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In Frankreich war ein junger Jägerbursch, der war der beste Schütze weit und breit, aber an einem Tage ging er bis zum Abend im Wald herum und konnte nicht zum Schuss kommen. So kam er endlich mitten in der Wildnis an einen großen schönen See, darauf schwamm ein Schwan, blank und silberweiß wie er noch keinen gesehen hatte. Er legte rasch seine Armbrust an und zielte auf den Vogel, da rief eine Stimme: „Schieß nicht, sonst kostet es dich dein Leben!“ Er erschrak und setzte ab, besann sich aber kurz und legte wieder an; doch zum andern Male rief es: „Schieß nicht, sonst kostet es dich dein Leben!“ Er ließ nochmals die Armbrust sinken, legte aber dann zum dritten Male an und dachte: diesmal schieß‘ ich drauf, mag rufen wer da will. Aber noch ehe er geschossen hatte, schwamm auf ein Mal statt des Schwanes eine wunderherrliche Jungfrau auf dem Wasser, die sprach zu ihm: „Du wirst mich erlösen und glücklich sein, wenn du ein Jahr lang alle Sonntage ein Vaterunser für mich betest und nie von meiner Schönheit sprichst.“ So sprach sie und verschwand; der Jägerbursch aber ging verwundert nach Haus und sprach von dem Tag an alle Sonntage ein Vaterunser für die Schwanenjungfer.
Als nun das Jahr fast verstrichen war, trug es sich zu, dass der König von Frankreich ein großes Vogelschießen ansagen und dabei verkündigen ließ, dass der beste Schütze seine eigne Tochter als Preis bekommen solle. Alle Jäger im ganzen Lande kamen natürlich herbei, und unser Jägerbursch auch. Der schoss aber dem Vogel mitten ins Herz hinein, und weil Keiner ihm den Schuss nachtun konnte war er Schützenkönig und sollte die Prinzessin von Frankreich heiraten. Nun kam er in große Not, weil er der Schwanenjungfer in Treue gedachte, und von keiner Andern etwas wissen wollte. „Ich will das Glück einem Andern zukommen lassen“, sprach er, als aber der König heftig in ihn drang, warum er so hohe Ehre verschmähe, da vergaß er sich und sagte, er habe eine Braut, die sei wohl noch tausendmal schöner, als die Königstochter von Frankreich. Die Rede war aber kaum seinem Mund entfahren, so stand auch schon die Schwanenjungfer vor ihm, schaute ihn traurig an und sprach:
„Hättest du meine Schönheit nicht gesagt,
So hättest du mich erlöset,
Jetzt musst du mich suchen im gläsernen Berg.“
Da fiel ihm sein Leichtsinn schwer aufs Herz, er schnürte sein Bündel und zog aus, um den gläsernen Berg zu finden. Lange, lange schon war er unterwegs, als er eines Tages in einen dunklen Wald gelangte; darinnen wanderte er drei Tage und drei Nächte lang umher, bis er am vierten Morgen vor einer einsamen Waldmühle stand. Aus der Mühle trat aber alsbald ein Mann und fragte ihn, was er da wolle? er sei der Müller vom gläsernen Berg und hätte jetzt schon seit siebenhundert Jahren keinen Menschen in dem Walde gesehen. Da sprach der Jägerbursch: „Wenn du der Müller vom gläsernen Berg bist, so musst du mir auch sagen können wie ich hinein gelangen mag.“ „Dahin kannst du nicht kommen“, erwiderte der Müller, als ihm aber der Jäger mit Bitten keine Ruhe ließ, versprach er endlich, ihm dazu behilflich zu sein. Er ging in die Mühle, holte einen gesattelten Geißbock heraus und hieß ihn aufsitzen, denn nur so könne er zum gläsernen Berge reiten. Da stieg der Jägerbursch dem Tier auf den Rücken – der Bock hatte aber kaum die Last gespürt als er anfing auf und davon zu springen, durch Wald und Haag, über Stock und Stein, schneller als das beste Ross, dass dem Reiter Hören und Sehen verging. So lief er bis dicht vor den gläsernen Berg, da warf er den Jäger ab und machte sich spornstreichs wieder nach Haus, auf dem Wege, den er gekommen war.
