Als nun die Mutter gestorben und begraben war, da machte sich Owney auf den Weg, den letzten Willen derselben zu erfüllen und die Tasse zu verkaufen, obgleich er sich nicht denken konnte, daß er viel dafür bekommen konnte, daß er viel dafür bekommen würde.
In Limerick war gerade Jahrmarkt, und es ging dort lustig her. Owney ging den ganzen Tag auf dem Markte auf und ab und hätte sehr gern sein Glück versucht, allein er schämte sich, seine Tasse jemand zum Kauf anzubieten, da so viele schöne Dinge auf dem Markte waren, die nicht einmal Käufer fanden. Schon kam der Abend heran, und Owney dachte bereits daran, unverrichteter Sache wieder nach Hause zu gehen, als ihn auf einmal ein fremder Mann auf die Schulter klopfte und fragte: „He, guter Freund, ich habe Euch schon den ganzen Tag mit der Tasse da auf dem Markte herumlaufen sehen; was wollt Ihr denn mit derselben?“
„Verkaufen möchte ich sie“, antwortete Owney. „Was wollt Ihr denn dafür haben?“ fragte ein zweiter, der in diesem Augenblicke herzutrat. „Ei, was geht denn Euch das an?“ antwortete der erste. „Was habt Ihr Euch hier in meinen Handel einzumischen?“ „Ein wenig Lebensart“, erwiderte der zweite, „könnte Euch wahrlich nicht schaden; ich werde doch fragen dürfen, was etwas auf dem Markte kostet?“ „Nun“, antwortete der erste, „das Wissen sollt Ihr haben, weiter auch nichts. Hier, mein Junge, hast du ein Goldstück für deine Tasse.“ „Aus dieser Tasse“, versetzte der zweite, „sollt Ihr gewiß nicht trinken, wenn ich es verhindern kann. Da mein Junge, hier hast du zwei Goldstücke für deine Tasse.“
„Und wenn ich die Tasse bis zum Rande mit Goldstücken füllen müßte, ehe ich sie mein nennen darf“, entgegnete der erste, „so sollt Ihr sie doch nimmer zwischen euren Fingern halten. Da. mein Junge, hier hast du zehn Goldstücke und damit ist der Handel abgemacht.“ „Zehn Goldstücke für eine Porzellantasse!“ sagte ein vornehmer Herr von des Königs Hof, der in diesem Augenblicke herzutrat. „Das muß in der Tat etwas Seltenes sein; da, Bursche, hier hast du zwanzig Goldstücke, gib die Tasse meinem Bedienten.“
„Gib sie dem meinigen“, rief ein anderer Herr, der den Handel mit angehört, „und nimm meine Börse dafür; du wirst dreißig Goldstücke darin finden. „Und wenn“, wandte sich der Herr an die Umstehenden, „mich jemand zu überbieten wagt, so bekommt er es mit mir zu tun: ich spieße ihn auf wie eine Lerche!“ „Ich überbiete Euch!“ sagte in diesem Augenblicke eine schöne junge Dame, die mitten im Gedränge stand und den ganzen Handel mit angehört hatte, und drückte dabei unserem Owney fünfzig Goldstücke in die Hand. Da niemand mehr bot, überreichte Owney der Dame die Tasse und machte sich mit dem Geld seelenvergnügt auf den Heimweg. „Wahrhaftig“, sagte er zu sich selbst, „meine Mutter wußte, daß die Eitelkeit allezeit eine offene Hand hat. Fünfzig Goldstücke für eine alte Tasse, die keine zwei Heller wert war, das ist, denke ich, kein übler Handel!“ Als er sich indessen seiner Wohnung näherte, da bedachte er, daß ihm sein Vetter wahrscheinlich das ganze Geld abnehmen würde, und entschloß sich daher, seinen Reichtum bis auf zwei Goldstücke zu vergraben. Als er nach Hause kam, fragte ihn Owney-na-Peak höhnisch, ob er seine Scherben gut verkauft habe. „Ich habe in der Tat kein sogar übles Geschäft gemacht“, antwortete Owney. „Zwei Goldstücke sind kein schlechter Preis für eine alte Porzellantasse.