, so bringt sie mich gewiß um.« Und in ihrer Angst brach sie die Thüre auf und entfloh. Das Schicksal aber sammelte alle die zerrissenen und zerstörten Sachen, machte sie ganz und legte Alles an seinen Platz. Als nun die Herrin nach Hause kam, rief sie nach Caterina, aber Caterina war nirgends zu sehen: »Sollte sie mich wohl bestohlen haben?« dachte sie, aber als sie nachsah, fehlte von ihren Sachen nichts. Sie verwunderte sich sehr, aber Caterina kam nicht zurück, sondern lief immer weiter, bis sie endlich in eine andere Stadt kam. Als sie nun durch die Straßen ging, stand wieder eine Frau am Fenster, und frug sie: »Wohin gehest du so allein, du hübsches Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen, und möchte gern einen Dienst annehmen, um mein Brod zu verdienen; könnet ihr mich nicht brauchen?« Da nahm sie die Frau in ihren Dienst, und Caterina diente ihr, und meinte nun in Ruhe bleiben zu können. Es währte aber nur einige Tage; als eines Abends ihre Herrin ausgegangen war, erschien das Schicksal wieder, und fuhr sie mit harten Worten an: »So, hier bist du jetzt? Und meinst du wohl, du könnest mir entgehen?« Damit zerriß und zerstörte das Schicksal Alles, was es fand, also daß die arme Caterina in ihrer Herzensangst wieder entfloh. Um es kurz zu sagen, dieses schreckliche Leben führte die arme Caterina sieben Jahre lang, lief aus einer Stadt in die andere, und versuchte es überall, einen Dienst anzunehmen. Nach wenigen Tagen aber erschien immer das Schicksal, zerriß und zerstörte die Sachen ihrer Herrschaft, und das arme Mädchen mußte fliehen. Wenn sie jedoch das Haus verlassen hatte, machte das Schicksal Alles wieder ganz und legte es an seinen Platz.
Nach sieben Jahren endlich schien das Schicksal müde zu werden, die unglückliche Caterina immer zu verfolgen. Eines Tages kam Caterina wieder in eine Stadt, und sah eine Frau am Fenster stehen, die frug sie: »Wohin gehest du so allein, du schönes Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen und möchte gerne einen Dienst annehmen, um mein Brod zu verdienen. Könnet ihr mich nicht brauchen?« Da antwortete die Frau: »Ich will dich gern zu mir nehmen, du mußt mir aber täglich einen Dienst leisten, und ich weiß nicht, ob du die Kraft dazu hast.« »Sagt mir, was es ist,« sprach Caterina, »und wenn ich es kann, will ich es thun.« »Siehst du jenen hohen Berg?« sprach die Frau. »Auf den mußt du jeden Morgen ein großes Bret mit frischgebackenem Brod tragen, und mußt oben mit lauter Stimme rufen: ‚O Schicksal meiner Herrin! o Schicksal meiner Herrin! o Schicksal meiner Herrin!‘ dreimal. Dann wird mein Schicksal erscheinen, und das Brod in Empfang nehmen.« »Das will ich gerne thun,« sprach Caterina, und die Frau nahm sie zu sich.