Vor dem gläsernen Berg aber, da war eine gar schöne frische Quelle, und weil der Jägerbursch von dem langen Ritte Durst bekommen hatte, so dachte er: Du kannst erst ein Mal trinken ehe du in den Berg hineingehst. Er bückte sich nieder zu dem klaren Wasser und wollte davon schöpfen mit seinem Trinkhorn, da rief eine Stimme: „Trink nicht, oder es kostet dich dein Leben!“ Er hielt erschrocken ein und sah sich um, weil aber Niemand da war, und der Durst ihn immer mehr quälte, so schöpfte er dennoch und trank von dem klaren Wasser. Da fiel er mit einem Male um und schlief ein, als wenn er nimmer erwachen wollte. Als er nun so dalag, stand mit einem Male die schöne Schwanenjungfer neben ihm. Sie war aber gar zornig über seinen großen Ungehorsam, zog seinen Hirschfänger heraus und wollte ihn totstechen. Sie hatte ihm die kalte Spitze schon aufs Herz gesetzt – da hielt sie wieder ein, denn Mitleid und Liebe kamen über sie und sie dachte in ihrem Sinne: er kann mich doch vielleicht noch erlösen. Also verschwand sie wieder, und er war für dieses Mal gerettet. Doch ehe die Jungfrau ihn verließ, hatte sie mit dem Finger auf die Scheide seines Hirschfängers etwas geschrieben, und als er erwachte las er diese Worte:
„Hättest du nicht von dem Wasser getrunken,
So hättest du mich erlösen können,
Jetzt musst du mich suchen in der finstern Welt.“
Von dem gläsernen Berg aber war weit und breit nichts mehr zu sehen und zu hören. Da stand er nun und wünschte sich das Leben nicht mehr und verfluchte seinen Leichtsinn ein Mal über das andere Mal, doch was wollte er anderes tun, als die finstere Welt suchen? Er machte sich frisch auf den Weg und wollte nicht ruhen noch rasten bis er die finstere Welt gefunden hätte.
Noch länger als das erste Mal musste er herumwandern, bergab und bergauf, da kam er endlich wieder in einen großen dunklen Wald. Als er drei lange Tage darin umhergegangen war, fand er wieder, wie das erste Mal eine einsame Waldmühle mit einem Mann darinnen, der sprach, er sei der Müller von der finstern Welt und hätte nun seit siebenhundert Jahren keinen Menschen in diesem Walde zu sehen bekommen. „Wenn du der Müller von der finstern Welt bist“ sprach der Jäger, „so musst du mir auch sagen können, wie ich hineingelangen mag.“ „In die finstere Welt gelangst du nimmermehr“ erwiderte der Müller, doch da er gar zu dringend bat, versprach er dem Jäger endlich, ihn hineinzuschaffen. „Morgen kommt der Vogel Greif“ sprach er „und holt ein Fass voll Mehl ab für die finstre Welt, der muss dich mitnehmen.“ Da blieb der Jägerbursch in der Mühle über Nacht, des andern Tages aber hieß ihn der Müller in ein großes Fass voll Mehl kriechen und das Andere abwarten. Nicht lange, so rauschte es in der Luft, der Vogel Greif kam herangeflogen, packte das Fass mit den Klauen und führte es mit samt dem Jäger fort. Als er eine gute Zeitlang geflogen war, hielt er an und stellte seine Last nieder, denn er war nun angekommen in der finstern Welt. Der Jäger merkte, dass es nicht mehr weiter ging, schnitt sich mit seinem Hirschfänger ein Loch in die Fasswand und kroch vorsichtig heraus. Nun war es um ihn herum so dunkel wie in einem Sack, in der Nähe aber hörte er das Rauschen eines Wassers; da kroch er auf Händen und Füßen dem Geräusch nach und fand endlich eine Brücke, die über das rauschende Wasser führte, und als er auf der andern Seite war, sah er in der Ferne ein Licht und ging darauf hinein.
Er hatte weit zu gehen bis er endlich dem Licht so nahe war, dass er sehen konnte, was es eigentlich war; er gelangte nämlich in ein dunkles Tal, worinnen zwei Frauen herumwandelten, von denen die eine das Licht in der Hand trug, und als er nahe zu ihnen herankam, so war es wahrhaftig die Schwanenprinzessin, die ging mit einer Kammerjungfer umher und las dürres Reisig zusammen.
