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Magdalenchen und Kati

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Es war einmal ein König, dessen Frau war gestorben, und sie hatte ihm eine einzige Tochter hinterlassen, die er zärtlich liebte.
Die kleine Prinzessin hieß Magdalenchen, und sie war so gut und so mild und herzig, daß sie alle Untertanen gern mochten. Aber da der König meist mit Staatsgeschäften zu tun hatte, führte das Mädel ein recht einsames Leben und wünschte sich oft, es hätte ein Schwesterchen, mit dem es spielen und das ihm Gesellschaft leisten könnte. Da der König das vernahm, entschloß er sich, eine Gräfin von mittleren Jahren zu heiraten, die er an einem benachbarten Fürstenhofe getroffen hatte. Sie hatte nämlich eine Tochter Kati, die grad ein wenig jünger als Magdalenchen war.
Er glaubte, das gäbe eine Spielgesellin für seine Tochter. So geschah nun alles, und in jeder Hinsicht lief der Plan auch recht gut aus; denn die beiden Mädchen liebten sich innig und pflegten alles miteinander zu teilen, als ob sie wirklich Schwestern wären. Aber nach der anderen Seite schlug es sehr bös aus, denn die neue Königin war eine grausame und ehrgeizige Frau, und sie wollte, ihre eigene Tochter sollte es einmal ebenso haben wie sie, eine prunkvolle Hochzeit feiern und vielleicht ebenfalls Königin werden. Als sie aber sah, daß Magdalenchen zu einem sehr schönen jungen Mädchen heranwuchs – bei weitem schöner als ihre eigene Tochter -, da stieg in ihr Haß auf, und sie wünschte, jene verlöre auf irgendeine Weise ihre Schönheit. Denn, so dachte sie bei sich, welcher Freier wird sich um meine Tochter kümmern, solange ihr die Stiefschwester zur Seite steht?
Nun war aber unter den Dienern und Gefolgsleuten in ihres Mannes Schloß ein altes
Hühnerweib, von dem die Leute glaubten, es sei mit den bösen Luftgeistern im Bunde und es sei geschult in der Bereitung von Zaubermitteln, Säften und Liebestränken.
Vielleicht kann es mir bei meinen Absichten behilflich sein, sagte sich die böse Königin;
und eines Nachts, als es schon schummrig wurde, hüllte sie sich in einen weiten Mantel und machte sich auf den Weg zur Hütte des alten Hühnerweibes. „Schick mir die Dirne morgen früh, bevor sie gefrühstückt hat“, erwiderte die Alte, als sie erfuhr, was ihre Besucherin von ihr wollte. „Ich will schon ein Mittel finden, ihrer Schönheit eins auszuwischen!“ Und die böse Königin ging befriedigt wieder heim. Am nächsten Morgen in der Frühe ging sie ins Zimmer der Prinzessin, die gerade beim Anziehen war, und gab ihr den Auftrag, noch vor dem Frühstück loszugehen und die Eier zu holen, welche die Hühnerfrau gesammelt. „Und sieh zu“, so mahnte sie nochmals, „daß du vor dem Weggehen keinen Bissen issest, denn nichts malt die Wangen eines jungen Mädchens rosiger, als wenn es einen Fastengang in die frische Morgenluft hinaus unternimmt.“
Prinzessin Magdalenchen versprach, alles getreulich zu befolgen und die Eier zu holen, wie ihr geheißen war. Aber da sie nie gern aus der Tür ging ohne einen Happen zu essen, und da sie außerdem befürchtete, ihre Stiefmutter könnte einen arglistigen Grund für den ungewöhnlichen Rat haben – schlüpfte sie erst noch in die Speisekammer treppabwärts und versah sich mit einem großen Stück Kuchen.
