Suche

Vom sprechenden Bauche

1
(2)
Man erzählt: Es war einmal ein König und eine Königin, die hatten einen einzigen Sohn, den hätte der Vater gern verheirathet, aber der Sohn wollte nicht und fand immer die Entschuldigung: »Herr König, ich bin noch zu jung.« So oft der König auch von der Heirath sprach, immer aufs neue bekam er die Antwort: »Ich bin noch zu jung.« Als der König nun gar nicht nachließ und immer mehr in den Sohn drang, glaubte dieser einen Ausweg gefunden zu haben und versprach, seinem Vater zu Willen zu sein, wenn er ihm eine Frau verschaffe, die mit dem Bauche reden könne.
Da rief der König die Weisen des Landes zusammen und sprach: »Ihr wißt, mein Sohn soll heirathen, er will es auch, verlangt aber eine Frau, die mit dem Bauche reden könne. Die Frau muß herzu, denn ich kann mein Reich nicht in fremde Hände fallen lassen. Rathet mir also, wo finde ich sie?« Es erhob sich ein alter Weiser und sprach: »Heilige Krone, mein Rath ist der: schickt zwölf Edelleute und zwölf Maler in die weite Welt hinein, alle Länder sollen sie durchschweifen; der geht nach Portugal, jener nach Spanien, ein anderer nach England und so fort. Welcher von ihnen die Frau findet, die mit dem Bauche redet, der malt sie und bringt Euch das Bild. Gefällt dies Euerm Sohne: gut! Gefällt’s ihm nicht, nun so hat man gethan, was man thun konnte.«
Hierauf erging ein Befehl des Königs, daß zwölf Große des Landes, jeder von einem Maler begleitet, abreisen und sich über die Welt vertheilen sollten: einer da-, der andere dorthin!
Einer der zwölf nun, es war der Fürst von Butera, nimmt sich einen guten Maler, ruft seine Diener, sitzt zu Pferd und reist noch selbigen Tages ab. Wie er unterwegs ist, kommt ein böses Wetter mit Regen und Wind, vor lauter Nebel verlieren sie die Straße und finden sich mit einem mal in einem dichten Walde. Die Diener verlieren sich von ihrem Herrn, und dieser irrt allein mit dem Maler weiter. Wie sie an das Ende des Waldes kommen, sehen sie einen Alten, der hackt die Erde, und der Fürst ruft ihm zu:
»Sei gegrüßt, du Mann der Erde!«
Worauf der Alte antwortet:
»Willkommen, Mann der Kriegsbeschwerde!«
»Was machen die Zwei?«
»Bald gehn sie zu Drei.«
»Und die aus der Weite?«
»Sind kurz, mir zu Leide.«
»Auf den Bergen liegt Schnee?«
»Zeit wär‘ es, meine ich, mehr als je.«
Dann legt der Alte die Hacke weg und führt den Fürsten und den Maler nach seiner Hütte. Drinnen saß die Tochter und webt, und der Fürst ruft ihr beim Eintreten zu: »O Mädchen, das Leinen webet . …«
Sie antwortet: »O Ritter, sieh, was dir schwebet!«
Und der Vater fragte sie: »Wo ist die Mutter?«
Das Mädchen antwortet: »Sie ging zu zeigen das Licht der Welt einem, der’s nie noch gesehen hat.«
»Und deine Großmutter?«
»Erweiset einem Ehren, der keine mehr empfangen kann.«
»Und was machst du?«
»Ich lasse tanzen, ohne zu spielen.«
Dann sagt der Vater zum Fürsten: »Ihr müßt Euch begnügen mit dem, was Ihr zu essen findet, wenig genug.« Die Mutter und die Großmutter kamen nach Hause, und man setzt sich zu Tische. Während sie aßen, flüstert der Prinz dem Maler zu: »Wenn deren Bauch spräche, so wäre sie wol eine Frau für den Königssohn, denn sie hat keinen Makel.« Darauf ging man zur Ruhe. Die Mutter des Mädchens hatte aber vergessen, dem Fürsten den Zunder zurechtzulegen; wie er nun in der Nacht aufsteht, die Kerze anzuzünden, tastet er vergeblich danach umher. Er sucht und sucht und geräth im Dunkeln auch in das Zimmer des Mädchens, und beim Herumfühlen tastet er unversehens auf ihren Leib. Er erschrickt, denn der Bauch fängt alsbald an zu sprechen: »Rühr‘ mich nicht an, ich bin des Königs!« Er zieht die Hand zurück und streift ihn wieder, und nochmal ertönt’s: »Ich hab’s dir gesagt: rühr‘ mich nicht an, ich bin des Königs!« Der Fürst geht zum Maler zurück, weckt ihn und sagt: »Wißt Ihr, was ich gefunden? Drinnen liegt ein Mädchen, das redet mit dem Bauche.« – »Was?« rief der Maler, »die müssen wir morgen malen und das Bild dem Könige bringen.«
