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Des Königs Tochter

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Ein König hatte eine Tochter. Prinzessin Wundervoll war reizend anzusehen, nur ihr Charakter war nicht der beste. Das ärgerte den Monarchen und er überlegte, wie er seine hochnäsige, kaltblütige, unvernünftige Tochter umerziehen könnte. Er redete auf sie ein, doch es half nicht. Auch die Drohung, sie zu enterben, machte auf sie keinen Eindruck.

Eines Nachts hatte der König einen seltsamen Traum und als er erwachte einen Entschluss gefasst. Er ließ die Prinzessin zu sich kommen und verkündete ihr mit strengem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Ich habe mich entschlossen, dich fortzuschicken, damit du lernst, deinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.“

Am nächsten Morgen fuhr die Kutsche vor und der Küchenjunge gab auf Befehl des Königs der Prinzessin Wundervoll ein Bündel, welches Brot und eine Flasche Wasser enthielt.
Der Kutscher trieb die Pferde an. Stundenlang wurde die Prinzessin durchgerüttelt und geschüttelt bis die Höllenfahrt endlich im dunklen Wald vor der Hütte der guten, alten Fee endete. Sie war eine langjährige Freundin des Königshauses. Prinzessin Wundervoll stieg aus und stapfte hocherhobenen Hauptes in die Hütte.
Die gute, alte Fee hatte sie schon erwartet, schaute von ihrer Näharbeit kurz auf, begrüßte die Prinzessin mit einem kurzen Kopfnicken und deutete auf einen Stuhl ihr gegenüber, damit sie sich ausruhen könne. Wundervoll wartete darauf, dass die Alte ihr einen erfrischenden Trunk reichen würde, ihre eigene Wasserflasche war leer. Doch nichts geschah. Also schenkte sie sich selbst ein, knallte den Wasserkrug auf den Tisch und schrie: „Mach mir ein Mittagsmahl und lass mir ein Bad ein!“
Die Fee legte ihre Arbeit in den Schoß, sah die Prinzessin kopfschüttelnd an und sagte: „Du hast nicht angeklopft, und ich habe dich nicht hereingebeten. Also bist du kein würdiger Gast, den ich bedienen möchte. Und wenn du baden möchtest? Bitte! Hundert Schritte den schmalen Weg entlang gibt es einen Fluss. Das Essen musst du dir verdienen wie jeder andere Mensch auch.“
Solcherlei Widerworte war die Prinzessin nicht gewohnt. Im Palast hatte man ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Wundervoll schaute die Fee verdutzt an, doch im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder gefangen und schrie erneut: „Wenn ich nichts zu Essen bekomme, werde ich dich von meinen Dienern auspeitschen lassen! Ich lasse jeden auspeitschen, der mir nicht aufs Wort gehorcht!“
Die Fee schüttelte abermals den Kopf, sagte: „Du sollst am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, verprügelt zu werden“, ging zur Truhe unter dem Fenster, holte eine Peitsche hervor und rief laut: „Tanze auf dem Rücken der Jungfrau!“
Die Peitsche ließ die Lederriemen auf dem Rücken der Prinzessin nur so auf- und niederhüpfen. Wundervoll begann zu schreien wie noch nie in ihrem ganzen Leben: „Au, au! Hör sofort mit diesem Spuk auf, ich befehle es dir!“
Doch die Peitsche tat unbeirrt ihre Arbeit. Die Prinzessin schrie und jammerte bis sie schließlich wimmerte: „So hör doch schon auf!“
„Da fehlt noch das Zauberwort. Es heißt – bitte“, bemerkte die Fee hönisch.
„Bitte, bitte aufhören!“, winselte die Prinzessin mit tränenüberströmtem Gesicht.
Die Fee gab ein Zeichen und die Peitsche schwang sich zurück in ihre Hände. Nach diesem Vorfall setzte sich die Fee wieder an den Tisch und setzte ihre Arbeit fort als sei nichts geschehen.
Die Prinzessin rappelte sich hoch, rieb sich den schmerzenden Rücken und setzte sich ebenfalls, wobei sie sich immer wieder mit den Händen Tränen aus dem Gesicht wischte. Die Fee reichte ihr ein Taschentuch und sprach nun wieder freundlich: „Wenn du Essen möchtest, dann geh in den Wald und sammle trockenes Reisig. Ich brauche es, um Brot zu backen. Hinter dem Haus ist eine Quelle. Von dort holst du frisches Trinkwasser. Eimer stehen neben dem Herd.“
Die Prinzessin überlegte nicht lange, da sie Angst vor einer neuen Strafe hatte, erhob ihren geschundenen Körper und tappte leise jammernd durch die Tür. Sie sammelte bis die Schatten lang wurden. Inzwischen hatte die Fee den Brotteig geknetet, legte nun das Reisig auf glimmende Holzscheite, schob die Brote in den Backofen und nickte Wundervoll freundlich zu. „Das hast du sehr gut gemacht.“
Wundervoll wurde das erste Mal in ihrem Leben gelobt. Es tat ihr so gut. Ja, es war besser, als eine neue Halskette zu bekommen. Nun holte sie die beiden Eimer voll Wasser und stellte sie neben dem Ofen ab. An den Händen der Prinzessin hatten sich von der ungewohnten Arbeit Blasen gebildet. Diese taten ihr zusätzlich weh. Die Fee schmunzelte und meinte: „Schwielen an den Händen zeugen von harter Arbeit. Der Schmerz wird bald vergangen sein.“
Das Brot war fertig gebacken. Die Fee saß wie immer am Tisch über ihrer Näharbeit und sagte zu Wundervoll: „Du kannst jetzt die Brote aus dem Ofen holen. Dort steht der Schieber!“
„Ich weiß nicht, wie man das macht. Außerdem tun mir meine Hände viel zu weh. Ich kann sie nicht herausholen!“, erwiderte die Prinzessin.
„Auch gut! Dann lassen wir die Brote eben verbrennen, und es gibt die ganze Woche nichts zu essen! Mir macht das nichts aus, aber ich dachte, du hättest Hunger.“
Wundervoll blieb nichts anderes übrig, nahm schließlich den Schieber, öffnete die Tür des Ofens und unvermittelt bildeten sich große Blasen auf ihren Handinnenflächen. Da griff die Fee ein und zeigte, wie man die Brote herauszieht. Die restlichen holte die Prinzessin dann ganz allein aus dem Ofen.
„Nun musst du sie noch mit Wasser bespritzen, damit sie schön glänzen!“, sagte die Fee und setzte sich wieder an den Tisch.
Wundervoll bespritzte die Brote nicht, sondern kippte das Wasser darüber. Dampf stieg in den Raum, denn die Brote waren sehr heiß.
Die Fee brummelte vor sich hin: „So macht man das nicht! Jetzt sind die Laiber verdorben!“
Wundervoll kam sich plötzlich unendlich dumm vor und fing an zu jammern: „Nichts kann ich wirklich richtig! Meine Hände und mein Rücken schmerzen und Hunger hab ich auch!“
Da gab ihr die Fee eine silberne Dose mit Salbe. „Hier, das wird dir gegen die Schmerzen helfen.“ Kaum aufgetragen, war alle körperliche Pein wie von Zauberhand verschwunden.

