Direach, das bedeutet soviel wie „Ehrlicher John.“ Er war ein großer Jäger, und als er eines Tages die Wälder durchstreifte, mit Pfeil und Bogen zur Hand, sah er sich dem schönsten Vogel, der sich denken läßt, einen blauen Falken. Sehr rasch surrte ein Pfeil durch die Luft, aber der Falke entkam dem Geschoß, und nur eine blaue Feder von ihm fiel auf die Erde herab. Ian hob diese Feder auf, und als er heimkam, zeigte er sie seiner Stiefmutter, der Königin. Nun war das eine Frau, die bösen Zauber trieb, und sobald sie die Feder sah, wußte sie, daß diese nicht aus dem Gefieder eines gewöhnlichen Vogels stammte. Sofort war sie entschlossen, sie müsse den blauen Falken bekommen, koste es, was es wolle. Also befahl sie Ian Direach, auszuziehen und nicht eher heimzukehren, bis er den Vogel für sie gefangen habe, und da Ian fürchtete, die Königin würde ihn sonst verzaubern, gehorchte er ihrem Befehl. Er ging zuerst zu jenem Hügel, wo er dem Falken zuerst begegnet war, aber dort ließ sich keine Spur des wunderbaren Vogels entdecken. Dunkelheit senkte sich auf die Erde, und die kleinen Vögel in den Büschen suchten Zuflucht zwischen den Wurzelstöcken der Dornensträucher. Als die Nacht angebrochen war, setzte Ian sich unter einem Baum, zündete ein Feuer an, um sich zu wärmen und wollte sich gerade schlafenlegen, als er ein Rascheln hörte, In dem Lichtkreis des Feuers schlich sich ein rotbrauner Fuchs, der hielt im Maul eine Hammelkeule und ein Stück Schafsfleisch. „Das ist heute nicht das richtige Wetter, um im Freien zu übernachten“, sprach der Fuchs. „du hast recht“, antwortete Ian, „aber ich muß für meine Stiefmutter, die Königin, den blauen Falken suchen. Ehe ich ihn nicht gefunden habe, kann ich nicht nach Hause zurückkehren.“ Da sah der Fuchs Ian mit seinen Augen voller schlauer Weisheit an und sagte: „ Das ist eine schwere Aufgabe, aber wenn du gut aufpaßt, wird sie sich am Ende nicht als unmöglich herausstellen.“
Und während sie die Hammelkeule und das Stück Schafsfleisch zum Abendessen miteinander teilten – Ian war hungrig wie ein Wasserbüffel – erzählte der Fuchs, der blaue Falke gehörte einem Riesen mit fünf Köpfen, fünf Buckeln und fünf Warzen. „Du mußt zu diesem Riesen gehen“, sagte der Fuchs, „du mußt dich ihm als Gehilfe verdingen und ihm sagen, du könntest besonders gut mit Vögeln umgehen. Er wird dann alle Habichte und Falken unter deiner Obhut stellen, und unter ihnen befindet sich auch jener Vogel, den du suchst. Wenn der Riese einmal sein Haus verläßt, wird es für dich ein leichtes ein, mit dem blauen Falken auf und davon zu rennen. Aber bedenke dieses: während du dich aus dem Haus des Riesen schleichst, darf dessen blaues Gefieder nichts, aber auch gar nichts dort berühren. Wenn du dabei nicht vorsichtig bist, wird es dir schlimm ergehen.“ Ian dankte dem Fuchs für den Rat, und dann verbrachten beide den Rest der Nacht gemeinsam unter dem Baum. Bei Tagesanbruch wies der Fuchs Ian den Weg zum Riesen mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen. Ian lief bis zu den Bäumen am Horizont, und als er dort ankam, war es immer noch weit bis zu des Riesen Haus. Aber als die Sonne über der Welt unterging, hatte er endlich sein Ziel erreicht. Er klopfte an die große Tür. Der Riese selbst öffnete, und als Ian ihn sah, fragte er sich im ersten Augenblick, ob es nicht besser sei, sogleich wieder davonzurennen. „Was willst du von mir, Königssohn?“ brüllte der Riese.