Wirklich wird am andern Morgen das Bild gemacht, dann verabschieden sie sich von den Leuten und der Fürst sagt: »Lebt wohl, in ein paar Tagen werden wir uns wiedersehen.« In der nächsten Herberge machte der Maler sein Bild fertig, der Fürst band es sich an den Hals und so ritten sie bald der Heimat zu. Nach und nach kamen auch die übrigen Edelleute mit den Malern zurück, und wie sie alle beisammen waren, stieg der König auf den Thron und berief seine Räthe. Elf Bilder hatte der Königssohn gesehen, keins wollte ihm gefallen, an jedem entdeckte er irgendeinen Fehler. Da tritt der Fürst von Butera hervor und spricht: »Mein Herr, so Euch auch dieses Bild misfällt, gibt es keine Frau für Euch.« Er verbeugt sich und überreicht ihm das Bild, das er am Halse hatte. »Ja«, rief der Königssohn, »diese mag mir wohl gefallen, aber spricht ihr der Bauch?« – »Ja, mein Herr.« – »Nun dann wird diese meine Gemahlin.«
Nun bereitete man prächtige Kleider, vier Galakutschen, und zwölf Mädchen wurden als Brautjungfern berufen. Darauf zog man aus, der Fürst, die Mädchen und die Diener, die Erkorene abzuholen. Der Alte sah die Wagen kommen, daß sie aber kamen, seine Tochter zu holen, daran dachte er nicht. Sie halten vor seiner Thür, der Fürst steigt heraus, verneigt sich vor dem Mädchen und verkündet ihr, der Königssohn wolle sie zu seiner Frau haben. Gleich auch kleiden die Kammerfrauen sie an, kämmen und schmücken sie prächtig und heben sie in den Wagen. Sie weint vor Glück, umarmt weinend Vater und Mutter und reist ab.
Im Schlosse erwartete sie der König, die Königin und deren Sohn. Dieser bietet ihr den Arm und führt sie in den Saal, wo ein großes Fest gefeiert ward. Ehe er zu Bett geht, sagt er noch zu seiner Mutter: »Königliche Mutter, wenn meine Braut heut Abend schläft, berührt ihr, ich bitt‘ Euch, den Bauch, damit ich Gewißheit habe, daß dieser spreche.« Die Königin versprach es ihm. Sie tritt auch nach Mitternacht, als das Mädchen in festem Schlummer liegt, in die Kammer und berührt leise ihren Bauch. Alsbald tönt es: »Rühr‘ mich nicht an, ich bin des Königs.« Sie zieht die Hand zurück, geht zum Sohne und sagt: »Sei zufrieden, was du suchtest, hast du gefunden.« So wurde am andern Tage die Hochzeit gefeiert. –
Nun waren in dem Lande des Königs zwei Kaufleute, die waren Gevattern und liebten sich einander von Herzen. Einer derselben besaß eine schöne Stute, die war tragend. Zu dem kommt der andere, bittet ihn und sagt: »Gevatter, ich muß über Land, wollt Ihr mir nicht Euere Stute vor den Wagen leihen?« Der gibt sie ihm gern, er spannt an und fährt fort. Wie er unterwegs Herberge macht, wirft die Stute im Stalle ihr Füllen. Er wartet noch zwei Tage und kehrt dann wieder nach Hause zurück. Hier angekommen, führt er die Stute in den Stall des Gevatters, das Füllen behält er bei sich.
Der Knecht sieht die Stute, läuft und berichtet seinen Herrn. »Wie«, ruft dieser, »sollte mein Gevatter wirklich so schlecht an mir handeln?« Er glaubt es nicht, geht zu dem andern und sagt: »Wär‘ es möglich, daß solche Geschichten zwischen zwei Gevattern geschehen konnten?« – »Was willst du denn eigentlich?« fragt der andere, »nicht deine Stute, sondern mein Wagen hat das Fohlen bekommen, darum ist es mein. Glaubst du’s nicht, so verklage mich.« Sie gehen zum Schulzen, vor den Richter: der Besitzer der Stute hat unrecht. Sie gehen vors Tribunal: er hat unrecht. Aus Zorn ruft er da: »Wie, dieser Schurke von Gevatter soll beweisen, daß Weiß Schwarz, Recht Unrecht sei? Jetzt geh‘ ich zum König!« Er geht in das königliche Schloß und findet den Königssohn. Er wirft sich vor ihm nieder und ruft: »Gnade, o Herr! Höret meine Geschichte und urtheilt selbst.« Aber auch der Königssohn gibt ihm unrecht.
