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Märchenbasar

Wer wenig verlangt, dem wird am Meisten gegeben

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Es waren einmal drei Brüder, die besaßen auf der weiten weißen Erde nichts als einen Birnbaum, den sie der Reihe nach hüteten; während Einer beim Baume blieb, gingen die beiden Andern auf Tagwerk.
Einst schickte Gott der Herr einen Engel, nachzusehen, wie diese Brüder lebten, und ihnen, wenn es ihnen schlecht gehe, beßre Nahrung zu geben.
Als der Engel Gottes zur Erde niederstieg, verwandelte er sich in einen Bettler, und als er zu dem kam, welcher eben den Birnbaum hütete, bat er ihn ihm eine Birne zu geben. Dieser pflückte eine von den Birnen, die sein waren, und gab sie dem Engel mit den Worten: »Da hast du von meinen Birnen, von jenen, die den Brüdern gehören, kann ich dir keine geben.« Der Engel dankte ihm und ging fort. Als den nächsten Tag der zweite Bruder zu Hause blieb den Birnbaum zu hüten, da kam der Engel wieder, und verlangte auch von ihm eine Birne. Und auch er brach eine von den Birnen die ihm gehörten ab, und gab sie ihm, indem er sagte: »Da hast du von meinen Birnen, von jenen die den Brüdern gehören, kann ich dir keine geben.« Der Engel dankte ihm und ging fort. Als die Reihe die Birnen zu hüten den dritten Bruder traf, kam der Engel noch einmal, und bat auch ihn um eine Birne. Und auch er pflückte eine von den Birnen die sein waren ab, gab sie ihm indem er sagte: »Da hast du von meinen Birnen, von denen, die den Brüdern gehören, kann ich dir keine geben.«
Am vierten Tage verwandelte sich der Engel in einen Mönch, kam früh am Morgen und traf alle drei Brüder noch zu Hause an, zu welchen er sofort sprach: »Kommt mit mir, ich will euch bessere Nahrung geben.« Und sie gingen mit ihm ohne Bedenken. Als sie an einen breiten Bach kamen, dessen Wasser rauschend vorüber floß, da machten sie Rast, und der Engel fragte den ältesten Bruder: »Was wünschest du zu haben?« Und er antwortete: »Daß dieses Wasser zu lauter Wein werde und mir gehöre.« Der Engel machte nur darüber mit seinem Stabe das Zeichen des Kreuzes, und alsbald floß statt des Wassers Wein. Da wurden Fässer gezimmert, der Wein wurde gefüllt; da sah man Leute arbeiten, ein ganzes Dorf war auf einmal entstanden. Da ließ nun der Engel den ältesten der Brüder, indem er zu ihm sprach: »Nun hast du was du dir gewünscht, hier lebe nun.« Hierauf nahm er die beiden Andern und ging mit ihnen weiter. Und sie kamen auf ein Feld, das mit Tauben ganz bedeckt war, da frug der Engel den zweitgebornen Bruder: »Was würdest du dir jetzt wünschen?« »Daß diese Tauben sich in Schafe verwandeln und mein seien.« Der Engel Gottes bekreuzte das Feld mit seinem Stabe, und alsbald wurden die Tauben zu Schafen und dabei waren Sennereien und Weiber, die die Heerden melkten, andere die die Milch maßen, wieder andere, die den Rahm abnahmen, noch andere die Käse machten, oder die das Fett ausließen; auch Fleischbänke fehlten nicht, in welchen gehackt, gewogen, Geld eingenommen wurde, überall sah man Leute beschäftigt, ein Dorf stand da. Da sprach der Engel zu ihm: »Da hast du nun, was du dir gewünscht hast.« Hierauf nahm er den jüngsten Bruder, und während er mit ihm über das Feld geht, fragte er ihn: »Und was wünschest du dir?« »Ich,« antwortete dieser, »verlange mir nichts Anderes, als daß Gott mir ein Weib von echt christlichem Sinne gebe.« Da sprach der Engel: »O, ein solches ist schwer zu bekommen, denn in der ganzen Welt giebt es deren nur drei, zwei davon sind bereits verheirathet, das dritte ist noch Mädchen, doch um es werben schon zwei Freier.« Nachdem sie weit, weit gegangen waren, kamen sie in eine Stadt, in der ein Kaiser regierte, und dieser hatte eine Tochter, welche echt christlichen Sinnes war. In der Stadt angelangt, gingen sie ungesäumt zum Kaiser und warben um die Prinzessin. Wie sie aber anhielten, waren auch schon zwei Kaiser da um sie zu werben und hatten ihre Aepfel auf den Tisch gelegt. Da legten auch sie ihren Apfel neben die andern.
