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Winterkölbl

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Es lebte einmal ein armer Holzhauer mit seiner Frau und seinem kleinen Töchterlein an einem großen Wald. Er wusste oft nicht, womit er den Hunger der Seinen stillen sollte, und nahm sich deshalb vor, seine Tochter in den Wald zu führen und dort zu verlassen.

Als er wieder einmal für sich und seine Familie nichts zu essen hatte und auch keine Arbeit bekommen konnte, nahm er das Kind mit in den Wald und verließ es auf einer schönen Waldwiese, mit dem Versprechen, bald wiederzukommen. Um das Kind zu täuschen, band er ein Stück Holz mittels eines Strickes an einen Baum, so dass der Wind es hin- und herschleuderte; das Anschlagen an den Baum machte ein Geräusch, als ob man mit einer Axt Holz fällte.

Das Kind wurde dadurch getäuscht, suchte Erdbeeren und spielte mit den Blumen; nach einiger Zeit schlief es müde vom Herumlaufen ein. Als es erwachte, stand der Mond schon hoch am Himmel, und der Vater kam noch immer nicht. Das Mädchen fing nun heftig zu weinen an und lief tiefer in den Wald hinein, um den Vater zu suchen.

Auf einmal erblickte es ein Feuer, neben welchem mehrere kleine topfförmige Gefäße standen. Neugierig lief es hin, legte geschäftig trockene Reiser auf das erlöschende Feuer und blies aus Leibeskräften hinein, um es zu verstärken. Als es sich umwandte, bemerkte es ein Männlein, welches ihm wohlgefällig zulächelte. Es war ganz grau, und der weiße Bart, welcher seltsam vom grauen Kittel abstach, ging ihm bis über die Brust herab.

Die Kleine fürchtete sich, und wollte davonlaufen; doch der Zwerg rief sie zu sich. Widerstrebend gehorchte das Kind; der Alte streichelte ihm die Backen und sprach so freundlich, dass es alle Furcht verlor und ihm beim Kochen behilflich war. Der Graue fragte um den Namen und wer sein Vater sei. Als das Mädchen es ihm mit Tränen in den Augen sagte, tröstete er es und meinte, es solle bei ihm bleiben und seine Tochter sein. Das Kind nahm es an und wurde von dem Alten in dessen Wohnung geführt. Es war dies ein großer hohler Baum, in welchem ein Haufen Laub die Stelle des Bettes vertrat. Das Männlein richtete noch ein zweites Lager her, damit sich das ermüdete Kind zur Ruhe legen konnte.

Am andern Morgen weckte der Zwerg das Mädchen, und sagte, er müsse fortgehen, es solle unterdessen das Haus – so nannte er den Baum – in Ordnung halten, bis er wiederkomme. Er kam auch bald zurück und zeigte ihm alles, lehrte es kochen und die anderen häuslichen Verrichtungen; so verging der Tag schnell, und der Abend kam heran, ehe sie sich’s versahen. —

So lebten sie mehrere Jahre ruhig und zufrieden; das Mädchen war herangewachsen, so dass es seinen Pflegevater bald kopfhoch überragte. Da sprach der Zwerg eines Abends zu ihm: »Ich muss jetzt auch für deine Zukunft sorgen; die Königin, welche hier in der Nähe wohnt, bedarf einer treuen Dienerin, und ich war dort und habe dich ihr empfohlen, sie ist gesonnen, dich aufzunehmen. Bleib nur fein sittsam, dein Leben lang wird es dir dann nicht schlecht gehen.«

Am andern Morgen gingen sie zusammen ins Schloss, die Jungfrau wurde der Königin vorgestellt und von ihr aufgenommen. Von ihrem Pflegevater nahm sie herzlichen Abschied, und er musste versprechen, sie jeden Sonntag zu besuchen. Noch war sie nicht lange im Dienst, als der junge König, der mit einem anderen Krieg geführt hatte, als Sieger heimkehrte. Der junge König fand Gefallen an dem Mädchen und begehrte es zur Frau. Seine Mutter, welche die Jungfrau sehr gern hatte, willigte ein.

Als der Graue, wie man ihn im Schloss nannte, wieder einmal kam, um seine Tochter zu besuchen, sagte die Königin, dass ihr Sohn gesonnen sei, seine Tochter zu heiraten, dass auch diese eingewilligt habe und es jetzt nur noch auf ihn ankomme, seinen Wunsch auszusprechen.

Der Alte sagte mürrisch: »Der König wird nur dann mein Töchterlein bekommen, wenn er mir meinen Namen sagen kann.« Daraufhin entfernte er sich und ging wieder in den Wald zurück.

Im Wald angekommen, machte er wie gewöhnlich sein Feuer an und kochte. Während des Kochens hüpfte er oft um das Feuer und sang:

»Siede, Topfchen, siede,
damit der König es nicht weiß,
dass ich Winterkölbl heiß‘.«

Der König zerbrach sich den Kopf und schickte zuweilen einen Diener aus, damit er diesen erfahre. Ein solcher Diener hörte dem Alten einmal zu und eilte freudig ins Schloss zurück, sagte dem König den Namen und erhielt viele Goldstücke zur Belohnung.

Als der Zwerg wiederkam, begrüßte ihn der König mit den Worten: »Willkommen, Vater Winterkölbl!«

Dieser sah sich überlistet und gab seine Einwilligung. Die Hochzeit wurde festlich begangen, und auch Winterkölbl war zugegen. Er war aber nicht dazu zu bringen, in das Schloss zu ziehen, und wohnte nach wie vor in seinem Baum.

Quelle:
(Theodor Vernaleken)

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