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Es waren einmal drei Schwestern, die hatten weder Vater noch Mutter, und ernährten sich kümmerlich durch spinnen. Jeden Tag spannen sie zusammen ein Rottolo Flachs, den brachten sie ihrer Herrschaft, und bekamen zwei Tari dafür, davon mußten sie leben.
Nun begab es sich eines Tages, daß sie eine große Sehnsucht nach einem Stückchen Leber bekamen. »Wißt ihr was?« sprach die älteste Schwester zu den beiden anderen, »heute ist an mir die Reihe, das Gespinnst zur Padrona zu tragen; wenn sie mir nun das Geld gibt, so will ich etwas Leber, etwas Brot und Wein kaufen, daß wir uns auch einmal einen vergnügten Tag machen.« »Gut,« antworteten die Schwestern. Am Abend ging die älteste Schwester mit dem Gespinnst zur Stadt, und als ihr die Padrona das Geld gegeben hatte, kaufte sie ein Stück Leber, etwas Brot und Wein, legte Alles fein säuberlich in ihr Körbchen und machte sich auf den Weg nach Haus.
Als sie nun durch eine einsame Gasse kam, fiel ihr das Körbchen aus der Hand. Sogleich sprang ein Hund hervor, ergriff das ganze Körbchen und lief damit davon. Sie lief ihm nach, konnte ihn aber nicht erreichen und mußte endlich ohne Körbchen und ohne Lebensmittel nach Hause gehn. »Bringst du gar nichts mit?« frugen sie die Schwestern. »Ach, liebe Schwestern,« antwortete sie, »was kann ich dafür? So und so ist es mir ergangen.« Den nächsten Abend mußte die zweite Schwester zur Padrona gehn, und sagte: »Heute will ich die Leber mitbringen.« Als sie nun das Geld empfangen hatte, kaufte sie etwas Leber, Brot und Wein, packte es in ihr Körbchen und ging nach Hause. In einer einsamen Gasse fiel aber auch ihr das Körbchen aus der Hand, der Hund sprang hervor und lief mit ihrem Körbchen davon, so schnell, daß sie ihn nicht einholen konnte.
Als sie nun nach Hause kam und ihren Schwestern Alles erzählte, sprach die Jüngste: »Morgen will ich einmal gehn, und mir soll der Hund gewiß nicht entwischen.« Also ging sie am nächsten Abend mit dem Gespinnst zur Padrona, nahm das Geld in Empfang und kaufte dafür die Leber, das Brot und den Wein. Als sie nun in die Gasse kam, entfiel das Körbchen ihrer Hand. Sogleich stürzte der Hund hervor, ergriff es und sprang fort. Sie aber war leichtfüßiger als ihre Schwestern, und so schnell er auch laufen mochte, sie lief ihm nach, und verlor ihn nicht aus dem Gesicht. Der Hund lief durch viele Straßen und schlüpfte endlich in ein Haus, das Mädchen aber schlüpfte ihm nach. Sie ging die Treppe hinauf und rief, aber Niemand antwortete ihr. Nun ging sie durch alle Zimmer und sah die herrlichsten Sachen; in dem einen Saal einen schön gedeckten Tisch, in einem andern gute Betten, in einem dritten Schätze und Kostbarkeiten, einen Menschen aber sah sie nicht. Da kam sie auch in ein kleines Zimmer, da saß der Hund am Boden und hatte die drei Körbe vor sich, sie dachte aber nicht mehr an die Körbe, als sie alle die Kostbarkeiten sah.
