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Es waren einmal Riesenleute, die im Walde wohnten. Um ihre Stube herum waren üppige Wiesen, so daß das Vieh des Riesen immer gut gehalten war; aber die Leute in den nächsten angebauten Gegenden hatten schlechte und unfruchtbare Weiden. Dies verdroß sie, und sie ließen zuweilen ihr Vieh auf den Gründen des Riesen weiden. Dieses aber lief nicht immer gut ab; denn der Riese, welcher sehr grausam war, überfiel die Hirten und ermordete sie.
Nicht weit von dem Hofe des Riesen wohnte eine arme Frau, die hatte einen einzigen Sohn. Er war zart und klein gewachsen, aber sehr verschmitzt und dreisten Sinnes. Eines Tages sagte der Knabe zu seiner Mutter, daß sie drei Käse gerinnen machen sollte. Die Frau that nach seinem Begehren. Als nun die Käse fertig waren, rollte sie der Knabe in die Asche, so daß sie grau und widerlich aussahen. Hierüber wurde die Mutter verdrießlich, und schalt ihn aus, daß er die Gaben Gottes unnütz vergeudete. Der Knabe aber bat sie, sich zufrieden zu geben, sie könnte nicht wissen, was er im Sinne hätte.
Früh am Morgen zog der Knabe mit dem Vieh seiner Mutter zum Walde, und trieb das Vieh auf die Weideplätze des Riesen. Hier schweifte er ungehindert umher, so lange die Sonne am Himmel stand; gegen Abend rief er sein Vieh zusammen, und machte sich bereit, wieder nach Hause zu kehren. Aber während der Zeit hatte der Riese seinen Besuch wahrgenommen, und kam ihm jetzt mit großen Schritten entgegen. Der Riese war sehr erzürnt, und so grimmig anzuschauen, daß den Knaben trotz seiner Beherztheit die Angst befiel.
»Was thust du hier in meinem Gehege?« brüllte der Riese. Der Knabe antwortete, daß er gegangen war, um eine Weide für sein Vieh zu finden. Der Riese entgegnete: »Packe dich sogleich fort, sonst will ich dich zerdrücken, wie ich jetzt diesen Stein zermalme.« Hierbei faßte er einen großen grauen Stein, der am Boden lag, und zerdrückte ihn, so daß der Stein in tausend Fliesen zerstob. Der Knabe sagte: »Du bist sehr stark; aber ich bin nicht geringer an Kräften, obschon ich klein gewachsen bin.« Er nahm einen von seinen Käsen heraus, und drückte ihn, daß die Molke heraus rann. Als der Riese dieses sah, verwunderte er sich sehr, und meinte, daß darin irgend ein Betrug verborgen sein möchte. Der Riese nahm wieder einen Stein von der Erde, und zermalmte ihn in kleine Stücke, der Knabe aber nahm den andern Käse, und drückte das Wasser daraus, wie früher. Hierauf erneuerte sich das Spiel noch einmal, und der Knabe drückte das Wasser aus dem dritten Käse. Da sagte der Riese: »Ich dachte nicht, daß du so stark wärst. Folge mir zu meinen Hof, und diene mir treu, so werde ich dir drei Scheffel Gold geben. Aber wenn du nicht nach meinem Sinne bist, will ich drei breite Riemen aus deinem Rücken schneiden.« Der Knabe erwiederte: »Dies scheint mir eine gute Bedingung zu sein, aber jetzt muß ich mein Vieh nach Hause treiben.« Sie kamen dahin überein, daß sie sich den Tag darauf begegnen würden und hiermit endigte für diesmal ihr Gespräch.
Den andern Tag ging der Knabe zum Walde, und traf den Riesen, wie verabredet war. Sie gingen jetzt zur Stube des Riesen. Das Weib des Riesen aber war so groß, und von so barschem Aussehen, daß der Knabe sie mehr fürchtete, als den Riesen selbst.