Da rauft er sich die Haare und beim Hinabgehen weint er bitterlich. Das hört die junge Königin, sieht ihn und begehrt zu wissen, warum er weine? Er erzählt ihr unter Thränen seine Geschichte, und sie sagt: »Gräme dich nur nicht, sei still und unbesorgt. Besuche mich durch jene geheime Treppe, droben werde ich dir sagen, was du zu thun hast.« Da wurde er ruhig, ging zu der jungen Königin, das ist die, welcher der Bauch redet, die sagte ihm: »Heut Mitternacht mußt du vor das Schloß laufen und um Hülfe rufen, so laut du nur immer kannst, immerzu und immerzu. Die Wachen werden herzulaufen, der Königssohn wird ans Fenster kommen und dann läßt er dich auch hinaufholen. Dann geh‘ nur, und fragt er dich, was da los sei, so antwortest du: ‚O, Herr, die Fische kommen aus dem Meere und klettern die Berge hinan!‘ Da wird er sagen: ‚Wie ist das möglich?‘ Und du antwortest: ‚Gerade so möglich, als wenn ein Wagen ein Fohlen wirft‘, und dann schau, wie die Sache endet.«
Wie der König auf der Straße so gar jämmerlich Hülfe! Hülfe! schreien hörte, läßt er den Schreier zu sich in den Palast kommen und fragt ihn: »Was hast du? Was fehlt dir? Ist Gefahr im Anzuge? Rede!« Der andere sagt: »O, Herr, wir sind verloren! Die Fische kommen aus dem Meere und klettern auf die Berge!« Der Königssohn antwortete: »Dummes Zeug, wie ist das möglich?« – »Und wie ist es möglich, daß ein Wagen ein Fohlen wirft?« Wie der Königssohn dies hörte, sprach er: »Es ist gut, das Fohlen gehört dir … aber du hast mit meinem Kalbe gepflügt, dieser Speichel kam nicht aus deinem Magen.«
Kaum dämmerte der Tag, so weckte er die junge Königin und sagte: »Höre, weil du dich in meine Geschäfte gemengt hast, so müssen wir uns trennen. Nimm dir aus dem Schlosse, was dir gefällt, und gehe deiner Wege.« – »Herr«, antwortete sie ihm, »Ihr müßt mir einen Monat Zeit lassen.« – »Meinetwegen auch das noch!«
Nun läßt sie viele Arbeiter rufen: Maurer, Schmiede, Tischler und Maler, und befiehlt ihnen, ihr in vier Wochen einen Palast zu bauen, anders wie dieser, doch diesem gegenüber. Pünktlich wurde der Palast fertig, und am Vorabende des Tages, wo sie das Schloß verlassen sollte, bat sie ihren Gemahl, noch einmal mit ihm speisen zu dürfen. Wie er zusagt, mischt sie ihm einen Schlaftrunk in den Wein, sodaß er nach kurzer Zeit fest eingeschlafen ist. Darauf läßt sie ihn in den neuen Palast hinübertragen.
Wie er am andern Morgen erwacht, weiß er nicht, wo er ist, und kann sich gar nicht zurechtfinden. Er meint zu träumen und schläft wieder ein, beim Erwachen war es aber noch immer dasselbe. Zuletzt ruft er seine Frau: »Heda, wo sind wir?« Gleichzeitig gedenkt er seines Befehls und wie die Frist abgelaufen, und fragt sie: »Bist du noch immer hier?« Sie antwortet: »Wie so denn: immer noch hier? Sagtest du nicht, ich dürfe das mit fortnehmen, was mir gefiele? Du gefielst mir aber am besten und so habe ich dich mit fortgenommen: du bist bei mir.« Da lächelte der Gemahl und sagte: »Du hast recht. Zuerst hast du mich mit der Stute angeführt, jetzt mit dem Palast. So höre meinen Vorschlag: nimm du Krone und Scepter und regiere das Reich ganz nach deinem Gutdünken, denn du hast, wie ich jetzt einsehe, Verstandes genug, dich und andere glücklich zu machen.« Und so geschah es.

[Italien: Waldemar Kaden: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen]

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content