Als sie weiter ging, kam sie endlich in einen Saal, wo Schätze ohne Zahl aufgespeichert waren, Schubladen und Kistchen voll Edelsteine und am Boden ganze Säcke mit Goldstücken. Da nahm sie einen kleinen Sack voll Goldstücke, verließ das Schloß und ging damit nach Haus. »Liebe Schwestern,« rief sie voll Freude, »jetzt kehrt der Ueberfluß bei uns ein, seht was ich euch mitbringe.« Da die beiden Schwestern den Sack voll Goldmünzen sahen, freuten sie sich sehr, die Jüngste aber sprach: »Liebe Schwestern, unsere Habe wollen wir alle den Armen geben und unser Häuschen leer stehen lassen. Das Gold aber wollen wir hier vergraben, und dann zusammen in das Schloß gehn und sehn, was es damit für eine Bewandtniß hat. Wenn es uns dort schlecht gehen sollte, so bleibt uns ja immer das Gold, das wir hier zurücklassen.«
So thaten sie denn auch, schenkten all ihr Hab und Gut den Armen, vergruben ihr Gold in dem leeren Hause, und gingen dann alle drei in das geheimnißvolle Schloß. In dem ersten Saale fanden sie noch den schön gedeckten Tisch, setzten sich und aßen und tranken nach Herzenslust, und beschauten dann alle die Schätze und Herrlichkeiten, die in dem Hause aufgespeichert waren. Als es Abend wurde, sprach die jüngste Schwester zur ältesten: »Wir können uns nicht Alle schlafen legen, denn es könnte uns ein Unglück begegnen. Deßhalb ist es am besten, wenn du diese erste Nacht wachest, während wir beide schlafen.« Also legten sich die Jüngeren schlafen, die Aelteste aber wachte.
Um Mitternacht hörte sie auf einmal einen lauten Schrei, der durch das ganze Haus schallte. »Wart! ich komme herauf!« rief es mit drohender Stimme. Da erschrak sie so, daß sie schnell ins Bett schlüpfte und die Decke über die Ohren zog. Darauf wurde Alles still. Den nächsten Morgen frugen die beiden Andern: »Hast du heute Nacht nichts gehört oder gesehn?« Sie aber antwortete: »Gar nichts, es blieb Alles ruhig.«
Am nächsten Abend mußte die zweite Schwester wachen, und die beiden andern legten sich schlafen. Um Mitternacht aber rief es wieder mit drohender Stimme: »Wart! ich komme herauf!« Da erschrak sie, kroch schnell ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Nun wurde Alles wieder still. Am Morgen frugen sie die beiden Andern, ob sie nichts gesehn oder gehört habe. Da antwortete sie: »Nein, gar nichts, es blieb Alles ruhig.« Zur ältesten Schwester aber sprach sie im Vertrauen: »Hast du auch diesen entsetzlichen Schrei gehört?« »Ja freilich, sei nur stille. Haben wir den Schrecken gehabt, so kann es unsere jüngste Schwester auch durchmachen.« Am Abend legten sich die beiden älteren Schwestern schlafen, die Jüngste aber wachte. Um Mitternacht ertönte auf einmal derselbe Schrei. »Wart! Ich komme herauf!« »Wie es euch beliebt!« antwortete sie. Da ging die Thüre auf, und eine große schöne Gestalt trat herein, mit einem langen schwarzen Gewand und einer langen Schleppe. Die ging auf sie zu und sprach: »Ich sehe, daß du ein muthiges Mädchen bist; wenn du auch ferner denselben Muth zeigst, und Alles genau thust, was ich dir sage, so soll dieser Palast mit Allem was darinnen ist dir angehören, und du sollst eine Fürstin sein, wie ich eine gewesen bin.« »Edle Frau,« erwiederte das Mädchen, »saget mir, was ich thun soll, so will ich es Alles vollbringen.« »Sieh,« antwortete die Gestalt, »ich bin eine Fürstin, und kann in meinem Grabe keine Ruhe finden; denn derjenige, der mich ermordet hat, geht noch ungestraft umher. Du sollst mir nun zu meiner Ruhe verhelfen. In jenem Schrank sind viele schöne Kleider; eines davon mußt du morgen anziehn, und dich damit auf den Balkon stellen. Gegen Mittag wird ein Edelmann vorbeikommen und dich anreden, denn weil du mein Kleid trägst, wird er dich für mich halten. Antworte ihm freundlich und lade ihn ein heraufzukommen. Wenn er nun bei dir ist, so halte ihn mit höflichen Gesprächen fest, bis es Abend wird und dann lade ihn ein, mit dir zu essen. Nimm diese beiden Flaschen, in der einen ist Wein, in der andern ein Schlaftrunk; beim Essen mußt du ihm aus der zweiten Flasche einschenken, und wenn er eingeschlafen ist, so schneide ihn mit diesem Messerchen die Halsadern auf, daß er in seinen Sünden sterbe. Denn so wie ich keine Ruhe finden kann, soll auch er im andern Leben keine Seligkeit genießen.« Mit diesen Worten verschwand die schwarze Gestalt, und das Mädchen blieb allein.
