Es war einmal ein armer Mann, der konnte die Zither so schön spielen, daß jeder, der ihn hörte, Lust bekam, aufzustehen und zu tanzen. Eines Tages ging er über Land, und bei einem Halt, den er machte, griff er nach seiner Zither und fing an zu spielen. Da kam eine Neraide hervor und tanzte nach seinem Spiele, und als sie sich satt getanzt hatte, gab sie ihm eine Handvoll Goldstücke und bat ihn, daß er am folgenden Abend wiederkommen und ihr aufspielen solle, und der Mann versprach das. In seiner Freude über das viele Geld stellte er aber am andern Tage ein Gastmahl an, lud seine Freunde dazu und vergaß sein Versprechen. Als nun die Neraide am Abend an jenen Platz kam und ihn nicht fand, tanzte sie so lange, bis sie zu Boden fiel und barst. Am folgenden Abend erinnerte sich der Mann seines Versprechens und ging hin. Da fand er die Neraide auf dem Boden liegen; er glaubte, daß sie schliefe, und fing an denselben Reigen zu spielen, den er das erste Mal gespielt. Da erschien eine andere Neraide und sagte: »was spielst du jetzt? meine Schwester ist gestorben, weil du dein Wort nicht gehalten hast! was willst du nun lieber, soll ich dich töten oder verfluchen?« Jener dachte eine Weile nach und sagte dann: »verfluche mich lieber.« Darauf sprach die Neraide: »wenn du ein Mann bist, so sollst du zur Frau werden, und wenn du eine Frau bist, so sollst du zum Manne werden«, und verschwand. Der Mann aber ging abseits um zu sehen, ob der Fluch auch ernst gemeint sei, und fand, daß er zur Frau geworden war. Da zerbrach er seine Zither, nahm eine Flinte, eine Pistole und einen Jatagan, und ging in ein fremdes Land. – Als er zu dessen Hauptstadt kam, traf er ein Mädchen, das klagend bei einer trockenen Quelle saß. Er fragte sie, warum sie so traurig wäre, und sie erzählte ihm, daß sie die Königstochter sei, und daß sie durch das Loos bestimmt worden von einem Ungeheuer gefressen zu werden, das in der Quelle sitze und deren Wasser zurückhalte, wenn es nicht jedes Jahr ein Mädchen zu fressen bekäme. Dann ströme das Wasser eine Zeitlang und die ganze Stadt eile, sich, so viel sie könne, Wasser für das ganze Jahr zu schöpfen; denn es gebe nur diese eine Quelle und die ließe der Drache nur kurze Zeit fließen. Darauf sprach ihr der Reisende Mut ein und sagte, daß er bei ihr bleiben wolle, und da er sich sehr müde von der Wanderung fühlte, so legte er seinen Kopf in ihren Schooß, ließ sich von ihr lausen und schlief darüber ein. Da kam der Drache aus der Quelle hervor, und als ihn die Prinzessin sah, fing sie an zu weinen, und eine ihrer Tränen fiel dem Schlafenden auf die Wange; davon erwachte er und stand auf. Wie ihn der Drache erblickte, da lachte er und sprach: »sonst bekam ich jedes Jahr nur einen, heuer aber bekomme ich zwei.« Doch der Jüngling zog sein Schwert, hieb damit die sieben Köpfe des Ungeheuers ab und sprach: »da hast du deine zwei zum Fressen.«
Darauf sprach die Prinzessin: »zum Danke für das, was du an mir getan hast, will ich dich zum Manne nehmen.« Weil er aber zur Frau geworden war, so antwortete er: »ich verheirate mich nicht.« Und die Prinzessin fragte: »was wünschst du sonst, was wir dir geben könnten?« Da erwiderte er: »Schenkt mir ein gutes Reitpferd, damit ich nicht zu Fuß gehen brauche«. Und die Prinzessin versetzte: »in unserem Stalle stehen dreitausend Hengste, wenn man dich nun hinführt, damit du dir einen aussuchen kannst, so wähle den, der am Ende des Stalles steht und verwundet ist.«
Der Jüngling ließ die Prinzessin vorausgehen, damit sie dem König alles erzählen könne, was geschehen war, und als er darauf im Schlosse erschien und zum Lohne ein Pferd verlangte, schickte ihn der König in seinen Stall, damit er sich dort eines aussuche. Er ging also hin, sah sich ein Pferd nach dem andern an und wählte endlich das, welches ihm die Prinzessin angegeben hatte. Als er nun mit dem wunden Pferde vor dem König erschien, sagte dieser: »Freund, du hast dir gerade das Pferd ausgesucht, das ich nicht weggeben kann. Es sind noch dreitausend Hengste im Stalle, von diesen wähle, welchen du willst.« Da sagte der Jüngling: »ich will entweder dieses Pferd oder gar keins«, und wandte sich, um fortzugehen. Nun erhob sich auch die Prinzessin und sagte, daß sie mit ihm gehen würde, wenn er nicht das Pferd erhielte, das er sich ausgesucht hatte, und da mußte ihn der König mit demselben ziehen lassen.