Nun blieb Caterina lange Jahre bei dieser Frau, und jeden Morgen nahm sie ein Tragbret mit frischgebackenem Brode, und trug es den Berg hinauf, und wenn sie dreimal gerufen hatte: »O Schicksal meiner Herrin!« erschien eine schöne, hohe Frau und nahm das Brod in Empfang. Caterina aber weinte oft, wenn sie dachte, daß sie, die so reich gewesen war, nun wie eine arme Magd dienen mußte. Da sprach eines Tages ihre Herrin zu ihr: »Caterina, warum weinest du so viel?« Da erzählte Caterina, wie schlecht es ihr ergangen sei, und ihre Herrin sprach: »Weißt du was, Caterina? Wenn du morgen das Brod auf den Berg trägst, so bitte mein Schicksal, daß es dein Schicksal zu bewegen suche, dich nun in Ruhe zu lassen. Vielleicht hilft das.« Dieser Rath gefiel der armen Caterina, und am nächsten Morgen, als sie dem Schicksal ihrer Herrin das Brod gebracht hatte, klagte sie demselben ihre Noth, und sprach: »O Schicksal meiner Herrin! bittet doch mein Schicksal, daß es mich nun nicht mehr verfolge.« Da antwortete das Schicksal: »Ach, du armes Mädchen, dein Schicksal ist eben mit sieben Decken bedeckt, deßhalb kann es dich nicht hören. Wenn du aber morgen kommst, so will ich dich zu ihm hinführen.« Als nun Caterina nach Hause gegangen war, ging das Schicksal ihrer Herrin zu dem Schicksal des Mädchens, und sprach: »Liebe Schwester, warum wirst du nicht müde, die arme Caterina leiden zu lassen? Lasse sie nun auch wieder glückliche Tage sehen.« Da antwortete das Schicksal: »Führe sie morgen zu mir, so will ich ihr etwas schenken, das soll ihr aus aller Noth helfen.«
Als nun Caterina am nächsten Morgen das Brod brachte, führte das Schicksal ihrer Herrin sie zu ihrem eigenen Schicksal, das war mit sieben Decken bedeckt. Das Schicksal aber gab ihr ein Stränglein Seide, und sprach zu ihr: »Verwahre es wohl, es wird dir nützen.« Da ging Caterina nach Hause, und sprach zu ihrer Herrin: »Da hat mir mein Schicksal ein Stränglein Seide geschenkt, was ich wohl damit thun soll? Es ist ja keine drei Grani werth.« »Nun,« sagte die Herrin, »verwahre es nur, wer weiß wozu es nützen kann.«
Nun begab es sich nach einiger Zeit, daß der junge König heirathen sollte, und sich deßhalb königliche Kleider anfertigen ließ. Als der Schneider nun ein schönes Gewand nähen sollte, war nirgends Seide von derselben Farbe zu finden. Da ließ der König im ganzen Land verkünden, wer solche Seide habe, sollte sie an den Hof bringen, sie werde ihm gut bezahlt werden. »Caterina,« sprach ihre Herrin, »dein Stränglein Seide ist ja von dieser Farbe; bringe es doch zum König, daß er dir ein schönes Geschenk mache.« Da legte Caterina ihre besten Kleider an, und ging an den Hof, und als sie vor den König trat, war sie so schön, daß er seine Augen nicht von ihr wenden konnte. »Königliche Majestät,« sprach sie, »ich habe euch ein Stränglein Seide gebracht, von jener Farbe, die ihr nicht finden konntet.« »Wißt ihr was, königliche Mäjestät,« rief einer der Minister, »wir wollen dem Mädchen die Seide mit Gold aufwiegen.« Der König war es zufrieden, und es wurde eine Wage gebracht; auf die eine Seite legte der König die Seide, auf die andere ein Goldstück. Nun denkt euch aber, was geschah; so viele Goldstücke der König auch auf die Wage legen mochte, die Seide war doch immer schwerer. Da ließ der König eine größere Wage holen, und alle seine Schätze auf die eine Schale legen, aber die Seide wog immer noch schwerer. Da nahm der König endlich seine goldene Krone vom Haupt, und legte sie zu all den anderen Schätzen, und siehe da, nun ging die Wagschale mit dem Golde hinunter, und wog genau eben so viel wie die Seide. »Woher hast du diese Seide?« frug der König. »Königliche Majestät, ich habe sie von meiner Herrin geschenkt bekommen,« antwortete Caterina. »Nein, das ist nicht möglich,« rief der König, »und wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, so lasse ich dir den Kopf abschneiden.« Da erzählte Caterina Alles, wie es ihr ergangen, seit sie ein reiches Mädchen gewesen war.
