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Wie Galopin für Elias von St. Gilles das Wunderpferd Primsaus von Aragon stahl

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Elias von St. Gilles ritt, vom Fluche seines Vaters getroffen, in die Welt. Nach mannigfachen Abenteuern überraschte er einst in Spanien vier Räuber beim Mahl; drei davon erschlug er, den vierten, Namens Galopin, einen schlauen und behenden Burschen, nahm er als Diener an. Und bald bedurfte er seiner, denn bei einem Überfall der Sarazenen wurde Elias verwundet. Galopin schleppte seinen Herrn in einen Weingarten und hier erblickte ihn Rosamunde, die Tochter des Heidenkönigs Macabre. Sie pflegte den Wunden und heilte ihn mit kräftigen Tränken.
Ein sarazenischer König, Lubien von Baudas, warb um die Jungfrau und drohte, falls sie ihm verweigert würde, ihren Vater mit Krieg zu überziehen. Schon hatte sein Heer Macabres Burg im Halbkreise umschlossen, doch niemand wagte es, den gewaltigen Heiden zu bekämpfen. Da erbot sich Rosamunde selbst, einen Kämpfer gegen den ungeliebten Werber zu stellen, und sie bat Elias um den Ritterdienst. »O, Herrin,« sagte Elias, »wie sollte ich einer Frau dienen, die nicht an meinen Gott glaubt! Aber um dessentwillen, was Ihr an mir getan habt, als ich krank und verwundet dalag, will ich Eurer Bitte willfahren. Gebt mir Roß und Waffen, so will ich hinausgehen und meinen Leib gegen Euren Freier zum Pfande setzen. Bei Gott, ich weiß meine Lanze zu führen, und kein Heide in Spanien, der Euch beleidigt hat, soll sich des Sieges rühmen, wenn wir auseinandergehen.« »Herr,« sagte die Jungfrau, »Ihr macht mich froh. Um Euretwillen werde ich Mohammed verlassen und mit Euch nach Frankreich gehen. Aber vor einem hütet Euch, wenn Ihr mit dem Emir kämpfen wollt. Der Schurke besitzt ein Streitroß, wie es in Frankreich keines gibt: es heißt Primsaus von Aragon, Oriande war seine Mutter. Wenn in der Schlacht das Gedränge groß ist, dann springt es mit allen vier Beinen auf und schreit und schlägt mit den Füßen um sich und tötet jeden, den es trifft. Jeden, der es beim Zügel nimmt, wirft es zu Boden, er müßte denn trefflich zu turnieren verstehen.«
Als Galopin dieses Lob hörte, sprang er auf und trat zu seinem Herrn: »Edler Graf,« sagte er, »was zaudert Ihr noch? Bittet die Jungfrau, daß sie Euch Waffen gibt. Ehe nach Mitternacht der erste Hahn kräht, werde ich Euch das Streitroß verschaffen, allen Heiden zum Trotz!« Galopin bekleidete sich mit seinem Mantel – er maß nur drei Fuß – und band sich hundert Denare um.
