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Die Braut des Raben

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Es gab in einem Ort eine Frau, die lebte mit einem Raben zusammen. Ihr gegenüber wohnten drei sehr hübsche Mädchen. Da der Rabe sich verheiraten wollte, ließ er die Älteste fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Nein, antwortete diese, und der erzürnte Rabe pickte ihr die Augen aus. Das gleiche geschah mit der zweiten, bis die dritte schließlich es auf sich nahm, den Raben zu heiraten.
Einige Zeit später, als sie schon in seinem Hause lebten, unterhielt sich das Mädchen mit einer Nachbarin über ihren Verdruß, mit einem Raben verheiratet zu sein. Die Nachbarin riet ihr, ihm die Federn anzusengen, denn es konnte womöglich Zauberwerk sein, und so würde der Zauber gebrochen. Als die zwei sich abends zu Bett begaben, hielt das Mädchen die Kerze an die Federn des Raben. Dieser fuhr mit einem lauten Schrei aus dem Schlaf: »Ach, du hast meine Verzauberung erneuert! Wenn du mich retten willst, dann tritt an jenes Fenster und rufe alle Vögel, die du siehst, herbei und bitte sie: ‚Kommt, Vögel, kommt euch auszuziehen, um den König, der nackt ist, zu kleiden.’« Tatsächlich ließen die Vögel sich an dem Fenster nieder, und ein jeder ließ eine Feder fallen, mit der der Rabe sich bekleidete. Als er wieder ganz gefiedert war, schlug er mit den Flügeln und verschwand, wobei er zu seiner Frau sagte:

Wenn du mich nun wiedersehen willst,
dann mußt du eiserne Schuhe zerschleißen.

Das arme Mädchen verbrachte jene Nacht ganz allein, und sobald es hell wurde, ging sie ein Paar eiserne Schuhe kaufen, und zog in die Welt hinaus. Sie hatte die Schuhe durch ihr vieles Laufen schon fast ganz abgenutzt, da begegnete sie einem alten Mann und fragte ihn, ob er nicht einen Vogel gesehen habe. Der Alte erwiderte: »Ich komme von der Perlmutterquelle, da gab es einige.« Sie setzte ihren Weg fort, und bevor sie zu der Quelle kam, begegnete sie einem Raben, der ihr sagte: »Schau, wenn du den König retten willst, dann geh zur Quelle. Dort wird eine Wäscherin sein und ein Federkleid waschen, nimm es ihr weg und wasche du es. Bei der Quelle ist ein Haus und ein alter Mann, der es hütet. Geh hinein und töte den Alten, damit du alle Vogelkäfige zerbrechen kannst und den Vögeln, die er dort gefangenhält, die Freiheit schenken kannst.« Das Mädchen gelangte zu der Quelle und tat, wie ihm der Rabe geheißen hatte. Sie wusch das Federkleid und betrat dann das Haus, in dem der Alte war. Sie tat so, als sähe sie auf dem Meer ein schönes Schiff, und als der Alte ans Fenster trat, packte sie ihn bei den Beinen und warf ihn ins Meer. Danach zerbrach sie alle Käfige, und die befreiten Vögel verwandelten sich in Prinzen, die verwunschen gewesen waren, und unter ihnen befand sich auch ihr Mann, der war der König, und er erlegte ihnen auf, seiner Frau das ganze Leben lang zu dienen.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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