Als sie es aufgegessen, machte sie sich auf den Weg zur Hütte der alten Hühnerfrau und fragte nach den Eiern. „Hebt einmal den Deckel von jenem Topf dort auf, Eure Hoheit, und Ihr werdet sie dann sehen“, sagte die alte Frau und wies auf einen breitbauchigen Topf in der Ecke, in dem sie sonst ihr Hühnerfleisch kochte. Die Prinzessin tat es und fand einen Haufen Eier darin liegen, die sie in ihren Korb tat, während die alte Frau sie mit seltsamem Lächeln beobachtete. „Geh heim zu deiner Frau Mutter, mein Honigkind“, sagte sie schließlich, „und bestelle ihr von mir, sie solle die Schranktür besser verwahren.“
Die Prinzessin ging heim und richtete ihrer Stiefmutter die sonderbare Botschaft aus; sie war selbst neugierig, was das wohl bedeuten mochte. Aber wenn sie die Worte der Hühnerfrau nicht verstand, die Königin verstand sie nur zu gut. Denn sie entnahm daraus, daß die Prinzessin den Zauber der alten Hexe umgangen hatte. So schickte sie am nächsten Morgen ihre Stieftochter noch einmal mit dem gleichen Auftrag fort, begleitete sie aber persönlich bis zum Schlosstor, so daß das arme Mädchen keine Gelegenheit mehr fand für einen Besuch in der Speisekammer.
Aber als sie auf der Landstraße, die zur Hütte führte, dahinging, spürte sie solchen Hunger, daß sie beim Vorübergehen ein paar Landleute, die am Wegrande Erbsen pflückten, um eine Handvoll bat. Das taten sie auch, und sie aß die Erbsen, daß schließlich dasselbe geschah wie gestern. Die Hühnerfrau ließ sie nach den Eiern schauen; aber sie vermochte mit ihrem Zauber nichts auszurichten, weil sie ihr Fasten gebrochen hatte. So ließ die alte Frau sie wieder heimgehen und gab der Königin die gleiche Botschaft mit.

Als die Königin das vernahm, wurde sie sehr ärgerlich, denn sie fühlte, daß das Mädchen sie durch diese Unfolgsamkeiten überlistete.
Sie beschloß also, obwohl sie kein Freund des Frühaufstehens war, sie am nächsten Morgen
persönlich zu begleiten, um sich zu vergewissern, daß sie unterwegs nichts zu essen bekam. So lief sie am nächsten Morgen mit der Prinzessin zur Hütte des Hühnerweibes, und wie zweimal zuvor schickte die Alte die Königstochter an den Topf in der Ecke, damit sie den Deckel abnähme und die Eier herausholte.
In demselben Augenblick aber, als das die Prinzessin befolgte, sprang ihr das liebliche Haupt vom Halse, und ein grober Schafskopf setzte sich an dessen Stelle. Dann dankte die böse Königin der grausamen alten Hexe für den Dienst, den sie geleistet hatte, und ging nach Haus, hoch erfreut über das glückliche Gelingen ihres Anschlages. Indes hob die arme
Prinzessin ihr eigen Haupt vom Boden auf und legte es mit den Eiern zusammen in ihren Korb und ging weinend heim. Sie verbarg sich unterwegs überall hinter den Hecken, so sehr schämte sie sich über ihren Schafskopf, und war ängstlich darum besorgt, daß sie nur ja niemand sah. Nun erzählte ich schon, wie sehr die Stiefschwester der Prinzessin, Kati, sie liebte, und als sie sah, was für eine grausame Tat gegen sie verübt worden war, war sie so erregt, daß sie erklärte, sie würde keine Stunde mehr in dem Schlosse bleiben. Sie sagte:
„Wenn meine hohe Mutter eine solche Tat vollführen lassen kann, was sollte sie daran hindern, eine andere folgen zu lassen.
Daher dünkt mich, es ist es besser für uns beide, dahin zu gehen, wo sie uns nicht erreichen kann.“ So wickelte sie ein schönes Tuch ihrer armen Stiefschwester um den Kopf, daß niemand mehr erkennen konnte, wie er aussah, legte den rechten Kopf in den Korb, nahm sie bei der Hand, und so machten sich beide auf, ihr Glück zu versuchen.

