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Zarewna Frosch

3.5
(10)

In einem Land, in einem Reich, lebten einmal ein Zar und eine Zarin, die hatten drei Söhne, alle jung, ledig und dabei so kühne Helden, daß es im Märchen nicht zu erzählen, mit der Feder nicht zu beschreiben ist.
Der Jüngste hieß Iwan Zarewitsch.
Da sprach einmal der Zar zu ihnen:
»Meine lieben Kinder, nehmt euch jeder einen Pfeil, spannt eure starken Bogen und schießt nach verschiedenen Richtungen. Wo die Pfeile niederfallen, dort findet ihr eure Bräute.«
Der älteste Sohn schoß und sein Pfeil fiel in eines Bojaren Hof gerade vor dem Turme der Mädchen nieder.
Der zweite Sohn schoß und sein Pfeil flog in eines Kaufmanns Haus und blieb gerade vor der Rampe stecken, da stand ein herziges Mädchen, des Kaufmanns Tochter.
Der jüngste Sohn schoß und sein Pfeil flog in einen trüben Sumpf und ein Quakfrosch erfaßte ihn. Da sagte Iwan Zarewitsch:
»Wie kann ich eine Quakuschka zur Frau nehmen, die ist doch nicht meinesgleichen.«
»Nimm sie nur,« antwortete ihm der Zar, »das ist eben dein Los.«
So heirateten die Zarewitsche: Der älteste die Bojarentochter, der zweite die Kaufmannstochter und Zarewitsch Iwan den Quakfrosch.
Der Zar berief seine Söhne und sagte:
»Eure Frauen sollen mir jede zum Frühstück ein weiches, weißes Brot backen.«
Iwan Zarewitsch kehrte traurig in sein Zimmer zurück und ließ den mutigen Kopf tief hängen.
»Qua, Qua, Iwan Zarewitsch, warum bist du so betrübt? Hast du von deinem Vater ein böses Wort gehört?« fragte ihn Quakuschka.
»Wie sollte ich nicht traurig sein! Mein Väterchen, der Zar befahl, du solltest ihm zum Frühstück ein weiches, weißes Brot backen.«
»Gräm dich nicht, Zarewitsch. Leg dich nur schlafen, der Morgen ist klüger als der Abend.«
Der Zarewitsch legte sich schlafen, da warf der Frosch seine Haut ab und stand als schönes Mädchen da.
Der Frosch war nämlich Wassilissa, die Wunderkluge. Sie trat auf die Rampe vor und schrie mit lauter Stimme:
»Ammen und Wärterinnen, kommt alle herbei! Backt mir ein weiches Brot, wie ich es immer zu Hause bei meinem Väterchen aß!«
Am nächsten Morgen erwachte Iwan Zarewitsch, da hielt Quakuschka das Brot schon lange bereit und es war so ausgezeichnet, wie man es weder beschreiben noch sich ausmalen, sondern nur im Märchen vorfinden kann. Das Brot war verschiedentlich kunstvoll verziert. Man sah Städte, Türme und Mauern darauf abgebildet.
Der Zar dankte Iwan Zarewitsch für das Brot und gab seinen Söhnen einen neuen Befehl.
»Eure Frauen sollen mir in einer Nacht jede einen Teppich weben.«
Iwan Zarewitsch kam tief betrübt heim und ließ seinen mutigen Kopf tief hängen.
»Qua, Qua, Zarewitsch, weshalb bist du so traurig? Hat dein Vater dir ein hartes Wort gesagt?«
»Wie sollte ich nicht traurig sein? Der Zar, mein Vater, befahl, in einer Nacht einen seidenen Teppich für ihn zu weben.«
»Gräm dich nicht, Iwan Zarewitsch, sondern leg dich zur Ruhe. Der Morgen ist klüger als der Abend.«
Da ging er schlafen, sie aber warf ihre Froschhaut ab und stand sofort als wunderschöne, wunderkluge Wassilissa da.
Sie ging auf die Rampe vor das Haus und rief mit lauter Stimme:
»Ammen und Wärterinnen! Kommt schnell herbei, webt mir einen Teppich, der soll so schön sein, wie derjenige, auf dem ich zu Hause bei meinem Väterchen saß.«
Wie gesagt, so getan. Am Morgen erwachte Iwan Zarewitsch und Quakuschka hatte schon lange den Teppich bereit. Der war so prachtvoll, wie man es sich weder vorstellen, noch erfinden, sondern nur im Märchen davon erzählen kann. Der Teppich war kunstvoll gemustert, mit Gold und Silber verziert.