„Ich will euer Diener werden“, sprach Ian, „ich meine, falls ihr einen gebrauchen könnt, der, wie ich, gut mit Vögeln umgehen kann.“ „Das trifft sich ja ausgezeichnet“, sprach der Riese, stieß die Tür weit auf und lud Ian ein, näherzutreten, „ich suche schon längst jemanden, der sich um meine Habichte und Falken kümmert.“ Also wurde Ian im Hause des Riesen mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen angestellt, und tatsächlich, unter den Vögeln, die in seine Obhut gegeben wurden, befand sich auch der blaue Falke, den Ians Stiefmutter unbedingt haben wollte. Als der Riese sah wie verständig Ian mit den Vögeln umging, entschloß er sich, den Jungen eine Zeitlang allein zu lassen und auf die Jagd zu gehen. Und an einem solchen Tag war es, daß Ian sich zur Flucht entschloß.
Er wartete, bis der die Erde erschütternder Schritt des Riesen nicht mehr zu hören war. Dann holte er vorsichtig den Falken aus dem Käfig. Er bedachte die Warnung des Fuchses und trug den Vogel so vorsichtig bis zur Schwelle, als sei er aus Glas gemacht. Aber ach, als Ian die Tür öffnete, und der Vogel das Tageslicht sah, spreizte er seine Schwingen und seine blauen Schwungfedern berührten den Türpfosten, der sofort ein quietschendes Geräusch von sich gab, das man über hundert Meilen und weiter hören konnte. Ian hatte nicht einmal Zeit, um sich zu bedanken, was nun zu tun sei. Sofort war der Riese da und brüllte mit fünf Stimmen: „Du hast versucht, mir meinen blauen Falken zu stehlen. Du hast versucht, dich mit etwas davonzumachen, was dir nicht gehört!“ „Vergib mir!“ rief Ian, „aber meine Stiefmutter hat mich ausgeschickt. Und sie hat zu mir gesagt, ohne diesen Vogel dürfe ich mich daheim nicht mehr blicken lassen!“ Da schaute der Riese Ian an, und ein schlaues Lächeln spielte in seinen Augen. „Den blauen Falken will ich dir gern geben“, sagte er, „aber du mußt mir das weiße Schwert des Lichtes holen, das den Großen Frauen in Dhiurradh gehört.“ Und als Ian versprach, diesen Auftrag auszuführen und mit leichtem Schritt davonlief, lehnte sich der Riese gegen den Türpfosten lachte und lachte, und sein Gelächter klang wie das Echo des Donners. Er war sicher, das es Ian Direach nie gelingen werde, mit dieser Aufgabe fertig zu werden.
Viele Meilen wanderte Ian ohne sich auszuruhen, aber nirgends traf er jemanden, der ihm hätte sagen können, wo die Großen Frauen von Dhiurradh wohnten. Als es dunkel wurde, setzte er sich unter einen großen Baum und zündete ein Feuer an, und als er gerade im Begriff war, einzuschlafen, raschelte es wieder, und, siehe da, sein alter Freund, der Fuchs, kam ihn besuchen. „Also hast du es nicht geschafft, aus dem Haus des Riesen den blauen Falken zu entführen“, sagte der Fuchs zur Begrüßung. „So ist es leider“, antwortete Ian, „aber der Riese hat mir versprochen, den Falken zu geben, wenn ich ihm das Weiße Schwert des Licht hole, das den Großen Frauen von Dhiurradh gehört.“ Da schaute der Fuchs Ian voll schlauer Weisheit an und sagte: „Diese Aufgabe ist schwierig, aber wenn du gut aufpaßt, ist sie nicht unmöglich zu lösen.“ Und während sie ihr Abendessen zusammen verspeisten, erzählt der Fuchs Ian, daß Dhiurradh eine Insel im Meer sei, und die Großen Frauen seien drei Schwestern, die dort lebten. „Du mußt zu ihnen gehen“, sagte der Fuchs, „du mußt dich von ihnen anstellen lassen, indem du ihnen erzählst, du könntest besonders gut mit Metallen umgehen und sie putzen. Sie werden dir dann ihre Waffen anvertrauen. Darunter befindet sich auch das Schwert, das du suchst. Wenn sie dann eines Tages nicht zu Hause sind, sollte es dir nicht schwer fallen, mit dem Schwert davonzulaufen. Aber denke immer daran: du darfst mit dem Schwertblatt nichts in diesem Haus berühren. Sonst könnte es dir übel ergehen….“
