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Von der Königstochter und dem König Chicchereddu

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Es waren einmal ein König und eine Königin, die hatte keine Kinder, und die Königin seufzte immer nur: »Ach wenn ich doch ein Kind hätte!« Da ließ der König einen Sterndeuter kommen, und frug ihn, ob die Königin wohl ein Kind bekommen würde. Da antwortete der Sterndeuter: »Die Königin wird ein Töchterchen bekommen, das wird in seinem 14. Jahre mancherlei Schicksale durchmachen.« Nicht lange, so gebar die Königin ein Töchterchen, das war schöner als die Sonne und wuchs zu einer blühenden Jungfrau heran.
Als die Königstochter aber 14 Jahre alt war, wurde sie plötzlich ganz schwermüthig und Niemand konnte sie zum Lachen bringen. Die Eltern versuchten Alles um sie zu zerstreuen, aber es half nichts. Endlich ließ der König auf dem Schloßplatz einen schönen Brunnen bauen, aus dem floß Oel, und ließ in der ganzen Stadt verkündigen, es dürfe Jeder kommen und Oel schöpfen. Die Tochter aber mußte sich an’s Fenster stellen, ob der Anblick sie wohl zerstreuen würde. Da kamen von nah und fern Leute mit ihren Krügen und schöpften Oel, aber die Königstochter blieb immer traurig. Zuletzt, als das Oel schon aufgehört hatte zu fließen, kam noch ein altes Mütterchen mit einem kleinen Krüglein. Als sie sah, daß kein Oel mehr floß, nahm sie ein Schwämmlein, und tauchte es in das Oel, das noch im Becken zurückgeblieben war, und drückte es in das Krüglein aus, und immer so fort bis es voll war. Als das die Königstochter sah, fing sie an laut zu lachen, und in ihrem Uebermuth nahm sie ein Steinchen und warf es an das Krüglein der Alten, daß es zerbrach und das Oel verschüttet wurde. Die Alte aber wurde zornig und rief: »So mögest du denn so lange laufen bis du den König Chicchereddu gefunden hast.« Da trat die Königstochter vom Balkon zurück, und wurde noch viel trauriger als sie bis dahin gewesen war.
Nach einiger Zeit aber kam sie zu ihren Eltern, und sprach: »Liebe Eltern, laßt mich in die Welt ziehen, denn ich habe keine Ruhe mehr zu Haus.« »O Kind,« antworteten die Eltern, »wo willst du denn hin, du ein zartes Mädchen? Wenn dir etwas fehlt, so sage es uns doch. Du hast es ja gut bei uns und alle deine Wünsche werden erfüllt.« Sie aber sprach: »Wenn ihr mich nicht ziehen laßt, so werde ich vor Sehnsucht sterben.« Da mußten die Eltern mit großen Schmerzen ihr den Willen thun, und gaben ihr auf ihren Wunsch das schönste Pferd aus dem Stall, ein Bündelchen Kleider und etwas Geld. Dann umarmte sie ihre Eltern, bestieg ihr Pferd und ritt ganz allein in die Welt hinein. Sie ritt viele Tage lang gerade aus, und endlich hatte sie all ihr Geld aufgezehrt. Da verkaufte sie ihre Kleider und ritt noch einige Tage lang weiter. Da mußte sie aber auch ihr Pferd verkaufen und wanderte nun zu Fuß weiter, bis sie in ein anderes Reich kam, das nicht ihrem Vater gehörte.
