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Märchenbasar

Von der zimperlichen Prinzessin

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Es waren einmal ein König und eine Königin, die alles besaßen, was man zum Glücklichsein brauchte: ein traumhaft schönes Schloss, gefüllte Schatzkammern und natürlich eine wunderschöne Tochter namens Ludmilla. Doch ihr Glück wurde mehr und mehr von der schlechten Laune der Prinzessin getrübt. Sie beklagte sich über Gott und die Welt.
Morgens, wenn die Kammerzofe der Prinzessin das Haar kämmen wollte, schrie sie laut: „Autsch, du tust mir weh! Willst du mir das Haar ausreißen?“
Wie empfindlich war sie doch, als sie in die Badewanne stieg: „Autsch! Das Wasser ist zu heiß! Willst du mich verbrühen?“
Wurde sie in ihr schönes Ballkleid gesteckt, so jammerte sie: „Autsch! Das ist mir viel zu eng. Wollt ihr meinen zarten Leib zerquetschen?“
Auch beim Essen bekundete Ludmilla ihr Leid: „Autsch! Die Kartoffeln sind viel zu trocken. Soll ich etwa daran ersticken?“
So ging es tagein – tagaus. Schließlich hatte die Dienerschaft keine Lust mehr, das zimperliche Getue der Prinzessin zu ertragen. Also gaben viele ihren Dienst im Schloss auf. Das stimmte den König und die Königin traurig. So konnte es nicht mehr weitergehen. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, um dem Schrecken ein Ende zu setzen.
Und weil die Königstochter im heiratsfähigen Alter war, beschloss der König, einen Mann für sie zu suchen. Er sandte Boten aus, um im ganzen Land verkünden zu lassen, dass sich alle heiratsgeneigten Männer im Schloss einfinden sollten. Selbstverständlich eilten Scharen von Männern zur Königstochter, um ihr den Hof zu machen, doch an allen hatte Ludmilla etwas auszusetzen. Die einen waren ihr zu hässlich oder zu dick, die anderen zu dumm oder zu dünn. Keiner entsprach ihren Vorstellungen, egal wie reich und schön sie auch waren.
Der König redete auf seine Tochter ein, sie möchte sich für einen der Antragssteller entscheiden. Da begann Ludmilla herzzerreißend zu schluchzen, sodass der König Mitleid hatte und versprach, ihr noch etwas Zeit zu lassen und im kommenden Jahr einen erneuten Aufruf an heiratswillige Männer zu befehligen.

Mittlerweile hatte sich die Geschichte von der zimperlichen Prinzessin über das Königreich hinaus herumgesprochen. Da trieb es die Prinzessin eines Tages auf die Spitze und um nicht mehr leiden zu müssen, beschloss sie, sich in Zukunft weder baden noch ankleiden, auch nicht das Haar richten zu lassen. Dies führte dazu, dass sich Ludmilla merklich in eine ungepflegte und zerzauste junge Frau entwickelte, deren Gesichtsausdruck sich dem Anblick anpasste.