Als er es nun besteigen wollte, fragte ihn das Roß: »weißt du meinen Namen?« und jener sprach: »nun, wie wirst du denn heißen? Roß?« – »Nein, ich heiße Blitz, und wenn du auf mir bist, so halte dich fest, damit du nicht herunter fällst.« – Nachdem er aufgestiegen war, verwandelte sich das Roß in den Blitz und brachte ihn in einem Augenblick zu einer andern Stadt.
Dort fand er eine große Menge vornehmer Leute versammelt, und als er das Roß fragte, was sie vorhätten, antwortete es: »der König will seine Tochter verheiraten, er will sie aber nur demjenigen geben, welcher imstande ist, über den Graben zu setzen, den du dort siehst. Wenn du nun willst, so will ich mit dir über den Graben setzen.« Da sagte der Jüngling: »meinetwegen!« und kaum hatte er das gesagt, so war er auch schon über dem Graben, und ritt nun so weit weg, daß man ihn nicht erkennen konnte. Da ritten sie ihm nach, um zu sehen, wer er sei; er aber trieb mit den Verfolgern sein Spiel, und ließ sie sich nicht nahe kommen.
Als nun der König sah, daß man ihn nicht einholen könne, ließ er zu beiden Seiten des Grabens Netze aufstellen, damit er sich darin fangen solle, wenn er wieder über den Graben setzte. Da sprach das Roß zu seinem Herrn: »weißt du, was der König tut? er läßt Netze aufstellen, damit wir uns darin fangen sollen, wenn wir über den Graben setzen. Willst du nun, daß ich mich fangen lassen soll, damit du die Prinzessin heiraten kannst?« Er erwiderte: »Meinetwegen!« und kaum hatte er das gesagt, so war er auch schon sammt dem Rosse in den Netzen verwickelt. Da machte der König wenig Umstände und gab ihn mit seiner Tochter zusammen.
Darauf verging eine Nacht, es vergingen zwei und drei Nächte, es verging eine ganze Woche, alle Welt wartete auf ein Zeichen von der Prinzessin, aber alles Warten war vergebens. Endlich stellte sie der König zur Rede, und da sagte sie ihm: »lieber Vater, ich will den nicht zum Manne haben, den du mir gegeben hast, denn der ist kein Mann.« Der König aber sprach: »schweige still, damit er es nicht hört und uns alle totschlägt, denn er ist der tapferste Mann, den ich je gesehen habe. Weißt du aber, was wir tun wollen? wir wollen ihn fragen, ob er im Stande sei, jenes unüberwindliche
Land zu unterwerfen, das bis jetzt noch niemand erobern konnte; und wenn er das vermöchte, so solle er uns von dort dreizehn Pferdelasten Gold mitbringen.« Als die Prinzessin damit einverstanden war, machte der König seinem Schwiegersohne den Vorschlag, und der brach mit seinem Pferde sogleich nach jenem Lande auf. Unterwegs begegnete er einem Riesen, der eine eiserne Keule zwischen seinen Fingern spielen ließ, die zweitausend Pfund wog; er machte mit ihm Brüderschaft und nahm ihn mit sich; darauf begegnete er einem baumhohen Riesen, der hundert Schafe auf einem Sitze verzehrte, machte auch mit diesem Brüderschaft und nahm ihn mit sich. Als sie nun in jenes Land kamen, und die Einwohner gegen sie zogen, da schickte er ihnen den Fresser entgegen, der die Hälfte von ihnen auffraß, und wie das die anderen sahen, flüchteten sie sich in ihre Festung. Darauf sagte er zu dem Keulenträger: »jetzt ist die Reihe an dir!« Da warf jener die Festung mit seiner Keule ein und machte die Einwohner gefangen. Diese aber sagten: »schlagt uns nicht tot, sondern sagt uns, was wir euch geben sollen.« Darauf verlangten sie dreizehn Pferdelasten Gold, und als sie die erhalten hatten, zogen sie ab.
