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Warum ist der Tod so dürr?

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Ein ausgedienter, verabschiedeter Soldat ging einmal durch einen Wald und begegnete zwei Bettelleuten, die ihn um Almosen ansprachen. Der Soldat hatte nichts als sechs Kreuzer in der Tasche, aber weil er mitleidigen Herzens war, reichte er jedem von den Bettlern einen Kreuzer.
Wohlgemut ging er weiter, aber als er einige Scheibenschüsse weit gegangen war, standen schon wieder zwei Bettler am Weg und baten um ein Almosen. Der Soldat ließ sich erweichen und gab jedem von ihnen einen Kreuzer. Dann ging’s weiter, aber in kurzer Frist brachten ihn zwei andere Bettler um seine letzten zwei Kreuzer.
Mit leerem Sack setzte er seine Wanderung fort, sah aber bald wieder einen Bettler am Weg stehen, der auf ihn zuging und ihn um Gottes willen um etwas bat. Weil er nichts mehr hatte, konnte er ihm auch nichts geben; allein es war ihm leicht am Gesicht anzusehen, wie weh es ihm tat, einen armen Menschen ohne Gabe von sich zu weisen.
Der Bettler, der wohl auch seinen guten Willen sah, redete ihn aufs neue an und sagte: »Weißt du, wer ich bin?«
»Wie sollte ich das wissen? Hab‘ ich dich doch mein Lebtag nicht gesehen.«
»Ich bin der Apostel Paulus, und weil du dich so mildtätigen Herzens gezeigt hast, so ist es dir erlaubt, drei Wünsche zu tun, die ich dir zum Dank erfüllen will.«
Der Soldat machte große Augen und wußte anfangs nicht recht, was er sich denken sollte. Dann aber fing er an zu wünschen und wünschte sich vor allem, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. Auch der zweite und dritte Wunsch kostete ihn nicht viel Kopfzerbrechen, er war gleich mit sich selber eins und sagte: »Zum zweiten wünsche ich mir eine Karte, mit der ich jedes Spiel gewinne, und zum dritten wünsche ich einen Sack, bei dem ich bloß sagen darf: ‚Marsch hinein!‘, um alles darin zu haben, was mir gefällt.«
Der Apostel versprach ihm die ewige Seligkeit und gab ihm die übrigen zwei Stücke ohne Verzug. So wanderte der Soldat wohlgemut weiter und kam bald an ein Wirtshaus. Hier ging er hinein und fand zwei vornehme Herren, die beim Wein saßen und eins diskurrierten. Er setzte sich zu ihnen hin, fing auch mit ihnen zu plaudern an und schlug endlich ein Spielchen vor. Die Herren waren sehr bereit, und der Soldat zog seine Karten aus der Tasche. Nun ging das Spielen an, aber die Herren mochten aufpassen, wie sie wollten, der Soldat gewann immer und tat doch nicht falsch. Sooft ein Spiel aus war, meinten die beiden, das nächstemal müßten sie gewinnen. Sie spielten wieder, und richtig gewann es wieder der Soldat. So ging es lange Zeit fort, und der Abschiedler gewann so viel Geld, daß er sich ein Pferd kaufen konnte.
Er ließ die Herren mit langen Gesichtern nachschauen, kaufte dem Wirt einen tüchtigen Gaul ab und ritt weiter. Das taugte ihm schon besser als das langweilige Zufußgehen. Er dünkte sich fast ein General und ritt auch gerade so, wie er es bei seinem Obersten gesehen hatte.
Bis zum Abend des anderen Tages ging es so fort. Da kam er zu einem mächtigen Schloß, und weil ihm das Reiten verleidete, stieg er ab, band sein Roß an eine Ecke und schritt zum Tor hinein. Er ging treppauf, treppab und durch sämtliche Zimmer – aber alles war wie ausgestorben. Er hörte keinen Tritt und sah keinen Menschen, aber das machte ihn nicht irre, denn von Furcht wußte er nicht viel, und er hatte sich einmal in den Kopf gesetzt, hier zu übernachten. Als es anfing, recht finster zu werden, ging er in ein großes, schönes Zimmer, worin ein Bett aufgerichtet war, und da legte er sich nieder. Weil er müde von der Reise war, brauchte er aufs Einschlafen nicht lange zu warten.