Sie wanderten und wanderten, bis sie einen strahlenden Palast erreichten, und als sie herangekommen waren, wollte Kati gleich beherzt hinaufgehen und an das Tor pochen.
„Vielleicht finde ich hier Arbeit“, erklärte sie, „und verdiene Geld genug, um uns beide sorgenfrei zu stellen.“ Am liebsten hätte die arme Prinzessin sie zurückgehalten.
„Sie werden nichts von dir wissen wollen“, flüsterte sie, „wenn sie sehen, du hast eine Stiefschwester mit einem Schafskopf.“
„Und wer sollte das erfahren, daß du einen Schafskopf hast?“ fragte Katharina.
„Nur mußt du deinen Mund halten und dir das Tuch dicht um den Kopf wickeln, das übrige kannst du mir überlassen!“ So stieg sie hinauf und pochte an die Küchentür, und als die Hausmeisterin kam, um nachzusehen, fragte sie, ob sie nicht irgendeine Arbeit für sie hätte.
„Denn ich habe“, so sagte sie, „eine kranke Schwester, die arg von Kopfschmerzen geplagt wird, und ich würde gern ein ruhiges Unterkommen für sie finden, wo sie zur Nacht bleiben kann.“ „Verstehst du etwas von Krankheiten?“ fragte die Hausmeisterin, die recht betroffen war über Katis sanfte Stimme und edle Art. „Gewiß“, erwiderte Kati, „denn wenn man eine Schwester hat, die von Kopfschmerzen geplagt wird, dann lernt man leise auftreten und jeden Lärm vermeiden.“
Nun wollte es der Zufall, daß des Königs ältester Sohn, der Kronprinz, im Palast an einer seltsamen Krankheit daniederlag, die sein Gehirn in Mitleidenschaft gezogen zu haben schien. Denn er war so aufgeregt, besonders des Nachts, daß immer jemand bei ihm Wache halten mußte, damit er sich kein Leid antat. Und dieser Zustand hatte schon so lange angehalten, daß jedermann ganz erschöpft war. Und die alte Hausmeisterin dachte, das wäre eine gute Gelegenheit, wieder zu ruhigem Nachtschlaf zu kommen, wenn man diese Fremde mit der Wache beim Prinzen betrauen könne. Sie ließ sie also an der Tür stehen und ging zum König, um sich Rat zu holen. Und der König kam heraus und sprach mit Kati. Auch er freute sich über ihre Stimme und ihr Auftreten und gab deshalb die Anweisung, es sollte für sie und ihre kranke
Schwester im Schlosse ein abgelegenes Zimmer hergerichtet werden. Dazu versprach er ihr für den nächsten Morgen als Belohnung einen Beutel voll Silbertaler, wenn sie in der Nacht beim Prinzen Wache halten und ihn vor allem Harm schützen wolle. Katharina willigte gern in den Handel. Denn, dachte sie, wenigstens ist’s ein Unterkommen zur Nacht für die Prinzessin; und außerdem, einen Beutel voll Silbergeld bekommt man nicht alle Tage.
So ging die Prinzessin schlafen in dem schmucken Zimmer, das für sie hergerichtet war, und Katharina bereitete sich zur Nachtwache bei dem kranken Prinzen.
Es war ein hübscher, stattlicher Jüngling, der in einer Art Fieber zu liegen schien. Denn sein Geist war nicht ganz klar, und er warf und wälzte sich von einer Seite auf die andere.
Dabei starrte er ängstlich vor sich hin und streckte die Hände aus, als ob er etwas greifen wolle. Und um zwölf Uhr mitternachts, gerad als Katharina glaubte, er würde nun in den erfrischenden Schlaf verfallen, erhob er sich zu ihrem größten Schrecken aus dem Bett, kleidete sich eilends an, öffnete die Tür und schlüpfte die Treppe hinunter, als ob er nach jemand Ausschau halten wolle. „Das muß etwas Seltsames sein“, sagte sich das Mädchen. „Mir scheint, ich tue gut daran, ihm zu folgen, um zu sehen, was geschieht.“
So stahl sie sich aus dem Zimmer, und heimlich folgte sie dem Prinzen unbehelligt treppabwärts. Wie groß war aber ihr Erstaunen, als sie entdeckte, daß er augenscheinlich einen weiteren Weg vorhatte. Denn er griff zu Hut und Reitrock, schloß die Tür auf, wandte sich über den Hof zum Stalle und begann, sein Pferd zu satteln. Als er damit fertig war, führte er es heraus, stieg auf, pfiff leise nach dem Hunde, der in der Ecke schlief, und machte sich auf, davonzureiten.