Als eine Stunde verstrichen, sollten der Riese und sein Knecht zum Walde gehen, und Holz hauen. Der Riese sagte: »Weil du so stark bist, kannst du meine Axt tragen.« Die Axt aber war so groß und schwer, daß der Knabe sie kaum heben konnte. Er entgegnete: »Vater! es ist besser, ihr tragt eure Axt selbst, so kann ich vorausgehen, und den Weg weisen.« Hiermit war der Riese zufrieden, und sie zogen zur Stätte. Als sie nun zur Stelle kamen, blieb der Riese bei einem großen Baum stehen. Er sagte: »Weil du so stark bist, kannst du den ersten Hieb thun; ich will den andern thun.« »Nein,« erwiederte der Knecht, »ich bin nicht im Stande, mit einer so kleinen Axt zu hauen. Ihr könnt selbst den ersten Hieb führen, ich will dann den andern thun.« Der Riese ließ sich hiermit zufrieden stellen, erhob die Axt, und hieb gewaltig in die Wurzel; der Hieb aber war so stark, daß der Baum mit einem starken Krachen zur Erde fiel. Der Knecht war solchergestalt befreit, diesmal eine Probe von seiner Stärke zu zeigen.
Da nun der Baum heimgebracht werden sollte, fragte der Riese: »Willst du am Wipfel oder an der Wurzel tragen?« Der Knecht antwortete: »Ich will am Wipfel tragen.« Der Riese hob den Baum auf die Schultern, der Knabe aber rief, daß er sich besser beugen solle. Der Riese that, wie ihm gesagt wurde, und trug zuletzt das ganze Bauholz im Gleichgewicht auf den Achseln. Hierauf hüpfte der Knabe selbst hinauf, und verbarg sich unter den Zweigen des Baumes. Als sie nun zum Hofe gekommen, war der Riese sehr müde, der Knecht aber meinte, daß dieses kaum eine schwere Arbeit war.
Den Tag darauf sagte der Riese, daß er fortgehen wolle; der Knecht solle daheim bleiben, und der Mutter Butter machen helfen. Das Riesenweib nahm nun ein Butterfaß voll mit Milch; aber das Butterfaß war so groß, daß der Knabe den Stab des Fasses kaum zu heben vermochte. Er sagte: »Mutter! dies scheint mir eine leichte Arbeit zu sein, aber ich will gerne, daß ihr mir zeigt, wie ich mich dabei zu benehmen habe.«
Das Riesenweib that nach seinem Begehren, und fing zu buttern an; der Knabe stand dabei, und sah zu. Gerade als dies geschah, begann das Riesenkind zu schreien. Da sagte das Weib: »Nimm die Kleine mit dir zum Brunnen, und wasche sie rein, ich will buttern, während du fort bist.« Der Knabe ging und beeilte sich nicht. Als er nun zum Brunnen kam, und die Kleine waschen sollte, die kaum kleiner, als er selbst war, dünkte es ihm besser, daß er das Riesenkind in das Wasser hinabrolle und ertränke. Der Knecht meinte, es wäre ein geringer Schaden; dachte aber, daß es von nun an nicht räthlich wäre, länger bei den Riesenleuten zurück zu bleiben.
Als der Knabe wieder zur Stube kam, hatte das Weib zu buttern geendiget. »Du hast lange gezaudert,« sagte sie zum Knecht, »aber was hast du mit meinem Kinde gemacht?« Der Knabe antwortete: »Ja, als ich es gewaschen hatte, sprang es zum Walde, um seinem Vater zu begegnen.« »Ja so,« antwortete das Weib, »dann kommen sie wol bald zusammen nach Hause.« Gegen Abend kam der Riese vom Walde heim, und war sehr ermüdet. Das Weib rief ihm entgegen: »Vater! was hast du mit unserm Mädchen gethan?« Der Riese antwortete: »Ich habe kein Mädchen gesehen!« Da erschrak das Riesenweib, und begann fürchterlich zu schreien und zu jammern. Der Knabe sagte, daß er und der Riese fortgehen wollen, um das Kind zu suchen. Sie zogen nun in den Wald, und suchten auf allen Plätzen, konnten aber Niemanden finden. Als der Riese und sein Knecht lange umhergeirrt waren, kamen sie zuletzt an die Gränze von den Besitzungen des Riesen. Da sagte der Hirtenknabe: »Vater! ich bin jetzt nicht weit von der Heimat. Erlaubt mir, zu meiner Mutter zu gehen, die mich erwartet. Am Morgen will ich wieder kommen, und euch suchen helfen.« Der Riese entgegnete: »Du kannst gehen, weil du mir so treu gewesen, komm aber bald zurück.« Bei diesen Worten nahm der Riese drei Scheffel Gold hervor, und gab sie dem Knaben als Lohn für seinen Dienst. Der Knecht aber dankte ihm, und sagte, das nächste Mal wolle er noch besser dienen. Der Riese und der Hirtenknabe zogen nun jeder nach seinem Wohnorte. Der Knabe ging zu seiner Mutter heim, und gab ihr all das Vermögen, das er gewonnen, so daß sie von diesem Tage an reich und glücklich waren. Der Riese aber streifte im Walde umher, um sein Kind zu suchen. Dort gehen er und sein Weib, und suchen noch heut zu Tage.