Der Zar dankte Iwan Zarewitsch für seinen Teppich und gab neuerdings einen Befehl. Die drei Zarewitsche sollten mit ihren Frauen zu ihm auf Besuch kommen.
Wieder kehrte Iwan Zarewitsch traurig heim und ließ seinen mutigen Kopf tief hängen.
»Qua, Qua, Iwan Zarewitsch, warum bist du so traurig? Hast du von deinem Vater ein hartes Wort gehört?«
»Wie sollte ich nicht traurig sein? Der Zar, mein Vater, befahl, daß ich mit dir zu Besuch komme; wie kann ich dich den Leuten zeigen!«
»Gräm dich nicht, Zarewitsch, und geh allein voraus zum Zaren, ich komme dir nach. Wenn du Donnergepolter hörst, dann sage:
‚Da kommt mein Frosch, meine Quakuschka!’«
Die älteren Brüder erschienen mit ihren Frauen, die waren prächtig angezogen, standen da und lachten Iwan Zarewitsch aus.
»Bruder, was heißt das, bist du ohne Frau gekommen, oder hast du sie im Tüchlein mitgenommen? Wo hast du nur die Schöne gefunden? Du hast wohl den ganzen Sumpf abgesucht.«
Plötzlich erhob sich ein ungeheures Getöse und Donnern. Das ganze Schloß erzitterte. Die Gäste erschraken sehr, sprangen von ihren Sitzen auf und wußten nicht, was sie tun sollten.
Da sagte Iwan Zarewitsch:
»Fürchtet euch nicht, es kommt nur mein Fröschlein gefahren.«
Vor der Schloßrampe hielt ein vergoldeter Wagen, der war mit sechs Pferden bespannt und Wassilissa die Wunderkluge stieg aus.
Sie war so wunderschön, daß man es weder ausmalen noch erfinden, sondern nur im Märchen davon erzählen kann.
Sie nahm Iwan Zarewitsch bei der Hand und führte ihn zu den Tischen, die mit Speisen besetzt, mit Tüchern gedeckt waren. Die Gäste aßen und tranken und waren fröhlich. Wassilissa die Kluge trank und goß die letzten Tropfen aus ihrem Glase in ihren linken Ärmel, dann aß sie von einem Schwan und steckte die Knöchelchen in ihren rechten Ärmel.
Die Frauen der älteren Brüder sahen ihre Künste und machten ihr alles nach.
Wassilissa die Wunderkluge tanzte nach dem Essen mit Iwan Zarewitsch. Sie winkte dabei mit der linken Hand, da entstand ein See, sie winkte mit der rechten, da schwammen auf dem Wasser weiße Schwäne.
Da staunten der Zar und seine Gäste.
Die älteren Schwiegertöchter tanzten auch und winkten mit der linken Hand, da bespritzten sie alle Gäste, sie winkten mit der rechten Hand, da flogen die Knochen dem Zaren gerade ins Gesicht. Der Zar wurde böse und jagte beide in Ungnade davon.
Unterdessen benützte Iwan Zarewitsch den Augenblick, lief nach Hause, fand die Froschhaut und verbrannte sie am großen Feuer.
Wassilissa kehrte heim und fand ihre Froschhaut nicht. Sie klagte und trauerte und sagte zum Zarewitsch:
»Ach Iwan Zarewitsch, was hast du getan? Hättest du noch ein wenig gewartet, wäre ich auf ewig dein geworden. Jetzt aber leb wohl! Such mich hinter dreimal neun Landen, im dreimal zehnten Reich, beim unsterblichen Koschtschei.«
Sie verwandelte sich in einen Schwan und flog zum Fenster hinaus.
Iwan Zarewitsch weinte bitterlich, betete zu Gott, verneigte sich nach allen vier Seiten und zog aus, immer gerade fort.
Er ging über nah und fern, über kurz und lang, da traf er einen alten Mann.
»Wackerer Bursche, sei gegrüßt,« sagte dieser, »was machst du? Wohin geht der Weg?«
Der Zarewitsch erzählte ihm sein Unglück.
