0
(0)
Wildschwein und Chamäleon, so geht die Mär, waren eines Tages auf der Nahrungssuche und begegneten sich am Ufer des Entwässerungskanals eines Reisfeldes. Das Wildschwein fragte das Chamäleon nach woher? wohin? »Ich suche mir etwas zu essen,« antwortete es. »Du wirst gerade was zum Beißen finden, du bist ja so schwach und langsam! Du mußt nicht so planlos umherirren. Fürchtest du dich denn nicht, einmal einem solch großen Tier wie mir zu begegnen und von seinen Hufen zertreten zu werden?« »Du hast schon recht,« entgegnete das Chamäleon, »und alles, was du sagst, stimmt aufs Haar. Aber bedenke doch auch, bin ich schon klein, so brauche ich nur wenig zum Essen, und deshalb kann ich mir sehr leicht das verschaffen, was ich nötig habe.« Das Wildschwein war darob ganz erstaunt und fand keine Worte zur Erwiderung. Das Chamäleon setzte hinzu: »Bist du einverstanden, Herr Vetter, dann wetten wir einmal. Glaube aber bitte nicht, daß ich dich, den viel Stärkeren, zum Kampfe herausfordern will. Ich schlage dir nur ein einfaches, kleines Vergnügen vor.« – »Einverstanden; wenn du schon, trotz deiner Kleinheit, so verwegen bist, dann werde ich, der Große und Starke, doch nicht nein sagen. Sprich, welche Wette wollen wir eingehen?« – »Was du willst!« Sie entschieden sich für einen Wettlauf und wählten zum Ziel einen Baum, der in recht beträchtlicher Entfernung vor ihnen am Wege stand. »Ich bin fertig!« sagte das Wildschwein. »Warte bitte noch einen Augenblick,« sprach das andere Tier, »damit ich das Ziel klar erkennen kann.« Dabei traf das Chamäleon einige Vorbereitungen, um im geeigneten Augenblick auf den Rücken des Schweines springen zu können. Als es eine günstige Stelle gefunden hatte, rief es: »Herr Vetter, es kann losgehen!« Gleichzeitig sprang es auf den Rücken des Schweines, das unter Aufbietung aller Kräfte vorwärtsstürmte. Als sie am Ziel waren, ließ sich das Chamäleon ins Gras fallen. Das Wildschwein schaute sich um und meinte, das Chamäleon wäre noch weit hinten. »Herr Vetter,« rief es, »schaut nicht zurück, ich bin bereits hier vor dir!« Wütend wollte das Wildschwein den Wettstreit nochmals zum Austrag bringen. Das Chamäleon nahm an, gebrauchte dieselbe List und war wieder der Erste. Das Wildschwein war immer ärgerlicher geworden: »Kein Tier hat mich je besiegt; ich werde mich rächen und dich verschlingen.« – »Das wäre Verrat, Herr Vetter! Haben wir nicht eine gemeinsame Abmachung getroffen?« – »Ich erinnere mich daran nicht im allergeringsten, ich will dich fressen.« – »Na, dann erlaube mir wenigstens, meine Verwandten vorher davon in Kenntnis zu setzen, denn das ist ja kein Spiel mehr, sondern eine höchst wichtige Angelegenheit.« – »Mach, daß du fortkommst,« sagte das Wildschwein, »ich werde hier warten.«
Also begab sich das Chamäleon fort; es traf zunächst den Tsintsina-Vogel und sprach zu ihm: Ich will mit dem Wildschwein kämpfen; bitte, stehe mir bei, du bist ja ein hilfsbereiter Freund.« – »Gern,« erwiderte der Tsintsina-Vogel, »vertraue mir nur; ich werde im hohen Grase sitzen und aufpassen.« Darauf erblickte das Chamäleon die Wachtel und bat sie um die gleiche Hilfeleistung; die Wachtel sagte zu und wollte sich in den Graben begeben, um dem Kampfe zuzuschauen. Alsdann traf das Chamäleon die Lerche, den Papelika-Vogel und den Frosch; es erzählte allen dasselbe und erhielt die gleiche Antwort. Inzwischen war das Wildschwein ungeduldig geworden und, anstatt auf seinen Feind zu warten, ihn suchen gegangen. Unterwegs wurde es vom Tsintsina-Vogel bemerkt, der rief: »Jaty! Jaty! Da ist er! Da ist er!« Das Wildschwein meinte die Stimme des Menschen zu hören und schlug sich seitwärts in die Büsche. In der nächsten Bodensenke rief ihm die Wachtel entgegen: »Safaleo Safaleo! Umzingelt, umzingelt ihn!« Es flüchtete weiter. Am Bergfuße bemerkte es der Papelika-Vogel: »Bobo! Bobo! Piff, paff!« In der Ebene ließ die Lerche ihren Ruf erschallen, als es bei ihr vorüberlief: »Sorosy! Sorosy! fangt ihn! Fangt ihn!« Und als es durch ein Reisfeld trabte, quarkte der Frosch: »Peheto! Peheto! Greift an! Greift an!« Das Wildschwein, das von all den Anstrengungen ganz erschöpft war, wußte nicht, nach welcher Seite es flüchten sollte. In diesem Augenblick kam der Mensch mit einem Hunde vorbei. Sie töteten das Wildschwein.
So wurde das große und starke Wildschwein von der Klugheit des kleinen Chamäleons besiegt.
Also begab sich das Chamäleon fort; es traf zunächst den Tsintsina-Vogel und sprach zu ihm: Ich will mit dem Wildschwein kämpfen; bitte, stehe mir bei, du bist ja ein hilfsbereiter Freund.« – »Gern,« erwiderte der Tsintsina-Vogel, »vertraue mir nur; ich werde im hohen Grase sitzen und aufpassen.« Darauf erblickte das Chamäleon die Wachtel und bat sie um die gleiche Hilfeleistung; die Wachtel sagte zu und wollte sich in den Graben begeben, um dem Kampfe zuzuschauen. Alsdann traf das Chamäleon die Lerche, den Papelika-Vogel und den Frosch; es erzählte allen dasselbe und erhielt die gleiche Antwort. Inzwischen war das Wildschwein ungeduldig geworden und, anstatt auf seinen Feind zu warten, ihn suchen gegangen. Unterwegs wurde es vom Tsintsina-Vogel bemerkt, der rief: »Jaty! Jaty! Da ist er! Da ist er!« Das Wildschwein meinte die Stimme des Menschen zu hören und schlug sich seitwärts in die Büsche. In der nächsten Bodensenke rief ihm die Wachtel entgegen: »Safaleo Safaleo! Umzingelt, umzingelt ihn!« Es flüchtete weiter. Am Bergfuße bemerkte es der Papelika-Vogel: »Bobo! Bobo! Piff, paff!« In der Ebene ließ die Lerche ihren Ruf erschallen, als es bei ihr vorüberlief: »Sorosy! Sorosy! fangt ihn! Fangt ihn!« Und als es durch ein Reisfeld trabte, quarkte der Frosch: »Peheto! Peheto! Greift an! Greift an!« Das Wildschwein, das von all den Anstrengungen ganz erschöpft war, wußte nicht, nach welcher Seite es flüchten sollte. In diesem Augenblick kam der Mensch mit einem Hunde vorbei. Sie töteten das Wildschwein.
So wurde das große und starke Wildschwein von der Klugheit des kleinen Chamäleons besiegt.
[Paul Hambruch, Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde, Märchen der Welt]