“ „Zwei Goldstücke, Owney?“ fragte Owney-na-Peak. „Zeige sie doch mal her!“ Owney zeigte ihm die beiden Goldstücke; sein Vetter betrachtete sie ganz verwundert und steckte sie endlich in seine Tasche: „Dir,Owney“, sagte er, „will ich dir aufheben!“ Owney machte keine Einwendungen, denn er hatte dies vorausgesehen. „Aber sag’ doch einmal,Vetter“, hob Owney-na-Peak bald darauf an, „wie hast du du es denn eigentlich angefangen, um für die alte Tasse, die höchstens nur ein paar Groschen wert war, so erschrecklich viel Geld zu bekommen?“
„Nun“, antwortete Owney, „die Sache ist ganz einfach. Ich bin auf dem Jahrmarkt gegangen mitten in das dickste Gedränge, habe mich überall umgeschaut und so laut, als ich konnte
„alt Porzellan“ gerufen. Und als mich einer fragte, wieviel ich für die Tasche haben wollte, da habe ich frisch weg “Hundert Goldstücke“ geantwortet, und da hat er gelacht und wir haben miteinander gehandelt und gefeilscht, bis er mich auf zwei Goldstücke heruntergebracht hat, und da habe ich die Tasse losgeschlagen. Und jetzt weißt du die ganze Geschichte.“ Owney.na-Peak antwortete nicht, aber er schrieb sich die Sache hinter die Ohren und am nächsten Morgen nahm er ein kleines Porzellannäpfchen, das ihm gehörte, und ging damit ohne ein Wort zu sagen, auf den Jahrmarkt. Man kann leicht denken, die Leute auf dem Jahrmarkte große Augen machten, als sie einen so ungeschlachten Bengel mit einem alten Porzellannäpfchen in der Hand alle Augenblicke rufen hörten: „Ein Näpfchen von echtem Porzellan für hundert Goldstücke! Echtes Porzellan! Wer kauft?“ „Hoho! Was sagt Ihr da, Ihr langer Lümmel?“ fragte ein Mann und guckte sich unseren Owney-na-Peak und dann sein Porzellannäpfchen an. „Und seid Ihr denn wirklich so dumm, Euch einzubilden, daß jemand verrückt genüg sein wird, Euch hundert Goldstücke für diese Scherbe da zu geben?“ Owney-na-Peak antwortete nicht auf diese Bemerkung, sondern schrie nur immer fort: „Echtes Porzellan! Hundert Goldstücke! Wer kauft?“ Bald hatte sich um Owney-na-Peak eine große Menschenmasse gesammelt; man fragte ihn, wo er her wäre, und da er darauf keine Antwort gab, sondern die Leute sich ihrer Wege scheren hieß, so fielen sie zuletzt über ihn her und prügelten den Grobsack tüchtig durch, so daß er gegen Abend nach Hause kam, braun und blau geschlagen, ohne Näpfchen und ohne Geld.
„Nun, wie hat es dir denn auf dem Jahrmarkt gefallen?“ fragte ihn Owney, der seinen Vetter aus Rache für unzählige ihm früher erwiesene Freundschaftsstückchen absichtlich auf diesen Handel gebracht. „Das sollst du gleich erfahren“, antwortete Owney-na-Peak; komm nur hinein in die Schmiede. Und als er dann seinen Vetter drinnen in der Schmiede hatte, da verrammelte Owney-na-Peak die Tür und machte zwei Eisen in der Esse glühend.
„Warte“, sagte er, „du sollst deine Arglist teuer bezahlen, denn ich brenne dir die Augen aus!“ Und bei diesen Worten nahm er eines glühendrotes Eisen aus dem Feuer. Vergebens warf sich Owney ihm zu Füßen und flehte um seine Barmherzigkeit. Owney-na-Peak, der viel stärker als er, hatte kein Erbarmen, sondern hielt ihn fest und brannte ihm, trotz seines Sträubens und Schreiens, beide Augen aus. Dann nahm er seinen in Folge des fürchterlichen Schmerzens noch halb ohnmächtigen Vetter auf den Rücken und trug ihn fort nach einem alten Kirchhofe und warf ihn dort neben einen Grabstein.