Als sie den Jägerburschen erblickte, hieß sie ihn freudig willkommen und bat ihn, mit ihr zu gehen, so er den Mut und Willen hätte, sie wieder zu erlösen aus der finsteren Welt, in die sie wegen seines Ungehorsams wäre verwünscht worden. Das versprach er gern und ließ sich von ihr führen bis in ihre Schlafkammer, wo sie ihn unter das Bett kriechen und ruhig liegen bleiben hieß. „Ich muss jetzt zur Musik“ sprach sie, „aber um elf Uhr komme ich wieder und lege mich schlafen; dann musst du hervorkommen und dich quer über mich hinlegen und nicht von der Stelle weichen was auch geschehen mag.“ So sprach sie und ging fort, und der Jägerbursch tat wie sie befohlen – die Zeit wollte ihm aber unter dem Bette gar lang werden bis sie wiederkam.
Endlich trat sie herein und legte sich nieder, da kroch er schnell hervor und tat nach ihrem Geheiß. Da er nun kaum sich über sie gelegt hatte, kamen auch schon die Geister von der finsteren Welt mit großem Lärmen herein und an das Bett. Der Angstschweiß brach dem armen Jäger aus, aber er rührte und regte sich nicht, gleich als ob er fest schliefe. Die Geister fingen nun an, auf ihn zu schlagen wie auf einen Sack und ihn zu stechen und peinigen auf alle Art und Weise. Er hätte schreien mögen aus allen Kräften und dachte, er müsse des Todes sein, aber er blieb standhaft und fest und bewegte keinen Finger. Bis um Mitternacht musste er es also abhalten, mit dem Schlage Zwölf aber waren die Geister verschwunden, als wären sie niemals da gewesen.
Der Jägerbursch war wund und geschunden an allen Gliedern, die Schwanenprinzess aber bestrich ihn mit einer Wundersalbe, dass ihm kein Finger mehr wehe tat; dann lobte sie ihn, dass er die erste Probe so wacker bestanden, und stellte allerlei Speisen und köstlichen Wein vor ihn zur Stärkung. Als er jedoch getrunken und gegessen hatte, hieß sie ihn wieder hinabkriechen und liegen bleiben bis zur anderen Nacht. Den Abend musste sie wieder weggehen zur Musik und als sie um elf Uhr heimkam, kroch er hervor und tat wie das erste Mal. Weil er wusste, dass ihm Nichts geschehen konnte, wenn er fest blieb, war seine Angst schon geringer geworden; doch war sein Mut größer, so war auch die zweite Probe härter denn die erste. Die Geister stürzten mit grausigem Getöse herein und begannen also mit ihm umzuspringen, dass das was sie zuvor getan, nur ein Kinderspiel dagegen war. Als sie ihn am ganzen Leibe zerhauen und zerstochen, dass keine heile Stelle mehr an ihm war und Alles nichts an ihm fruchten wollte, schleppten sie einen großen Kessel voll siedenden Öles herein, stellten ihn vor das Bett und schickten sich an, ihn hineinzuwerfen. Sie hatten ihn an Händen und Füßen aufgehoben und hielten ihn darüber; er dachte nun sei es wirklich um ihn geschehen und wollte eben aufschreien, da schlug es Mitternacht und sie mussten fort, die Schwanenjungfer aber hatte ihn gar bald wieder mit ihrer Salbe geheilt. Darauf erquickte sie ihn wieder mit Speis und Trank und dankte ihm gar freundlich, dass er auch das zweite Mal sich so gut gehalten und somit ihre Erlösung ihrem Ende nahe gebracht hatte.
„Noch einmal bleibe fest“, sprach sie, „so bin ich dein und wir wollen immer in Freuden leben, jetzt aber musst du wieder unter das Bett und still liegen bis zur anderen Nacht.“
Die letzte Nacht kam und Alles trug sich zu wie vorher, nur dass es die finsteren Geister diesmal am allerschlimmsten trieben. Sie zerhieben und zerschnitten ihn, als wenn er es gar nicht gespürt hätte, und da immer noch keine Qual ihn zum Schreien brachte, trugen sie einen großen Galgen herein und machten Anstalt, ihn daran aufzuknüpfen. Schon hatten sie ihm die Schlinge um das Genick gelegt – da tat es einen ungeheuren Schlag und die Erlösung war glücklich vollbracht.
