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Die zwei Pfennige

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Es war einmal ein armer Mann, der sich auf alle Weise durchzubringen suchte, und zuletzt eines Tages einen Sack voll Moos sammelte, obenauf etwas Wolle legte, und ihn zu Markte trug, um den ganzen Inhalt sammt dem Sacke für Wolle zu verkaufen.
Unter Wegs gesellte sich ein Mann zu ihm, der gleichfalls mit einem Sack voll Galläpfel auf den Markt wanderte, um sie für Nüsse, mit welchen er den Sack obenauf gefüllt hatte, zu verkaufen.
Auf gegenseitiges Befragen, was Jeder in seinem Sacke habe, antwortete der Eine daß er Wolle, der Andere daß er Nüsse auf den Markt trage, worauf sie sich Beide dahin einigten, ihre Waare gleich hier auf der Straße zu vertauschen. Jener der das Moos hatte, verlangte, indem er zu beweisen suchte daß die Wolle höher im Werthe stehe als die Nüsse, ein Daraufgeld, als er aber merkte, daß Jener mit den Galläpfeln nichts darauf zahlen, sondern nur Eines für das Andere vertauschen wolle, dachte er bei sich, daß Nüsse noch immer besser seien als Moos, und so kamen sie denn zuletzt nach langem Handeln darin überein, daß der dem die Galläpfel gehörten dem Andern zwei Pfennige darauf zahlen sollte, da dieser aber sie nicht bei sich hatte, so blieb er sie ihm schuldig, zur festern Bürgschaft jedoch, daß er sie ihm sicher zahlen werde, verbrüderte er sich mit ihm. Nachdem sie nun die Säcke gewechselt hatten, eilten Beide in entgegengesetzter Richtung davon, Jeder in dem Wahne, daß er den Andern betrogen habe; als sie aber nach Hause kamen, und Jeder die Waare aus dem Sacke leerte, da erst sahen sie, daß eigentlich Keiner von ihnen betrogen sei.
Nach einiger Zeit machte sich der welcher das Moos gehabt hatte auf, seinen Bundesbruder aufzusuchen, um von ihm die zwei Pfennige zu verlangen, und als er ihn bei dem Pfarrer eines Dorfes in Diensten fand, redete er ihn an: »Bundesbruder, du hast mich betrogen.« Und dieser erwiederte ihm: »Bei Gott, Bruder, und du mich.« Hierauf forderte Jener seine zwei Pfennige, indem er sagte es gebühre sich das zu zahlen, was ausgemacht und durch ein Freundschaftsbündniß verbürgt worden sei. Der Schuldner erklärte sich zwar zu zahlen schuldig, brachte aber die Ausrede vor, daß er kein Geld habe, »allein,« sprach er, »mein Pfarrer hat hinter seinem Hause eine tiefe Grube, in die er häufig hinab steigt, und in welcher er ohne Zweifel Geld oder Sachen von großem Werthe aufbewahrt hat. Dort wollen wir Abends uns hin begeben, da sollst du mich in die Grube hinunter lassen, und wenn ich sie ausgeplündert habe, dann wollen wir theilen, und ich will dir überdies deine zwei Pfennige bezahlen.« Dem Andern war dies recht. Als es Abend ward, nahm des Pfarrers Knecht ein Seil und einen Sack, und wie er mit seinem Bundesbruder bei der Grube ankam, kroch er in den Sack, worauf ihm sein Bundesbruder den Strick um die Mitte fest band und ihn in die Grube hinunter ließ. Als er unten aus dem Sacke heraus stieg und umher tappend nichts entdecken konnte als Getreide, dachte er bei sich: »Wenn ich nun dem Bundesbruder sage, daß es hier nichts giebt, ist er im Stande wegzugehen und mich in der Grube zurück zu lassen, und was würde Morgen der Pfarrer sagen, wenn er mich hier fände?« Schnell kroch er abermals in den Sack, band sich mit dem Seile fest, und rief hinauf: »Bundesbruder, zieh den Sack auf, er ist voll der verschiedensten Sachen.« Und während Jener den Sack in die Höhe zieht, überlegt auch er seinerseits: »Warum soll ich dies mit meinem Bundesbruder theilen? Besser ich trage es allein weg, er mag zusehen, wie er aus der Grube heraus kommt,« und sich den Sack mit dem Bundesbruder auf die Schulter ladend, eilte er damit durch das Dorf, daß ihn laut bellend die Hunde verfolgten. Als er schon etwas ermüdet war, und den Sack tief über die Schulter hinab hängen ließ, da rief der Bundesbruder aus dem Sacke: »Bundesbruder, hisse den Sack auf, die Hunde beißen mich.« Wie das der Träger hörte, warf er den Sack zur Erde. Da sprach der aus dem Sacke: »Auf diese Weise mein Bruder hast du mich betrügen wollen?« Und jener antwortete: »Bei Gott, du hast mich ebenfalls betrogen.« Und nach langem Zwiegespräch versprach der, welcher dem Andern die zwei Pfennige schuldete, sie ihm ganz gewiß zu bezahlen, wenn er ein anderes Mal wieder käme, worauf sie sich trennten.
