1.7
(3)
Es lebte einmal eine stolze Frau mit Namen Lady Hillers, die drei Söhne und eine Tochter hatte. Sie setzte es sich in den Kopf, ein prächtiges Schloß auf einer Klippe über dem Meer errichten zu lassen.
„ Baut nicht dort!“ sagten die Leute zu ihr. „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“ sagte Lady Hillers. „ Wegen Wassermann Rosmer“, sagten die Leute.
„ Gehört dem Wassermann Rosmer die Erde ebenso wie das Meer, sodaß ich nicht bauen darf, wo ich will?“
„ Wassermann Rosmer, hat lange, lange –Arme“, sagten die Leute. „ Und Euere Tochter, Svanie, ist sehr, sehr hübsch, Wassermann Rosmer hat eine Vorliebe für hübsche Sachen.“
„ Pah! Ich kann meine eigene Tochter sehr wohl hüten“, sagte Lady Hillers. Also baute sie sie ihr Schloß, und es wurde ein sehr großes Schloß. Aber sie hatte unrecht, und die Leute behielten recht. Eines Morgens lehnte sich Svanie über die Schlossmauer und schaute in s Meer hinunter. Dabei erblickte sie sie der Wassermann Rosmer, griff mit seinen langen, langen Armen nach oben und schleppte sie davon. Lady Hillers rang verzweifelt die Hände und weinte. Und die Leute sagten: „ Na, also, haben wir sie nicht gewarnt? Aber nein! Sie wollte ja nicht auf uns hören.“ Lady Hillers ältester Sohn trat vor sie und sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff, und er segelte aufs Meer hinaus. Doch er fand Svanie nicht und mußte schließlich ohne sie heimkehren, weil er unterwegs dem Wassermann Rosmer begegnete. Dieser versetzte dem Meer einen Schlag mit der Faust, und einen zweiten Faustschlag bekam das Schiff ab. Er brachte den Ozean zum Sieden und warf das Schiff dahin zurück, von wo es gekommen war. Es wurde an die Felsen unter dem Schloß getrieben, wo es zerschellte. Und Lady Hillers ältester Sohn und seine Seeleute krochen mehr tot als lebendig die Klippen hinauf.
Da trat der zweite Sohn vor Lady Hillers und sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff! Dann will ich fortsegeln und meine Schwester suchen. Vielleicht habe ich mehr Glück!“
Also baute ihm Lady Hillers ein schönes, großes Schiff, und er segelte fort. Aber er hatte auch nicht mehr Glück. Wassermann Rosmer begegnete ihm unerwegs, gab dem Meer einen Faustschlag und dem Schiff einen zweiten, trieb ihn zurück und ließ ihn Schiffbruch erleiden, wie es seinem Bruder vor ihm ergangen war. Der Name des jüngsten Sohnes lautete Peterkin. Er sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff! Auch ich will fortsegeln und meine Schwester suchen.“ Lady Hillers aber wollte ihm kein Schiff geben, weil er noch ein kleiner Junge war.
„ Was weißt du schon von Schiffen?“ sagte sie. „Wenn Wassermann Rosmer einen Sturm entfesselt, wirst du ihn bestimmt nicht überstehen. Deine Brüder erlitten Schiffbruch, das ist wahr, aber sind doch weneigstens nach Hause zurückgekommen. Wenn Wassermann Rosmer dir einen Sturm auf den Hals hetzt, wirst du nicht heimkehren!“
Aber Peterkin war ein schlauer, kleiner Bursche und sagte zu sich selbst: „ Ja, wenn Wassermann Rosmer mich erkennt, wird er es stürmen lassen. Warum aber soll er mich erkennen?“
Also verkleidete er sich als Fischerjunge, ging in die Stadt und kaufte sich ein kleines Ruderboot. Dann fuhr er los. Als Wassermann Rosmer einen kleinen Fischerjungen sah, wollte er ihm gar nichts Böses tun. Er glättete sogar das Meer für ihn und ließ ihn weiterrudern. Peterkin ruderte und ruderte und kam schließlich zu einer Insel. Dort ging er an Land. Auf dieser Insel gab es eine Höhle, und in dieser Höhle war ein Gang, der hinunter und immer tiefer und tiefer hinunter führte bis zu dem großen Palast der Wassermann Rosmer gehörte..
