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Brjam

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Es herrschten einmal ein König und eine Königin in ihrem Reiche; sie waren reich und mächtig und kannten nicht die Größe ihres Vermögens; sie hatten eine Tochter und dieselbe wuchs auf wie die meisten übrigen Königskinder. Es trug sich während dieser Zeit nichts Bemerkenswerthes zu, man müßte denn eine Lüge sagen.
Es lebte auch ein alter Mann mit seinem alten Weibe in einer schlechten Hütte; sie hatten sieben Söhne und eine einzige Kuh, von der sie Alle leben mußten. Diese Kuh war so trefflich, daß man sie dreimal des Tages melken konnte, und sie kam von selbst zur Mittagszeit heim von der Weide. Da geschah es einmal, daß der König mit seinen Leuten auf die Jagd ritt; sie kamen an der Viehherde des Königs vorüber, und unter derselben befand sich auch die Kuh des armen Mannes.
Da sagte der König zu seiner Begleitung:
»Eine schöne Kuh habe ich da.«
»Diese Kuh gehört Euch nicht, Herr«, sagten die Leute, »sie gehört dem alten Manne in der schlechten Hütte.«
Der König entgegnete:
»Sie soll mir gehören.«
Als der König heimgekehrt war und sich zu Tische gesetzt hatte, fiel ihm wieder die Kuh ein und er wollte Leute zu dem alten Manne senden, um ihm die Kuh gegen eine andere abzuhandeln. Die Königin bat ihn, dies nicht zu thun, da der Mann mit seiner Familie nichts Anderes zum Leben habe; er hörte nicht auf diese Bitte, sondern schickte drei Männer ab, welche dem Alten die Kuh abkaufen sollten. Dieselben trafen den Mann mit allen seinen Kindern im Freien an und erklärten ihm, daß sie vom Könige geschickt seien, um ihm die Kuh gegen eine andere abzukaufen.
Der Alte aber sagte:
»Mir ist die Kuh des Königs nicht mehr werth als die meinige.«
Die Leute drangen heftiger in ihn; als er aber nicht nachgab, schlugen sie ihn todt. Da fingen die Kinder alle zu weinen an, mit Ausnahme des ältesten Sohnes, der Brjam hieß. Die Leute fragten sie, wo sie wegen des Todes ihres Vaters Schmerz empfänden. Da schlugen sie Alle an die Brust mit Ausnahme des Brjam, welcher auf seinen Hinteren deutete und dabei wie ein Blöder lächelte.
Hierauf tödteten die Männer alle Kinder, welche an die Brust schlugen; von Brjam aber sagten sie, es sei gleichgiltig, wenn auch dieses Vieh lebe, da es ihm an Verstand fehle.
Die Leute des Königs gingen heim und führten die Kuh mit sich; Brjam aber begab sich zu seiner Mutter und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte. Die Mutter wurde von dieser Nachricht auf das Schmerzlichste ergriffen; der Sohn aber bat sie, nicht zu weinen, da ihnen dies ja nicht helfen könne; er werde schon trachten zu thun, was er im Stande sei.
Da geschah es einmal, daß der König für seine Tochter ein Frauenhaus erbauen ließ; er hatte dem Baumeister Gold gegeben, damit er dasselbe von Innen und Außen vergolde. Brjam kam hinzu in seiner tölpelhaften Weise.
Da fragten ihn die Leute des Königs:
»Was für einen Rath willst Du geben, Brjam?«
Er antwortete:
»Ein großer Theil schwinde, meine Burschen.«
Brjam ging hierauf fort. Das Gold aber, welches sie erhalten hatten, um damit das Haus zu vergolden, schwand, so daß nur die Hälfte davon verwendet werden konnte.
Die Leute erzählten dies dem Könige. Der glaubte, daß sie das Gold gestohlen hätten und ließ sie hängen. – Als Brjam nach Hause kam, erzählte er den Vorfall seiner Mutter.
»Das hättest Du nicht sagen sollen, mein Sohn«, sagte diese.
Brjam fragte:
»Was hätte ich denn sagen sollen, liebe Mutter?«
Die Mutter antwortete:
»Es möge wachsen um drei Drittel, hättest Du sagen sollen.«
»Ich will das morgen sagen, liebe Mutter!« entgegnete Brjam.
Am folgenden Tage begegnete Brjam Leuten, welche eine Leiche zu Grabe trugen. Dieselben fragten ihn:
»Was für einen Rath willst Du geben, Brjam?«
»Sie möge wachsen um drei Drittel, meine Burschen«, sagte er.
Da wuchs die Leiche so stark und wurde so schwer, daß die Leute sie fallen ließen.
Als Brjam nach Hause kam, erzählte er seiner Mutter den Vorfall. Sie sagte:
»Das hättest Du nicht sagen sollen, mein Sohn!«
Brjam fragte:
»Was hätte ich denn sagen sollen, liebe Mutter?«
»Gott schenke Deiner Seele den Frieden, Todter, hättest Du sagen sollen«, antwortete die Mutter.
»Ich will das morgen sagen, liebe Mutter«, sagte er darauf.