Er war ein Spitzbube und kannte sein Handwerk. Er schlich sich durch die Hintertür und durchwatete den Bach, der am Schlosse vorbeiströmte; dann eilte er durch den Weingarten und durchmaß das feindliche Lager, bis er zum Zelte des Emirs gelangte. »Der große Mohammed, der die Welt regiert,« rief er Lubien zu, der vor seinem Zelte saß, »erhalte den Kaiser und alle, die ihm dienen.« »Freund,« antwortete der Emir argwöhnisch, »er segne auch dich. Doch sage mir, wer bist du und aus welchem Lande stammst du?« Galopin, der Schlaue, entgegnete ihm: »Herr, von jenseits des Meeres komme ich. Noch gestern abend bei der Vesper war ich ein reicher Kaufmann, ich führte ein Schiff, wie noch kein Mensch eines sah, voll Gold und Silber, Seidenstoff und Tuch; zwanzig Streitrosse waren darauf und zwanzig schöne Maultiere, die sandte Euch der Herr meines Landes, denn er ehrt Euch sehr. Macabre hat mir alles weggenommen, meine Leute hat er mir getötet und mich selbst ins Meer geworfen. Nun komme ich zu Euch, o König, daß Ihr mir mein Recht verschafft.« Als der König das hörte, geriet er außer sich, er richtete sich auf und legte die Hand an den Kopf: »Zu seinem Unglück hat das der Schurke erdacht, bei meinem Barte! Ihr werdet Eure Schiffe und Eure Habe wiederbekommen und vom Seinigen noch fünfzehnmal soviel dazu, ehe der Krieg endet.« »Herr,« sagte der Spitzbube, »an den Waren liegt mir nicht viel, denn ich verstehe es wohl, mir neue zu erwerben; aber die Rosse bekümmern mich, denn eines war darunter, das sehr rühmenswert war: ein prächtiger armenischer Grauschimmel mit schmalem Kopf und offenem, stolzem Auge. Kleine Ohren hatte er und zartes Haar, langbeinig war er und schnellfüßig. Nie war ein besserer Streithengst im Kampf. Wenn er im Schlachtgetümmel einen Ritter am Boden liegen sah, so trat er ihn mit Füßen, bis er zerstampft war.« »Schweig, du Schuft,« rief der Emir, »ich habe hundert Rosse, die mehr zu schätzen sind. Ich gäbe sie nicht um tausend Pfund lauteren Goldes her. Wenn du alle Pferde Frankreichs zusammenbrächtest, ich möchte sie nicht gegen eines meiner Rosse vertauschen. Aber gleich sollst du es sehen.« »Herr,« sagte der schlaue Galopin, »warum sollte ich es sehen? Ich verstehe nichts von Pferden. Wenn ich eines schnell laufen sehe, so halte ich es für einen guten Traber. Lieber wäre es mir, Ihr gäbet mir ein wenig zu essen. Lange trieb ich auf dem Meere und der ganze Körper ist mir durchnäßt.« »Bei meinem Haupte,« rief der Emir, »du bist ein Esel«, und stieß aus Zorn das Schachbrett um. Galopin konnte es kaum erwarten, daß er das Roß zu sehen bekäme. »Herr,« lenkte er ein, »zürnt mir nicht. Wenn Ihr es wünscht, so will ich es gern anschauen.« Das Wunderpferd stand in einem wohl mit Stahl verankerten Gerüste, dessen geringsten Pfeiler kein Saumtier hätte tragen können. Mit drei goldenen Ketten war es um den Hals gefesselt und vier Paar Spannstricke hielten ihm die Füße zusammen, über der Haut mit Filz gepolstert. Futter und Hafer hatte es genug vor sich und es trank aus einem Gefäße, das mit Gold eingelegt war. Wasser lief vor ihm in einem Kanale und drei Kerzen brannten im Raum. Dreißig Wächter mußten das Roß behüten, und wenn fünfzehn schliefen, mußten die anderen fünfzehn wachen. Keiner hätte sich schlafend ertappen lassen dürfen: er wäre geblendet und des Landes verwiesen worden. Lubien nahm den Vorhang weg: das Tier hatte eine zarte Flanke und war an Kopf und Füßen weiß gezeichnet. Dann fragte er den Spitzbuben: »War das deinige so kostbar?« – »Nein,« sagte dieser, »ich will es Euch nicht verhehlen: nie sah ich ein so schönes Roß und auch nie eines so wohl verwahrt.« Dabei aber murmelte er zwischen den Zähnen, daß ihn keiner hörte: »So gut wird es doch nicht bewacht sein, daß ich es nicht stehlen kann. Herr Elias, wenn Ihr dieses Roß habt, so könnt Ihr Euch rühmen, daß im weiten Frankreich kein Ritter je auf einem solchen saß. Aber es ist gut verwahrt. Bei der Seele meines Vaters, lieber wäre es mir, wenn es draußen an einem Baume angebunden wäre.«
Von nun an hatte Galopin keine Ruhe mehr, und seine Gedanken waren stets bei dem Rosse. Die Wächter setzten sich zum Mahl, dann gingen sie schlafen, da sie an nichts Böses dachten und auf den kleinen Spitzbuben wenig achteten. Die andere Hälfte wachte beim Roß. Galopin trat an das Gerüst, stützte sich auf das Geländer und betrachtete das Tier. »Heilige Jungfrau Maria,« betete er, »verschaff‘ mir das Pferd, aber so, daß es mich weder tritt noch verwundet.« Das Tier erschrak vor seinem Atem und sprang mit allen Vieren zugleich. Die Wächter griffen zu ihren Waffen und suchten den Raum wohl siebenundzwanzigmal ab. Galopin stand im Schatten, und sie bemerkten ihn nicht, obwohl sie ihn fast berührten. Kein Wunder, daß der Dieb in Furcht geriet.