Am nächsten Morgen legte sie ein prächtiges, reiches Gewand an, und stellte sich auf den Balkon. Gegen Mittag ging ein vornehmer Herr vorbei, und da er sie am Fenster stehen sah, redete er sie an: »Ei! edle Frau, seid ihr nun genesen? Ihr wart ja lange krank.« »Ja wohl, edler Herr, aber ich bin nun wieder wohl. Wollet ihr mir nicht die Ehre erweisen, heraufzukommen?« Da kam der Edelmann herauf, und als er die beiden Schwestern sah, frug er, wer sie seien. »Meine Mägde,« antwortete sie, und mit vielen Höflichkeiten hielt sie den Edelmann hin, bis es Abend war. »Kann ich nun auch die Ehre haben, euch bei mir zum Nachtessen zu sehn?« sagte sie, und der Edelmann blieb bei ihr. Während des Essens aber reichte sie ihm die Flasche mit dem Schlaftrunk, und kaum hatte er ein wenig davon getrunken, so versank er in einen tiefen Schlaf. Da nahm sie das Messerchen, und schnitt ihm die Halsadern auf, daß er in seinen Sünden starb, ohne Beichte und ohne Absolution; dann rief sie ihre Schwestern, und alle drei schleppten ihn an einen tiefen Brunnen, und warfen ihn hinein. Um Mitternacht aber ging auf einmal wieder die Thüre auf, die schwarze Gestalt trat herein, und sprach zu der Jüngsten: »Du hast mich durch deinen Muth erlöst, und nun sollen auch alle diese Schätze dir gehören. Lebe wohl, heute bin ich zum letztenmal gekommen, denn nun habe ich Ruhe gefunden.« Damit verschwand sie und kam nie wieder. Die drei Schwestern aber blieben in dem wunderschönen Palast, und heiratheten Jede einen vornehmen Herrn, und so blieben sie glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.
Nun begab es sich eines Tages, daß sie eine große Sehnsucht nach einem Stückchen Leber bekamen. »Wißt ihr was?« sprach die älteste Schwester zu den beiden anderen, »heute ist an mir die Reihe, das Gespinnst zur Padrona zu tragen; wenn sie mir nun das Geld gibt, so will ich etwas Leber, etwas Brot und Wein kaufen, daß wir uns auch einmal einen vergnügten Tag machen.« »Gut,« antworteten die Schwestern. Am Abend ging die älteste Schwester mit dem Gespinnst zur Stadt, und als ihr die Padrona das Geld gegeben hatte, kaufte sie ein Stück Leber, etwas Brot und Wein, legte Alles fein säuberlich in ihr Körbchen und machte sich auf den Weg nach Haus.
Als sie nun durch eine einsame Gasse kam, fiel ihr das Körbchen aus der Hand. Sogleich sprang ein Hund hervor, ergriff das ganze Körbchen und lief damit davon. Sie lief ihm nach, konnte ihn aber nicht erreichen und mußte endlich ohne Körbchen und ohne Lebensmittel nach Hause gehn. »Bringst du gar nichts mit?« frugen sie die Schwestern. »Ach, liebe Schwestern,« antwortete sie, »was kann ich dafür? So und so ist es mir ergangen.« Den nächsten Abend mußte die zweite Schwester zur Padrona gehn, und sagte: »Heute will ich die Leber mitbringen.« Als sie nun das Geld empfangen hatte, kaufte sie etwas Leber, Brot und Wein, packte es in ihr Körbchen und ging nach Hause. In einer einsamen Gasse fiel aber auch ihr das Körbchen aus der Hand, der Hund sprang hervor und lief mit ihrem Körbchen davon, so schnell, daß sie ihn nicht einholen konnte.
