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Von Ferrazzanu

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Jetzt will ich euch die Geschichte von Ferrazzanu erzählen, der war des Königs Kammerdiener, und ein gar loser Schalk, der immer dumme Streiche trieb. Eines Tages sprach die Königin zu ihm: »Ferrazzanu, ich habe gehört, du habest eine so hübsche Frau, bringe sie doch einmal her, ich möchte sie gerne sehn.« »Ja, königliche Majestät,« antwortete Ferrazzanu, »das wollte ich schon thun; aber meine Frau ist so taub, daß sie nicht hört, wenn man nicht ganz laut schreit.« »O, das thut nichts,« sagte die Königin, »ich will schon laut genug sprechen; bringe sie nur her.« Da ging Ferrazzanu zu seiner Frau und sprach: »Höre einmal, die Königin möchte dich gerne sehen. Zieh dich an und komme mit; du mußt aber sehr laut sprechen, denn die Königin ist so taub, daß sie fast gar nichts hört.«
Als nun die Frau zur Königin kam, verneigte sie sich tief vor ihr, und schrie mit lauter Stimme: »Bene diceti, wie geht es euerer königlichen Majestät?« Die Königin war nicht wenig erstaunt, als die Frau so schrie, sie dachte aber: »Arme Frau, sie spricht so laut, weil sie selber taub ist,« und antwortete ebenfalls mit lauter Stimme: »Ich grüße euch, ihr seid wohl die Frau des Ferrazzanu?« Die Frau aber dachte auch, als sie die Königin so schreien hörte, sie spräche so laut, weil sie selber taub sei, und so unterhielten sich die Beiden mit schrecklichem Geschrei, daß man es durch das ganze Schloß schallen hörte. Ferrazzanu aber stand hinter der Thüre, und lachte nach Herzenslust über seinen Streich.
Als nun der König den Lärm und das Geschrei hörte, lief er herbei und frug die Königin, was denn das sei. »Ach,« antwortete sie mit ihrer natürlichen Stimme, »die Frau des Ferrazzanu hat mich heut besucht, und die arme Frau ist so taub, daß man so laut mit ihr sprechen muß.« Nun aber fuhr die Frau auf und sprach: »Wer sagt es, daß ich taub sei? Ihr seid ja selbst taub, Frau Königin, denn mein Mann hat es mir gesagt.«
Als nun die Königin merkte, daß Ferrazzanu sie zum Besten gehabt habe, ward sie sehr zornig, und der König ließ seinen Kammerdiener rufen, und machte ihm viele Vorwürfe. Strafen aber wollte er ihn nicht, weil er ihn so lieb hatte. Die Königin jedoch drang immer in ihren Gemahl, er solle doch den nichtsnutzigen Ferrazzanu bestrafen lassen, der sein Spiel mit ihr getrieben. Weil sie denn nun immer das Eine sagte, so gedachte der König, endlich sie zufrieden zu stellen, und schrieb dem Hauptmann der Festung einen Brief, darin stand, er solle dem Ueberbringer hundert Stockstreiche geben lassen. Den Brief aber sollte Ferrazzanu selbst hintragen.
Als nun Ferrazzanu den Brief in die Hand nahm, besah er ihn zuerst von allen Seiten, roch auch daran und trieb das so lange, bis der König ihn frug, »warum er das thue?« »Königliche Majestät,« antwortete er, »diesen Brief kann ich nicht besorgen, denn er stinkt.« »Was, du Halunke,« schrie der König, »wie kannst du sagen, daß etwas stinkt, was aus meiner Hand kommt?« »Ja, königliche Majestät,« antwortete der kluge Ferrazzanu, für euch stinkt er auch nicht, sondern nur für mich. Der König freute sich über seinen klugen Kammerdiener, und wollte ihm gern die Strafe erlassen. Weil aber die Königin nur zorniger wurde gebot er dem Ferrazzanu, den Brief sogleich zu besorgen, sonst werde er ihn wegjagen. Also nahm Ferrazzanu den Brief, und machte sich betrübt auf den Weg zum Hauptmann der Festung. Unterwegs begegnete ihm ein kräftiger Bauernbursche, den rief er an und sagte: »Höre einmal, schöner Bursche, willst du wohl einen Carlino1 verdienen?« »Jawohl, wenn ihr mir sagt, auf welche Weise,« antwortete der Bursche. »Besorge diesen Brief für mich,« sprach der kluge Ferrazzanu, gab ihm den Brief und einen Carlino und schlich ihm dann leise nach.
Als der Hauptmann den Brief gelesen hatte, ließ er flugs den Burschen binden und ihm hundert Stockstreiche geben. Ferrazzanu aber kehrte vergnügt in das Schloß zurück. Da ihn nun der König ganz wohlbehalten ankommen sah, ward er sehr erstaunt und dachte bei sich: »Hat er etwa meinen Brief nicht besorgt?« Da hörte er den klugen Kammerdiener draußen laut singen: »Ich habe ein gutes Geschäft gemacht; hundert Stockstreiche habe ich für einen Carlino verkauft.« Als der König und die Königin das hörten, mußten sie so über den klugen Ferrazzanu lachen, daß sie ihm nicht mehr böse sein konnten.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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