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Die verbotene Quelle

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Es war einmal ein Junge von zwölf Jahren, der wurdevon seinem Vater ausgeschickt, um die Schafe am Fenne fawr zu hüten. Zeitig eines Morgens im Juni trieb er seine Schafe auf die Weide und schaute zur Spitze des Frenne fawr, um zu sehen, wie der Morgennebel falle. Jung wie er war, kannte er sich noch doch mit dem Wetter aus und wußte, wenn sich der Nebel nach Cardiganshire absenkte, mußte man mit schlechtem Wetter rechnen. Sank er aber gegen Pembrokeshire ab, dann gab es schönes Wetter. Nun, an diesem tag deuteten die Zeichen auf schönes Wetter hin, und der Junge freute sich, pfiff sich Lied und schaute sich -was kostet die Welt!- neugierig um. Da sah er in einiger Entfernung eine größere Abteilung Soldaten, die mit etwas beschäftigt waren, woraus er nicht klug wurde.

>>So zeitig am Morgen können doch noch keine Soldaten hier oben im Gebierge sein<<, überlegte er und ging zur Spitze einer kleinen Erhebung, und von dort aus erkannte er, daß die Gestalten für Soldaten viel zu klein waren.

>> Könnte das vielleicht eine Feenfamilie sein?<< sprach er zu sich. Er hatte oft von Feen reden gehört und war an ihren Ringen vorbeigekommen, aber er hatte nie jemanden vom kleinen Volk selbst zu Gesicht bekommen. Zuerst wollte er heimlaufen und seinem Vater und seiner Mutter davon erzählen, aber ehe er zurück sein war, würden die Feen vielleicht verschwunden sein, oder aber seine Eltern würden ihm verbieten hierher zurückzukommen.

Viele Leute fürchteten sich nämlich vor den Feen. Er dachte noch eine Weile nach, und dann entschloß er sich, so nahe heranzugehen, wie er nur konnte.Und tatsächlich kam er ihnen recht nahe und konnte genau beobachten, was sie da trieben. Sie waren kleine Wesen beiderlei Geschlechts, so schön anzusehen, wie er nie einen Menschen gesehen hatte. Einige von ihnen tanzten. Sie hatten sich dabei an den Händen gefaßt und einen kreis gebildet. Andere spielten Nachlaufen, und wieder andere ritten auf kleinen weißen Pferden. Ihre Kleider waren unterschiedlich in den Farben, einige waren weiß, andere scharlachrot. Die kleinen Männer trugen Kappen mit drei Spitzen und die Fauen einen Kopfschmuck, der weithin glitzerte. Es dauerte nicht lange, da wurden sie auf den Jungen aufmerksam und winkenten ihn lachend zu sich heran. Zögernd kam er näher und näher, bis er es schließlich wagte, einen Fuß in den Kreis zu setzen. Kaum hatte er das getan,da vernahm er die wunderbarste Musik von der Welt, und etwas drängte ihn, noch weiter in den Kreis hineinzugehen.

Als er diesem Verlangen nachgab, fand er sich nicht länger in einem Feenring am Abhang des Gebirges, sondern in einem prächtigen Palast, in dem es vor Gold und Perlen nur so funkelte. Jede Art von Schönheit umgab ihn, und jede Art von Vergnügen wurde ihm geboten. Er konnte sich frei bewegen, und immer bedienten ihn die Mädchen, die alle wunderschön waren. Statt Kartoffeln mit Buttermilch und den Milchbrei, an an den er bis dahin gewohnt gewesen war, legte man ihm die besten Stücke Fleisch auf silberne Tellern vor, und statt einem dünnen Bier- das einzige alkoholische Getränk, das er bisher in seinem Leben je getrunken hatte – kredenzte man ihm roten und gelben Wein in mit Edelstein geschmückten Pokalen. Es gab nur ein einziges Verbot. Es war ihm nicht erlaubt, aus einer bestimmten Quelle im Garten zu trinken. Ihr Wasser ergoß sich in ein Becken, in dem schwammen Fische, sie waren golden oder glänzten in anderen Farben.

Jeden Tag hatten die Feen wieder ein neues Vergnügen für ih bereit, und jede Beschäftigung war neu und lustig, und er sah dabei Wesen aus dem kleinen Volk, denen er zuvor noch nicht begegnet war. Nachdem er nun alles hatte, was sich ein Sterblicher wünschen kann, wünschte sich der Junge auch noch das Verbotene. Wie Eva im Garten Eden, so spielte auch ihm die Neugier diesen Streich. Eines Tages kam er in die Nähe der Quelle und schaute den Fischen zu, die sich im Becken tummelten. Niemand sah zu, und da tauchte er seine Hand ins Wasser. Sofort verschwanden die Fische. Er trank von dem Wasser. Und fort war der Palast und alle Feen. Er stand wieder im Gebirge, eben an der Stelle, an der er in den Feenring eingetreten war.Die Schafe grasten noch dort, wo er sie verlassen hatte. Der Nebel über dem Berg hatte sich kaum bewegt. Er meinte viele Jahre fortgewesen zu sein, aber es waren nur wenige Minuten.

(Märchen aus Wales)

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