„Ich muß auch mitgehen und das Weitere beobachten“, sagte Katharina mutigen Herzens, „denn es scheint mir, er ist verhext.
Ein Kranker vermag das nicht.“
Also, da das Pferd gerade lostraben wollte, schwang sie sich leicht auf seinen Rücken und richtete sich ganz behaglich hinter dem Reiter ein, der sie gar nicht bemerkt hatte.
Dann ritt das seltsame Paar fort durch die Wälder, und unterwegs pflückte Katharina die Haselnüsse, die in dichten Stauden ihr Gesicht streiften. Denn, sagte sie sich, weiß der Himmel, wo ich wieder etwas zu essen bekomme. Weiter und weiter ritten sie, bis sie den grünen Wald hinter sich ließen und an ein offenes Moorgelände kamen. Alsbald erreichten sie einen Hügel, und dort zog der Prinz die Zügel an, sprang herab und rief in einem seltsamen, unheimlichen Flüsterton:
„Grüner Hügel, tu dich auf, tu dich auf und laß uns ein, den Prinzen, Pferd und Hund.“
„Und“, flüsterte Katharina schnell hinterher, „laß auch seine Frau hinter ihm ein.“
Zu ihrer großen Verwunderung schien sich der Gipfel des Erdhügels im Nu aufzukippen, und es blieb für die kleine Gesellschaft eine genügend große Öffnung zum Eintreten.
Dann schloß er sich wieder allmählich hinter ihnen.

Sie befanden sich in einer prächtigen weiten Halle, und Hunderte von strahlenden Kerzen
steckten in Leuchtern an den Wänden. In der Mitte des Gemaches stand eine Gruppe der schönsten Mädchen, die Katja jemals in ihrem Leben gesehen hatte. Alle waren in schimmernde Ballgewänder gekleidet und trugen Kränze aus Rosen und Veilchen im Haar. Auch waren da muntere Herren, die mit diesen schönen Mädchen zum Takt einer feenhaften Musik getanzt hatten. Als die Mädchen den Prinzen sahen, rannten sie ihm entgegen und führten ihn mitten in ihre Lustbarkeiten. Und an ihren Händen schien sogleich seine Schwermut zu schwinden, er wurde der heiterste in der ganzen Schar und lachte und tanzte und sang, als ob er nie gewußt, was Krankheit heißt. Da sich niemand um Katharina kümmerte, setze sie sich ruhig auf einen Felsenvorsprung und wartete, was geschähe. Und als sie so wartete, gewahrte sie ein ganz kleines Kindchen, das dicht vor ihren Füßen mit einer zierlichen Rute spielte. Es war ein herziges, kleines Kind, und gerad dachte sie daran, mit ihm sich anzufreunden, da kam eins von den schönen Mädchen vorüber, und als es die Rute sah, sagte es behutsam zu seinem Gefährten: „Drei Streiche mit jener Rute geben jedem ein hübsches Gesicht.“ Das war aber eine Botschaft! Katharina atmete schwer und hastig, mit zitternden Fingern holte sie ein paar Nüsse aus ihrer Tasche und rollte sie unabsichtlich dem