Peterkin stieg diesen Gang hinunter, kam zu dem Palast und versteckte sich hinter einer Säule im Hof, bis er Wassermann Rosmer herauskommen sah. Darauf rannte er hinein und fand Svanie in der Küche, wo sie Wassermanns Abendessen kochte. Als Svanie Peterkin erblickte, warf sie die Arme hoch und schrie laut auf: „ Oh, Peterkin, Peterkin, warum bist du hergekommen? Wenn Wassermann Romer dich findet, wird er dir mit seinen Fingerschnipsen den Hals brechen.“
„ Ich bin hier, um dich zu befreien und nach Hause zu holen“, sagte Peterkin. Aber Svanie versteckte ihn in einer kleinen Ecke hinter dem Holzstapel und flehte ihn an, dort zu bleiben. Er dürfe nicht um Himmels willen sich rühren, nicht niesen, husten oder sonst einen Laut geben. Nach einiger Zeit kam Wassermann Rosmer herein. Und Svanie sagte zu ihm: „ Euer Abendessen ist fertig. Setzt Euch, isst und trinkt!“
Also ließ Wassermann Rosmer sich am Tisch nieder und aß und trank. Und als er satt war und sich wohl fühlte, nahm er Svanie in seine langen Arme. Sie streichelte seine große Hand und sagte: „ Ein kleiner Fischerjunge von daheim ist gekommen, um mich zu besuchen, nur ein kleiner Junge, lieber Rosmer, Iher werdet ihm doch nichts tun, oder?“
„ Nein, ich werde ihm nichts tun“, sagte Wassermann Rosmer.
„ Wo ist er? Ich möchte ihn sehen.“ Da forderte Svanie Peterkin auf, hinter dem Holzstapel hervorzukommen, und Wassermann Rosmer sagte: „ Soso! dich kenne ich, kleiner Junge. Ich habe dich beobachtet, als du in deinem kleinen Boot gerudert bist, und habe das Meer ganz ruhig für dich gemacht.“ Er hob Peterkin in die3 Höhe und gab ihm ein, zwei Klapse mit seinen großen Fingern. Peterkin wurde am ganzen Körper blau, so hart und stark waren diese Finger. Snanie sagte: „ Sir Rosmer, wann werdet Ihr endlich wissen, wie viel Kraft Ihr in den Fingern habt, statt einem armen kleinen Jungen Klapse zu versetzen?“
„Schon gut“, sagte Wassermann Rosmer. „ Reib ihn mit einer Salbe ein und steck ihn ins Bett.“ Peterkin blieb ziemlich lange in Wassermann Rosmers Palast. Er diente ihm auf jede nur erdenkliche Weise, und der Wassermann Romer mochte ihn immer lieber. Doch Svanie und Peterkin dachten sich ständig neue Fluchtpläne aus . Eines Tages setzte sich Svanie auf Wassermann Rosmers Schoß und sagte: „ Ich hatte letzte Nacht einen Traum. Und in diesem Traum sah ich die Mutter des kleinen Fischerjungen um ihren Sohn trauern und bittere Tränen vergießen. Lieber Wassermann Rosmer, meinst du, daß wir ihn nach Hause schicken sollen?