Nicht weit von dem Hofe des Riesen wohnte eine arme Frau, die hatte einen einzigen Sohn. Er war zart und klein gewachsen, aber sehr verschmitzt und dreisten Sinnes. Eines Tages sagte der Knabe zu seiner Mutter, daß sie drei Käse gerinnen machen sollte. Die Frau that nach seinem Begehren. Als nun die Käse fertig waren, rollte sie der Knabe in die Asche, so daß sie grau und widerlich aussahen. Hierüber wurde die Mutter verdrießlich, und schalt ihn aus, daß er die Gaben Gottes unnütz vergeudete. Der Knabe aber bat sie, sich zufrieden zu geben, sie könnte nicht wissen, was er im Sinne hätte.
Früh am Morgen zog der Knabe mit dem Vieh seiner Mutter zum Walde, und trieb das Vieh auf die Weideplätze des Riesen. Hier schweifte er ungehindert umher, so lange die Sonne am Himmel stand; gegen Abend rief er sein Vieh zusammen, und machte sich bereit, wieder nach Hause zu kehren. Aber während der Zeit hatte der Riese seinen Besuch wahrgenommen, und kam ihm jetzt mit großen Schritten entgegen. Der Riese war sehr erzürnt, und so grimmig anzuschauen, daß den Knaben trotz seiner Beherztheit die Angst befiel.
»Was thust du hier in meinem Gehege?« brüllte der Riese. Der Knabe antwortete, daß er gegangen war, um eine Weide für sein Vieh zu finden. Der Riese entgegnete: »Packe dich sogleich fort, sonst will ich dich zerdrücken, wie ich jetzt diesen Stein zermalme.« Hierbei faßte er einen großen grauen Stein, der am Boden lag, und zerdrückte ihn, so daß der Stein in tausend Fliesen zerstob. Der Knabe sagte: »Du bist sehr stark; aber ich bin nicht geringer an Kräften, obschon ich klein gewachsen bin.« Er nahm einen von seinen Käsen heraus, und drückte ihn, daß die Molke heraus rann. Als der Riese dieses sah, verwunderte er sich sehr, und meinte, daß darin irgend ein Betrug verborgen sein möchte. Der Riese nahm wieder einen Stein von der Erde, und zermalmte ihn in kleine Stücke, der Knabe aber nahm den andern Käse, und drückte das Wasser daraus, wie früher. Hierauf erneuerte sich das Spiel noch einmal, und der Knabe drückte das Wasser aus dem dritten Käse. Da sagte der Riese: »Ich dachte nicht, daß du so stark wärst. Folge mir zu meinen Hof, und diene mir treu, so werde ich dir drei Scheffel Gold geben. Aber wenn du nicht nach meinem Sinne bist, will ich drei breite Riemen aus deinem Rücken schneiden.« Der Knabe erwiederte: »Dies scheint mir eine gute Bedingung zu sein, aber jetzt muß ich mein Vieh nach Hause treiben.« Sie kamen dahin überein, daß sie sich den Tag darauf begegnen würden und hiermit endigte für diesmal ihr Gespräch.
Den andern Tag ging der Knabe zum Walde, und traf den Riesen, wie verabredet war. Sie gingen jetzt zur Stube des Riesen. Das Weib des Riesen aber war so groß, und von so barschem Aussehen, daß der Knabe sie mehr fürchtete, als den Riesen selbst.
Als eine Stunde verstrichen, sollten der Riese und sein Knecht zum Walde gehen, und Holz hauen. Der Riese sagte: »Weil du so stark bist, kannst du meine Axt tragen.« Die Axt aber war so groß und schwer, daß der Knabe sie kaum heben konnte. Er entgegnete: »Vater! es ist besser, ihr tragt eure Axt selbst, so kann ich vorausgehen, und den Weg weisen.« Hiermit war der Riese zufrieden, und sie zogen zur Stätte. Als sie nun zur Stelle kamen, blieb der Riese bei einem großen Baum stehen. Er sagte: »Weil du so stark bist, kannst du den ersten Hieb thun; ich will den andern thun.« »Nein,« erwiederte der Knecht, »ich bin nicht im Stande, mit einer so kleinen Axt zu hauen. Ihr könnt selbst den ersten Hieb führen, ich will dann den andern thun.« Der Riese ließ sich hiermit zufrieden stellen, erhob die Axt, und hieb gewaltig in die Wurzel; der Hieb aber war so stark, daß der Baum mit einem starken Krachen zur Erde fiel. Der Knecht war solchergestalt befreit, diesmal eine Probe von seiner Stärke zu zeigen.