Am Morgen gingen die beiden zu einer Stelle, an der der Ozean das Land berührte, und dort sprach der Fuchs: „Ich werde mich jetzt in ein Boot verwandeln und dich zur Insel Dhiurradh tragen.“ Und nachdem er mit den Augen geblinzelt hatte, wurde er ein enges, braunes Boot, und Ian ruderte darin über die See, bis er an die Klippen eines Eilandes mitten im Ozean kam. Sobald das Boot wieder an Land gezogen war, verwandelte sich der Fuchs wieder in seine wahre Gestalt. „Viel Glück, Königssohn“, sagte er, als Ian aufwachte, um das Haus der Großen Frauen zu finden. „An dem Tag, an dem du fliehst, werde ich hier auf dich warten und dich wieder über das Wasser zu tragen.“ Es war nicht sehr weit bis zu seinem Haus, und als Ian an die große Tür klopfte, waren es die drei Schwestern, die ihm öffneten. „Was ist dein Begehr, Königssohn?“ fragten sie. „Ich könnte euch im Haus helfen“, sprach Ian, „besonders gut zu gebrauchen bin ich, wenn es darum geht, jede Art von Metall zu putzen und zum Glänzen zu bringen.“ „Da kommst du uns gerade recht“, antworten die drei Großen Frauen, stießen die Tür weit auf und ließen Ian eintreten, „wir suchen schon lange jemanden, der unsere Schwerter und Waffen putzt.“ Also trat Ian in den Dienst der Großen Frauen und tatsächlich befand sich unter den Waffen, die er blank halten mußte, jenes Weiße Schwert des Lichts, das der Riese mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen so gern besessen hätte.
Als die drei Schwestern sahen, wie gewissenhaft Ian seinen Dienst versah, waren sie zufrieden und meinten, sie könnten ihn nun auch ruhig einmal allein lassen und in die Fremde reisen, und an jenem Tag war es, da Ian sich zu fliehen entschloß. Kaum waren die Große, die Häßliche und die Schwarze zur anderen Seite der Insel gegangen, da hob er vorsichtig das Weiße Schwert des Lichtes von seinem Platz. Er dachte an die Warnung des Fuchses und trug es mit größter Vorsicht bis zur Schwelle.
Aber o weh! Gerade als er durch die Tür wollte, berührte die Schwertspitze den Türbalken, und das gab ein Geräusch, das man über Tausende Meilen hin hören konnte. Sofort stürmten die Schwestern heran. „Ha, du hast also versucht, unser Weißes Schwert des Lichtes zu stehlen“, riefen sie, „du wolltest mit etwas davonlaufen, was uns gehört.“ „Vergebt mir!“ rief Ian, „aber es war der Riese mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen, der mich hierher geschickt hat. Wenn ich ihm das Schwert nicht bringe, gibt er mir nicht den blauen Falken, und ohne den blauen Falken kann ich nicht zu meiner Stiefmutter, der Königin heimkommen.“
Da betrachteten die drei Großen Frauen Ian mit einem verschlagenen Blick. „Wir werden dir das Weiße Schwert des Lichts geben“, sagten sie, „aber dafür mußt du uns das gelbe Füllen beschaffen. Es gehört dem König von Erin.“ Und als Ian versprochen hatte, ihren Auftrag auszuführen und mit großer Hoffnung im Herzen aufbrach, fielen sich die drei Großen Frauen um den Hals und lachten und lachten, denn sie meinten, Ian Direach werde diese Aufgabe nun gewiß nicht erfüllen könne.
