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Eine Frau hatte eine sehr häßliche Tochter und eine Stieftochter, die schön war wie die Sonne. Voller Neid behandelte sie diese sehr schlecht, und wenn die beiden Mädchen mit einer Kuh in die Berge zogen, gab sie ihrer Tochter ein Körbchen mit gekochten Eiern, Zwieback und Feigen mit, und ihrer Stieftochter gab sie schimmlige Brotrinden mit; auch verging kein Tag, an dem sie ihr nicht eine tüchtige Tracht Prügel verabreichte. Einmal waren die zwei in den Bergen, da kam eine Alte, die eine Fee war, des Wegs; sie ging zu ihnen und sagte: »Würdet ihr mir wohl einen Bissen von eurer Vesper abgeben? Ich falle vor Hunger fast um.« Das hübsche Mädchen, welches die Stieftochter der bösen Frau war, gab ihr sofort etwas von ihrer Brotkruste. Das häßliche Mädchen, das den Korb voller guter Dinge hatte, fing an, zu essen, und wollte ihr nichts abgeben. Die Fee wollte sie bestrafen und machte, daß die Häßliche die Schönheit der Hübschen erhielt, und daß die Hübsche an ihrer Stelle das häßliche Gesicht erhielt. Die beiden Mädchen wußten das aber nicht. Die Nacht brach herein und sie gingen nach Haus. Die böse Frau, die die Stieftochter, welche hübsch war, sehr schlecht behandelte, ging ihnen, da es schon sehr spät war, entgegen und schlug mit einer Gerte auf ihre eigene Tochter ein, die nun das Gesicht der Hübschen trug, und sie dachte, sie würde die Stieftochter verprügeln. Sie gingen heim, und im Glauben, daß es ihre Tochter wäre, gab sie der Häßlichen Milchsuppe und andere gute Dinge, und die andere schickte sie ohne Essen ins Stroh eines Schuppens voller Spinnweben. So ging es lange Zeit weiter bis eines Tages ein Prinz vorüberkam und das Mädchen mit dem hübschen Gesicht ganz traurig am Fenster erblickte, und sogleich fand er großen Gefallen an ihr und sagte, daß er nachts mit ihr im Garten sprechen möchte. Die böse Frau hatte alles gehört und sie sagte zu der Häßlichen, die sie für ihre Tochter hielt, daß sie sich zurechtmachen solle, um in der Nacht mit dem Prinzen zu sprechen, ohne dabei jedoch ihr Gesicht sehen zu lassen. Sie tat, wie ihr geheißen, und das erste, was sie dem Prinzen sagte, war – daß er sich irrte und daß sie sehr häßlich sei. Der Prinz glaubte ihr nicht, und da zeigte das Mädchen sein Gesicht. In dem Augenblick aber gab ihr die Fee ihre Schönheit zurück. Der Prinz verliebte sich noch mehr und erklärte, daß er sie zur Frau nehmen wolle. Das Mädchen erzählte dies der, die sie für ihre Tochter hielt. Man bereitete die Hochzeit vor, und es kam der Tag, an dem man das Mädchen zur Vermählung abholte. Sie ging mit verschleiertem Gesicht und ihre Schwester, die nunmehr hübsch war, blieb im finsteren Stall eingeschlossen. Sobald das Mädchen dem Prinzen seine Hand gegeben hatte und sie vermählt waren, gab ihr die Fee ihre Schönheit, zurück. Da erkannte die Stiefmutter, daß jene nicht ihre Tochter, sondern ihre Stieftochter war. Eilends lief sie nach Haus, ging in den Strohschober, um das Mädchen zu sehen, das sie dort eingeschlossen hatte, und da fand sie ihre eigene Tochter, die seit der Hochzeitsstunde ihrer Schwester wieder ihr häßliches Gesicht erhalten hatte. Beide waren verzweifelt, und ich weiß nicht wie es geschah, daß sie vor Neid nicht platzten. So bewahrheitete sich das Sprichwort: »Eine Stiefmutter ist nicht gut, und wäre sie aus Kuchenteig.«
[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]