Als Owney wieder zu sich kam, brach er in laute Klagen aus, daß er nun das Tageslicht nimmer sehen solle und nicht wisse, was er anfangen und wie er sich durchs Leben schlagen solle. Auf einmal hörte er ein so fürchterliches Miauen, als wenn sämtliche Katzen der Welt sich auf dem Kirchhofe ein Stelldichein gegeben. Von Furcht und Neugierde gleichzeitig erfaßt, drückte er sich an den Grabstein und verhielt sich ganz ruhig. Und nun ging das Miaue auf dem ganzen Kirchhofe los, und Owney hörte die Katzen über die Gräber springen, und ein paar fuhren ihm mit den Schwänzen dicht unter der Nase hin, und für Owney war es, wie er später erkannte, ein großes Glück, daß sie ihn nicht entdeckten. Auf einmal trat Stille ein, und eine Katze erhob sich und sprach mit menschlicher Stimme: „Ihr Katzen hier in der ganzen Grafschaft, die ihr heute hier versammelt, ich verkündige euch im Namen eures Königs, daß der Könoig von Munter vor einiger Zeit mit der Blindheit geschlagen ist. Nun wißt ihr alle sehr wohl, daß Blindheit und jedes Gebrechen sich mit Wasser aus der Barrygowen’er Quelle heilen läßt, und für den König von Munster gibt es absolut kein anderes Heilmittel, als dieses Wasser. Nehmt euch aber wohl in acht, dieses Geheimnis jemand, wer es auch sei, zu verraten, denn der König von Munster hat demjenigen, der ihm das Augenlicht wieder geben wird, seine Tochter zur Ehe versprochen, und der Wille unseres Königs ist es, daß niemand anderes die Heilung des Königs bewirken und die Prinzessin heiraten soll. als ein Urenkel Simon des Zauberers.
An dem Tage aber, wo der Urenkel Simons die Prinzessin heiratet, wird uns der König ein großes Fest geben; also schweigt und hütet eure Zungen!“ Diese Rede fand wundergroßen Beifall bei allen Katzen, die nun, nachdem die Sprecherin geendet, hüpfend, miauend und schnurrend nach allen Richtungen auseinanderstoben. Owney aber schrieb sich die Rede der Katze hinter die Ohren und da er durch Betasten des Grabsteines, neben dem er gelegen, den Ort erriet, wo er sich befand, auch den Weg vom Kirchhofe nach der wundertätigen Quelle sehr gut kannte, so stand er auf, als es still war und tastete sich fort, bis er richtig an die Quelle kam. Er wusch sich die Augen mit dem Wasser und sah dann, aufschauend, den Morgen dämmern! Owney –na-Peak war nicht wenig erstaunt, als er am anderen Morgen, wie er eben die Tür zur Schmiede aufmachte, seinen Vetter ganz vergnügt vor derselben stehen sah, mit Augen so hell oder heller noch, als er sie je gehabt. „Ja, Vetter“, sagte Owney, „du hast mir gestern, indem du mich auf den Kirchhof gelegt, einen großen Dienst erwiesen, freilich ohne es zu wissen. Ich habe in der Nacht, wie du siehst, nicht nur mein Gesicht wieder bekommen, sondern auch, als ich aufstand, an der Stelle, wo ich gelegen, noch zwei Goldstücke gefunden.“ Und damit zeigte Owney seinem Vetter zwei Goldstücke, die er früh am Morgen aus dem Verstecke geholt, wo er sein für die Tasse gelöstes Gold aufbewahrte. Owney-na-Peak war über das, was er hörte, natürlich nicht wenig verwundert. „Wenn“, dachte er, „der dumme Owney bloß weil er eine Nacht neben einem Grabsteine gelegen, seine Augen wieder bekommen und noch zwei Goldstücke gefunden, so willst du dich auch einmal eine Nacht auf den Kirchhof legen; wer weiß, was dir dann für ein Glück blüht!“
Nach diesen Worten fingen die Katzen an zu kreischen und zu miauen und auf dem Kirchhof wie toll herum zu fahren und alle Ecken und Winkel zu durchsuchen, bis auf einmal eine Katze unseren Owney-na-Peak erblickte und ausrief: „Hier liegt ein Mensch, der uns behorcht!“ Auf dieses Geschrei kamen alle Katzen, groß und klein, herbei, fielen über Owney-na-Peak her und zerbissen und zerrissen ihn, trotz seines Schreiens und Brüllens in tausend Stücke.