„ Schon gut“, sagte Wassermann Rosmer. „ Ich bringe ihn nach Hause.“
„Können wir ihm ein Geschenk mitgeben?“ sagte Svanie. „Das würde das Herz seiner Mutter bestimmt erfreuen.“
„ Schon gut. Ich werde auch ein Geschenk mitnehmen“, sagte Wassermann Rosmer. „Was soll es denn sein?“ Oh nur eine Kleinigkeit“, sagte Svanie. „Denn Ihr seid ja wohl nicht reich, Sir Rosmer, oder?“
„ Nicht reich!“ brüllte Wassermann Rosmer. „Wer sagt daß ich nicht reich bin! Es gibt keinen im Meer oder auf dem Land, der auch nur ein Viertel der Reichtümer hat, die ich besitze.“
„ Fein, dann könnte es vielleicht ein kleiner Sack mit Kupfergeld sein“, sagte die listige Svanie. „ Könnt Ihr das auch wirklich entbehren?“
„ Zum Teufel mit dem Kupfergeld!“ brüllte Wassermann Rosmer. Nennst du das ein Geschenk?“
„ Nun wie wär’s mit einer kleinen Truhe voller Silbergeld?“ sagte Svanie. „ Nur ein klein bißchen.“
„ Warum denn nur ein bißchen?“ brüllte Wassermann Rosmer. „ Und warum nur Silbergeld? Komm mal mit, Mädchen. Dann zeig ich dir was!“ Er führte Svanie in seine Schatzkammer, die mit Gold angehäuft war. Dann schleppte er eine große Kiste hinein und füllte sie mit Gold. „ So“, sagte er. „ Das ist meine Art und Weise, Dinge zu tun! Keiner soll mich arm oder knickrig heißen. Dies ist das Geschenk, das unser kleiner Fischerjunge seiner Mutter heimbringen soll , um ihre Tränen zu trocknen! Und schon morgen früh werden er und ich mit unserer Reise beginnen.“
„ Es ist ein langer, langer Weg“, sagte Svanie. „ Ihr müßt sehr früh aufbrechen“, sagte Wassermann Rosmer.
„ Dann werde ich unserem kleinen Fischerjungen schon heute abend Lebewohl sagen, denn ich stehe gar nicht gern früh auf“, sagte Svanie. Sie ging zu Peterkin, küsste ihn und sagte: „ Ade, kleiner Fischerjunge. Grüße deine Mutter recht herzlich deine Mutter recht herzlich von mir, wenn du nach Hause kommst.“
Was aber tat Svanie, als alle im Bett lagen und der Palast vom Schnarchen
Wassermann Rosmer erzitterte? Sie stand vorsichtig auf und stieg leise, ganz leise die Treppe hinunter und – husch – in die Schatzkammer hinein. Dort leerte sie aus der Gold aus der Truhe, stieg hinein und zog den Deckel zu. Am nächsten Morgen stand Wassermann Rosmer früh auf. Er nahm Peterkin auf dem Rücken, die Truhe unter dem Arm und schwamm und schwamm, bis er zu der Klippe kam, auf der Lady Hillers’ Schloß stand. Dort streckte er einen langen Arm aus, wuchtete die Truhe über den Rand der Klippe und stellte
Peterkin daneben. „ Nun lauf rasch in die Stadt, mein kleiner Fischerjunge“, sagte er. „ Hol dir Pferd und Karren, um die Truhe mit dem Gold heim zu deiner Mutter zu bringen. Ich kehre jetzt zu meiner Svanie zurück!“
Peterkin wartete, bis Wassermann Rosmer im Meer untergetaucht war, bevor er ins Schloß rannte und die Männer zusammenrief, die für ihn die Truhe tragen sollten. „ Mutter“, sagte er zu Lady Hillers, „ ich habe dir ein wundervolles Geschenk mitgebracht!“ Doch Lady Hillers sagte: „ Was nützt es mir, wenn du mir Geschenke bringst, statt mir meine Svanie zurückzugeben!“ „ Bitte, öffne die Truhe.“ Lady Hillers öffnete die Truhe. „Oh, Oh, Oh!“ Heraus sprang Svanie. Und sie waren alle wieder beisammen. Doch mitten in ihrer Wiedersehensfreude hören sie lautes Toben aus dem Meer. Sie rannten an die Fenstern und erblickten Wellen, die bis zum Himmel reichten, und die Gischt wurde mit den Wolken eins. Wassermann Rosmer hatte zu Hause festgestellt, daß Svanie verschwunden war, und kam nun in ganz fürchterlichem Zorn zurück.
