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Märchenbasar

Wie die Kräuterhexe ihren Wald verteidigte

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Es war einmal eine Kräuterhexe namens Vanilla, ein sehr liebenswürdiges altes Weiblein, welche im Kräuterwald zu Hause war. Dort wuchsen die herrlichsten Gräser, Blumen und Sträucher. Aber es befand sich auch so manch giftige Pflanze darunter. Deswegen war es nicht ratsam, achtlos Pflanzen zu pflücken. Nur Vanilla wusste um die Wirkung der Natur im Kräuterwald Bescheid.
In ihrer bescheidenen Hütte bewahrte sie das dicke, riesengroße Kräuterhexenbuch auf, welches schon ihre Ururururgroßmutter sehr zu schätzen wusste. Für jedes Wehwehchen war schließlich ein Kraut gewachsen, das mit dem richtigen Zauberspruch wahre Wunder vollbringen konnte.
Viele arme Menschen kamen zur Kräuterhexe mit der Bitte, ihnen zu helfen. Diesem Wunsch kam sie gerne nach, fand sie es doch als ihre Aufgabe, den Menschen den richtigen Gebrauch der Kräuter zu vermitteln. Dabei spielte es keine Rolle, ob jemand Geld hatte oder mittellos war.

Eines schönen Tages erkrankte König Rarirus an einer merkwürdigen Krankheit. Der König war ein selbstsüchtiger Mensch, der immer das Beste, das Neueste, das Größte, das Schönste besitzen wollte! Schließlich galt er als der reichste König weit und breit!
So ließ er nach dem Arzt rufen, um zu fragen, was ihm denn fehlte. Dieser machte ein komisches Gesicht und sagte dann: „Eure Majestät! Euer Reichtum ist es, der Euch bedrückt! Leider gibt es dagegen noch keine Medizin!“
Über diese Worte geriet der König so in Wut, dass er den ungehobelten Arzt in den königlichen Kerker sperren ließ.
Als nächstes sollte der königliche Zauberer zu ihm kommen. Der kannte bestimmt einen wirksamen Zauberspruch, der ihm helfen könnte, seine Schmerzen zu lindern. Doch auch der Zauberer schüttelte seinen Kopf und meinte: „Eure Majestät! Eure Krankheit vermag ich nicht wegzuzaubern! Aber wenn Ihr wollt, kann ich die Ursache, den Grund allen Übels, wegzaubern: Eure Besitztümer!“
Der König schrie aus Leibeskräften und befahl seinen Wachen, auch den Zauberer ins Verlies zu stecken.
Wie Rarirus sich den Kopf über seine Genesung zerbrach, streckte neckend der königliche Hofnarr seinen Kopf zur Tür herein. Er wollte seinen Herrn etwas aufmuntern, was ihm nicht so recht gelingen wollte.
Zornig schrie der König: „Wenn du mir nicht sagen kannst, was mir fehlt, dann verschwinde gefälligst wieder und lass mich in Ruhe nachdenken!“
Da begann der Hofnarr zu lachen: „Aber eure Majestät! Wie kommt Ihr darauf, dass Euch was fehlt? Im Gegenteil: Ihr habt zu viel! Verteilt doch alle Eure Besitztümer unter den Armen, so wird es Euch bald schon wieder gut gehen!“
König Rarirus traute seinen Ohren nicht. Was erlaubten sich Arzt, Zauberer und jetzt auch noch der Hofnarr? Er war der König und musste sich das nicht bieten lassen. Er entschied darüber, was er mit seinen Besitztümern anstellte, und er entschied auch darüber, dass der Hofnarr von nun an seine Zeit im Gefängnis fristen sollte.
Wutschnaubend schrie er seine Dienerschaft an: „Ich befehle euch, sofort hinaus in die Welt zu gehen und nicht eher zurück zu kommen als ihr ein Mittel gegen meine Krankheit gefunden habt. Und wehe euch, ihr kommt ohne Erfolg zurück! Dann ergeht es euch wie den anderen drei!“
Der König musste gar nicht weiter sprechen, alle wussten sofort, was der König meinte und machten sich gehorsam auf Wanderschaft.

