Fahrten mehr als vierzig Pferde hielten. Einer dieser Fuhrleute, der in jungen Jahren Witwer geworden war und eine Tochter hatte, verheiratete sich erneut. Gleich nach der Hochzeit fuhr er für ein ganzes Jahr in die Welt. Auf dem Rückweg, als er dem Hause schon nahe war, kündigte er sich, wie er es gewohnt war, mit Peitschenknallen an, damit seine Frau zur Begrüßung herauskäme. Als sie sich aber nicht blicken ließ, wendete er noch einmal und knallte wieder, aber die Frau kam nicht. Er fuhr noch einmal vor, da trat seine Tochter heraus und erzählte dem Vater, dass die Stiefmutter sich schlecht aufführe, es mit Buhlen treibe und die Heimkehr des Ehemannes nicht erwartet habe. Voller Zorn betrat der Fuhrmann die Stube, schrie die Frau an und tadelte sie streng, die Frau aber leugnete nicht nur alles ab, sondern sagte zu ihm: „Du wirst schon noch sehen, was für eine Tochter du hast; wenn du das nächstemal heimkehrst, findest du sie mit einem Kind auf dem Arm.“ Nach einer gewissen Zeit begab sich der Fuhrmann wieder auf eine weite Reise, erst nach einem Jahr erwartete man seine Rückkehr. Inzwischen ging die Stiefmutter zu ihrer Tante, einer Hexe, ließ sich einen Zaubertrunk für die Stieftochter bereiten, damit diese in der Tat vor der Heimkehr des Vaters einen Knaben gebäre. Nach einem Jahr kam der Vater zurück und knallte, als er sich dem Haus näherte, mit der Peitsche, und auf dieses Zeichen hin lief die Frau sofort aus dem Haus und erzählte ihm, die Tochter habe vor Stunden einen Sohn geboren. Der Fuhrmann betrat also mit großem Zorn die Kammer, schalt die Tochter und wies sie aus dem Hause. Die Tochter verlegte sich aufs Bitten; da sie aber den Zorn des Vaters nicht zu besänftigen vermochte, hüpfte der neugeborene Knabe aus dem Bett, hieß den Alten willkommen und sagte: „Wie ist es Euch ergangen, Alterchen? Begrüßt uns und ärgert Euch nicht über mich und meine Mutter!“
Danach hüpfte der Knabe durch die Kammer, über die Bänke, den Tisch, der Alte aber blickte nicht auf, er befahl der Tochter, sich ohne Verzug aus dem Hause zu scheren und ihm nie mehr unter die Augen zu treten.
Die Tochter musste sich schließlich aus dem Wochenbett erheben und ihre Sachen packen, der Knabe aber tröstete sie und wies sie an, zwei Bündel zu schnüren, und er sagte, dass er das seine selbst tragen würde. Der Junge nahm ein Päckchen, die Mutter das andere, und so verließen sie die Stadt. Alsbald wurde die Mutter jedoch von solcher Schwäche übermannt, dass der Sohn auch das zweite Bündel tragen musste. So führte er die Mutter bis nach Wien, wo der österreichische Kaiser regierte. Zu eben dieser Zeit war aber der böse Feind ins Land eingefallen, und dem Kaiser fehlte ein Befehlshaber für die Armee; der junge Wandersmann aber ließ in der Stadt verlauten, dass er, wenn sie ihn nun zum Befehlshaber machten, den Feind schon aus dem Land treiben würde. Also ließ ihn der Kaiser zu sich rufen und übertrug ihm den Befehl über sein ganzes Heer.
Der Wanderer hielt, was er versprochen hatte, und in kurzer Zeit
besiegte er den Feind und jagte ihn aus dem Lande. Seit dieser Zeit standen er und seine Mutter in Wohlstand und große Gnaden bei Hofe. Der Kaiser aber hatte einen Sohn, mit dem sich Dobrodzienak – wurde der junge Mann geheißen – für eine Wanderschaft verabredete. Sie hatten bereits so manches Land bereist, und schließlich wollte der junge Prinz nach Sibirien gehen, aber sein Gefährte riet ihm davon ab und erzählte ihm, dass man dort die Menschen vor den Pflug spanne und sie noch schlimmer behandele als das Vieh. Weil der Prinz aber auf sein Vorhaben bestand, zogen sie schließlich in dieses Land. Dort erging es ihnen jedoch schlecht, denn sie wurden gefangengenommen und mussten schwer arbeiten. Außer ihnen befanden sich dort mehr als zweihundert Gefangene aus verschiedenen Ländern, die man zur Nacht in einen großen Pferdestall brachte.