Als sie nun all ihr Geld aufgezehrt hatte, und dem Verschmachten nahe war, begegnete sie einer reichen Dame, die frug sie wer sie sei, denn sie war verwundert ein so schönes und zartes Mädchen allein zu sehen. Die Königstochter antwortete: »Ich bin hier im Lande fremd, und möchte gern einen Dienst annehmen. Könnt ihr mir einen verschaffen?« Da sprach die Dame: »Der König sucht eben eine Wärterin für seinen kranken Sohn, der ist schon viele Jahre lang krank, und kein Arzt kann ihm helfen. Es ist ein harter Dienst, und ich weiß nicht, ob ihr es werdet aushalten können.« »Ich will es versuchen,« sagte die Königstochter, und ging mit der Dame in das königliche Schloß. Dort wurde sie dem König vorgestellt. Der brachte sie hinein zu seinem kranken Sohn. Da sah sie ihn im Bette liegen, und er war ein schöner Jüngling, aber so mager wie ein Skelett, und so schwach, daß er kaum sprechen konnte. Der König sagte der neuen Wärterin, was sie thun solle, und zeigte ihr in einem Winkel ein kleines Bett, darauf sollte sie schlafen und Tag und Nacht um ihn sein.
Niemand aber wußte was für eine Krankheit der Prinz habe; er nahm nur immer mehr ab, während er doch mit großem Heißhunger den ganzen Tag über aß. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu,« dachte die Königstochter, und beschloß gleich die erste Nacht nicht zu schlafen. Als es nun Abend wurde, legte sie sich zwar hin, aber sie schlief nicht ein. Um Mitternacht aber sprang auf einmal die Thüre auf, und eine hohe, schöne Frau trat herein, näherte sich dem Bett des Prinzen und frug ihn nach seinem Befinden. Da antwortete er: »Ach, ich befinde mich recht schlecht.« »Nimm diesen Trank,« sprach sie, »er wird dir gut thun.« Es war aber ein Schlaftrunk, und sobald der Prinz ihn genommen hatte, schlief er ein. Da zog die Frau ein scharfes Messerchen hervor, schnitt ihm die Adern auf und trank sein Blut. Um ein Uhr verschwand sie. Dies Alles hatte die Königstochter mit angesehen, und am nächsten Morgen erzählte sie es dem Prinzen, und sprach: »Nun weiß ich auch, warum ihr den ganzen Tag einen solchen Heißhunger habt, und doch nicht zu Kräften kommt, trotz aller guten Speisen. Aber seid nur ruhig, heute Nacht will ich ihrer schon Meister werden. Trinkt nur nicht den Trank, den sie euch anbietet.« Als der König und die Königin kamen, war ihr Sohn immer noch nicht besser. Die Königstochter aber sagte ihnen nicht, was sie beobachtet hatte. Am Abend aber nahm sie das scharfe Schwert des Prinzen, zog es aus der Scheide, und nahm es so in ihr Bett.
Um Mitternacht kam wieder die schöne Gestalt, setzte sich an das Bett des Prinzen, und bot ihm wieder einen Trank dar. Der Prinz that als ob er trinke, ließ aber den Trank in das Bett fließen und machte die Augen zu, als ob er schliefe. Da sich nun die Frau über ihn beugte, und mit ihrem Messer seine Adern öffnen wollte, sprang die Königstochter mit dem Schwert aus dem Bett und hieb ihr den Kopf ab. Dann schob sie den Rumpf und den Kopf unter das Bett, brachte dem Prinzen sogleich eine kräftige Suppe, und darauf schliefen sie Beide ganz ruhig ein. Als nun der König und die Königin kamen, saß der Prinz ganz aufrecht in seinem Bett, konnte auch wieder sprechen, und sagte: »Ich bin viel besser, liebe Eltern, und dieses Mädchen hat mich befreit.« Dann zeigte er ihnen was unter dem Bett lag, und erzählte ihnen Alles was vorgefallen war, und sprach: »Liebe Eltern, dies Mädchen muß meine Gemahlin sein.« Die Eltern waren so erfreut, ihren Sohn besser zu sehen, daß sie mit Freuden einwilligten. Da trat aber die Königstochter hervor und sprach: »Ich danke euch für euer freundliches Anbieten, aber ich kann es nicht annehmen, denn ich muß noch weit wandern ehe ich ruhen darf.« Da wurde der Prinz ganz traurig und bat sie, doch da zu bleiben, und auch der König und die Königin drangen in sie. Die Königstochter aber blieb standhaft, und sagte nur immer: »Ich kann noch nicht ruhen; wollt ihr mir aber einen Dienst erweisen, so gebt mir ein gutes Pferd, ein Bündelchen Kleider und ein wenig Geld, und laßt mich ziehen.« Da gaben sie ihr ein wunderschönes Pferd und führten sie in die Schatzkammer, sie solle sich nehmen so viel sie wolle. Sie aber nahm nur ein wenig Geld und ein Bündelchen Kleider, und bestieg ihr Pferd.