Als ein Jahr vergangen war, wagte der König mutlos aber doch erfüllt von einem schwachen Hoffnungsschimmer einen erneuten Aufruf, dem, wegen unzähliger Gerüchte um die Königstochter, nur noch drei Prinzen nachkamen.
Wiederum mäkelte sie: „Autsch! Den Anblick dieses Prinzen ertrage ich nicht! Soll ich etwa verdammt sein, ein unglückliches Leben führen zu müssen?“
Auch der zweite Prinz schien ihr nicht würdig, doch dieser floh eiligst, als er sie erblickte.
Der dritte aber stach Ludmilla ins Auge. Er war von unsagbarer Schönheit, vornehm und strahlte Würde und Intelligenz aus. Obendrein behauptete er, reich zu sein und versprach der Königstochter, ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen: „Wenn du meine Frau wirst, musst du niemals einen Finger krümmen! Du wirst es gut bei mir haben!“
Die lieblichen Worte durchströmten die Prinzessin angenehm und sie nahm die Werbung wohlwollend entgegen.
Noch am selben Tag wurde das Hochzeitsfest gefeiert, wobei sie sich nicht einmal dazu herrichten ließ, hatte sie doch Angst, wieder leiden zu müssen.
Beim Tanz schrie sie: „Autsch! Du trittst auf meine Füße! Willst du mir die Zehen brechen?“
Der Prinzgemahl lächelte seiner jungen, ungepflegten Ehefrau unbeirrt voller Liebe ins Gesicht und wollte am Ende der Feier der Gattin sein Reich zeigen. Beide verabschiedeten sich von König und Königin, die ihre unleidliche Tochter nur zu gern losließen und bedauerten schon jetzt den schönen, jungen Prinzen.
„Seid versichert, Eurer Tochter wird angedeihen, was ihr gebührt. Dass wir uns noch einmal wiedersehen, glaube ich nicht, da mein Reich sehr, sehr weit von dem Euren entfernt liegt.“
Das Königspaar war es zufrieden.

Doch schon bald sollte Ludmilla erkennen, wem sie da aufgesessen war, denn es gab kein Reich mit einem herrlichen Schloss, nicht einmal ein gemütliches Heim.
In seiner Höhle angekommen grinste der angebliche Prinz: „So, meine Schöne! Dies ist unsere Bleibe. In dieser Umgebung brauchst du dich weder waschen, noch gut kleiden. Dein Haar kann ruhig so zausig bleiben wie es jetzt ist. Und jammern darfst du auch, hier hört dich niemand, und ich bin den ganzen Tag unterwegs und sammle Seelen für Luzifer. Jaaa, meine Liebe, ich bin ein Teufel, ha, ha, ha!“
Mit diesen Worten verwandelte er sich in seine wahre hässliche, stinkende Gestalt zurück und rauschte in die Nacht hinaus.

Ein Jahr war vergangen. Der Teufel war ja Wehklagen gewöhnt, doch das seiner Frau ging ihm eines Tages so auf der Nerven, dass er drohte: „Wenn du weiterhin so zimperlich bist und herumjammerst, dann wirst du dein blaues Wunder erleben!“
Der Teufel musste nicht lange darauf warten. Als er einmal mit Ludmilla im angrenzenden Wald auf Fliegenpilzsuche ging, die zu seinen Lieblingsspeisen gehörten, war die Prinzessin zu stolz, sich bequeme Wanderschuhe anzuziehen. Lieber stakste sie mit ihren schmutzigen, goldenen, hochackigen Tanzschuhen durch die Gegend.
Wiederum jammerte sie: „Autsch! Diese herausragenden Baumwurzeln ruinieren meine Füße. Soll ich etwa Blasen an meine Füße bekommen?“
Dabei stieß sie ärgerlich ein paar Mal gegen eine besonders dicke Wurzel. Dem Teufel riss der Geduldsfaden nun endgültig und er schrie außer sich vor Wut: „Hokus pokus, Hexenlotus! Das Gejammer lass dich purzeln, für immer wirst du nun zur Wurzel!“
Was dann geschah, ist schwer in Worte zu fassen: Es bildete sich eine riesige Staubwolke, schwarzer Rauch stieg auf. An der Stelle, wo die Prinzessin gestanden hatte, lag nun eine dicke, gewundene, aus dem Erdboden heraustretende Wurzel.
Der Teufel bückte sich, besah sein Werk und grinste: „Dies ist dein Lohn dafür, dass du immer so wehleidig warst und alle um dich herum in den Wahnsinn getrieben hast!“
So liegt Ludmilla wohl heute noch in Form einer dicken, gewundenen, aus der Erde heraustretenden Wurzel irgendwo in einem Wald nahe der Teufelshöhle.

Quelle: Carmen Kofler

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