Eh‘ er wusste wie ihm geschehen, stand der Jägerbursch im Freien und im Hellen, und die Schwanenprinzessin war bei ihm und war erlöst. Sie bestrich ihn zum letzten Male mit der Salbe, also dass er gesunder und schöner ward denn zuvor, dann heiratete er sie und zog mit ihr gen Frankreich an des Königs Hof. Als der sie nun erblickte in ihrer großen Herrlichkeit, da musste er selber gestehen, dass sie schöner sei als seine Tochter.
Als nun das Jahr fast verstrichen war, trug es sich zu, dass der König von Frankreich ein großes Vogelschießen ansagen und dabei verkündigen ließ, dass der beste Schütze seine eigne Tochter als Preis bekommen solle. Alle Jäger im ganzen Lande kamen natürlich herbei, und unser Jägerbursch auch. Der schoss aber dem Vogel mitten ins Herz hinein, und weil Keiner ihm den Schuss nachtun konnte war er Schützenkönig und sollte die Prinzessin von Frankreich heiraten. Nun kam er in große Not, weil er der Schwanenjungfer in Treue gedachte, und von keiner Andern etwas wissen wollte. „Ich will das Glück einem Andern zukommen lassen“, sprach er, als aber der König heftig in ihn drang, warum er so hohe Ehre verschmähe, da vergaß er sich und sagte, er habe eine Braut, die sei wohl noch tausendmal schöner, als die Königstochter von Frankreich. Die Rede war aber kaum seinem Mund entfahren, so stand auch schon die Schwanenjungfer vor ihm, schaute ihn traurig an und sprach:
„Hättest du meine Schönheit nicht gesagt,
So hättest du mich erlöset,
Jetzt musst du mich suchen im gläsernen Berg.“
Da fiel ihm sein Leichtsinn schwer aufs Herz, er schnürte sein Bündel und zog aus, um den gläsernen Berg zu finden. Lange, lange schon war er unterwegs, als er eines Tages in einen dunklen Wald gelangte; darinnen wanderte er drei Tage und drei Nächte lang umher, bis er am vierten Morgen vor einer einsamen Waldmühle stand. Aus der Mühle trat aber alsbald ein Mann und fragte ihn, was er da wolle? er sei der Müller vom gläsernen Berg und hätte jetzt schon seit siebenhundert Jahren keinen Menschen in dem Walde gesehen. Da sprach der Jägerbursch: „Wenn du der Müller vom gläsernen Berg bist, so musst du mir auch sagen können wie ich hinein gelangen mag.“ „Dahin kannst du nicht kommen“, erwiderte der Müller, als ihm aber der Jäger mit Bitten keine Ruhe ließ, versprach er endlich, ihm dazu behilflich zu sein. Er ging in die Mühle, holte einen gesattelten Geißbock heraus und hieß ihn aufsitzen, denn nur so könne er zum gläsernen Berge reiten. Da stieg der Jägerbursch dem Tier auf den Rücken – der Bock hatte aber kaum die Last gespürt als er anfing auf und davon zu springen, durch Wald und Haag, über Stock und Stein, schneller als das beste Ross, dass dem Reiter Hören und Sehen verging. So lief er bis dicht vor den gläsernen Berg, da warf er den Jäger ab und machte sich spornstreichs wieder nach Haus, auf dem Wege, den er gekommen war.
