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Märchenbasar

Von Einem, der nichts finden konnte

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Es war einmal ein kleiner häßlicher junger Mann, der niemals das finden konnte, was er ausfindig machen wollte. Sooft er mit einem Schlitten nach Holz ging, kam er ohne solches zurück, denn es gelang ihm nie, etwas zu finden, nicht das kleinste Stückchen. Dann ging er in sein Haus und setzte sich auf seinen Platz beim Eingang, und wenn er da saß, blieb er lange Zeit ruhig. Sein Nebenmann gab ihn manchmal Wasser zu trinken und dann wurde er wieder ganz still.
Wenn man ihn drängte auszufahren, setzte er sein Boot aus und fuhr fort, kam aber sehr bald wieder zurück und saß dann wie früher da. Als er einmal durstig war, ging er hinaus, um Wasser zu holen, aber wie er zu dem Platz kam, konnte er das Wasser nicht finden, es schien einfach verschwunden. Dann ging er, ohne getrunken zu haben, zurück ins Haus und setzte sich auf seinen Platz und sein Nachbar gab ihm Wasser.
Eines Nachts konnte er vor Durst nicht schlafen und ging hinaus, um das Haus seines Bruders zu suchen. Nach langem Suchen konnte er aber die Stelle nicht finden; so kehrte er zurück und legte sich nieder. Als er am Morgen erwachte, nahm er einiges Fischgerät und ging fischen. Wie er ans Wasser kam, konnte er es aber nicht finden und nachdem er vergebens nach ihm ausgesehen hatte, kehrte er, ohne gefischt zu haben, zurück. So kam er jedesmal ohne irgend etwas heim und war hungrig, wenn er, wie gewöhnlich, auf seinem Platz saß.
Dann dachte er: „wenn ich jetzt Beeren klauben gehe, bin ich sicherlich nicht imstand, welche zu finden.“ Er nahm einen Holzkübel und ging um Beeren. Nachdem er gesucht hatte, es aber nicht gelungen war, irgendwelche zu finden, kehrte er auf seinen Platz im Haus zurück. Den nächsten Morgen war er hungrig, nahm seine Pfeile und ging auf die Jagd nach Wildgänsen. Da er keine fand, und sonst nichts sah, kehrte er wieder zurück. Andere Leute brachten Seehunde, die sie erlegt hatten. Der Nichtsfinder nahm ein Kajak, setzte ihn ins Wasser und fuhr hinaus, Seehunde zu jagen. Erjagte lange nach Seehunden, aber es schien, als wären keine da. Und da er nichts sah, kehrte er wieder heim auf seinen Platz.
Der Winter kam und er dachte: „ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll.“ Am nächsten Tag nahm er sein elendes Bett, rollte es mit seinem schäbigen Gerätesack zusammen, nahm das Bündel auf den Rücken und ging landeinwärts aus dem Dorf, über die Häuser hinaus und setzte sich nieder. Sitzend nahm er sein Bündel vom Rücken, öffnete es und band den Gerätesack auf. Nachdem das getan war, verstreute er die Geräte um sich und warf den Sack weg. Dann breitete er sein Bett aus, setzte sich darauf, legte sich zurück und sagte: „hier will ich sterben“.
Nächte lag er hier, ohne sich zu rühren. Als die Sonne hoch kam, hörte er zuerst einen Raben krächzen und dann dessen Genossen. Er blieb still und der Rabe ließ sich mit seiner Schar nahe bei ihm herab. Der ihm nächste Rabe sprach: „Schaut! Hier ist etwas zu essen. Wir haben noch nichts gefressen und warten lieber nicht; machen wir uns über seine Augen her.“ Der entfernteste antwortete: „Nein, er ist nicht tot.“ „Wieso liegt er dann da, als ob er tot wäre?“ sagte der erste Rabe. „Nein, er ist nicht tot, schau, es ist keine Asche vom Leichenfeuer bei ihm“ erwiderte der zweite.
Da wurde der erste Rabe wütend, blies sich auf und sagte: „Warum ist er dann vertrieben? Schau, seine Sachen sind um ihn verstreut.“ „Ich will nichts davon“ antwortete die ganze Rotte, „es ist keine Asche bei ihm, wir lassen dich da“ und flog weg. „Gut, du kannst weg fliegen“ sagte der erste Rabe „aber ich will seine Augen haben.“
Da öffnete der Mann seine Augen etwas und blickte seitwärts nach dem Raben. Dieser kam näher an den kleinen häßlichen jungen Mann und stand da und hatte in seinem Schnabel ein gutes, scharfes Messer. Er kam näher, und zwischen seinen Augenwimpern hindurch sah der Mann, am Griff gehalten, das scharfe Messer. Er dachte: „Ich hatte doch kein Messer“. Dann kam die Spitze hart an ihn. Er dachte wieder: „Ich hatte kein Messer.“ Da erfaßte er es plötzlich und zog es dem Raben weg.
Der Rabe sprang zurück und der Mann setzte sich auf. „Gib mir das Messer“, sagte der Rabe. Der Mann antwortete: „Ich habe kein Messer und das soll jetzt mein Messer sein.“ Der Rabe erwiderte: „Ich will dich dafür mit allerlei Wildpret bezahlen.“
„Nein“, sagte der Mann, „ich will es nicht zurück“ geben, ich gehe immer jagen und kann nichts finden.“ „Dann“, erwiderte der Rabe, „sollst du, wenn du zum Dorf zurück willst, es nicht erreichen, wenn du’s auch versuchst.“ „Ich hatte kein Messer“, antwortete der Mann. Da hüstelte der Rabe und sagte: „Du willst es also so, behalte mein Messer, wenn du es so schätzt“ und flog davon.
Der Mann setzte sich auf und hielt noch immer das Messer. Dann brach er auf, um ins Dorf zurückzukehren. Wie er ging, schnürte sich seine Kehle zusammen, sein Rücken krümmte sich und er stützte seine Hände auf die Knie. Plötzlich war er ein alter Mann geworden und konnte nicht gehen. Er fiel aufs Gesicht. Er konnte nicht aufstehen. Er war tot.

Quelle: Eskimomärchen, übersetzt von Paul Sock, Berlin o. J. [1921], Nr. 15, S. 55.
aus: E. W. Nelson: The Eskimo about Beringstrait (Annual Report of American Ethnology, Vol XVIII/1, Washington 1896/97

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