Kinde zu. Das schien nicht oft Nüsse zu bekommen; denn sofort ließ es seine kleine Rute los und streckte die zierlichen Händchen nach den Nüssen aus. Eben das hatte sie erwartet. Sie ließ sich von ihrem Sitz auf den Boden herabgleiten und rückte ein wenig näher heran. Dann warf sie wieder ein oder zwei Nüsse ihm in den Weg, und als das Kind aufsammelte, brachte sie es fertig, die Rute unbemerkt zu entwenden und unter ihrer Schürze zu verbergen. Danach kroch sie vorsichtig wieder an ihren Platz zurück. Und das war auch nicht einen Augenblick zu früh; denn gerade krähte der Hahn, und bei dem Geschrei verschwanden sämtliche Tänzer – alle außer dem Prinzen, der schleunigst zu seinen Pferden eilte und es so eilig mit dem Aufbruch hatte, daß Kati sich alle Mühe geben mußte, hinter ihm aufzusitzen, bevor sich der Hügel auseinandertat, und schleunigst ritt er wieder in die Welt draußen hinein. Während sie im grauen Morgenlicht heimwärts ritten, knackte sie ihre Nüsse und aß sie gierig auf, denn ihre Abenteuer hatte sie erstaunlich hungrig gemacht. Als sie mit ihrem seltsamen Patienten wieder das Schloß erreicht hatte, wartete sie noch, bis er zu Bett ging und sich wieder zu wälzen und werfen begann wie vorher; dann aber stürzte sie zu ihrer Stiefschwester ins Zimmer und fand sie in tiefsten Schlafe. Ihr armer missgestalteter Kopf ruhte friedlich auf dem Kissen. Sie versetzte ihm nun drei kleine Schläge mit der Feenrute; und seht und schaut: der Schafskopf war verschwunden, und dafür hatte die Prinzessin ihr eigenes schönes Antlitz wieder. Am Morgen kamen der König und die alte Hausmeisterin, um nachzuforschen, wie der Prinz die Nacht verbracht hätte. Kati berichtete, er hätte eine treffliche Nacht gehabt. Denn sie war ängstlich darauf bedacht, noch länger bei ihm zu bleiben. Hatte sie nun herausgefunden, daß die Elfenmädchen in dem Grünen Hügel einen Zauber über ihn verhängt hatten, so war sie auch entschlossen; herauszufinden, wie der Zauber zu brechen war. Und das Glück war günstig: der König war erfreut darüber, daß er eine so treffliche Wärterin für den Prinzen gefunden hatte, und er war auch von den holden Blicken ihrer Stiefschwester gebannt, die so blank und hehr wie in alten Tagen aus ihrer Kammer trat und erklärte, ihr Kopfschmerz sei nun ganz gewichen, und auch sie täte jetzt gern jede Arbeit, die ihr die Hausmeisterin aufgäbe, so daß er Kati inständig bat, noch ein wenig länger bei seinem Sohn zu verweilen. Er fügte hinzu, wenn sie dazu willens sei, würde er ihr einen Beutel voll goldener Dukaten schenken. Gern war Kati bereit. Und in der Nacht wachte sie wieder beim Prinzen wie zuvor.

Und um zwölf Uhr stand er auf, kleidete sich an und ritt zu dem Feenhügel, gerade wie sie* erwartet hatte, denn sie war sich nun dessen ganz gewiß, daß der Jüngling verzaubert war und nicht am Fieber litt, wie alle anderen dachten. Und seid gewiß, sie begleitete ihn wieder, ritt unbemerkt hinter ihm mit und pflückte sich Nüsse unterwegs. Als sie den Feenhügel* erreichten, sprach er die gleichen Worte wie in der Nacht zuvor: „Grüner Hügel, tu dich auf, und laß uns ein, den Prinzen, Pferd und Hund!“ Und d a sich der Grüne Hügel öffnete* fügte Kati leise hinzu: „Laß auch seine Frau hinter ihm ein.“ So kamen sie alle zusammen hinein.