Als sie nun nach Hause kam und ihren Schwestern Alles erzählte, sprach die Jüngste: »Morgen will ich einmal gehn, und mir soll der Hund gewiß nicht entwischen.« Also ging sie am nächsten Abend mit dem Gespinnst zur Padrona, nahm das Geld in Empfang und kaufte dafür die Leber, das Brot und den Wein. Als sie nun in die Gasse kam, entfiel das Körbchen ihrer Hand. Sogleich stürzte der Hund hervor, ergriff es und sprang fort. Sie aber war leichtfüßiger als ihre Schwestern, und so schnell er auch laufen mochte, sie lief ihm nach, und verlor ihn nicht aus dem Gesicht. Der Hund lief durch viele Straßen und schlüpfte endlich in ein Haus, das Mädchen aber schlüpfte ihm nach. Sie ging die Treppe hinauf und rief, aber Niemand antwortete ihr. Nun ging sie durch alle Zimmer und sah die herrlichsten Sachen; in dem einen Saal einen schön gedeckten Tisch, in einem andern gute Betten, in einem dritten Schätze und Kostbarkeiten, einen Menschen aber sah sie nicht. Da kam sie auch in ein kleines Zimmer, da saß der Hund am Boden und hatte die drei Körbe vor sich, sie dachte aber nicht mehr an die Körbe, als sie alle die Kostbarkeiten sah.
Als sie weiter ging, kam sie endlich in einen Saal, wo Schätze ohne Zahl aufgespeichert waren, Schubladen und Kistchen voll Edelsteine und am Boden ganze Säcke mit Goldstücken. Da nahm sie einen kleinen Sack voll Goldstücke, verließ das Schloß und ging damit nach Haus. »Liebe Schwestern,« rief sie voll Freude, »jetzt kehrt der Ueberfluß bei uns ein, seht was ich euch mitbringe.« Da die beiden Schwestern den Sack voll Goldmünzen sahen, freuten sie sich sehr, die Jüngste aber sprach: »Liebe Schwestern, unsere Habe wollen wir alle den Armen geben und unser Häuschen leer stehen lassen. Das Gold aber wollen wir hier vergraben, und dann zusammen in das Schloß gehn und sehn, was es damit für eine Bewandtniß hat. Wenn es uns dort schlecht gehen sollte, so bleibt uns ja immer das Gold, das wir hier zurücklassen.«
So thaten sie denn auch, schenkten all ihr Hab und Gut den Armen, vergruben ihr Gold in dem leeren Hause, und gingen dann alle drei in das geheimnißvolle Schloß. In dem ersten Saale fanden sie noch den schön gedeckten Tisch, setzten sich und aßen und tranken nach Herzenslust, und beschauten dann alle die Schätze und Herrlichkeiten, die in dem Hause aufgespeichert waren. Als es Abend wurde, sprach die jüngste Schwester zur ältesten: »Wir können uns nicht Alle schlafen legen, denn es könnte uns ein Unglück begegnen. Deßhalb ist es am besten, wenn du diese erste Nacht wachest, während wir beide schlafen.« Also legten sich die Jüngeren schlafen, die Aelteste aber wachte.