Da ritt sie viele Tage lang, und als sie ihr Geld aufgezehrt hatte, mußte sie zuerst ihre Kleider, und dann auch ihr Pferd verkaufen, und zu Fuß weiter wandern. Da kam sie in ein anderes Reich, und war wieder dem Verschmachten nahe, als sie einer vornehmen Dame begegnete, und sie bat, ihr einen Dienst zu verschaffen. Die Dame antwortete: »Unser König sucht eben eine Wärterin für seinen kranken Sohn, der ißt schon seit vielen Jahren keinen Bissen, und ist ganz stumm. Es ist aber ein harter Dienst, und ich weiß nicht, ob ihr es aushalten könnt.« Da sagte die Königstochter, sie wolle es versuchen, und ließ sich dem König vorstellen, der führte sie zu seinem Sohn. Das war auch ein sehr schöner Jüngling, aber noch magerer und schwächer als der Erste. In einem Winkel des Zimmers war wieder ein Bett für die Wärterin bereit; die Königstochter aber dachte: »Es geht gewiß nicht mit rechten Dingen zu. Ich will wieder wach bleiben. Ist es mir mit dem Ersten gelungen, so wird es auch wohl mit dem Zweiten gehen.« Also legte sie sich auf ihr Bett, schlief aber nicht ein.
Um Mitternacht sprang die Thüre auf, und eine schöne Frau trat herein, setzte sich ans Bett, und zog unter dem Kopfkissen ein goldenes Schlüsselchen hervor. Damit öffnete sie des Prinzen Lippen, daß er sprechen konnte, und unterhielt sich ein wenig mit ihm. Dann verschloß sie ihm wieder den Mund, legte das Schlüsselchen unter das Kopfkissen, und als es 1 Uhr schlug verschwand sie. Da sprang die Königstochter herzu, nahm das Schlüsselchen und öffnete des Prinzen Lippen, wie die Gestalt es gethan hatte, brachte ihm auch eine kräftige Suppe, und dann schliefen Beide bis zum Morgen. Als nun der König und die Königin hereinkamen, war ihr Sohn ganz munter, konnte wieder sprechen, und erzählte ihnen Alles was vorgefallen war. Dann sprach er: »Dieses Mädchen hat mich befreit, und soll nun meine Gemahlin sein.« Die Eltern gaben es gern zu, aber die Königstochter dankte wieder, und sprach: »Ich muß noch lange wandern, ehe ich Ruhe finden kann.« Da ward der Prinz sehr traurig, sie aber sagte: »Ihr werdet eine vornehme Prinzessin heirathen und mit ihr glücklich sein, mich aber laßt ziehen.« Dann bat sie um ein Pferd, ein Bündelchen Kleider und etwas Geld, und als sie das hatte, ritt sie auf und davon.