„ Ich werde euch lehren, mir üble Streiche zu spielen!“ tobte er. Und die Wogen tobten um ihn, und die Klippe warf das Echo zurück. Doch keiner wollte auf sein Erscheinen warten. Lady Hillers , ihre drei Söhne, Svanie und die Dienerschaft verließen im Laufschritt das Schloß und flüchteten ins Landesinnere. Und das war ihr Glück, denn Wassermann Rosmer streckte seinen langen, langen Arm hoch und ballte die beiden großen Fäuste und versetzte dem Schloß einen derartigen Hieb, daß es in sich zusammenstürzte. Dann zog er sich in seinem Palast auf dem Meeresboden zurück und war schlechter Laune. Er war sehr lange schlechter Laune.
Doch eines Tages schaute er zum Fenster hinaus und sah eine Meerjungfrau vorbeischwimmen. Diese Meerjungfrau war sehr, sehr hübsch, und der Wassermann Rosmer hatte eine Vorliebe für hübsche Sachen. Also streckte seinen langen, langen Arm aus und entführte die Meerjungfrau in seinen Palast. Diese hübsche Meerjungfrau war stolz darauf, die Frau eines so großen, starken Burschen zu sein, und also war Wassermann Rosmer wieder glücklich.
Und Lady Hillers? Sie baute sich weit im Landesinneren ein anderes Schloß, aber kein so großes mehr. Und die Leute sagten: „ Hochmut kommt vor dem Fall. Wenn sie ganz zu Anfang auf uns gehört hätte, wäre ihr eine Menge Unheil erspart geblieben!“
„ Baut nicht dort!“ sagten die Leute zu ihr. „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“ sagte Lady Hillers. „ Wegen Wassermann Rosmer“, sagten die Leute.
„ Gehört dem Wassermann Rosmer die Erde ebenso wie das Meer, sodaß ich nicht bauen darf, wo ich will?“
„ Wassermann Rosmer, hat lange, lange –Arme“, sagten die Leute. „ Und Euere Tochter, Svanie, ist sehr, sehr hübsch, Wassermann Rosmer hat eine Vorliebe für hübsche Sachen.“
„ Pah! Ich kann meine eigene Tochter sehr wohl hüten“, sagte Lady Hillers. Also baute sie sie ihr Schloß, und es wurde ein sehr großes Schloß. Aber sie hatte unrecht, und die Leute behielten recht. Eines Morgens lehnte sich Svanie über die Schlossmauer und schaute in s Meer hinunter. Dabei erblickte sie sie der Wassermann Rosmer, griff mit seinen langen, langen Armen nach oben und schleppte sie davon. Lady Hillers rang verzweifelt die Hände und weinte. Und die Leute sagten: „ Na, also, haben wir sie nicht gewarnt? Aber nein! Sie wollte ja nicht auf uns hören.“ Lady Hillers ältester Sohn trat vor sie und sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff, und er segelte aufs Meer hinaus. Doch er fand Svanie nicht und mußte schließlich ohne sie heimkehren, weil er unterwegs dem Wassermann Rosmer begegnete. Dieser versetzte dem Meer einen Schlag mit der Faust, und einen zweiten Faustschlag bekam das Schiff ab. Er brachte den Ozean zum Sieden und warf das Schiff dahin zurück, von wo es gekommen war. Es wurde an die Felsen unter dem Schloß getrieben, wo es zerschellte. Und Lady Hillers ältester Sohn und seine Seeleute krochen mehr tot als lebendig die Klippen hinauf.