Einst als alle Wächter schliefen, sagte Dobrodzieniak zu den Gefangenen, dass keiner von ihnen am Morgen aufstehen sollte und dass er dafür einstehen wollte, dass ihnen nichts Böses geschähe. Als die Zeit zum Aufstehen gekommen war und der Wächter den Stall betrat, um sie zu wecken, rührte sich keiner der Gefangenen. Der Wächter kam zum ersten -, zum zweiten – und zum drittenmal – immer vergeblich. Da ging er und meldete den Vorfall dem Zaren, der Soldaten aufmarschieren ließ, um die Häftlinge zur Strafe mit Ruten auszupeitschen. Die Soldaten führten die Gefangenen hinaus, und Dobrodzieniak wurde nach vorn gebracht, aber kein zaristischer Soldat vermochte sich zu rühren, und die Gefangenen blieben unangefochten, was dem Zaren solche Furcht einflößte, dass er schließlich dem Fremden versprach, alle Gefangenen freizulassen, wenn er nur seine Soldaten wiederbeleben würde.
Dieser erklärte sich einverstanden, erweckte die Soldaten und begab sich selbst mit den freigelassenen Gefangenen auf die Reise.
Der erzürnte Zar schickte zu ihrer Verfolgung noch mehr Soldaten aus, weil er sie aufhalten wollte. Der Jüngling aber besorgte es ihnen auf gleiche Weise, so dass alle auf der Stelle erstarrten. Der Zar, aufs neue sehr bestürzt, sicherte Dobrodzieniak zu, was immer er verlangte, wenn er nur die Soldaten ins Leben zurückriefe. Dobrodzieniak erbat sich also zwei Schiffe voll Gold, Silber und kostbarer Steine, die ihm der Zar bereitwillig gab.
Weil er jedoch nach wie vor grübelte, auf welche Weise er den Fremdling und seine Gefährten aufhalten könnte, ließ Dobrodzieniak, der des Zaren Absicht durchschaute, alle Bewohner des Landes zu Stein werden und den Boden auf Ewige Zeiten erstarren. So segelten die Gefangenen, angeführt von Dobrodzieniak und dem jungen Prinzen, auf den beiden Schiffen unbeschadet über das Meer und gelangten mit ungeheurem Reichtum nach Hause. Als sie in der Mitte des Ozeans waren, dankte der junge Fürst dem Gefährten für seine Befreiung. Doch der verlangte dafür, dass der junge Prinz seine Mutter zur Frau nahm, die alle Schätze, die er mit sich führte, als Mitgift bekommen sollte; wenn er sich jedoch dem widersetzte, wollte er ihn ins tiefe Meer werfen. Der Fürst musste wohl oder übel auf die Forderungen des Weggefährten eingehen, und als sie nach Wien zurückkehrten, eröffnete er dem Vater, welche Verpflichtungen ihm Dobrodzieniak für seine Errettung auferlegt hatte, worauf der alte Kaiser auch bereitwillig die Zustimmung gab, und man richtete eine üppige Hochzeitsfeier für den Prinzen und die Mutter von Dobrodzieniak aus, die sowohl jung als auch sehr schön war.
Nach der Hochzeit erbat sich Dobrodzieniak vom alten Kaiser aus, dass er mit der Mutter und dem neuen Vater nach Dobrodzien fahren dürfe. Als sie nach Skrzydlowice kamen, eine Meile vom heimatlichen Dorf entfernt, befahl Dobrodzieniak, ihn in eine Truhe einzuschließen und so in das Haus des Großvaters zu bringen; dort angekommen, sollten sie die Truhe an den Platz stellen, wo er zur Welt gekommen war. Als sie nun zu dem alten Fuhrmann kamen und um seine Gastfreundschaft baten, nahm er sie gerne auf und hielt es für eine große Ehre, dass so hohe
Herrschaften bei ihm einkehrten. Da fragte ihn der Prinz, ob er Kinder habe. Darauf bekannte der alte Fuhrmann mit Trauer, dass er eine Tochter habe, die er im Zorn von sich gestoßen hätte, und dass er nicht wüsste, wo sie abgeblieben sei. Schließlich gab sich ihm die verlorene Tochter in Gestalt der edlen Prinzgemahlin zu erkennen, und die ganze Familie war sehr glücklich, nur die Stiefmutter fehlte, die gerade in dieser Zeit zu ihrer Tante, der Hexe, gefahren war. Man schickte nach ihr, und als sie kam und auch die Tante mitbrachte, sprang aus der Truhe Dobrodzieniak in kindlicher Gestalt, als ob er gerade erst geboren wäre. Und er hüpfte und sprang wie ehedem und begrüßte den Alten, bis er plötzlich die Stiefmutter und deren Tante ergriff und durch die Stubendecke mit ihnen davonflog. Alle waren aus tiefster Seele erschrocken und vermochten sich nicht gleich zu fassen, erst nach einer Weile erholten sie sich von dem Schreck, bekreuzigten sich und beredeten im Flüsterton die merkwürdige Erscheinung, dass der böse Geist, mit dem die Hexe ihn heimgesucht hatte, der unschuldigen Familie nichts Böses hatte tun können und nur die Bösewichte selber, durch die den ehrlichen Leuten soviel Unbill zugefügt wurde, in die
Hölle entführt hatte. Von jener Zeit an lebte die Tochter des Fuhrmanns glücklich mit ihrem fürstlichen Ehegespons, und dem Vater wurde für alle Kümmernisse seines Lebens hundertfältige Freude zuteil.