Da die Wächter nichts fanden, setzten sie sich zum Schachspiel, und der eine sagte zum andern: »Was hat das Tier gehabt?« – »Bei meinem Kopf,« sagte der Oberste, »es ist zu fett und ruht zu viel, beim kleinsten Anlaß erschrickt es.« Galopin hatte ein Zauberkraut in der Tasche, das zog er nun hervor und rieb es, so daß der starke Geruch hervordrang. Er warf es durch die beiden Gitter hindurch, und die Wächter schliefen von dem starken Dufte ein. Nun war das Pferd unbewacht. »Bei Gott,« frohlockte der Dieb, »ihr seid mattgesetzt. Der Emir wäre ein Dummkopf, wenn er euch nicht sämtlich hängen lassen würde.« Dann nahm er das Gerüst bei den Gittern und riß es um. Er trat zu dem Pferde, streichelte ihm die Seiten und gedachte es fortzuführen. Doch das Roß kannte ihn nicht, es faßte ihn mit den Zähnen, stieß ihn zu Boden, hob ihn dann wieder in die Höhe und schleuderte ihn fünfzehn Fuß weit davon. Er rannte gegen einen Pfahl, daß er fast die Besinnung verlor, und rief Gott an, er möge ihn um Elias willen nicht verlassen. Als er furchtsam vorwärtskroch, fand er einen Prügel, den er beim dicken Ende packte. Dreißig Schläge gab er dem Tier auf die Flanken, bis es ruhig ward und sein Übermut verflog. »Halt die Füße still,« rief er, »es wäre Torheit, wenn du dich bewegtest.« Nun legte er dem Roß den Sattel auf, warf ihm den Zaum über den Kopf und schlug die Ketten herab.
Galopin bestieg den verhängnisvollen Gaul, aber er konnte nicht reiten und stellte sich wie ein Tor. Beim ersten Schritt des Tieres lag er unten und hätte sich fast Rippen und Arme zerbrochen. Er schwur, nie wieder hinaufklettern zu wollen, und führte das Roß hinter sich her; so schnell schritt er, daß es ihm kaum folgen konnte. Das Pferd sah, daß er ein kleiner Knirps war, und hatte wenig Respekt vor ihm, es warf den rechten Fuß vor und stieß ihn zu Boden. Diesmal blieb er unbeschädigt, sprang leichtfüßig wieder auf und packte das Tier nun beim Leibgurt. Nie hätte der kleine Spitzbube das gute Roß gestohlen, wenn es sich besser gewehrt hätte. Doch er nahm einen ellenlangen Stock und gab ihm elf Schläge auf die feisten Flanken, bis es ruhig stand und ihm der Leib zitterte wie ein Lorbeerblatt. »Sicher«, sagte Galopin, »ist Gewalt oft nützlich. Rühr dich nicht oder du mußt es büßen.« Dann band er dem Tier einen Strick um den Hals und führte es so, daß es ihn nicht mehr treten konnte. Er zitterte, als er am Zelte des Emirs vorbeimußte, aber zu seinem Glück fand er ihn schlafend in dem kostbaren Pavillon. Dann überquerte er den Bach und gelangte in den goldbemalten Raum, wo Elias schlief. Ehe der Ritter erwachte, war das Roß, das er so heiß begehrt hatte, sein. Als Elias es erblickte, wurde er froh gestimmt, streckte die beiden Hände zum Himmel auf und rief: »Hei, Vater im Himmel, dir sei gedankt!«

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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