Kati setzte sich auf einen Stein und schaute um sich. Dieselben Lustbarkeiten wie in der Vornacht huben an, und der Prinz war bald im tollsten Betriebe, er tanzte und lachte wild. Das Mädchen beobachtete ihn scharf, voller Erwartung ob sie herausbekommen könnte, wie man ihn wieder zu gesunden Sinnen brächte. Und wie sie ihn so beobachtete, kam wieder das Kindchen, das mit der Zauberrute gespielt hatte, zu ihr. Nun spielte es diesmal mit einem Vögelchen. Und wie es damit spielte, kam eine der Tänzerinnen vorüber, wandte sich zu ihrem Gefährten und sagte leichthin: „Drei Bissen von jenem Vögelchen würden dem Prinzen die Krankheit nehmen und ihn so munter machen, wie er jemals war.“ Dann kehrten sie wieder in das Getriebe der Tanzenden zurück. Kati aber saß hochaufgerichtet auf dem Steine und bebte vor Erregung. Wenn sie nur des Vogels habhaft werden konnte, dann war der Prinz geheilt! Ganz vorsichtig schüttete sie wieder einige Nüsse aus ihrer Tasche und rollte sie über den Boden dem Kinde zu. Das hob sie eifrig auf und ließ dabei den Vogel fahren; blitzschnell hatte ihn Kati gefaßt und verbarg ihn unter ihrer Schürze. Nicht lange danach krähte der Hahn, und sie und der Prinz machten sich auf den Heimritt. Aber an diesem Morgen knackte sie keine Nüsse, sondern tötete und rupfte den Vogel, dessen Federn sie über die Straße verstreute, und sowie sie das Zimmer des Prinzen erreicht hatte und ihn wohlbehalten im Bett wußte, steckte sie den Vogel über dem Feuer auf einen Spieß und briet ihn. Und alsbald begann er zu brutzeln und braun zu werden und köstlich zu duften, so daß der Prinz in seinem Bett in der Ecke die Augen aufschlug und schwach ihr zuraunte: „Wie sehr wünschte ich, ein Stückchen von jenem Vogel zu bekommen!“ Als Katharina diese Worte hörte, hüpfte ihr Herz vor Freuden, und sobald der Vogel gebraten war, schnitt sie ein Stückchen von seiner Brust und steckte es dem Prinzen in den Mund.
Als er es gegessen hatte, schien ein wenig seiner alten Kraft zurückzukehren, denn er stützte sich auf den Ellenbogen und sah seine Pflegerin an. „Oh, hätte ich doch noch ein Stückchen von dem Vogel!“ sagte er. Und seine Stimme klang schon kräftiger.
So gab ihm Kati ein zweites Stück, und als er es gegessen hatte, saß er aufrecht in seinem Bett. „Oh, hätte ich doch nur noch ein drittes Stück von dem Vogel“ rief er. Und nun kehrte seine Gesichtsfarbe zurück, und seine Augen fingen an zu leuchten. Diesmal brachte ihm Kati alles übrige von dem Vogel. Und gierig aß er es auf und löste mit den Fingern auch den letzten Fetzen Fleisch von dem Knochen. Als er fertig war, sprang er aus dem Bette, kleidete sich an und setzte sich ans Feuer. Und als morgens der König und* hinter ihm die alte Hausmeisterin kamen, um zu sehen, wie es um den Prinzen stünde, fanden sie ihn, wie zusammen mit seiner Pflegerin Nüsse knackte, denn Kati hatte in ihrer Schürzentasche noch eine ganze Menge mitgebracht. Der König war so voll Freude über die Heilung seines Sohne, so daß er Kati die höchsten Ehren angedeihen ließ und sofort Order gab, daß der Prinz sie heiraten sollte. „Denn“, so schloß er, „ein Mädchen, das* so gut zu pflegen versteht, wird auch eine gute Königin abgeben.“ Der Prinz war ganz willens, nach dem Befehl seines Vaters zu tun. Und während sie miteinander plauderten *, kam sein jüngerer Bruder herein; er führte Prinzessin Magdalenchen bei der Hand, deren Bekanntschaft er erst gestern gemacht hat, und erklärte: „Ich bin so verliebt in sie, daß ich sie sofort heiraten will! * So ging daß alles bestens aus, und jedermann war voll Freuden.
Die beiden Hochzeiten fanden sogleich statt, und wenn die beiden Paare noch nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.

Märchen aus Schottland

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