Am Hofe aber lebte eine weise Frau, die sprach: »Caterina, du hast viel gelitten, doch nun wirst du auch glückliche Zeiten sehen, und daß erst die goldne Krone die Wage ins Gleichgewicht brachte, ist ein Zeichen, daß du eine Königin sein wirst.« »Soll sie eine Königin sein,« rief der König, »so will ich sie dazu machen, denn Caterina und keine andere soll meine Gemahlin sein.« Und so geschah es auch; der König ließ seiner Braut sagen, nun wolle er sie nicht mehr, und heirathete die schöne Caterina. Und nachdem Caterina in ihrer Jugend so viel gelitten hatte, genoß sie nun ihr Alter in lauter Glückseligkeit, und blieb glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.
Eines Tages saß Caterina in ihrem Zimmer. Auf einmal sprang die Thüre ganz von selbst auf, und es trat eine schöne, hohe Frau herein, die hielt in ihren Händen ein Rad. »Caterina,« sprach sie, »wann willst du lieber dein Leben genießen, in der Jugend oder im Alter?« Caterina schaute sie ganz verwundert an, und wußte sich nicht zu fassen, und die schöne Frau frug noch einmal: »Caterina, wann willst du lieber dein Leben genießen, in der Jugend oder im Alter?« Da dachte Caterina: Wenn ich sage: in der Jugend, so werde ich dafür im Alter leiden müssen. Deshalb will ich lieber im Alter mein Leben genießen, und in der Jugend gehe es mir nach dem Willen Gottes. Also antwortete sie: »Im Alter!« »Dir geschehe, wie du gewünscht hast,« sprach die schöne Frau, drehte einmal ihr Rad, und verschwand. Diese hohe, schöne Frau aber war das Schicksal der armen Caterina.
Nach einigen Tagen bekam ihr Vater plötzlich die Nachricht, einige von seinen Schiffen seien in einem Sturme gescheitert; wieder nach einigen Tagen erfuhr er, noch mehrere von seinen Schiffen seien untergegangen, und um es kurz zu fassen, es war kaum ein Monat verflossen, so sah er sich aller seiner Reichthümer beraubt. Er mußte Alles verkaufen, was er hatte, aber auch das verlor er, bis er endlich ganz arm und elend blieb. Aus Kummer darüber erkrankte er und starb.
So blieb denn die arme Caterina ganz allein in der Welt zurück, ohne einen Grano, ohne Jemanden zu haben, der sie hätte zu sich nehmen wollen. Da dachte sie: »Ich will in eine andere Stadt gehen, und mir dort einen Dienst suchen,« machte sich auf, und wanderte, bis sie in eine andere Stadt kam. Wie sie durch die Straßen ging, stand eben eine vornehme Frau am Fenster, die frug sie: »Wohin gehest du so allein, du schönes Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen, und möchte gern in Dienst treten, um mir mein Brod zu verdienen. Könnet ihr mich nicht brauchen?« Da nahm die vornehme Frau sie zu sich, und Caterina diente ihr treu.
Nach einigen Tagen sprach eines Abends die Frau: »Caterina, ich muß einen Ausgang machen, und werde die Hausthüre zuschließen.« »Gut,« sprach Caterina, und als ihre Herrin fort war, nahm sie ihre Arbeit, setzte sich hin und nähte. Plötzlich ging die Thüre auf, und ihr Schicksal trat herein. »So?« rief dasselbe, »hier bist du, Caterina? und meinst nun wohl, ich solle dich in Ruhe lassen?« Mit diesen Worten lief das Schicksal an alle Schränke, riß die Wäsche und die Kleider von Caterinas Herrin heraus, und riß Alles in tausend Stücke. Caterina aber dachte: »Ach, weh mir, wenn meine Herrin wiederkommt, und Alles in diesem Zustand findet, so bringt sie mich gewiß um.« Und in ihrer Angst brach sie die Thüre auf und entfloh. Das Schicksal aber sammelte alle die zerrissenen und zerstörten Sachen, machte sie ganz und legte Alles an seinen Platz. Als nun die Herrin nach Hause kam, rief sie nach Caterina, aber Caterina war nirgends zu sehen: »Sollte sie mich wohl bestohlen haben?