Schon bald kehrte ein Diener aufgeregt zum König zurück und berichtete ihm von seiner Entdeckung des Kräuterwaldes am Rande des Königreiches.
„Was stehst du noch hier rum?“, brüllte der König. „Lauf geschwind und bring mir alle Kräuter, die du finden kannst!“
„Aber Eure Majestät! Ich kann doch nicht den ganzen Kräuterwald abpflücken!“, empörte sich der Diener.
„Was? Du wagst es, mir zu widersprechen?“
„Nein, natürlich nicht! Aber im Kräuterwald wachsen auch viele giftige Pflanzen, habe ich mir sagen lassen. Um die Wirkung der einzelnen Pflanzen weiß nur die Kräuterhexe Vanilla mit ihrem Kräuterhexenbuch Bescheid!“, entgegnete der Diener.
„Warum sagst du das nicht gleich?“, fragte Rarirus. „Geh zu ihr und überbring ihr meine Botschaft, sie müsste mir einen Kräutertrank hexen! Falls sie sich weigert, droht ihr die Gefängnisstrafe! Niemand wagt es, mir zu widersprechen!“

Der Diener ließ keine Zeit verstreichen und eilte in den Kräuterwald zur Hexe. Er erzählte Vanilla vom kranken König und seinem Befehl.
Daraufhin lachte das Weiblein und meinte: „So einem störrischen König soll ich auch noch helfen? Nein, niemals!“
Auch die angedrohte Strafe ließ Vanillas Herz nicht erweichen. Sie wollte ihrem Grundsatz treu bleiben und nur guten, dankbaren Menschen mit ihren Hexereien zur Seite stehen.

Schnell überbrachte der Diener dem König die schlechte Nachricht. Der König lag in seinem Bett und krümmte sich vor lauter Bauch- und Kopfschmerzen. Aber es ging ihm immer noch nicht schlecht genug, denn brüllen konnte er besser wie kein anderer: „Diese Hexe soll ihr blaues Wunder erleben!“
Nachdem er den Diener ins Gefängnis hatte sperren lassen, um ihn für seine misslungene Aufgabe zu bestrafen, machte er sich selbst auf in den Kräuterwald.
Der Weg dorthin war schwierig zu finden. Bis vor kurzem wusste er nicht einmal von dessen Existenz. Als er endlich glaubte, dort angekommen zu sein, schrie er schon von weitem: „Kräuterhexe, lass dich blicken! Du bist verdammt, bis an dein Lebensende in meinem Kerker zu schmoren! Du undankbares Weib! Willst nicht deinem König dienen!“
Natürlich konnte man den König weithin hören. So erschrak auch die Kräuterhexe über den plötzlichen Lärm, sah zum Fenster hinaus und erkannte den König, der in ihren Kräuterwald eindringen wollte.
Schnell blätterte sie in ihrem Kräuterhexenbuch, fand auch schon alsbald den gesuchten Zauberspruch, nahm ihren Zauberstab und rannte ins Freie.
Dort schwang sie den Zauberstab, der aus einem geschwungenen Ast bestand und murmelte die Zauberworte:
„Lirum, larum, Löffelstiel!
König Rarirus brüllt zu viel!
Alle Kräuter gehören mir,
niemals, niemals schenke ich sie dir!
Nie lass ich Euch in den Kräuterwald hinein,
er soll von Brennesseln umgeben sein!“
Wie sie diese Worte ausgesprochen hatte, so stand rings um den Kräuterwald herum ein hoher Zaun aus Brennesseln.
Der König, der natürlich gar keine Ahnung von Kräutern und Pflanzen hatte, stürmte schnurstracks auf die Brennesselsträucher zu und wollte sich mit lauter Geschrei hindurchzwängen.
Doch kaum kam er in Berührung mit diesen Pflanzen, so heulte er vor lauter Schmerzen auf, schlug wild um sich, was den Schmerz noch größer machte.
Mit lauter roten Punkten am ganzen Körper sah er ein, dass die Kräuterhexe mächtiger als er war, und verließ mit Geschrei und Geplärre den verhexten Ort, um in sein Schloss zurückzukehren.
Dort angekommen musste er feststellen, dass sich kein Mensch mehr im Schloss befand, auch nicht im Verlies. Fast alle hatten ihn verlassen, weil sie nicht mehr mit ihm auskommen wollten. Nur der Hofnarr war geblieben und blieb beim König, bis er ihn überzeugt hatte, dass Reichtum alleine nicht glücklich macht. Und je mehr Rarirus Gutes mit seinem Reichtum tat, desto wohler fühlte er sich. Das Volk begann ihn zu lieben und der gesamte Hofstaat kehrte zurück. Von Stund an lebte der König zufrieden und regierte sein Volk in Weisheit und Güte. Auch entschuldigte er sich bei der Kräuterhexe und fortan lebten alle miteinander in Frieden und Eintracht.

Quelle: Carmen Kofler

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