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Von dem klugen Mädchen

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Es waren einmal zwei Brüder, der eine hatte sieben Söhne, der andere aber sieben Töchter. Wenn nun der Vater von den sieben Söhnen seinem Bruder begegnete, so rief er ihm immer zu: »O Herr Bruder, ihr mit sieben Blumentöpfen und ich mit sieben Schwertern!« Das verdroß den Andern über die Maßen und wenn er nach Hause kam, war er immer mißmuthig und verstimmt. Seine jüngste Tochter aber war ein wunderschönes Mädchen und dabei sehr schlau. Da sie nun ihren Vater immer so mißmuthig sah, frug sie ihn eines Tages, was ihm fehle. »Ach Kind,« antwortete er, »da ist mein Bruder, der wirft mir immer vor, daß ich nur sieben Töchter habe und keine Söhne, und sagt mir so oft er mich sieht: O Herr Bruder, ihr mit sieben Blumentöpfen und ich mit sieben Schwertern!« »Wißt ihr was, Vater,« sprach das kluge Mädchen, »wenn euer Bruder wieder so spricht, so antwortet ihm nur, eure Töchter seien klüger als seine Söhne und bietet ihm eine Wette an, er solle seinen jüngsten Sohn ausschicken und ihr wolltet eure jüngste Tochter ausschicken, wem von beiden es zuerst gelinge dem Königssohn seine Krone zu rauben.« »Ja, das will ich thun,« sagte der Vater, und als er das nächste Mal seinen Bruder antraf, und der ihn wieder neckte, antwortete er: »O Herr Bruder, meine Töchter sind aber doch klüger als Eure Söhne, und zum Beweis dafür biete ich euch eine Wette an: Schicket euern jüngsten Sohn aus, so will ich meine jüngste Tochter schicken und dann wollen wir sehen, wer von Beiden es zuerst fertig bringt, dem Königssohn seine Krone zu rauben.« Der Bruder war es zufrieden und so zogen der Jüngling und die Jungfrau zusammen aus.
Als sie eine Weile gegangen waren, kamen sie an ein Flüßchen, in dem eben viel Wasser floß. Die Jungfrau zog ihre Schuhe aus, schürzte ihr Röckchen und watete munter durch’s Wasser. Der Jüngling aber dachte: »Was soll ich mir meine Füße naß machen? Ich will warten bis sich das Wasser verlaufen hat!« Also setzte er sich hin und damit das Flüßchen schneller trocken werden sollte, schöpfte er Wasser mit einer Haselnußschaale und goß es aus in den Sand. Seine Base aber ging weiter, bis sie einem Bauerburschen begegnete: »Schöner Bursche,« sprach sie, »gieb mir deine Kleider, so will ich dir die meinigen dafür geben.« Der Bursche war es zufrieden und so nahm das Mädchen die Männerkleidung und legte sie an. Dann machte sie sich wieder auf den Weg, bis sie in die Stadt kam, wo der Königssohn wohnte. Da ging sie vor das königliche Schloß und fing an auf und ab zu gehen; der Königssohn aber stand am Balkon, und da er den schönen Jüngling sah, rief er ihn und frug ihn wie er heiße. »Ich heiße Giovanni, und bin hier fremd,« antwortete sie, »könnt ihr mich nicht in euern Dienst nehmen?« »Willst du mein Sekretär sein?« frug der Königssohn. Sie war es zufrieden und der Königssohn nahm sie in seinen Dienst und gewann seinen Sekretär von Tag zu Tag lieber. Wenn er aber ihre schönen weißen Hände betrachtete, so kam ihm immer der Gedanke: »Das ist ja keine Männerhand, Giovanni ist gewiß ein Mädchen!« Da ging er zu seiner Mutter und sagte ihr das, sie aber antwortete: »Ach geh‘ doch, warum soll es nun gerade ein Mädchen sein!« »Nein Mutter,« sagte der Königssohn, ich bin gewiß, daß Giovanni kein Mann ist, seht doch nur seine feinen weißen Hände an.

Johannes schreibt
Mit feiner Hand,
Hat Frauen Art und Weise,
Die macht mich krank zum Tode.