Da nun der Baum heimgebracht werden sollte, fragte der Riese: »Willst du am Wipfel oder an der Wurzel tragen?« Der Knecht antwortete: »Ich will am Wipfel tragen.« Der Riese hob den Baum auf die Schultern, der Knabe aber rief, daß er sich besser beugen solle. Der Riese that, wie ihm gesagt wurde, und trug zuletzt das ganze Bauholz im Gleichgewicht auf den Achseln. Hierauf hüpfte der Knabe selbst hinauf, und verbarg sich unter den Zweigen des Baumes. Als sie nun zum Hofe gekommen, war der Riese sehr müde, der Knecht aber meinte, daß dieses kaum eine schwere Arbeit war.
Den Tag darauf sagte der Riese, daß er fortgehen wolle; der Knecht solle daheim bleiben, und der Mutter Butter machen helfen. Das Riesenweib nahm nun ein Butterfaß voll mit Milch; aber das Butterfaß war so groß, daß der Knabe den Stab des Fasses kaum zu heben vermochte. Er sagte: »Mutter! dies scheint mir eine leichte Arbeit zu sein, aber ich will gerne, daß ihr mir zeigt, wie ich mich dabei zu benehmen habe.«
Das Riesenweib that nach seinem Begehren, und fing zu buttern an; der Knabe stand dabei, und sah zu. Gerade als dies geschah, begann das Riesenkind zu schreien. Da sagte das Weib: »Nimm die Kleine mit dir zum Brunnen, und wasche sie rein, ich will buttern, während du fort bist.« Der Knabe ging und beeilte sich nicht. Als er nun zum Brunnen kam, und die Kleine waschen sollte, die kaum kleiner, als er selbst war, dünkte es ihm besser, daß er das Riesenkind in das Wasser hinabrolle und ertränke. Der Knecht meinte, es wäre ein geringer Schaden; dachte aber, daß es von nun an nicht räthlich wäre, länger bei den Riesenleuten zurück zu bleiben.
Als der Knabe wieder zur Stube kam, hatte das Weib zu buttern geendiget. »Du hast lange gezaudert,« sagte sie zum Knecht, »aber was hast du mit meinem Kinde gemacht?« Der Knabe antwortete: »Ja, als ich es gewaschen hatte, sprang es zum Walde, um seinem Vater zu begegnen.« »Ja so,« antwortete das Weib, »dann kommen sie wol bald zusammen nach Hause.« Gegen Abend kam der Riese vom Walde heim, und war sehr ermüdet. Das Weib rief ihm entgegen: »Vater! was hast du mit unserm Mädchen gethan?« Der Riese antwortete: »Ich habe kein Mädchen gesehen!« Da erschrak das Riesenweib, und begann fürchterlich zu schreien und zu jammern. Der Knabe sagte, daß er und der Riese fortgehen wollen, um das Kind zu suchen. Sie zogen nun in den Wald, und suchten auf allen Plätzen, konnten aber Niemanden finden. Als der Riese und sein Knecht lange umhergeirrt waren, kamen sie zuletzt an die Gränze von den Besitzungen des Riesen. Da sagte der Hirtenknabe: »Vater! ich bin jetzt nicht weit von der Heimat. Erlaubt mir, zu meiner Mutter zu gehen, die mich erwartet. Am Morgen will ich wieder kommen, und euch suchen helfen.« Der Riese entgegnete: »Du kannst gehen, weil du mir so treu gewesen, komm aber bald zurück.« Bei diesen Worten nahm der Riese drei Scheffel Gold hervor, und gab sie dem Knaben als Lohn für seinen Dienst. Der Knecht aber dankte ihm, und sagte, das nächste Mal wolle er noch besser dienen. Der Riese und der Hirtenknabe zogen nun jeder nach seinem Wohnorte. Der Knabe ging zu seiner Mutter heim, und gab ihr all das Vermögen, das er gewonnen, so daß sie von diesem Tage an reich und glücklich waren. Der Riese aber streifte im Walde umher, um sein Kind zu suchen. Dort gehen er und sein Weib, und suchen noch heut zu Tage.
[Gunnar Hyltén-Cavallius/George Stephens: Schwedische Volkssagen und Märchen ]