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Märchenbasar

Was Gott zusammenfügt, kann der Mensch nicht scheiden

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Es waren einmal zwei junge Leute, die hatten sich lieb. Sie war aus vornehmem Hause, er ein schöner stattlicher Jüngling. Sie hatten sich so lieb, daß sie nicht voneinander lassen konnten, trotzdem die Eltern vom Heiraten nichts wissen und sie gewaltsam trennen wollten. Sie begegneten sich zum letzten Male und weinten beide sehr. Endlich kamen aus seinem Munde die traurigen Worte: »Nimm, mein Lieb, dies Ringlein aus Silber: und wenn das Silber schmilzt, so wisse, daß ich tot bin.« Sie sprach mit zitternder Stimme: »Nimm, Geliebter, dieses Tuch von Seide mit Gold umrandet. Wisse, wenn dieses Gold schwindet, so bin ich tot.« Darauf gaben sie sich die Hände und nahmen Abschied für dieses Leben. Sie ging zurück; er wanderte weiter, immer weiter, lange, lange; es wurde ihm warm, Schweißperlen tropften von der Stirne, er nahm das Tuch, strich sich damit übers Gesicht, es schmolz das Gold, und weinend fiel er zu Boden.
Da kam ein Knabe auf kleinem Pferd geritten. »Knabe, lieber Knabe mein, kommst du nicht aus meinem Dorfe?« rief er dem näher Heranreitenden zu, »weißt du nichts von meiner Geliebten?« – »Ich komme aus deinem Dorf«, antwortete der Knabe. »Dein Mädchen ist tot, heute hat man sie in ein tiefes, tiefes Grab gelegt, damit du sie nie mehr sehen, nie mehr erreichen solltest.« Diese Nachricht kam dem Burschen nicht unerwartet, er sprach: »Mein lieber Knabe auf kleinem Pferd, reit zu meinem Vater und sage ihm, daß ich mich auch in einen tiefen Graben gelegt, da wo die Wasser am schärfsten fließen, vielleicht treffe ich doch mit ihr zusammen in jenem Leben.« Er sprang hinein und versank. Als sein Vater hiervon hörte, ging er mit Hacke und Schaufel, das Wasser zu durchsuchen, fand aber lange nichts, und als er weiter auf den Sand kam, lag tief drinnen sein Sohn neben der Geliebten. Schrecken bemächtigte sich der Eltern von beiden. Nun berieten sie sich, wie sie dieselben begraben sollten, damit sie nicht wieder zusammenkämen. Ihn begruben sie hinter den Altar, sie vor die Kirchentüre. Nun waren sie weit voneinander und konnten sich sicher nie mehr treffen. Als es Frühling wurde, da wuchs aus seinem Grab eine Tanne, die ward immer höher über die Kirche hinaus, und wo sie begraben war, kam eine Weinrebe hervor, rankte sich um die Kirche, bis sie die Tanne erreicht hatte und sie umschlang, als ein Zeichen des Himmels für die Eltern, daß, was Gott zusammenfügt, Menschenhände nicht trennen können.

[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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