Am nächsten Morgen kam er zum Königspalaste und sah zu, wie der Henker gerade einen Dieb hängte.
Der Büttel sagte zu ihm:
»Was für einen Rath willst Du geben, Brjam?«
Er antwortete:
»Gott schenke Deiner Seele den Frieden, Todter!« Der Büttel lachte dazu; Brjam aber lief heim zu seiner Mutter und erzählte ihr wieder, was sich ereignet, und was er gesagt habe. Sie sagte:
»Das hättest Du nicht sagen sollen.«
»Was hätte ich denn sagen sollen?« fragte er.
Sie antwortete:
»Ist dies etwa der Dieb des Königs, den Du da in der Arbeit hast? hättest Du sagen sollen.«
»Ich will das morgen sagen, liebe Mutter«, sagte er.
Am Morgen darauf ging er wieder fort und sah die Königin um die Burg herum spazieren fahren. Brjam trat zu dem Gefolge heran.
»Was für einen Rath willst Du geben?« fragten die Hofleute.
»Ist dies etwa der Dieb des Königs, den Ihr da führt, meine Burschen?«
Diese schalten ihn. Die Königin verbot ihnen dies und sagte, daß sie den Worten des Burschen kein Gewicht beilegen sollten. Er lief heim zu seiner Mutter und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte.
»Das hättest Du nicht sagen sollen, mein Sohn«, sagte sie.
»Wie hätte ich den sagen sollen?« fragte er.
»Ist dies nicht die Liebste des Königs, welche Ihr da führt? hättest Du sagen sollen.«
»Ich will das morgen sagen, liebe Mutter«, entgegnete er.
Des Morgens ging er wieder vom Hause fort und sah diesmal zwei Männer, welche eine alte Mähre abdeckten; er trat zu ihnen hinzu.
»Was für einen Rath willst Du geben, Brjam?« fragten sie.
»Ist dies etwa die Liebste des Königs, die Ihr da in der Arbeit habt, meine Burschen?« fragte er.
Die Männer verlachten ihn. Er aber lief heim zu seiner Mutter und erzählte ihr den Vorfall. Die Mutter sagte:
»Geh‘ Du nicht öfter mehr dahin, denn ich bin immer in Furcht, daß sie Dich erschlagen.«
»Sie werden mich nicht erschlagen«, sagte er.
Da trug es sich einmal zu, daß der König seine Leute ausschickte, um zu fischen, und dieselben machten dazu zwei Schiffe zurecht. Brjam kam zu ihnen und bat sie, ihn mitzunehmen; sie aber trieben zuerst ihren Spott mit ihm und jagten ihn dann fort; doch fragten sie ihn, was er wohl glaube, wie an diesem Tage das Wetter sein werde?
Er schaute in die Luft hinauf und sagte:
»Wind und nicht Wind, Wind und nicht Wind, Wind und nicht Wind.«
Die Männer aber verlachten ihn. Sie ruderten hierauf weit in’s Meer hinaus und beluden die beiden Schiffe mit Fischen. Als sie jedoch an’s Land fahren wollten, entstand ein gewaltiger Sturm und beide Schiffe gingen zu Grunde.
Es trug sich nun weiter nichts Besonderes zu, bis der König einmal allen seinen Freunden und Vornehmen ein Gastgebot gab. Brjam bat die Mutter, daß sie ihm erlauben möge, fortzugehen, um zu erfahren, was bei dem Gastgebote sich zutrage.
Als Alle sich gesetzt hatten, ging Brjam hinaus in die Zimmermannswerkstätte und begann hier kleine Holzpflöcke zu schnitzen. Leute, welche dazu kamen, fragten ihn, was er denn mit diesen Pflöcken beginnen wolle?
Er gab zur Antwort:
»Den Papa rächen, nicht den Papa rächen.«
Die Leute sagten zu ihm:
»Du siehst uns ganz darnach aus.«
Sie gingen hierauf fort. Brjam beschlug die Pflöcke an der Spitze mit Stahl, schlich sich hierauf in den Saal hinein, nagelte all‘ die Leute, welche an den Tischen saßen und bereits sämmtlich betrunken waren, mit ihren Gewändern an den Bänken fest und entfernte sich sodann.
Als die Leute des Abends sich erheben wollten, wurden sie gewahr, daß sie an die Bänke befestigt waren; der Eine beschuldigte den Anderen dieses Unfuges und sie geriethen deshalb in Streit und erschlugen einander, so daß keiner von ihnen übrig blieb.
Auch der König fiel in dem allgemeinen Kampfe. Als die Königin die Nachricht von diesen Ereignissen erhielt, wurde sie sehr traurig und ließ die Todten begraben. Brjam aber verließ am nächsten Morgen wieder die Hütte der Eltern und bot sich der Königin zum Dienste an; sie nahm ihn mit Freuden auf, denn sie hatte nicht viele Leute mehr zur Verfügung. Dies war für Brjam von größtem Nutzen; er heirathete bald darauf die Königstochter, wurde später sogar König und übernahm die Regierung des Reiches. Er legte seine Maulaffenart ganz ab, und nun ist das Märchen zu Ende.

[Island: Jos. Cal. Poestion: Isländische Märchen]

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