Es ging ihr aber nicht besser als die ersten Male. Sie mußte Alles verkaufen, und war dem Verschmachten nahe, als sie einer vornehmen Dame begegnete, und sie um einen Dienst bat. »Ich weiß wohl einen Dienst,« antwortete die Dame, »aber werdet ihr ihn auch aushalten können? Der König sucht eine Wärterin für seinen wahnsinnigen Sohn, der ist schon seit vielen Jahren rasend, und es hat ihm noch kein Arzt helfen können.« Die Königstochter dachte: »Es scheint mein Schicksal zu sein allen kranken Prinzen helfen zu müssen,« und sagte, sie wolle es versuchen. Da wurde sie dem König vorgestellt, der führte sie zu seinem Sohn in einen tiefen, dunkeln Keller, der nur ein kleines Fensterchen hatte. Da gaben sie ihr ein Licht und sperrten sie mit dem Prinzen ein. Der war auch ein sehr schöner Jüngling, aber er war ganz rasend, erkannte Niemanden und rannte mit dem Kopfe gegen die Mauer. Die Königstochter kauerte ganz erschrocken in einem Winkel nieder, und dachte: »Nein, hier kann ich es doch nicht aushalten; wenn es nur wieder Tag wäre, so ginge ich gleich.« Mit einem Mal löschte ein Windstoß ihr Lichtchen aus, und sie war im Dunkeln. Da trat sie an das Fensterchen, um zu sehen ob es wohl bald Tag würde, und sah einige Schritte weit, in einem Dickicht, ein Feuerchen brennen, und dachte: »Ich will mit meinem Licht hingehen und es anzünden, so bin ich doch wenigstens nicht im Dunkeln.« Also nahm sie ihr Licht, kletterte vorsichtig zum Fenster hinaus und ging auf das Feuer zu. Dort saß ein steinaltes Mütterchen und spann, und spann in einem fort. Auf dem Feuer aber war ein großer Kessel mit siedendem Wasser.
Die Königstochter trat auf das alte Mütterchen zu, und sprach: »Ach, liebe Tante, finde ich euch hier? Wie lange wir uns nicht gesehen haben!« Die Alte war halb blind, glaubte also wirklich es sei ihre Nichte, und begrüßte sie freundlich. »Was thut ihr denn da in so finsterer Nacht?« frug die Königstochter. »Weißt du nicht, daß der Prinz wahnsinnig ist?« erwiederte die Alte. »Vor einigen Jahren hat er mich einmal ausgelacht, da habe ich geschworen, mich zu rächen. Seitdem drehe ich in einem fort mein Spinnrad, und so lange ich spinne, kann er nicht genesen.« »Da müßt ihr aber sehr müde sein, arme Tante,« sagte das kluge Mädchen. »Laßt mich einmal ein wenig spinnen, und ruht unterdessen ein wenig aus.« Die Alte ließ sich überreden, und die Königstochter fing an zu spinnen, während sich das alte Mütterchen hinlegte und gleich einschlief. Da sie nun fest schlief, packte die Königstochter die alte Hexe und warf sie in den Kessel mit dem siedenden Wasser. Das Spinnrad aber zerbrach sie in tausend Stücke. Dann zündete sie ihr Lämpchen an, und kehrte ruhig in den Keller zurück, wo sie den Prinzen ruhig schlafend fand. Da legte sie sich auch hin, und schlief ruhig bis zum Morgen. Als nun der König und die Königin am Morgen hereinkamen, erwachte der Prinz, sah sich ganz verwundert um und frug: »Warum bin ich denn in diesem finstern Keller und nicht in meinen schönen Gemächern?« Da merkten sie, daß er genesen war, und waren hoch erfreut. Die Königstochter aber mußte erzählen, was in der Nacht vorgefallen war, und als der Prinz es hörte, begehrte er sie zu seiner Gemahlin. Sie aber dankte und sprach: »Ich muß noch lange wandern, ehe ich zur Ruhe kommen kann. Wollt ihr mir aber einen Dienst erweisen, so gebt mir ein Pferd, eine Männerkleidung und ein wenig Geld, und laßt mich ziehen.« Da gaben sie ihr ein schönes Pferd und Geld so viel sie wollte, und ließen ihr auch Männerkleidung machen. Die legte sie an, bestieg ihr Pferd und ritt davon.
Nicht lange, so kam sie in ein anderes Königreich, und als sie frug, wem es gehöre, hieß es: »Dem König Chicchereddu.« Da ritt sie an das Schloß des Königs und ritt immer auf und ab. Der König aber stand am Balkon, und da er den schönen Jüngling sah, rief er ihn an, und frug ihn wo er her sei. Die Königstochter antwortete: »Ich bin fremd an diesem Orte und möchte mir gerne einen Dienst verschaffen.« »Willst du mein Sekretär werden?« frug der König. Da trat die Königstochter in den Dienst des Königs und wurde sein Sekretär. Der König aber gewann seinen neuen Diener sehr lieb, und wollte ihn immer um sich haben. Zuweilen aber kam ihm der Gedanke, es möchte wohl ein Mädchen sein.