Am späten Abend deckte die Fee dann doch noch den Tisch mit Tellern und Bechern. Sie konnte den Jammer der Prinzessin nicht länger mit ansehen. Ein Brot und ein Krug Wasser standen ebenfalls auf dem Tisch. In einer Schüssel lagen Stücken von Ziegenkäse.
„Nun lass es dir schmecken!“, sagte die Fee.
Wundervoll antwortete: „Ach, gäbe es doch Hühnchen oder Schweinebraten? Fasan esse ich auch gern.“
„Du musst schon mit meinem Essen vorliebnehmen. Ich habe nur Brot, Ziegenkäse und klares Quellwasser.“
Widerwillig begann die Prinzessin zu essen, doch der Hunger ließ ihr keine Wahl. Sie schlang Brot und Käse förmlich in sich hinhein und spülte mit dem frischen Quellwasser das trockene Essen hinunter.
„Nun möchte ich schlafen. Zeig mir mein Bett!“, befahl Wundervoll schon wieder in hochmütigem Ton.
Die Fee runzelte die Stirn und meinte: „Noch wird nicht geschlafen! Zuerst musst du die Küche aufräumen und dann werden wir die Tiere versorgen.“
„Das kannst du doch machen! Ich hab schließlich heut genug getan“, antwortete Wundervoll mürrisch.
Die Fee ging wortlos zur Truhe und holte die Peitsche hervor. Doch bevor die Zauberworte gesprochen waren, rief die Prinzessin vor lauter Angst: „Nein! Nein! Ich mach ja schon!“
Nachdem die Hausarbeit erledigt war, gingen beide hinaus. Die Fee säuberte die Ställe, fütterte die Tiere und meinte: „Nun habe ich dir alles gezeigt. Morgen wirst du diese Arbeiten verrichten. Jetzt geh zum Fluss und wasch dich, dann zeige ich dir dein Schlaflager.“
Wundervoll tappte völlig erschöpft zum Fluss. Dabei liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie zog ihr Kleid aus, schöpfte mit den Händen das klare Wasser und tauchte ihr Gesicht hinein. Dabei dachte sie: „Ach, hätte ich nur auf meinen Vater gehört!“
Nachdem sie sich gewaschen hatte, ging sie zurück zum Waldhäuschen. Die Fee stand schon vor der Tür und sagte freundlich: „Komm, ich zeige dir dein Nachtlager.“
Die Fee ging zu Wundervolls Erstaunen in einen Schuppen und zeigte mit dem Finger auf den Heuhaufen, der in einer Ecke lag. „Dort kannst du schlafen. Wenn du dich ordentlich mit dem Heu bedeckst, wird dir gewiss warm sein.“
Wundervoll entgegnete empört: „Dort kann ich nicht schlafen! Ich brauche ein Himmelbett, um gut zu träumen.“
„Du musst schon mit dem Heuhaufen vorliebnehmen.“
Dann drehte sich die Fee um und verließ den Schuppen.