Am andern Morgen grub Owney ohne sich weiter darum zu bekümmern, daß sein Vetter die Nacht nicht nach Hause gekommen, sein Geld aus, füllte dann eine Flasche mit dem wundertätigen Wasser der Barrygow’ner Quelle und machte sich damit nach Limerick
auf den Weg. Dort angelangt, kaufte er sich von dem Reste seines Geldes einen stattlichen Anzug und ging dann gerade nach dem Königschlosse. Über dem Tore des Schlosshotels sag Owney eine Anzahl Eisenspitzen, und von jeder Spitze grinste im Sonnenschein ein Menschenkopf herab. Owney klopfte keck an das Tor. „Was wollt Ihr“ fragte der Pförtner. „Ich bin“, antwortete Omney, „ein großer Doktor und komme, um den König von seiner Blindheit zu heilen.“ „Nur nicht so eilig!“ antwortete der Pförtner.„Seht Ihr die Köpfe da? Euer Kopf könnte ihnen leicht Gesellschaft leisten, wenn Ihr anders darauf beharrt, in Eurer Angelegenheit das Schloß zu betreten. Das sind die Köpfe aller Doktoren, die vor Euch hier gewesen sind, und die der König hat hinrichten lassen, weil ihre Kur ihm nicht geholfen hat.“ „Das macht mir keine Angst“, antwortete Owney; „Führt mich nur gleich vor den König.“ Da er es denn nicht anders wollte, so wurde Owney vor den König geführt. Der König sagte ihm, daß er, wenn ihm die Kur misslänge, den Kopf verlieren, im Gegenteil aber die Prinzessin heiraten und einst Thron und Reich erben würde. Owney antwortete keck, daß er auf diese Bedingung hin die Kur wagen wolle. Hierauf mußten alle im Saale Anwesenden, bis auf paar Wachen, sich zurückziehen, und nun benetzte Owney die Augen des Königs mit dem Wasser aus der Barrygow’ner Quelle. Alsbald sprang der König vom Throne und schaute um sich mit hellen Augen, als er nur je gehabt. Nun befahl der König sofort, daß man Owney kleiden solle wie einen Prinzen, ließ auch seiner Tochter sagen, daß sie ihn sofort zu ihrem Gemahl anzunehmen habe.
Die Prinzessin freute sich zwar sehr über ihres Vaters Genesung, allein der der Befehl, sofort einen Mann zu heiraten, den sie noch nie mit Augen gesehen, wollte ihr ganz und gar nicht behagen. Als ihr Owney jedoch vorgeführt wurde, und sie fand, daß er ein so hübscher junger Mann war, als je einen die Sonne beschienen, so änderte sich ihr Sinn. Aber sie wollte doch wissen, ob ihr künftiger Mann auch ebenso klug sei, als er hübsch war, und sie sagte deshalb, ehe sie ihn ihrer Hand für würdig halte, müsse er ihr zuvor einige Fragen beantworten. Owney machte eine tiefe Verbeugung und antwortete, die Prinzessin möchte nur fragen, er wolle eine Antwort schon finden. Darauf forderte die Prinzessin, er möchte ihr doch einmal sagen, was das Süßeste sei auf der Welt. Da antwortete Owney: „Ohne Salz schmeckt Euch keine Speise; Salz erst gibt dem, was wir genießen, Wohlgeschmack; also sage ich Euch: das Süßeste auf der Welt ist das Salz!“ Die Umstehenden alle zollten dieser Antwort ihren Beifall, und auch die Prinzessin gestand lächelnd, daß Owney den Nagel auf den Kopf getroffen. Hierauf tat die Prinzessin noch mehrere Fragen, und Owney beantwortete sie alle gleich gut, daß die Leute meinten, daß selbst die Weisen und Richter des Landes nicht besser hätten antworten können, wenn sie an Owneys Stelle gewesen. Da die Prinzessin sah, daß Owney eben so gescheit wie hübsch war, so hatte sie ferner gegen diese Heirat nichts mehr einzuwenden. Es wurde also Hochzeit gehalten mit großer Pracht und Herrlichkeit, und Owney lebte glücklich mit seiner jungen Frau und erbte nach des alten Königs Tode Thron und Reich, regierte auch lange Jahre in Segen und Frieden.
Märchen aus Irland