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Von einem einjährigen Sohn

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Ein Jüngling nahm ein zwanzigjähriges Mädchen zum Weibe. Da sprach der Jüngling:
„Ich werde nicht daheim bleiben, ich sterbe, denn die Stunde meines Sterbens ist gekommen; aber begrabt mich nur dort, wo die Wege sich kreuzen.“
Der Jüngling starb und wurde auch begraben. Da kam der Schäfer; der Sarg sprang aus der Erde, die Erde spaltete sich, der Sargdeckel öffnete sich, der Jüngling sprang heraus. Er sprach zum Schäfer:
„Sagt meinem lieben Vater, dass er zu mir komme und abends Wache halte.“
Da ging sein Vater abends zu ihm, um Wache zu halten; da öffnete sich die Erde, der Sarg sprang heraus, der Deckel öffnete sich, eine Kerze entzündete sich und sprach: „Seid Ihr hier, mein lieber Vater?“
Der Vater erwiderte: „Hier bin ich, mein lieber Sohn!“
Und der Jüngling fragte: „Mein lieber Vater, kommt Ihr mit mir?“
„Ich gehe mit dir, mein lieber Sohn.“
Dann setzten sich alle beide auf den Sarg; sie stiegen auf in den Himmel und traten vor den Richter.
Da sprach der Richter: „Stirbst du für deinen Sohn oder nicht?“
Er erwiderte: „Ich sterbe für meinen Sohn.“
Da zog der Richter ein Messer vor; damit wollte er seinen lieben Vater durchstossen. Sein lieber Vater entsetzte sich und wich zurück. Der Richter sagte:
„Geh fort, du Mensch! Denn ich sehe, dass du für deinen Sohn nicht sterben willst.“
Dann setzten sie sich auf den Sarg, und dann ging sein lieber Vater nach Hause, und der Jüngling wurde mit dem Sarg hineingelegt in den Schoss der Erde. Er wurde hineingelegt; doch am anderen Abend sprang der Sarg wieder aus der Erde, und der Schäfer war wieder dort, und der Jüngling sprach zum Schäfer:
„Sagt meiner lieben Mutter, dass sie zu mir komme und Wache halte.“
Die Mutter kam zu ihm, der Sarg sprang aus der Erde, der Deckel öffnete sich, und eine Kerze entzündete sich und sprach: „Seid Ihr hier, meine liebe Mutter?“
„Ich bin hier,“ sagte sie, „mein lieber Sohn!“
Er sagte: „Kommt Ihr mit mir, meine liebe Mutter?“
Sie sagte: „Wie sollte ich nicht mit dir gehen, mein lieber Sohn!“
Sie setzen sich auf den Sarg, steigen auf in den Himmel, vor den Richter. Spricht der Richter zur Frau: „Stirbst du für deinen Sohn?“
Spricht die Frau: „Ich sterbe für meinen Sohn.“
Damit nimmt er das Schlachtmesser, mit dem er der lieben Mutter Leib durchbohren will, aber seine liebe Mutter weicht schaudernd zurück.
„Nun,“ spricht der Richter, „du kannst nur wieder deiner Wege gehen; ich sehe, du stirbst nicht für deinen Sohn.“
Und sie setzten sich alle beide, die liebe Mutter mit ihrem Sohn, auf den Sarg und stiegen hinab, dorthin, wo die Grabstätte war. Die Mutter nahm Abschied von ihrem Sohn, wünschte ihm guten Abend und ging heim. Der Jüngling wurde in das Grab gelegt.
Als der Schäfer am dritten Abend wieder kam, sah er, wie die Erde sich öffnete, der Sarg heraussprang, und eine Kerze sich entzündete. Sie sprach zum Schäfer: „Seid so gut und sagt meiner Frau, dass sie am dritten Abend Wache halten komme!“
Auch seine Frau ging hin, und wie sie dort anlangte, wo er begraben war, da sah sie sogleich die Erde sich spalten. Sie sah, wie der Sarg aus der Erde sprang, der Deckel sich öffnete, eine Kerze sich entzündete, also sprach: „Bist du hier, Frau?“
Sagte die Frau: „Hier bin ich, meine liebe Seele!“
Sagte ihr Mann zu ihr: „Frau, kommst du mit mir?“
„Wie sollte ich nicht mit dir gehen,“ sagte sie, „meine liebe Seele! Ach, ich sah dich lange nicht,“ sagte sie.
Dann setzten sich alle beide auf den Sarg, stiegen auf in den Himmel, vor den Richter. Also sprach der Richter: „Frau, das frage ich dich: stirbst du für deinen Herrn?“
Sprach die Frau: „Ich bin bereit, für meinen Herrn zu sterben.“
Da ergriff der Richter das grosse Schlachtmesser, und plötzlich schlug er das grosse Schlachtmesser in ihren Leib; aber sie ist auch nicht ein Fünkchen zurückgewichen für ihren Herrn. Als er das Schlachtmesser wieder herausgezogen hatte, heilte er den Magen der Frau wieder so zusammen, dass sie danach ganz unversehrt war.
Der Richter sprach: „Nun sehe ich, dass ein Vater nicht für seinen Sohn sterben würde, auch nicht eine Mutter; aber die Gattin würde für ihren Gatten sterben. Ihr könnt gehen.“
Ja, sie gingen ruhig fort, setzten sich auf den Sarg und dankten dem Richter, dass ihnen kein Leid geschehen war. Der Jüngling und seine Frau stiegen hinab vom Himmel und gingen heim. Danach lebten sie noch mehr als achtzig Jahre; sie leben noch heute, wenn sie nicht gestorben sind.

Quelle:
(Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901)

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