Als Ian wieder zur Küste kam, traf er dort den Fuchs der schon auf ihn wartete. „Du hast es also nicht geschafft, das Weiße Schwert des Lichtes aus dem Hause der Großen Frauen von Dhiurradh fortzuschaffen“, meinte er. „Leider nicht“, antwortete Ian, und erklärte dem Fuchs, daß er das S chwert nicht bekommen werde, ehe er nicht vom König von Erin das gelbe Füllen bringe. Da sah der Fuchs Ian wieder voll Weisheit und Schläue an und sagte dann:
„Die Aufgabe ist schwer, aber wenn du acht gibst, ist sie nicht unmöglich zu lösen. Erin ist ein Land, das noch etwas weiter übers Meer hin liegt. Ich will mich in eine Barke verwandeln und dich dorthin tragen. Wenn wir nach Erin kommen, mußt du dich auf den Weg zum Schloß des Königs machen und dich dort als Stallbursche verdingen. Unter den Pferden die man deiner Fürsorge anvertraut, wird auch jenes sein, das du suchst. Und in der Nacht, wenn alle schlafen, sollte es nicht schwer sein, mit dem gelben Füllen davonzureiten. Nun mußt du aber auch dort aufpassen. Kein Teil des Pferdes, außer seinen Hufen, darf die Innenseite des Stalltores berühren. Andernfalls wird es dir schlecht ergehen, und du wirst wieder, wie schon zuvor, in Schwierigkeiten kommen.“
„Glück sei mit dir, Königssohn. In der Nacht, in der du fliehst, werde ich auf dich warten und dich über das Wasser zurückbringen.“
Ian spazierte durch die grüne Landschaft und kam bald an das Königsschloß, und als er an die Tür klopfte, tat ihm der König von Erin selbst auf. „Was willst du von mir, Fremder?“ fragte der König, der ein hochgewachsener Mann in schönen Kleidern war. „Ich möchte dir als Stallbursche dienen“, erwiderte Ian.
„Dann kommst du genau zur rechten Zeit“, sagte der König, „ich brauche gerade einen Stallburschen. Also trat Ian seinen Dienst in den Stallungen des Königs an, und wahrlich, eines der Pferde war jenes gelbe Füllen, das die Großen Frauen von Dhiurradh so sehnlich
zu besitzen wünschten. Nach einiger Zeit schien es Ian günstig, die Flucht zu versuchen.
Er ging zum Stall und band das gelbe Füllen los. Sich an die Warnung des Fuchses erinnernd, führte er das Tier zur Stalltür, wollte aufsitzen und davonreiten.
Aber o weh! Gerade als er zur Tür kam, strich der Schweif des Tieres über den Türpfosten. Sofort rtönte ein unerhörtes Gekreisch,das man über ganz Erin vernahm. Der ganze königliche Hofstaat lief zusammen, allen voran kam der König selbst und sprach: „Du hast versucht, mir mein gelbes Füllen zu stehlen. Du wolltest mit etwas fliehen, was dir nicht gehört.“ „Vergib mir!“ antwortete Ian, „aber es waren die Großen Frauen von Dhiurradh, die mich geschickt haben, um dieses Pferd zu holen.
Denn, wenn ich ihnen das Füllen nicht bringe, geben sie mir nicht das Weiße Schwert des Lichts, und wenn ich das Weiße Schwert des Lichts nicht bringe, bekomme ich von dem Riesen mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen nicht den blauen Falken. Ohne den blauen Falken aber darf ich nicht zu meiner Stiefmutter, der Königin heimkommen.“ Da sah der König von Erin Ian nachdenklich an und sagte: „Ich gebe dir dann das gelbe Füllen, wenn du mir die Tochter des Königs von Frankreich holst. Ich habe gehört, sie soll das schönste Mädchen auf der ganzen Welt sein, und ich möchte sie heiraten. Den Wunsch des Königs zu erfüllen, versprach Ian, und als er fortging, lachte der König so heftig, daß ihm Tränen über die Backen rannen. Er wollte einfach nicht glauben, daß Ian Direach diese Aufgabe würde lösen können.