Drei Mondwechsel gingen ins Land und Wundervoll hatte sich eingelebt. Sie machte alles, was die Fee ihr auftrug und gab auch keine Widerworte mehr. Manchmal ging sie sogar in den Stall, sprach mit den Tieren und streichelte die Ziegen. Die gute, alte Fee freute sich, dass sich Wundervoll so gewandelt hatte. Auch schlief die Prinzessin nicht mehr im Heu sondern in einer eigenen kleinen Kammer.

Die Zeit verging und Wundervoll war schon fast ein Jahr im Haus der Fee. Auch wenn es Wundervoll hier mittlerweile gefiel, bekam sie doch Sehnsucht nach ihrem Vater. Als sie es nicht mehr aushielt, fasste sie sich ein Herz. „Ich möchte wieder zurück ins Schloss zu meinem Vater.“
„Ins Schloss oder zu deinem Vater?“, fragte die Fee und wartete mit hochgezogenen Augenbrauen auf Antwort.
„Zu meinem Vater!“, antwortete Wundervoll und lächelte die Fee an.
„Nun gut! Packen wir dein Bündel und du kannst zurückgehen. Ich glaube, die Zeit bei mir, ist dir gut bekommen und du hast viel gelernt. Das einfache Leben, arbeiten und vor allem höflich zu sein. Du sollst auch für die Arbeit bei mir belohnt werden. Der Ziegenbock ist ein sehr wertvolles Tier. Pass gut auf ihn auf, behandle ihn gut, denn er ist etwas ganz Besonderes. Er versteht die Sprache der Menschen und wird dir drei gute Dienste leisten. Was dann geschieht, wirst du schon sehen!“
Prinzessin Wundervoll verstand die Worte zwar nicht, nickte jedoch, band dem Tier ein weiches Hanfseil um den Hals, nahm ihr Bündel in die rechte Hand, den Strick in die linke, verabschiedete sich und lief den Waldweg entlang. Nach ein paar Schritten drehte sie sich nochmals um und winkte zum Abschied.
Nun lief sie drei Stunden, bis sie auf eine Weggabelung traf.
„In welche Richtung müssen wir nur gehen?“, fragte sich die Prinzessin.
Noch ehe sie sich besonnen hatte, zog der Ziegenbock nach Süden. Bald erreichten sie eine Lichtung. Eine Wiese mit frischem Gras lag vor ihnen. Wundervoll setzte sich in das Gras und ließ den Bock fressen.
„Oh, Ziegenbock! Mir ist so heiß! Ich habe schrecklichen Durst und meine Wasserflasche ist leer!“, jammerte die Prinzessin. Da meckerte der Bock dreimal und plötzlich hörte Wundervoll Wasser plätschern. Einen Steinwurf entfernt schlängelte sich ein kleiner Bach. Der Ziegenbock und Wundervoll tranken das klare Wasser, auch vergaß sie nicht, die Wasserflasche zu füllen und schon bald setzten sie ihren Weg fort.