Nun hatte der König eine Mutter, die war eine böse Zauberin und wußte wohl wer der vermeintliche Sekretär sei. Sie wollte aber durchaus, daß ihr Sohn eine andere Königstochter heirathe, und wenn er ihr sagte, der Sekretär sei gewiß ein verkleidetes Mädchen, redete sie es ihm immer aus. Da kam er eines Tages und sprach: »Mutter, ich muß mir Gewißheit verschaffen. Seht doch einmal seine Hände an, das sind ja keine Männerhände.« Da sprach die Mutter: »Du bist ein dummer Tropf, warum soll es nun durchaus ein Mädchen sein? Nimm ihn aber mit in den Garten. Wenn er ein Mädchen ist, so wird er sich vor Allem an den Blumen ergötzen und einen Strauß pflücken.« Der König that es und ging mit seinem Sekretär in den Garten. »Sieh einmal die schönen Blumen,« sprach er, »willst du dir nicht einen Strauß pflücken?« Da antwortete die kluge Königstochter: »Was soll ich mit den Blumen machen? Gehen wir lieber ein wenig spazieren.« Der König aber gab sich doch nicht zufrieden, und sprach wieder zu seiner Mutter: »Er hat die Blumen gar nicht beachtet, ich bin aber doch noch nicht überzeugt.« »Weißt du was,« sagte die Mutter, »schlage ihm vor, dich in’s Männerbad zu begleiten. Nimmt er es an, so können dir doch keine Zweifel bleiben.« Da rief der König seinen Sekretär und sprach: »Komm, der Tag ist so heiß, wir wollen ein Meerbad nehmen.« »Ja wohl,« antwortete die kluge Königstochter, und ging mit ihm. Als sie aber ganz dicht an das Badehaus angelangt waren, sprach sie: »Wir haben ja vergessen ein Handtuch mitzunehmen. Ich will aber schnell laufen und es holen.« Da lief sie schnell in das Schloß und in ihr Zimmer, nahm einige Zettel Papier, und schrieb darauf: »Jungfräulich kam ich, jungfräulich geh ich weg, gefoppt ist König Chicchereddu frech.« Einen von den Zetteln legte sie auf ihren Schreibtisch, einen anderen klebte sie am Thor fest, bestieg ihr Pferd und ritt zu ihren Eltern zurück.
Unterdessen wartete der König immer auf seinen Sekretär, und als ihm die Zeit lang wurde, ging er auf das Schloß zurück. Da sah er schon am Thor den angeklebten Zettel, und als er in sein Arbeitszimmer ging, fand er auf dem Schreibtisch den zweiten Zettel. Der Sekretär aber war nirgends zu finden, und sein Pferd war auch fort. Da wurde es ihm klar, daß er doch Recht gehabt hatte, und er wurde ganz krank und schwermüthig, denn er hatte die Königstochter von Herzen lieb. Die alte Königin aber ward sehr zornig, daß ein junges Mädchen ihren Sohn zum Besten gehabt hatte und schwur sich zu rächen. Da nahm sie zwei Tauben und sprach einen Zauber darüber aus. Dann rief sie einen Bauer und befahl ihm die zwei Tauben zur Königstochter zu bringen, und sie ihr zu verkaufen. Da wanderte der Bauer so lange, bis er in die Stadt kam, wo die Königstochter wohnte und verkaufte ihr die zwei Tauben. Er war aber ein wohlmeinender Mann, und als er sie ihr verkaufte, sprach er: »Hört auf die Warnung eines redlichen Bauers und gebet nie den Tauben zu gleicher Zeit zu fressen; einen Tag müßt ihr die Eine füttern, und den nächsten Tag die Andere.« Das befolgte die Königstochter auch getreulich, und hatte ihre Freude an den hübschen Thieren.