« dachte sie, aber als sie nachsah, fehlte von ihren Sachen nichts. Sie verwunderte sich sehr, aber Caterina kam nicht zurück, sondern lief immer weiter, bis sie endlich in eine andere Stadt kam. Als sie nun durch die Straßen ging, stand wieder eine Frau am Fenster, und frug sie: »Wohin gehest du so allein, du hübsches Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen, und möchte gern einen Dienst annehmen, um mein Brod zu verdienen; könnet ihr mich nicht brauchen?« Da nahm sie die Frau in ihren Dienst, und Caterina diente ihr, und meinte nun in Ruhe bleiben zu können. Es währte aber nur einige Tage; als eines Abends ihre Herrin ausgegangen war, erschien das Schicksal wieder, und fuhr sie mit harten Worten an: »So, hier bist du jetzt? Und meinst du wohl, du könnest mir entgehen?« Damit zerriß und zerstörte das Schicksal Alles, was es fand, also daß die arme Caterina in ihrer Herzensangst wieder entfloh. Um es kurz zu sagen, dieses schreckliche Leben führte die arme Caterina sieben Jahre lang, lief aus einer Stadt in die andere, und versuchte es überall, einen Dienst anzunehmen. Nach wenigen Tagen aber erschien immer das Schicksal, zerriß und zerstörte die Sachen ihrer Herrschaft, und das arme Mädchen mußte fliehen. Wenn sie jedoch das Haus verlassen hatte, machte das Schicksal Alles wieder ganz und legte es an seinen Platz.
Nach sieben Jahren endlich schien das Schicksal müde zu werden, die unglückliche Caterina immer zu verfolgen. Eines Tages kam Caterina wieder in eine Stadt, und sah eine Frau am Fenster stehen, die frug sie: »Wohin gehest du so allein, du schönes Mädchen?« »Ach, edle Frau, ich bin ein armes Mädchen und möchte gerne einen Dienst annehmen, um mein Brod zu verdienen. Könnet ihr mich nicht brauchen?« Da antwortete die Frau: »Ich will dich gern zu mir nehmen, du mußt mir aber täglich einen Dienst leisten, und ich weiß nicht, ob du die Kraft dazu hast.« »Sagt mir, was es ist,« sprach Caterina, »und wenn ich es kann, will ich es thun.« »Siehst du jenen hohen Berg?« sprach die Frau. »Auf den mußt du jeden Morgen ein großes Bret mit frischgebackenem Brod tragen, und mußt oben mit lauter Stimme rufen: ‚O Schicksal meiner Herrin! o Schicksal meiner Herrin! o Schicksal meiner Herrin!‘ dreimal. Dann wird mein Schicksal erscheinen, und das Brod in Empfang nehmen.« »Das will ich gerne thun,« sprach Caterina, und die Frau nahm sie zu sich.
Nun blieb Caterina lange Jahre bei dieser Frau, und jeden Morgen nahm sie ein Tragbret mit frischgebackenem Brode, und trug es den Berg hinauf, und wenn sie dreimal gerufen hatte: »O Schicksal meiner Herrin!« erschien eine schöne, hohe Frau und nahm das Brod in Empfang. Caterina aber weinte oft, wenn sie dachte, daß sie, die so reich gewesen war, nun wie eine arme Magd dienen mußte. Da sprach eines Tages ihre Herrin zu ihr: »Caterina, warum weinest du so viel?« Da erzählte Caterina, wie schlecht es ihr ergangen sei, und ihre Herrin sprach: »Weißt du was, Caterina? Wenn du morgen das Brod auf den Berg trägst, so bitte mein Schicksal, daß es dein Schicksal zu bewegen suche, dich nun in Ruhe zu lassen. Vielleicht hilft das.« Dieser Rath gefiel der armen Caterina, und am nächsten Morgen, als sie dem Schicksal ihrer Herrin das Brod gebracht hatte, klagte sie demselben ihre Noth, und sprach: »O Schicksal meiner Herrin! bittet doch mein Schicksal, daß es mich nun nicht mehr verfolge.« Da antwortete das Schicksal: »Ach, du armes Mädchen, dein Schicksal ist eben mit sieben Decken bedeckt, deßhalb kann es dich nicht hören. Wenn du aber morgen kommst, so will ich dich zu ihm hinführen.« Als nun Caterina nach Hause gegangen war, ging das Schicksal ihrer Herrin zu dem Schicksal des Mädchens, und sprach: »Liebe Schwester, warum wirst du nicht müde, die arme Caterina leiden zu lassen? Lasse sie nun auch wieder glückliche Tage sehen.« Da antwortete das Schicksal: »Führe sie morgen zu mir, so will ich ihr etwas schenken, das soll ihr aus aller Noth helfen.«
