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Wie ward ein Zigeuner schnell reich?

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Ein Zigeuner, der sich auf Gottes lieber Welt müssig herumtrieb, kam einmal zu einem Bojaren und bat diesen, er möge ihn in den Dienst nehmen. Der Bojare, der die Trägheit der Zigeuner kannte, versagte es ihm. Der Landstreicher liess aber von seinen Bitten nicht eher ab, als bis der Bojare ihn doch aufnahm. So ward der Zigeuner dem Hausgesinde angereiht, doch unter der Bedingung, die erste Nacht in dem hölzernen Stalle in Gesellschaft mit einem Bären, den der Bojare hatte, zuzubringen, wofür dieser ihm den Dienstlohn eines Jahres zahlen werde. Auf diese Weise glaubte nämlich der Herr des lästigen Patrons ledig zu werden.
Da es noch nicht Abend geworden war, ging der Zigeuner in die Stadt, kaufte wälsche Nüsse und Branntwein und kam gegen Abend in den Bojarenhof. Um die Zeit des Schlafengehens führte der Bojare selbst den Zigeuner in den Stall und schloss hinter ihm die Thür. Der Zigeuner trat in einen Winkel des Stalles und knackte ganz gemächlich seine Nüsse. Der Bär kam zum Zigeuner und forderte, dass er ihm auch von seinen Vorräten mitteile. Er gab ihm eine geknackte Nuss, die sich der Herr Bär recht gut schmecken liess. Dann bat er den Zigeuner, er möge ihm eine nichtgeknackte Nuss geben; dieser gab ihm aber ein Stück Eisen. Der Bär biss hinein, dass ihm die Zähne brachen, und konnte doch nicht zum Kern kommen. Er forderte daher wieder Nüsse, aber ohne die Schalen, was ihm der Zigeuner nicht verwehrte. Der Vorrat ging aber bald zu Ende, und der Bär sagte: »Jetzt werde ich Dich auffressen.« »Lass uns zuvor zusammen trinken«, antwortete der Zigeuner, brachte die gefüllte Branntweinflasche zum Vorschein, trank selbst und gab auch seinem Gefährten, der einen langen, langen Zug aus der Flasche that. Der Zigeuner wusste wohl, dass der Branntwein seine Wirkung nicht verfehlen könne und fing jetzt auf seiner Geige zu fiedeln an. Der Bär sprang nach Herzenslust herum und als er das Tanzen satt war, nahm er vom Zigeuner die Geige und versuchte selbst einige Striche mit dem Fiedelbogen. Die Ungeschicklichkeit aber, mit der er zu Werke ging, fiel ihm selbst auf, und er fragte daher den Zigeuner, ob es wohl möglich wäre, dass seine Prazen flacher und zum Geigenspiel geeigneter würden. »Ja«, antwortete der Zigeuner, »siehst Du den Keil dort? Bringe ihn her!« Der Bär that es mit Freuden. So trieben beide die Balken der Wand mittels des Keiles auseinander und der Zigeuner hiess dem Bären beide Tatzen in die Fuge hineinsstecken. Der Bär hegte keinen Verdacht und that, wie ihm geraten wurde. Der Zigeuner zog jetzt aber den Keil heraus und die Vorderbeine des Musikfreundes befanden sich nun unter der Presse. Der Bär hatte schon alle Lust verloren, den Fiedelbogen zu führen; er flehte und drohte, aber es half nichts; der Zigeuner war garnicht aufgelegt, ihn von den Martern zu befreien und nachher sich auffressen zu lassen. Ja er traktierte den Bären mit einer Portion Schläge, dass ihm die Sinne schwanden. Der Morgen graute bereits und bald kam der Bojare in den Stall aus Neugierde, was mit dem Zigeuner geschehen. Er staunte nicht wenig, als er ihn wohl behalten und das Tier in der Presse fast leblos fand. »Mit dem«, dachte der Bojare, »ist nichts zu beginnen«, zahlte dem Zigeuner gleich die bestimmte Summe, und so erwarb der braune Landstreicher in einer Nacht eine Barschaft, für welche jeder aus dem Hausgesinde des Bojaren sich ein ganzes Jahr hindurch abmühen musste.

[Ukraine: Raimund Friedrich Kaindl: Ruthenische Märchen und Mythen aus der Bukowina]

 

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