Es wurde Mitternacht, da weckte ihn ein fürchterliches Getöse vom Schlaf auf. Er erhob sich im Bett und schaute im Zimmer herum. Da sah er einen schwarzen Bock, der auf ihn zulief und zu stoßen anfing. Er besann sich nicht lange und rief: »Marsch hinein!« Der Bock sitzt im Sack, der Soldat aber legt sich aufs rechte Ohr und schläft weiter.
Es dauerte eine halbe Stunde, da ging der Lärm aufs neue an, und der Soldat fuhr wieder aus dem Schlaf. Er setzte sich auf, schaute im Zimmer herum und sah einen Stier, der mit den Hörnern auf ihn losging. »Marsch hinein!« Der Stier fährt in den Sack, der Soldat legt sich auf ein Ohr und schläft wieder.
Es dauerte aber wieder nur eine halbe Stunde, und ein neuer Lärm weckte ihn auf. »Was ist doch das für eine Ordnung?« schreit er im Aufwachen und schaut im Zimmer herum. Er sieht ein Kamel auf das Bett losgehen, aber – »Marsch hinein!« und das Kamel steckt im Sack. Er schlief aber nicht wieder ein, denn alsbald stand eine wunderschöne Jungfrau vor ihm, welche ihm für ihre Rettung dankte. Sie erzählte ihm auch, daß sie von drei Teufeln hier gefangengehalten wurde, jetzt aber, weil er die Teufel gefangengesetzt habe, durch ihn befreit worden sei.
Der Soldat hörte ihr aufmerksam zu und hatte eine Freude, daß es nicht zu sagen ist. Er nahm die schöne Jungfrau zur Frau und beschloß, mit ihr in seine Heimat zu gehen, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Er machte sich bald auf die Reise und freute sich innig, die schöne Frau seinen Verwandten vorzustellen. Sein Weg führte ihn zufällig zu einer Schmiede. Hier konnte er nicht vorbeigehen, denn die drei Teufel wollte er doch ein wenig abklopfen lassen. Er trat also in die Schmiede und gab dem Meister seinen Sack. »Seid doch so gut und klopft mir für gute Bezahlung die drei Kerle, die drinnenstecken, ordentlich zusammen.«
Der Schmied nahm den größten Hammer, den er nur schwingen konnte, hielt den Sack auf den Amboß und klopfte aus Leibeskräften drauflos. Die Teufel fingen jämmerlich zu schreien an, aber der Schmied hatte keine Ohren. Endlich, als alle drei aus Herzensgrund aufschrieen und ein über das andere Mal versprachen, einem Soldaten nie mehr etwas in den Weg zu legen, da ließ sich der Abschiedler erweichen und sagte zum Schmied: »Jetzt laß es gut sein, sie haben ihr Teil und werden unsereinem nicht ein zweites Mal unter die Hände kommen wollen.«
Der Schmied tat, wie er befahl, machte den Ranzen auf, und wie der Wind fuhren alle drei Teufel zur Öffnung heraus.
Der Soldat bezahlte den Schmied für die Arbeit und verfolgte seinen Weg weiter. Nach wenigen Tagen kam er in der Heimat an. Da war große Freude über seine glückliche Wiederkehr, und die Tage vergingen je lustiger, desto schneller.
Der Soldat fing nach und nach an, sein Alter zu spüren, und der Gedanke, daß ihn der Tod bald abholen werde, fiel ihm schwer auf die Seele. Es dauerte auch nimmer lange, da erschien der Tod wirklich und wollte ihn holen. Er besann sich aber zur rechten Zeit und rief: »Marsch hinein!« Der Tod flog in den Sack, und den Soldaten plagte keine Sorge mehr. Den Sack hängte er an dem Ofen auf und ließ ihn da sieben Jahre lang hängen. Als das siebente Jahr vorbei war, da kam der Apostel Paulus zum Soldaten und sagte: »Warum hältst du den Tod so lange gefangen? Sieben volle Jahre hast du ihn schon eingesperrt, und sieben Jahre hat kein Mensch sterben können!«
Der Soldat tat dem Heiligen seinen Willen und ließ den Tod frei. Darauf starb er und fuhr auf in den Himmel.
Weißt du jetzt, warum der Tod so dürr ist? Wenn er sieben Jahre lang am Ofen gedörrt worden ist, wirst du dich doch nimmer darüber verwundern.

(mündlich bei Rattenberg)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]

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