An der Küste traf Ian wieder auf den Fuchs.
„Jetzt sag mir nur nicht, es sei auch diesmal wieder alles schiefgegangen“, rief der Fuchs Ian entgegen. „Doch, so ist es“, gestand Ian, und er erzählte dem Fuchs, daß er das gelbe Füllen nicht eher bekommen werde, bis er dem König von Erin die Tochter des Königs von Frankreich bringe. Der Fuchs sah Ian voller Weisheit und Schlauheit an und sagte darauf:
„Das wird nicht leicht sein, aber wenn du gut aufpaßt, läßt es sich schaffen. Ich werde mich in eine Schiff verwandeln und dich über den Ozean nach Frankreich tragen, das noch etwas weiter entfernt liegt. Und wenn wir dort ankommen, mußt du zum König laufen und ihm erzählen, dein Schiff liege als Wrack an der Küste. Dann werden der König und die Königin und ihre Tochter kommen und sich das Schiff ansehen wollen; darauf überlaß alles weitere mir.“ Auf der Stelle verwandelte sich der Fuchs in ein seetüchtiges Schiff und trug Ian nach Frankreich. Dort lief er der junge Mann zum Schloß des Königs, und dieser selbst öffnete ihm die Tür. „Was willst du von mir, Fremder?“ fragte der König, ein gutaussehender Mann mit einem schwarzen Bart. „Ach, Herr, mein Schiff liegt als Wrack vor der Küste“, sagte Ian, „ich bin gekommen, um Hilfe zu suchen.“ „Ich werde kommen und mir dein Schiff anschauen“, antwortete der König, und dann rief er seine Frau und seine Tochter herbei, damit sie ihn auf den Ausflug begleiteten.
Als nun Ian Direach die Tochter des Königs von Frankreich zu Gesicht bekam, schien sie ihm das bezauberndste Geschöpf, das ihm je begegnet war, und er wußte, daß der König von Erin recht gehabt hatte, als er erklärte, sie sei die schönste Frau der Welt. Sie hatte lange schwarze Haar und tiefblaue Augen und ebenmäßige Gesichtszüge. Die drei kamen also mit Ian zur Küste, und als sie das große Schiff erblickten, waren sie beeindruckt von seiner Größe. Währen Ian nun dastand und überlegte, was er nun tun solle, hörte man plötzlich vom Meer her süße Musik über das Wasser dringen. Die Tochter des Königs hörte das auch, und sie klatschte vor Vergnügen in die Hände. „Kannst du mich nicht auf das Schiff bringen, damit ich die Musikanten kennenlerne?“ fragte sie Ian. „Mit Freuden“, antwortete der, und während der König und die Königin lächelnd dabeistanden, ergriff er ihre weiße Hand und führte sie an Bord.
Während sie sich unter Deck die Kabinen betrachteten, füllte der Wind die Segel und das Schiff begann, über den Ozean zurückzufahren, so daß, als Ian und die Prinzessin wieder auf Deck kamen, sie sich mitten auf dem Meer befanden und nirgends mehr eine Küste zu sehen war. „Ach, du hast mich entführt!“ rief die Prinzessin. „Verzeihung“, antwortete Ian, „aber es war der König von Erin, der mich ausgeschickt hat übers Meer, weil er dich zur Frau haben will…“, und dann erzählte er dem Mädchen all seine Abenteuer und daß er nicht nach Hause zurückkommen dürfe, ehe er nicht den blauen Falken habe, der im Besitz des Riesen mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen sei. Als er geendet hatte, stöhnte die Prinzessin und sah ihn freundlich aus ihren blauen Augen an.