Drei Tage waren sie unterwegs, als sich am Horizont ein großer Berg vor ihnen erhob.
„Dahinter liegt das Schloss meines Vaters!“, rief Wundervoll lachend aus und streichelte liebevoll den Ziegenbock. „Wir müssen noch einen halben Tag laufen, dann sind wir da.“
Das Tier freute sich mit ihr und machte einen Freudensprung. Beider Schritte wurden schneller und schneller.
„Was wird wohl der Vater sagen, wenn er mich sieht? Ob er mich überhaupt noch erkennt?“ Die Gedanken der Prinzessin überschlugen sich.
Am Schlosstor angekommen, wollte die Wache das Mädchen nicht einlassen. So sehr sie auch flehte und sagte, dass sie Prinzessin Wundervoll sei, es half nichts.
Da plötzlich verwandelte sich der Ziegenbock in einen Prinzen, der unbemerkt hinter der Prinzessin stand. Niemand hatte das Geschehen mitbekommen, da sich Wachen und Mädchen lauthals stritten. Als Edler wurde ihm selbstverständlich Einlass gewährt. Er ging stracks zum König und berichtete, dass Prinzessin Wundervoll vor dem Schlosstor stünde, die Wachen sie aber nicht erkennen würden.
Der König konnte kaum glauben, was der Fremde ihm berichtete und befahl, das Mädchen vor dem Tor unverzüglich zu ihm zu bringen.
„Wo ist nur mein Ziegenbock geblieben?“, fragte sich die Prinzessin. Doch die Sehnsucht nach dem Vater ließ sie den Gedanken schnell wieder vergessen.
Wundervoll umarmte liebevoll ihren Vater. Dem König ging ob solcher Zärtlichkeit das Herz über und beide vergossen Freudentränen. Jetzt erst bemerkte Wundervoll den Prinzen an der Seite des Vaters.
„Oh … ja … ach … ich weiß auch nicht“, meinte der König verwirrt. „Der junge Herr hat sich noch gar nicht vorgestellt. Er sagte, du stündest vor dem Tor und die Wachen ließen dich nicht ein. Da habe ich vor lauter Freude über deine Heimkehr alles andere vergessen.“
„Darf ich mich vorstellen, verehrter Herr König? Ich bin der Ziegenbock!“, grinste der Prinz und zwinkerte der Prinzessin belustigt zu. Sie hatte verstanden und begann zu lachen. Nun erzählte Wundervoll dem verdattert dreinschauenden König von ihren Erlebnissen bei der guten, alten Fee und was sie dort alles gelernt hatte. Dann erzählte der Prinz. „Ich bin Prinz Kuno aus dem Tulpenland und war einst hochmütig und ungerecht. Die Fee ist eine langjährige Freundin meiner Frau Mutter und hat mich in einen Ziegenbock verwandelt. Ich musste drei Jahre alle möglichen Dienste verrichten, bis sie mich deiner Tochter mitgab. Drei Dienste sollte ich ihr noch leisten, dann sollte ich erlöst werden.“
„Das waren die Richtung, in die ich gehen musste; das Wasser, um meinen quälenden Durst zu löschen und dass ich endlich wieder sie sein darf, die ich vorher war. Keine Angst, Väterchen. Ich bin nicht mehr die böse Tochter. Die Fee hat einen anderen Menschen aus mir gemacht“, lachte die Prinzessin.
Väterchen König war es zufrieden und nach drei Mondwechseln wurde Hochzeit gefeiert. Wundervoll und der junge König regierten das Volk gerecht und mit viel Liebe. Der Fee war es gelungen, aus beiden gute Menschen zu machen. Zur Hochzeit war, neben den Eltern des Prinzen und seinem älteren Bruder, natürlich auch die gute, alte Fee eingeladen. Die Wiedersehensfreude aller Anwesenden machte die Hochzeit zu einem unvergesslichen Fest.

Quelle: Friedrich Buchmann

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