Als nun Caterina am nächsten Morgen das Brod brachte, führte das Schicksal ihrer Herrin sie zu ihrem eigenen Schicksal, das war mit sieben Decken bedeckt. Das Schicksal aber gab ihr ein Stränglein Seide, und sprach zu ihr: »Verwahre es wohl, es wird dir nützen.« Da ging Caterina nach Hause, und sprach zu ihrer Herrin: »Da hat mir mein Schicksal ein Stränglein Seide geschenkt, was ich wohl damit thun soll? Es ist ja keine drei Grani werth.« »Nun,« sagte die Herrin, »verwahre es nur, wer weiß wozu es nützen kann.«
Nun begab es sich nach einiger Zeit, daß der junge König heirathen sollte, und sich deßhalb königliche Kleider anfertigen ließ. Als der Schneider nun ein schönes Gewand nähen sollte, war nirgends Seide von derselben Farbe zu finden. Da ließ der König im ganzen Land verkünden, wer solche Seide habe, sollte sie an den Hof bringen, sie werde ihm gut bezahlt werden. »Caterina,« sprach ihre Herrin, »dein Stränglein Seide ist ja von dieser Farbe; bringe es doch zum König, daß er dir ein schönes Geschenk mache.« Da legte Caterina ihre besten Kleider an, und ging an den Hof, und als sie vor den König trat, war sie so schön, daß er seine Augen nicht von ihr wenden konnte. »Königliche Majestät,« sprach sie, »ich habe euch ein Stränglein Seide gebracht, von jener Farbe, die ihr nicht finden konntet.« »Wißt ihr was, königliche Mäjestät,« rief einer der Minister, »wir wollen dem Mädchen die Seide mit Gold aufwiegen.« Der König war es zufrieden, und es wurde eine Wage gebracht; auf die eine Seite legte der König die Seide, auf die andere ein Goldstück. Nun denkt euch aber, was geschah; so viele Goldstücke der König auch auf die Wage legen mochte, die Seide war doch immer schwerer. Da ließ der König eine größere Wage holen, und alle seine Schätze auf die eine Schale legen, aber die Seide wog immer noch schwerer. Da nahm der König endlich seine goldene Krone vom Haupt, und legte sie zu all den anderen Schätzen, und siehe da, nun ging die Wagschale mit dem Golde hinunter, und wog genau eben so viel wie die Seide. »Woher hast du diese Seide?« frug der König. »Königliche Majestät, ich habe sie von meiner Herrin geschenkt bekommen,« antwortete Caterina. »Nein, das ist nicht möglich,« rief der König, »und wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, so lasse ich dir den Kopf abschneiden.« Da erzählte Caterina Alles, wie es ihr ergangen, seit sie ein reiches Mädchen gewesen war.
Am Hofe aber lebte eine weise Frau, die sprach: »Caterina, du hast viel gelitten, doch nun wirst du auch glückliche Zeiten sehen, und daß erst die goldne Krone die Wage ins Gleichgewicht brachte, ist ein Zeichen, daß du eine Königin sein wirst.« »Soll sie eine Königin sein,« rief der König, »so will ich sie dazu machen, denn Caterina und keine andere soll meine Gemahlin sein.« Und so geschah es auch; der König ließ seiner Braut sagen, nun wolle er sie nicht mehr, und heirathete die schöne Caterina. Und nachdem Caterina in ihrer Jugend so viel gelitten hatte, genoß sie nun ihr Alter in lauter Glückseligkeit, und blieb glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.
[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]