Da trat der zweite Sohn vor Lady Hillers und sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff! Dann will ich fortsegeln und meine Schwester suchen. Vielleicht habe ich mehr Glück!“
Also baute ihm Lady Hillers ein schönes, großes Schiff, und er segelte fort. Aber er hatte auch nicht mehr Glück. Wassermann Rosmer begegnete ihm unerwegs, gab dem Meer einen Faustschlag und dem Schiff einen zweiten, trieb ihn zurück und ließ ihn Schiffbruch erleiden, wie es seinem Bruder vor ihm ergangen war. Der Name des jüngsten Sohnes lautete Peterkin. Er sagte: „ Mutter, gib mir ein Schiff! Auch ich will fortsegeln und meine Schwester suchen.“ Lady Hillers aber wollte ihm kein Schiff geben, weil er noch ein kleiner Junge war.
„ Was weißt du schon von Schiffen?“ sagte sie. „Wenn Wassermann Rosmer einen Sturm entfesselt, wirst du ihn bestimmt nicht überstehen. Deine Brüder erlitten Schiffbruch, das ist wahr, aber sind doch weneigstens nach Hause zurückgekommen. Wenn Wassermann Rosmer dir einen Sturm auf den Hals hetzt, wirst du nicht heimkehren!“
Aber Peterkin war ein schlauer, kleiner Bursche und sagte zu sich selbst: „ Ja, wenn Wassermann Rosmer mich erkennt, wird er es stürmen lassen. Warum aber soll er mich erkennen?“
Also verkleidete er sich als Fischerjunge, ging in die Stadt und kaufte sich ein kleines Ruderboot. Dann fuhr er los. Als Wassermann Rosmer einen kleinen Fischerjungen sah, wollte er ihm gar nichts Böses tun. Er glättete sogar das Meer für ihn und ließ ihn weiterrudern. Peterkin ruderte und ruderte und kam schließlich zu einer Insel. Dort ging er an Land. Auf dieser Insel gab es eine Höhle, und in dieser Höhle war ein Gang, der hinunter und immer tiefer und tiefer hinunter führte bis zu dem großen Palast der Wassermann Rosmer gehörte..
Peterkin stieg diesen Gang hinunter, kam zu dem Palast und versteckte sich hinter einer Säule im Hof, bis er Wassermann Rosmer herauskommen sah. Darauf rannte er hinein und fand Svanie in der Küche, wo sie Wassermanns Abendessen kochte. Als Svanie Peterkin erblickte, warf sie die Arme hoch und schrie laut auf: „ Oh, Peterkin, Peterkin, warum bist du hergekommen? Wenn Wassermann Romer dich findet, wird er dir mit seinen Fingerschnipsen den Hals brechen.“
„ Ich bin hier, um dich zu befreien und nach Hause zu holen“, sagte Peterkin. Aber Svanie versteckte ihn in einer kleinen Ecke hinter dem Holzstapel und flehte ihn an, dort zu bleiben. Er dürfe nicht um Himmels willen sich rühren, nicht niesen, husten oder sonst einen Laut geben. Nach einiger Zeit kam Wassermann Rosmer herein. Und Svanie sagte zu ihm: „ Euer Abendessen ist fertig. Setzt Euch, isst und trinkt!“
Also ließ Wassermann Rosmer sich am Tisch nieder und aß und trank. Und als er satt war und sich wohl fühlte, nahm er Svanie in seine langen Arme. Sie streichelte seine große Hand und sagte: „ Ein kleiner Fischerjunge von daheim ist gekommen, um mich zu besuchen, nur ein kleiner Junge, lieber Rosmer, Iher werdet ihm doch nichts tun, oder?“
„ Nein, ich werde ihm nichts tun“, sagte Wassermann Rosmer.