Um Mitternacht hörte sie auf einmal einen lauten Schrei, der durch das ganze Haus schallte. »Wart! ich komme herauf!« rief es mit drohender Stimme. Da erschrak sie so, daß sie schnell ins Bett schlüpfte und die Decke über die Ohren zog. Darauf wurde Alles still. Den nächsten Morgen frugen die beiden Andern: »Hast du heute Nacht nichts gehört oder gesehn?« Sie aber antwortete: »Gar nichts, es blieb Alles ruhig.«
Am nächsten Abend mußte die zweite Schwester wachen, und die beiden andern legten sich schlafen. Um Mitternacht aber rief es wieder mit drohender Stimme: »Wart! ich komme herauf!« Da erschrak sie, kroch schnell ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Nun wurde Alles wieder still. Am Morgen frugen sie die beiden Andern, ob sie nichts gesehn oder gehört habe. Da antwortete sie: »Nein, gar nichts, es blieb Alles ruhig.« Zur ältesten Schwester aber sprach sie im Vertrauen: »Hast du auch diesen entsetzlichen Schrei gehört?« »Ja freilich, sei nur stille. Haben wir den Schrecken gehabt, so kann es unsere jüngste Schwester auch durchmachen.« Am Abend legten sich die beiden älteren Schwestern schlafen, die Jüngste aber wachte. Um Mitternacht ertönte auf einmal derselbe Schrei. »Wart! Ich komme herauf!« »Wie es euch beliebt!« antwortete sie. Da ging die Thüre auf, und eine große schöne Gestalt trat herein, mit einem langen schwarzen Gewand und einer langen Schleppe. Die ging auf sie zu und sprach: »Ich sehe, daß du ein muthiges Mädchen bist; wenn du auch ferner denselben Muth zeigst, und Alles genau thust, was ich dir sage, so soll dieser Palast mit Allem was darinnen ist dir angehören, und du sollst eine Fürstin sein, wie ich eine gewesen bin.« »Edle Frau,« erwiederte das Mädchen, »saget mir, was ich thun soll, so will ich es Alles vollbringen.« »Sieh,« antwortete die Gestalt, »ich bin eine Fürstin, und kann in meinem Grabe keine Ruhe finden; denn derjenige, der mich ermordet hat, geht noch ungestraft umher. Du sollst mir nun zu meiner Ruhe verhelfen. In jenem Schrank sind viele schöne Kleider; eines davon mußt du morgen anziehn, und dich damit auf den Balkon stellen. Gegen Mittag wird ein Edelmann vorbeikommen und dich anreden, denn weil du mein Kleid trägst, wird er dich für mich halten. Antworte ihm freundlich und lade ihn ein heraufzukommen. Wenn er nun bei dir ist, so halte ihn mit höflichen Gesprächen fest, bis es Abend wird und dann lade ihn ein, mit dir zu essen. Nimm diese beiden Flaschen, in der einen ist Wein, in der andern ein Schlaftrunk; beim Essen mußt du ihm aus der zweiten Flasche einschenken, und wenn er eingeschlafen ist, so schneide ihn mit diesem Messerchen die Halsadern auf, daß er in seinen Sünden sterbe. Denn so wie ich keine Ruhe finden kann, soll auch er im andern Leben keine Seligkeit genießen.« Mit diesen Worten verschwand die schwarze Gestalt, und das Mädchen blieb allein.
Am nächsten Morgen legte sie ein prächtiges, reiches Gewand an, und stellte sich auf den Balkon. Gegen Mittag ging ein vornehmer Herr vorbei, und da er sie am Fenster stehen sah, redete er sie an: »Ei! edle Frau, seid ihr nun genesen? Ihr wart ja lange krank.« »Ja wohl, edler Herr, aber ich bin nun wieder wohl. Wollet ihr mir nicht die Ehre erweisen, heraufzukommen?« Da kam der Edelmann herauf, und als er die beiden Schwestern sah, frug er, wer sie seien. »Meine Mägde,« antwortete sie, und mit vielen Höflichkeiten hielt sie den Edelmann hin, bis es Abend war. »Kann ich nun auch die Ehre haben, euch bei mir zum Nachtessen zu sehn?« sagte sie, und der Edelmann blieb bei ihr. Während des Essens aber reichte sie ihm die Flasche mit dem Schlaftrunk, und kaum hatte er ein wenig davon getrunken, so versank er in einen tiefen Schlaf. Da nahm sie das Messerchen, und schnitt ihm die Halsadern auf, daß er in seinen Sünden starb, ohne Beichte und ohne Absolution; dann rief sie ihre Schwestern, und alle drei schleppten ihn an einen tiefen Brunnen, und warfen ihn hinein. Um Mitternacht aber ging auf einmal wieder die Thüre auf, die schwarze Gestalt trat herein, und sprach zu der Jüngsten: »Du hast mich durch deinen Muth erlöst, und nun sollen auch alle diese Schätze dir gehören. Lebe wohl, heute bin ich zum letztenmal gekommen, denn nun habe ich Ruhe gefunden.« Damit verschwand sie und kam nie wieder. Die drei Schwestern aber blieben in dem wunderschönen Palast, und heiratheten Jede einen vornehmen Herrn, und so blieben sie glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.
[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]