Als der Kaiser ihrer ansichtig wurde, sprach er zu Allen die um ihn versammelt waren: »Was werden wir nun anfangen, jene Beiden sind Kaiser und diese im Vergleich zu ihnen Bettler?« Da sprach der Engel: »Wißt ihr was, wir wollen es so machen: Die Prinzessin nehme drei Reben und pflanze sie in ihrem Garten, eine jede derselben einem Freier zudenkend, und auf wessen Rebe bis Morgen Trauben gewachsen sein werden, mit dem soll sie sich vermählen.« Alle waren mit diesem Vorschlage zufrieden, die Prinzessin pflanzte drei Reben in ihrem Garten und dachte jede einem andern Freier zu. Und als der Morgen kam, da waren auf der Rebe des Armen die Trauben. Nun wußte sich der Kaiser keinen Ausweg und gab ihm seine Tochter, führte sie gleich nach der Kirche und vermählte sie ihm.
Nach der Trauung führte der Engel die Neuvermählten in einen Wald, worauf er sie verließ, und sie lebten dort im Walde ein ganzes Jahr. Als das Jahr um war, da sprach Gott abermals zu dem Engel: »Geh und sieh nach wie jene Waisen leben, und sollte es ihnen schlecht gehen, gib ihnen bessere Nahrung.« Und als der Engel zur Erde niederstieg, verwandelte er sich wieder in einen Bettler, und ging zuerst hin zu jenem, dem der Bach mit Wein floß, und bat ihn um ein Glas Wein, der aber jagte ihn mit den Worten von sich: »Wenn ich jedem ein Glas Wein gäbe, würde er mir bald ausgehen.« Wie der Engel das vernahm, da machte er mit seinem Stabe das Zeichen des Kreuzes, und in dem Bache floß wieder Wasser wie ehedem, worauf er zu diesem sprach: »Bruder, das taugte nicht für dich, geh wieder heim und hüte deinen Birnbaum.« Hierauf ging der Engel weiter, und kam zum Andern, dem die Schafe das Feld bedeckten, und bat ihn ihm ein Schnittlein Käse zu geben, aber auch der jagte ihn von sich indem er sprach: »Wenn ich jedem ein Stück Käse mittheilen wollte, würde er mir bald ausgehen.« Und als dies der Engel hörte, da machte er mit seinem Stabe das Zeichen des Kreuzes, und die Schafe wurden wieder zu Tauben, welche auf und davon flogen, worauf er zu diesem Bruder sprach: »Das taugte für dich nicht, geh wieder heim und hüte deinen Birnbaum.« Nun ging der Engel zuletzt noch zu dem Jüngsten, um zu sehen, wie denn dieser lebe, und als er hinkam, da fand er ihn im Walde mit seinem Weibe dürftig in einer Hütte lebend. Er bat sie, ihn über Nacht zu beherbergen, und sie nahmen ihn von ganzem Herzen gern auf, und baten nur sie zu entschuldigen, wenn sie ihn nicht so bewirthen, als sie es wünschten, »denn« sprachen sie »wir sind arme Leute.« Der Engel aber entgegnete ihnen: »Ich mache mir nichts daraus, und bin zufrieden mit dem was da ist.« Was sollten die nun anfangen? Sie hatten kein Getreide um ordentliches Brod zu backen, sondern pflegten die Rinde irgend eines Baumes zu stoßen, und aus diesem Mehle sich ihr Brod zu kneten. Solch ein Brod bereitete das Weib nun auch für ihren Gast, that es unter einen irdenen Deckel, damit es sich ausbacke, und besprach sich indessen mit ihrem Gaste. Nach einer Weile sahen sie nach, ob das Brod schon ausgebacken sei, aber sieh, da war unter dem Deckel ein ordentliches Brod, und hoch aufgeschossen, wie man es sich nicht schöner denken kann, hatte es sogar den Deckel ganz in die Höhe gehoben. Als sie das sahen, streckten sie die Hände zum Himmel und beteten: »Dank dir o Gott, nun können wir unsern Gast bewirthen.« Hierauf setzten sie das Brod dem Gaste vor, und auch in einem Kürbiß Wasser; sobald sie aber davon tranken, ward es zu Wein. Hierauf machte der Engel mit seinem Stabe das Zeichen des Kreuzes über die Hütte, und an deren Stelle erhob sich ein kaiserliches Schloß, in dessen Innerem Ueberfluß an Allem war. Dann segnete er sie und verließ sie daselbst, und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.

[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]

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