Vor dem gläsernen Berg aber, da war eine gar schöne frische Quelle, und weil der Jägerbursch von dem langen Ritte Durst bekommen hatte, so dachte er: Du kannst erst ein Mal trinken ehe du in den Berg hineingehst. Er bückte sich nieder zu dem klaren Wasser und wollte davon schöpfen mit seinem Trinkhorn, da rief eine Stimme: „Trink nicht, oder es kostet dich dein Leben!“ Er hielt erschrocken ein und sah sich um, weil aber Niemand da war, und der Durst ihn immer mehr quälte, so schöpfte er dennoch und trank von dem klaren Wasser. Da fiel er mit einem Male um und schlief ein, als wenn er nimmer erwachen wollte. Als er nun so dalag, stand mit einem Male die schöne Schwanenjungfer neben ihm. Sie war aber gar zornig über seinen großen Ungehorsam, zog seinen Hirschfänger heraus und wollte ihn totstechen. Sie hatte ihm die kalte Spitze schon aufs Herz gesetzt – da hielt sie wieder ein, denn Mitleid und Liebe kamen über sie und sie dachte in ihrem Sinne: er kann mich doch vielleicht noch erlösen. Also verschwand sie wieder, und er war für dieses Mal gerettet. Doch ehe die Jungfrau ihn verließ, hatte sie mit dem Finger auf die Scheide seines Hirschfängers etwas geschrieben, und als er erwachte las er diese Worte:
„Hättest du nicht von dem Wasser getrunken,
So hättest du mich erlösen können,
Jetzt musst du mich suchen in der finstern Welt.“
Von dem gläsernen Berg aber war weit und breit nichts mehr zu sehen und zu hören. Da stand er nun und wünschte sich das Leben nicht mehr und verfluchte seinen Leichtsinn ein Mal über das andere Mal, doch was wollte er anderes tun, als die finstere Welt suchen? Er machte sich frisch auf den Weg und wollte nicht ruhen noch rasten bis er die finstere Welt gefunden hätte.
Noch länger als das erste Mal musste er herumwandern, bergab und bergauf, da kam er endlich wieder in einen großen dunklen Wald. Als er drei lange Tage darin umhergegangen war, fand er wieder, wie das erste Mal eine einsame Waldmühle mit einem Mann darinnen, der sprach, er sei der Müller von der finstern Welt und hätte nun seit siebenhundert Jahren keinen Menschen in diesem Walde zu sehen bekommen. „Wenn du der Müller von der finstern Welt bist“ sprach der Jäger, „so musst du mir auch sagen können, wie ich hineingelangen mag.“ „In die finstere Welt gelangst du nimmermehr“ erwiderte der Müller, doch da er gar zu dringend bat, versprach er dem Jäger endlich, ihn hineinzuschaffen. „Morgen kommt der Vogel Greif“ sprach er „und holt ein Fass voll Mehl ab für die finstre Welt, der muss dich mitnehmen.“ Da blieb der Jägerbursch in der Mühle über Nacht, des andern Tages aber hieß ihn der Müller in ein großes Fass voll Mehl kriechen und das Andere abwarten. Nicht lange, so rauschte es in der Luft, der Vogel Greif kam herangeflogen, packte das Fass mit den Klauen und führte es mit samt dem Jäger fort. Als er eine gute Zeitlang geflogen war, hielt er an und stellte seine Last nieder, denn er war nun angekommen in der finstern Welt. Der Jäger merkte, dass es nicht mehr weiter ging, schnitt sich mit seinem Hirschfänger ein Loch in die Fasswand und kroch vorsichtig heraus. Nun war es um ihn herum so dunkel wie in einem Sack, in der Nähe aber hörte er das Rauschen eines Wassers; da kroch er auf Händen und Füßen dem Geräusch nach und fand endlich eine Brücke, die über das rauschende Wasser führte, und als er auf der andern Seite war, sah er in der Ferne ein Licht und ging darauf hinein.
Er hatte weit zu gehen bis er endlich dem Licht so nahe war, dass er sehen konnte, was es eigentlich war; er gelangte nämlich in ein dunkles Tal, worinnen zwei Frauen herumwandelten, von denen die eine das Licht in der Hand trug, und als er nahe zu ihnen herankam, so war es wahrhaftig die Schwanenprinzessin, die ging mit einer Kammerjungfer umher und las dürres Reisig zusammen.
Als sie den Jägerburschen erblickte, hieß sie ihn freudig willkommen und bat ihn, mit ihr zu gehen, so er den Mut und Willen hätte, sie wieder zu erlösen aus der finsteren Welt, in die sie wegen seines Ungehorsams wäre verwünscht worden. Das versprach er gern und ließ sich von ihr führen bis in ihre Schlafkammer, wo sie ihn unter das Bett kriechen und ruhig liegen bleiben hieß. „Ich muss jetzt zur Musik“ sprach sie, „aber um elf Uhr komme ich wieder und lege mich schlafen; dann musst du hervorkommen und dich quer über mich hinlegen und nicht von der Stelle weichen was auch geschehen mag.“ So sprach sie und ging fort, und der Jägerbursch tat wie sie befohlen – die Zeit wollte ihm aber unter dem Bette gar lang werden bis sie wiederkam.