„ Wo ist er? Ich möchte ihn sehen.“ Da forderte Svanie Peterkin auf, hinter dem Holzstapel hervorzukommen, und Wassermann Rosmer sagte: „ Soso! dich kenne ich, kleiner Junge. Ich habe dich beobachtet, als du in deinem kleinen Boot gerudert bist, und habe das Meer ganz ruhig für dich gemacht.“ Er hob Peterkin in die3 Höhe und gab ihm ein, zwei Klapse mit seinen großen Fingern. Peterkin wurde am ganzen Körper blau, so hart und stark waren diese Finger. Snanie sagte: „ Sir Rosmer, wann werdet Ihr endlich wissen, wie viel Kraft Ihr in den Fingern habt, statt einem armen kleinen Jungen Klapse zu versetzen?“
„Schon gut“, sagte Wassermann Rosmer. „ Reib ihn mit einer Salbe ein und steck ihn ins Bett.“ Peterkin blieb ziemlich lange in Wassermann Rosmers Palast. Er diente ihm auf jede nur erdenkliche Weise, und der Wassermann Romer mochte ihn immer lieber. Doch Svanie und Peterkin dachten sich ständig neue Fluchtpläne aus . Eines Tages setzte sich Svanie auf Wassermann Rosmers Schoß und sagte: „ Ich hatte letzte Nacht einen Traum. Und in diesem Traum sah ich die Mutter des kleinen Fischerjungen um ihren Sohn trauern und bittere Tränen vergießen. Lieber Wassermann Rosmer, meinst du, daß wir ihn nach Hause schicken sollen?
„ Schon gut“, sagte Wassermann Rosmer. „ Ich bringe ihn nach Hause.“
„Können wir ihm ein Geschenk mitgeben?“ sagte Svanie. „Das würde das Herz seiner Mutter bestimmt erfreuen.“
„ Schon gut. Ich werde auch ein Geschenk mitnehmen“, sagte Wassermann Rosmer. „Was soll es denn sein?“ Oh nur eine Kleinigkeit“, sagte Svanie. „Denn Ihr seid ja wohl nicht reich, Sir Rosmer, oder?“
„ Nicht reich!“ brüllte Wassermann Rosmer. „Wer sagt daß ich nicht reich bin! Es gibt keinen im Meer oder auf dem Land, der auch nur ein Viertel der Reichtümer hat, die ich besitze.“
„ Fein, dann könnte es vielleicht ein kleiner Sack mit Kupfergeld sein“, sagte die listige Svanie. „ Könnt Ihr das auch wirklich entbehren?“
„ Zum Teufel mit dem Kupfergeld!“ brüllte Wassermann Rosmer. Nennst du das ein Geschenk?“
„ Nun wie wär’s mit einer kleinen Truhe voller Silbergeld?“ sagte Svanie. „ Nur ein klein bißchen.“
„ Warum denn nur ein bißchen?“ brüllte Wassermann Rosmer. „ Und warum nur Silbergeld? Komm mal mit, Mädchen. Dann zeig ich dir was!“ Er führte Svanie in seine Schatzkammer, die mit Gold angehäuft war. Dann schleppte er eine große Kiste hinein und füllte sie mit Gold. „ So“, sagte er. „ Das ist meine Art und Weise, Dinge zu tun! Keiner soll mich arm oder knickrig heißen. Dies ist das Geschenk, das unser kleiner Fischerjunge seiner Mutter heimbringen soll , um ihre Tränen zu trocknen! Und schon morgen früh werden er und ich mit unserer Reise beginnen.“
„ Es ist ein langer, langer Weg“, sagte Svanie. „ Ihr müßt sehr früh aufbrechen“, sagte Wassermann Rosmer.