„Lieber Ian“, sprach sie, „ich würde viel lieber dich heiraten als den König von Erin.“
Ian wurde bei ihren Worten ganz schwer ums Herz, denn auch er hatte sich in die Prinzessin verliebt, und der Gedanke, sich von ihr trennen zu müssen, machte ihn traurig. Aber wieder einmal half ihm der treue Fuchs aus der Patsche. Kaum waren sie an Erins grüner Küste gelandet, da sagte er Ian, wie dieser dem König von Erin überlisten und die Prinzessin für sich behalten könne. „Ich werde mich in ein schönes Mädchen verwandeln“, sagte der Fuchs, „und während die Prinzessin hier an der Küste bleibt, wirst du mich zum König bringen und erklären, ich sei die Tochter des Königs von Frankreich.“ Und“, so fügte der Fuchs mit einem schlauen Lächeln hinzu, „später werde ich fliehen und zu euch stoßen.“ So geschah es. Die Prinzessin blieb an der Küste zurück.
Und Ian lief durch das grüne Land, mit dem Fuchs an seiner Seite, der sich in eine schöne Frau verwandelt hatte, mit blassem Gesicht und rotbraunen Locken. Sie kamen zum Schloß des Königs, und der König selbst empfing sie. Er wunderte sich sehr, seinen Stallburschen wiederzusehen. „Hallo, König von Irland“, sagte Ian, „ich bringe dir die Tochter des Königs von Frankreich zur Braut.
Wo ist das gelbe Füllen, das du mir versprochen hast, sofern ich diesen Auftrag ausführe?“ „Schon recht“, erwiderte der König, und er gab Befehl, das gelbe Füllen mit einem goldenen Sattel mit silbernen Steigbügel zu versehen und es aus dem Stall zu führen. „Nimm das gelbe Füllen“, sagte er zu Ian, „und ziehe damit deines Weges.
Ian ritt auf dem gelben Füllen zur Küste, wo die Prinzessin wartete. Der König von Erin wollte unterdessen seine Braut umarmen, aber kaum hatte er im Bett seine Arme um sie gelegt, als sie sich plötzlich wieder in ein rotbraunes Vieh verwandelte, das ihn in den Arm biß und darauf rasch zur Küste davonlief.
Dort verwandelte sich der Fuchs in eine Barke mit rotbraunen Segeln und segelte mit Ian und der Prinzessin und dem gelben Füllen übers Meer zur Insel Dhiurradh. „Und nun“, sprach der Fuchs, als sie dort gelandet waren, „werde ich dir sagen, wie du die drei Großen Frauen überlisten und das gelbe Füllen für dich behalten kannst. Ich werde mich in ein schönes Pferd verwandeln, und während die Prinzessin mit dem Füllen hier an der Küste bleibt, nimmst du mich zu den drei Großen Frauen und gibst vor, du hättest das gelbe Füllen bei dir. Ich werde dann schon sehen, wie ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehe.“
So geschah es. Ian bekam das Weiße Schwert des Lichts und ließ den Fuchs, der sich in ein Pferd verwandelt hatte, bei den drei Großen Frauen zurück. Die drei Großen Frauen waren begierig, sogleich auf dem neuen Pferd einen Ritt zu versuchen, und weil keine von ihnen die andere zuerst reiten lassen wollte, stiegen sie schließlich alle drei auf den Rücken des Tieres. Eine stand auf der Schulter der anderen. Kaum spürte der Fuchs etwas Schweres auf seinem Rücken, da fing er an zu galoppieren, und er preschte bis zum Rand einer hohen Klippe. Dort stemmte er seine Hufen in den Torfboden, beugte seinen Kopf, so daß er alle drei Frauen, die Große, die Dunkelhaarige und die Häßliche vornüber hinab in den See stürzten, wo sie noch bis zum heutigen Tag liegen. Darauf nahm er wieder seine wahre Gestalt an und trabte eilig zu Ian, der Prinzessin und dem gelben Füllen, die schon auf ihn warteten. Der Fuchs wurde wieder zu einem Boot mit rotbraunen Segeln und trug sie übers Meer, zurück in das Land, in das Ian Direach zuerst gekommen war.