Die beiden Riesen aber blieben an den Orten zurück, wo sie der Jüngling begegnet hatte, und er zog also allein nach Hause. Als ihn der König wiedersah, freute er sich sehr und sprach zu seiner Tochter: »siehst du, er hat jene Unbezwinglichen unterworfen, warum willst du ihn also nicht zum Manne?« Sie aber erwiderte: »lieber Vater, er ist kein Mann.« Da sprach der König: »nun, dann wollen wir ihn gegen jenes Ungeheuer schicken, das vor unserm Hafen sitzt und die Schiffe mit Haut und Haaren verschlingt.«
Als er nun seinem Schwiegersohn von jenem Ungetüme erzählte, zeigte sich dieser sogleich bereit, es zu bestehen, und ging dann in den Stall und sprach zu seinem Roß: »was sagst du, Grauschimmel, können wir dies Ungetüm erlegen?« Das Roß antwortete: »warum nicht? doch ist es kein leichtes Stück; du mußt mich aber dazu in sieben Decken von Büffelhäuten einnähen lassen, weil das Ungetüm sechse davon fressen wird. Dann mußt du mich mit frischen Hufeisen beschlagen lassen, welche nach unten Stacheln haben, und du selbst mußt dich mit einer Stange bewaffnen, an deren Spitze eine Gabel ist.«
Als nun alles fertig war, zog er dem Rosse die Häute an, setzte sich auf, und ritt nach dem Hafen, und damit das Ungetüm sie gewahr würde, erhob sich das Roß in die Luft. Da erblickte sie das Tier und erhob sich aus dem Wasser, um sie zu verschlingen. Es riß dem Rosse nach einander die sechs Büffelhäute ab und fraß sie. Dieses ließ das Ungetüm ruhig gewähren, bis es müde geworden war, dann aber griff es dasselbe an und tötete es mit seinen Stachelhufen, und der Herr half mit seiner Gabellanze. Darauf band er es an den Schweif des Rosses und schleifte es so vor seinen Schwiegervater, damit sich dieser überzeugen könne, daß es wirklich tot sei.
Nun wußte der König lange nicht, wohin er ihn noch schicken solle; endlich fiel ihm ein ungeheurer Mohr ein, der einen Apfel besaß, den er in die Höhe warf und wiederfing, und den ihm Niemand abzunehmen im Stande war. Da sprach er zu seinem Schwiegersohn: »lieber Sohn, du hast nun alles ausgeführt, was zu vollbringen war, wenn du aber nun noch den Apfel des schwarzen Riesen holst, dann haben wir uns künftig vor gar nichts mehr zu fürchten.« Darauf ging jener zu seinem Roß und sprach: »höre, Grauschimmelchen, können wir dem schwarzen Riesen seinen Apfel abnehmen?« und das Roß antwortete: »ja, das können wir, wir dürfen ihn nur nicht die zwei ersten Male nehmen, wenn er ihn in die Höhe wirft, denn sonst streckt er seine Hand aus und packt uns; wir müssen ihn müde werden lassen, und dürfen den Apfel erst beim dritten Male nehmen.«
Da zogen sie in die Gegend, wo der Mohr lebte, und versteckten sich dort und warteten, bis der Mohr den Apfel zum dritten Male in die Höhe warf; da packte ihn das Roß, verwandelte sich in den Blitz und fuhr so rasch es konnte von dannen. Der Mohr streckte seinen Arm aus um sie zu greifen, weil er aber müde war, so griff er zu kurz, bekam nur den Schweif des Rosses zu fassen und riß den ab, und als er sah, daß er sie nicht mehr erreichen konnte, da rief er ihnen nach: »wenn du ein Mann bist, so sollst du zur Frau werden, und wenn du eine Frau bist, so sollst du zum Manne werden.« Nachdem er darauf dem König den Apfel gebracht hatte, ging er zu seiner Frau und am andern Morgen sagte diese zu ihrem Vater: »lieber Vater, ich hatte Unrecht, als ich behauptete, daß mein Mann kein Mann sei«, und nach dem Tode des Königs bestieg jener den Thron und ward dessen Nachfolger.
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]