Eines Tages aber mußte sie zur Messe gehen, und hatte noch nicht Zeit gehabt die Taube zu füttern. Da rief sie ihre Kammerfrau, und sprach zu ihr: »Füttere du die Tauben, an dieser ist heute die Reihe. Gieb aber ja der Anderen kein Futter.« Die Kammerfrau aber war nachlässig, und als die Königstochter zur Messe gegangen war, vergaß sie ihren Befehl und gab beiden Tauben zu fressen. In demselbigen Augenblick wurde die Königstochter in das Schloß des Königs Chicchereddu versetzt. Dort ließ ihr die alte Königin ihre schönen Kleider ausziehen und sie mußte geringe Kleider anlegen und als Küchenmagd die niedrigsten Dienste thun. Dabei wurde sie von der alten Königin arg mißhandelt, bekam wenig zu essen und viele Schläge. Dem König aber that das Herz weh sie in diesem Zustande zu sehen, denn er hatte sie sehr lieb. Er konnte aber Nichts thun gegen den Willen seiner Mutter. Eines Tages aber, da sie wieder so mißhandelt wurde, nahm er sich ein Herz, ergriff sie und trug sie in seinen Armen in sein Zimmer. Dort lebte sie nun mit ihm, und die alte Königin konnte ihr Nichts anhaben, ob sie gleich Tag und Nacht darüber nachdachte, wie sie ihr ein Leid anthun könnte. Da hörte sie eines Tages, daß die Königstochter Aussicht habe ein Kind zu bekommen. Als nun ihre Stunde gekommen war, setzte sich die alte Zauberin an ihr Fenster, steckte die gefalteten Hände zwischen die Knie, und sprach: »Nicht eher soll die Königstochter ein Kind zur Welt bringen, als bis ich die Hände aus dieser Lage genommen habe.« So saß sie, aß nicht und trank nicht, und die arme Königstochter lag in bittern Schmerzen, und konnte das Kind nicht zur Welt bringen. Da rief der König einen Bauer und sprach zu ihm: »Geh in alle Kirchen der Stadt, gieb Jeder ein schönes Geschenk und befiehl allen Küstern die Todtenglocke zu läuten. Dann gehe hin und stelle dich unter das Fenster, wo meine Mutter sitzt. Wenn sie nun frägt: Was bedeuten denn diese Todtenglocken? so antworte du, der König Chicchereddu ist gestorben. Dann wird sie in ihrem Schmerz sich mit den Händen in’s Haar fahren und der Zauber wird von meiner Frau genommen sein. Dann aber gehe hin, befiehl den Küstern in allen Kirchen mit allen Glocken Gloria zu läuten, und wenn sie dich dann wieder frägt, was denn nun los sei, so antworte ihr: Die Frau des Königs Chicchereddu ist eines Kindes genesen.« Der Bauer ging hin und that wie der König ihm befohlen.
Als nun die alte Hexe alle die Todtenglocken hörte, frug sie ihn, wer denn gestorben sei. Da antwortete der Bauer: »Der König Chicchereddu ist gestorben.« »O mein Sohn, mein Sohn!« rief die Königin, und raufte sich die Haare aus. In demselben Augenblick genas die Königstochter eines schönen Knaben. Da ging der Bauer hin, und ließ mit allen Glocken Gloria läuten. Das hörte die Königin und frug ihn: »Warum wird denn Gloria geläutet, wenn mein Sohn gestorben ist?« »Die Frau des Königs Chicchereddu hat einen schönen Knaben bekommen.« antwortete der Bauer. Da merkte die alte Hexe, daß sie gefoppt worden war, und in ihrem Zorn schlug sie sich so lange den Kopf gegen die Mauer, bis sie todt hinfiel. Da feierte der König Chicchereddu ein glänzendes Hochzeitsfest, und die junge Königin ließ ihre Eltern zu sich kommen, und da lebten sie Alle glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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