„Und nun ist unsere Seefahrt vorbei“, sagte der Fuchs, „jetzt werde ich dir erklären, wie du auch mit den Riesen mit den fünf Köpfen, den fünf Buckeln und den fünf Warzen überlisten kannst, um das Weiße Schwert des Lichts für dich zu behalten. Ich werde mich in diese Waffe verwandeln, und du wirst das Schwert dem Riesen bringen, und dafür den blauen Falken bekommen.“
So geschah es. Der Riese erhielt statt des echten Weißen Lichts jene Waffe, in die sich der Fuchs verwandelt hatte, und der Riese gab Ian dafür in einem Weidenkorb den blauen Falken. Darauf ging Ian wieder zur Küste, wo die Prinzessin auf ihn wartete. Und als das blaue Gefieder des Vogels durch das Flechtwerk des Korbes sah, kam Freude in sein Herz, das es ihm endlich gelungen war, den herrlichen Vogel nach so vielen Abenteuern an sich zu bringen. Der Riese wollte daheim sogleich sein Schwert ausprobieren. Er fuchtelte damit herum, bis es dem Fuchs zuviel wurde, er sich zusammenbog und dann herabstürzte und dem Riesen seine fünf Köpfe abhieb. Dann warf er seine Verkleidung ab und rannte zu Ian und der Prinzessin. „Jetzt“, sprach der Fuchs, „sind deine Abenteuer fast zu Ende. Nun müssen wir nur noch den bösen Zauber deiner Steifmutter überwinden. Und dies wird so geschehen: Du sollst auf dem gelben Füllen reiten und die Prinzessin hinten aufsitzen lassen. In der rechten Hand sollst du das Weiße Schwert des Lichts halten, und zwar so, daß die flache Seite der Klinge deine Nase berührt, während der Falke auf deiner Schulter sitzen muß. So mußt du heimreiten. Du wirst deine Stiefmutter auf der Straße treffen. Sie wird dich anschauen und versuchen, dich in eine Made zu verwandeln, aber der Glanz des Schwertes wird dich gegen ihren Zauber schützen.“
Ian tat, wie ihm der Fuchs geheißen.
Und nachdem er über mehr Berge und Täler geritten war, als je irgend ein anderer Mann vor ihm gesehen hatte, kam er in die Nähe des Schosses seines Vaters. Die Königin aber schaute aus ihrem Fenster, als Ian über einen Hügel ritt. Sie eilte ans Tor, und als er herankam, warf sie ihm einen tödlichen Blick zu. Hätte er nicht das Schwert vor sich gehabt, um den Zauber abzuhalten, er wäre vom Pferd gesunken. So aber fiel der böse Zauber, abgelenkt durch das Zauberschwert, auf die Königin selbst zurück. Sie fiel zu boden und wurde eine Made an einem Stück Holz.
Stolz betrat Ian das Schloß des Vaters. Er führte die Prinzessin an der Hand. Als der König von den Abenteuer seines Sohnes hörte, richtete er eine herrliche Hochzeit aus und befahl, alles Holz was am Schießtor lag, auf der Stelle zu verbrennen. So hatte Ian Direach sein Glück gemacht. Er hatte die schönste Frau der Welt zum Weibe, in seinem Stall stand das gelbe Füllen, das schnellste Pferd, das je gelebt hat, das sogar den Wind hinter sich lassen konnte, und daheim an der Wand seines Saales hing das Weiße Schwert des Lichts, das ünüberwindbar war, für die Jagd aber besaß er den blauen Falken. Ian vergaß seinen alten Freund, den Fuchs, nicht. Er befahl, daß in seinem Reich nie ein Fuchs gejagt oder behelligt werden dürfe. Als sich aber Ian und der Fuchs wieder einmal trafen, sagte das Tier:
„Mach dir keine Sorgen um mich und meinesgleichen. Wir kommen schon allein zurecht.“ Und fort war er, den Hang des Berges hinauf, und eine Weile sah man noch seinen roten Schwanz. Und damit ist meine Geschichte aus.