»Nun denn, mein Sohn,« sprach die Königin, »wenn du dir Gewißheit verschaffen willst, so nimm ihn mit in den Garten. Wenn er sich eine Nelke pflückt, so ist er ein Mädchen, pflückt er sich aber eine Rose, so ist er gewiß ein Mann.« Das that der Königssohn, rief seinen treuen Diener und sprach zu ihm: »Giovanni, wir wollen ein wenig in den Garten gehen.« »Wohl, königliche Hoheit,« antwortete das kluge Mädchen, und sie gingen in den Garten. Sie hütete sich aber wohl nach den Nelken zu schauen, sondern pflückte sich eine Rose und steckte sie in’s Knopfloch. »Sieh doch einmal die schönen Nelken an,« sprach der Königssohn. Sie aber antwortete: »Was sollen wir mit den Nelken, wir sind ja keine Mädchen!«
Nun ging der Königssohn zu seiner Mutter, die sagte: »Siehst du, ich habe es dir ja gesagt!« »Nein Mutter,« antwortete er, »ich lasse es mir nicht ausreden, denn

Johannes schreibt,
Mit feiner Hand,
Hat Frauen Art und Weise,
Die macht mich krank zum Tode.«

»Weißt du was,« sagte die Königin, »schlage ihm vor, dich in’s Meerbad zu begleiten, wenn er es annimmt, so kann dir doch kein Zweifel bleiben.« Der Königssohn rief seinen Sekretär und sprach: »Giovanni, es ist heute so warm, wollen wir nicht zusammen in’s Meerbad gehen?« »Warum nicht!« antwortete das kluge Mädchen. »Wir wollen gleich gehen, königliche Hoheit.« Als sie aber an den Meeresstrand kamen, rief sie auf einmal: »Ach, königliche Hoheit, ich habe vergessen, die Handtücher mitzunehmen; wartet aber einen Augenblick auf mich, derweil ich in’s Schloß zurückeile und sie hole.« Da lief sie in’s Schloß, trat vor die Königin und sprach: »Der Königssohn will sogleich seine goldene Krone haben, und läßt euch bitten, sie mir ohne Verzug zu geben.« Da gab ihr die Königin die goldene Krone, und das kluge Mädchen schrieb schnell auf einen Zettel:

»Jungfräulich kam ich,
Jungfräulich geh ich weg.
Gefoppt ist der Prinz
Gar schlau und frech.«

Diesen Zettel klebte sie am Thore an, bestieg ein Pferd und ritt mit der Krone davon. Als sie nun an das Flüßchen kam, saß ihr Vetter noch immer da, und schöpfte Wasser mit seiner Haselnußschaale. Da zeigte sie ihm lachend die goldene Krone, und sprach: »Hatte mein Vater nicht Recht, da er sagte, wir seien klüger als ihr?« Damit ritt sie durch den Strom, und kam fröhlich nach Hause.
Unterdessen aber wartete der Königssohn immer noch auf seinen Sekretär, und als er endlich die Geduld verlor, und nach Hause ging, sah er schon von Weitem den Zettel am Thore, und da er ihn gelesen hatte, lief er voll Schmerz zu seiner Mutter und rief: »Sagte ich euch nicht, daß Giovanni ein Mädchen sei? Und nun ist sie fort, und ich wollte sie zu meiner Gemahlin erheben?« Da ließ er sein Roß satteln, und machte sich auf, um das schöne Mädchen zu suchen.
Lange Zeit ritt er immer gerade aus, und so oft ihm Jemand begegnete, frug er ihn, ob er nicht einen schönen Jüngling habe vorbeireiten sehen? aber Niemand konnte ihm Auskunft geben. Endlich kam er an das Flüßchen, wo der Sohn des anderen Bruders noch immer mit der Haselnußschaale Wasser schöpfte. »Schöner Bursche,« rief er ihn an, »ist vielleicht ein Jüngling zu Pferd hier vorbeigeritten, der in seiner Hand eine goldene Krone trug?« »Das ist ja meine Base,« antwortete der Bursche, »die ist zur Stunde gewiß zu Hause.« »So führe mich zu ihr hin,« sprach der Königssohn, und sie gingen zusammen in die Wohnung des Mädchens. Dieses hatte unterdessen wieder Frauenkleidung angelegt und sah so noch viel schöner aus, und als der Königssohn sie erblickte, eilte er auf sie zu, und sprach: »Du sollst meine liebe Gemahlin sein!« Da nahm er sie auf sein Schloß, und sie ließ auch ihren Vater und ihre Schwestern hinkommen, und sie feierten eine glänzende Hochzeit und blieben zufrieden und glücklich, wir aber sitzen hier und schauen einander an.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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