Endlich trat sie herein und legte sich nieder, da kroch er schnell hervor und tat nach ihrem Geheiß. Da er nun kaum sich über sie gelegt hatte, kamen auch schon die Geister von der finsteren Welt mit großem Lärmen herein und an das Bett. Der Angstschweiß brach dem armen Jäger aus, aber er rührte und regte sich nicht, gleich als ob er fest schliefe. Die Geister fingen nun an, auf ihn zu schlagen wie auf einen Sack und ihn zu stechen und peinigen auf alle Art und Weise. Er hätte schreien mögen aus allen Kräften und dachte, er müsse des Todes sein, aber er blieb standhaft und fest und bewegte keinen Finger. Bis um Mitternacht musste er es also abhalten, mit dem Schlage Zwölf aber waren die Geister verschwunden, als wären sie niemals da gewesen.
Der Jägerbursch war wund und geschunden an allen Gliedern, die Schwanenprinzess aber bestrich ihn mit einer Wundersalbe, dass ihm kein Finger mehr wehe tat; dann lobte sie ihn, dass er die erste Probe so wacker bestanden, und stellte allerlei Speisen und köstlichen Wein vor ihn zur Stärkung. Als er jedoch getrunken und gegessen hatte, hieß sie ihn wieder hinabkriechen und liegen bleiben bis zur anderen Nacht. Den Abend musste sie wieder weggehen zur Musik und als sie um elf Uhr heimkam, kroch er hervor und tat wie das erste Mal. Weil er wusste, dass ihm Nichts geschehen konnte, wenn er fest blieb, war seine Angst schon geringer geworden; doch war sein Mut größer, so war auch die zweite Probe härter denn die erste. Die Geister stürzten mit grausigem Getöse herein und begannen also mit ihm umzuspringen, dass das was sie zuvor getan, nur ein Kinderspiel dagegen war. Als sie ihn am ganzen Leibe zerhauen und zerstochen, dass keine heile Stelle mehr an ihm war und Alles nichts an ihm fruchten wollte, schleppten sie einen großen Kessel voll siedenden Öles herein, stellten ihn vor das Bett und schickten sich an, ihn hineinzuwerfen. Sie hatten ihn an Händen und Füßen aufgehoben und hielten ihn darüber; er dachte nun sei es wirklich um ihn geschehen und wollte eben aufschreien, da schlug es Mitternacht und sie mussten fort, die Schwanenjungfer aber hatte ihn gar bald wieder mit ihrer Salbe geheilt. Darauf erquickte sie ihn wieder mit Speis und Trank und dankte ihm gar freundlich, dass er auch das zweite Mal sich so gut gehalten und somit ihre Erlösung ihrem Ende nahe gebracht hatte.
„Noch einmal bleibe fest“, sprach sie, „so bin ich dein und wir wollen immer in Freuden leben, jetzt aber musst du wieder unter das Bett und still liegen bis zur anderen Nacht.“
Die letzte Nacht kam und Alles trug sich zu wie vorher, nur dass es die finsteren Geister diesmal am allerschlimmsten trieben. Sie zerhieben und zerschnitten ihn, als wenn er es gar nicht gespürt hätte, und da immer noch keine Qual ihn zum Schreien brachte, trugen sie einen großen Galgen herein und machten Anstalt, ihn daran aufzuknüpfen. Schon hatten sie ihm die Schlinge um das Genick gelegt – da tat es einen ungeheuren Schlag und die Erlösung war glücklich vollbracht.
Eh‘ er wusste wie ihm geschehen, stand der Jägerbursch im Freien und im Hellen, und die Schwanenprinzessin war bei ihm und war erlöst. Sie bestrich ihn zum letzten Male mit der Salbe, also dass er gesunder und schöner ward denn zuvor, dann heiratete er sie und zog mit ihr gen Frankreich an des Königs Hof. Als der sie nun erblickte in ihrer großen Herrlichkeit, da musste er selber gestehen, dass sie schöner sei als seine Tochter.
Quelle: Johann Wilhelm Wolf