„ Dann werde ich unserem kleinen Fischerjungen schon heute abend Lebewohl sagen, denn ich stehe gar nicht gern früh auf“, sagte Svanie. Sie ging zu Peterkin, küsste ihn und sagte: „ Ade, kleiner Fischerjunge. Grüße deine Mutter recht herzlich deine Mutter recht herzlich von mir, wenn du nach Hause kommst.“
Was aber tat Svanie, als alle im Bett lagen und der Palast vom Schnarchen
Wassermann Rosmer erzitterte? Sie stand vorsichtig auf und stieg leise, ganz leise die Treppe hinunter und – husch – in die Schatzkammer hinein. Dort leerte sie aus der Gold aus der Truhe, stieg hinein und zog den Deckel zu. Am nächsten Morgen stand Wassermann Rosmer früh auf. Er nahm Peterkin auf dem Rücken, die Truhe unter dem Arm und schwamm und schwamm, bis er zu der Klippe kam, auf der Lady Hillers’ Schloß stand. Dort streckte er einen langen Arm aus, wuchtete die Truhe über den Rand der Klippe und stellte
Peterkin daneben. „ Nun lauf rasch in die Stadt, mein kleiner Fischerjunge“, sagte er. „ Hol dir Pferd und Karren, um die Truhe mit dem Gold heim zu deiner Mutter zu bringen. Ich kehre jetzt zu meiner Svanie zurück!“
Peterkin wartete, bis Wassermann Rosmer im Meer untergetaucht war, bevor er ins Schloß rannte und die Männer zusammenrief, die für ihn die Truhe tragen sollten. „ Mutter“, sagte er zu Lady Hillers, „ ich habe dir ein wundervolles Geschenk mitgebracht!“ Doch Lady Hillers sagte: „ Was nützt es mir, wenn du mir Geschenke bringst, statt mir meine Svanie zurückzugeben!“ „ Bitte, öffne die Truhe.“ Lady Hillers öffnete die Truhe. „Oh, Oh, Oh!“ Heraus sprang Svanie. Und sie waren alle wieder beisammen. Doch mitten in ihrer Wiedersehensfreude hören sie lautes Toben aus dem Meer. Sie rannten an die Fenstern und erblickten Wellen, die bis zum Himmel reichten, und die Gischt wurde mit den Wolken eins. Wassermann Rosmer hatte zu Hause festgestellt, daß Svanie verschwunden war, und kam nun in ganz fürchterlichem Zorn zurück.
„ Ich werde euch lehren, mir üble Streiche zu spielen!“ tobte er. Und die Wogen tobten um ihn, und die Klippe warf das Echo zurück. Doch keiner wollte auf sein Erscheinen warten. Lady Hillers , ihre drei Söhne, Svanie und die Dienerschaft verließen im Laufschritt das Schloß und flüchteten ins Landesinnere. Und das war ihr Glück, denn Wassermann Rosmer streckte seinen langen, langen Arm hoch und ballte die beiden großen Fäuste und versetzte dem Schloß einen derartigen Hieb, daß es in sich zusammenstürzte. Dann zog er sich in seinem Palast auf dem Meeresboden zurück und war schlechter Laune. Er war sehr lange schlechter Laune.
Doch eines Tages schaute er zum Fenster hinaus und sah eine Meerjungfrau vorbeischwimmen. Diese Meerjungfrau war sehr, sehr hübsch, und der Wassermann Rosmer hatte eine Vorliebe für hübsche Sachen. Also streckte seinen langen, langen Arm aus und entführte die Meerjungfrau in seinen Palast. Diese hübsche Meerjungfrau war stolz darauf, die Frau eines so großen, starken Burschen zu sein, und also war Wassermann Rosmer wieder glücklich.
Und Lady Hillers? Sie baute sich weit im Landesinneren ein anderes Schloß, aber kein so großes mehr. Und die Leute sagten: „ Hochmut kommt vor dem Fall. Wenn sie ganz zu Anfang auf uns gehört hätte, wäre ihr eine Menge Unheil erspart geblieben!“
Quelle: Schottland