»Ja, Iwan Zarewitsch, weshalb verbranntest du die Froschhaut? Du hattest sie ihr nicht angezogen, du hättest sie ihr nicht wegnehmen dürfen. Wassilissa die Wunderkluge war klüger und weiser als ihr Vater, darüber war er so zornig, daß er sie für drei Jahre in einen Frosch verwandelt hat. Hier hast du einen Knäuel, wohin er rollt, geh ruhig nach.«
Iwan Zarewitsch dankte dem Alten und folgte dem Knäuel. Er ging im freien Feld dahin, da traf er einen Bären.
»Ei,« sagte er, »den will ich töten.«
Da sprach der Bär:
»Erschlag mich nicht, zur rechten Zeit will ich dir nützen.«
Iwan ging weiter, plötzlich sah er einen Enterich fliegen, da zielte er nach ihm, denn er wollte den Vogel schießen.
Da sprach der plötzlich mit menschlicher Stimme:
»Töte mich nicht, Zarewitsch. Ich werde dir noch nützlich sein.«
Iwan ging weiter und ließ ihn leben.
Da lief ein Hase vorbei, den wollte der Zarewitsch wieder schießen, aber der Hase sprach mit menschlicher Stimme:
»Verschone mich, ich will dir später noch nützen.«
Iwan verschonte ihn und ging weiter, bis an das blaue Meer, da sah er im Sande einen Hecht liegen, der war nahe daran, zu verschmachten.
»Ach, Iwan Zarewitsch,« sprach der Hecht, »hab Mitleid mit mir und wirf mich ins Meer.«
Iwan Zarewitsch warf ihn ins Wasser und ging am Ufer weiter. Über kurz oder lang rollte der Knäuel in ein Hüttchen, das stand auf Hühnerfüßen und drehte sich.
Da sprach der Zarewitsch:
»Hüttchen, Hüttchen, steh wie ehedem, wie Mütterchen dich aufgebaut, zu mir mit deinem Angesicht und kehr dem Meere den Rücken.«
Das Hüttchen blieb stehen vor seinem Angesicht und kehrte dem Meere den Rücken zu.
Der Zarewitsch trat ein und sah: Da lag hoch oben auf dem Ofen Baba Jaga mit dem Knochenbein, ihre Nase erreichte die Zimmerdecke, der Schmutz lag bis an die Türe. Sie fletschte mit den Zähnen und schrie:
»Heda, wackerer Bursche, was führt dich zu mir?«
»Ach, du altes Weib, könntest mir wohl vorerst Speise und Trank reichen, mir ein Bad bereiten und dann erst fragen!«
Baba Jaga gab ihm Speise und Trank, heizte ihm ein Bad und der Zarewitsch erzählte ihr, daß er seine Frau, Wassilissa die Wunderkluge suche.
»Ich weiß, die ist jetzt bei dem unsterblichen Koschtschei,« sagte Baba Jaga, »und schwer wieder zu erlangen. Mit Koschtschei wird man nicht so leicht fertig. Sein Tod sitzt in einer Nadel, die Nadel ist in einem Ei, das Ei ist im Hasen, aber der Hase im Koffer, der Koffer steht auf einer hohen Eiche und den Baum hütet Koschtschei wie seinen Augapfel.«
Jaga zeigte dem Zarewitsch, wo der Eichbaum wuchs, und er ging hin. Er wußte aber nicht, wie er den Koffer erlangen sollte. Plötzlich rannte der Bär einher und riß den Baum mit der Wurzel aus. Der Koffer fiel herab und zerbrach, da sprang ein Hase heraus und lief in größter Eile davon, aber ein anderer Hase jagte ihm nach, ereilte ihn, packte und zerriß ihn zu kleinen Stücken.
Aus dem Hasen flog eine Ente empor, hoch, hoch in die Luft, aber ein Enterich stieß ihr nach und kaum hatte er sie erreicht, ließ sie ein Ei fallen – das fiel ins Meer.
Als Iwan Zarewitsch dies große Unglück sah, zerfloß er in Tränen.
Plötzlich schwamm ein Hecht ans Ufer und hielt zwischen seinen Zähnen das Ei. Iwan Zarewitsch nahm es und schlug es auf, da fand er die Nadel.
Koschtschei aber lief ängstlich in seinem Hause hin und her, und als Iwan Zarewitsch der Nadel die Spitze abbrach, fiel Koschtschei um und war tot.
Jetzt ging der Zarewitsch hin und holte Wassilissa die Wunderkluge heim in sein Schloß. Dort lebten sie noch lange und glücklich miteinander.

[Rußland: A.N. Afanaßjew: Russische Volksmärchen]

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