Lange Zeit später erwarb sich der von ihnen, der bei dem Pfarrer in Diensten war, seinen eigenen Heerd und verheirathete sich. Als er eines Tages mit seinem Weibe vor der Hausthür saß, erblickte er von ferne seinen Bundesbruder, der gerades Wegs auf sein Haus zuging, da rief er aus: »Weib, da kommt mein Bundesbruder, dem bin ich zwei Pfennige schuldig, und nun weiß ich mir nicht zu helfen, denn ich versprach sie ihm zu zahlen, wenn er mich wieder fände. Ich will mich daher im Hause drinnen nieder legen, und du sollst mich mit etwas überdecken, dann wie vor Schmerz hinfallen und wehklagen, und ihm sagen, daß ich gestorben sei, worauf er gewiß wieder fortgehen wird.« Mit diesen Worten ging er in das Haus, legte sich auf den Rücken, kreuzte die Hände, das Weib bedeckte ihn und hub an zu jammern. Indem erschien der Bundesbruder vor dem Hause, und ein Gott helfe euch hinein rufend, fragte er ob dies wohl das Haus des und des Mannes sei, worauf ihm das Weib sich am Boden windend antwortete: »Ja! weh mir Unglücklichen! hier liegt er im Hause todt.« Da entgegnete der Bundesbruder: »Gott sei seiner Seele gnädig. Er war mein Bundesbruder, wir haben zusammen gearbeitet und gehandelt, und nachdem ich ihn so wieder finde, ziemt sichs wohl, daß ich warte, ihm das Geleite zum Grabe gebe und eine Hand voll Erde auf seinen Sarg werfe.« Das Weib sagte, daß es ihm viel zu lang dauern würde, zu warten, bis er begraben werde, er möge lieber wieder fortgehen. Er jedoch antwortete: »Gott behüte! wie könnte ich meinen Bundesbruder so verlassen? Ich will warten, und sollte es auch drei Tage sein, bis man ihn begräbt.« Als das Weib dies dem Manne im Hause drinnen leise mittheilte, sagte er ihr, es möge zum Pfarrer gehen und diesem sagen, daß er gestorben sei, man möge ihn in die Kirche tragen (um welche herum der Gottesacker lag), vielleicht werde der Bundesbruder dann weggehen. Nachdem das Weib hingegangen war und es dem Geistlichen gesagt hatte, kam dieser mit einigen Männern, welche den Scheintodten auf eine Bahre legten, ihn in die Kirche trugen, und in die Mitte derselben hinstellten, damit er dort, wie es der Gebrauch ist, erst die Nacht zubrächte, und dann am folgenden Tage eingesegnet und begraben würde. Nachdem der Geistliche sich mit den übrigen Leuten anschickte die Kirche zu verlassen, sagte der Bundesbruder, daß er denjenigen, mit welchem er sich verbrüdert, mit dem er so viel gehandelt und Salz und Brod gegessen habe, nicht allein lassen könne, sondern die ganze Nacht bei ihm wachen wolle. Und so blieb er denn in der Kirche.
In derselben Nacht zogen dort Räuber vorbei, die irgend wo ein Schloß ausgeplündert und vieles Gold, Gewänder und Waffen erbeutet hatten, als sie vor die Kirche kamen, und in derselben ein Licht sahen, sprachen sie unter einander: »Lasset uns in dieser Kirche unsere Beute theilen.« Der Bundesbruder aber, als er gewahrte, daß bewaffnete Männer zur Kirche herein kamen, verbarg sich schnell in einen Winkel, während die Räuber sich am Boden nieder ließen, und das Gold mit den Helmen zu theilen anfingen, die Waffen und das Uebrige aber, wie es eben thunlich war. Ueber Alles konnten sie sich einigen und ausgleichen, nur eines Säbels wegen nicht, weil einige unter ihnen glaubten, daß er von besonderem Werthe sei. Da nahm ihn Einer in die Hand, sprang auf und sprach: »Wartet, ich will an diesem Todten hier versuchen, ob der Säbel so ist, wie ihr ihn preiset, und wenn ich ihm mit einem Hieb den Kopf abschlage, dann ist er tüchtig in der That.«
Nachdem er dies gesagt hatte, näherte er sich der Bahre, doch in dem Augenblicke richtete sich der Scheintodte auf, und rief laut: »Todte! wo seid ihr?« Und sein Bundesbruder im Winkel antwortete: »Wir sind hier, und Alle schlagfertig.« Wie das die Räuber hörten, warf der den Säbel hielt, ihn schnell von sich, alle Uebrigen aber ließen, was Jeder vor sich aufgehäuft hatte, liegen, sprangen auf und entflohen ohne nur umzublicken. Erst nachdem sie schon weit entfernt waren, machten sie Halt, und der Räuberhauptmann sprach: »Ach, Brüder um Gotteswillen! Ueber Berg und Thal sind wir gegangen, bei Tage wie bei Nacht, haben uns mit den Leuten geschlagen, Thürme und Schlösser erstürmt, und uns über nichts erschreckt, als heute über die Todten! Giebt es unter uns nicht einen Helden, der sich getraut umzukehren und zu sehen, was nun in der Kirche vorgeht?« Da sprach der Eine: »Ich will nicht,« ein Zweiter sprach: »ich wag es nicht,« ein Dritter: »ich will es lieber mit zehn Lebendigen aufnehmen, als mit einem Todten,« bis sich zuletzt doch Einer fand, der es auf sich nahm hinzugehen, und zurück kehrend schlich er sich sachte ans Kirchenfenster heran, ob er nicht etwas von dem was drinnen vorginge vernehmen könnte. In der Kirche hatten indeß die Bundesbrüder alles Gold, alle Waffen und Gewänder der Räuber unter sich getheilt, zum Schlusse aber sich wieder über die zwei Pfennige entzweit, daß sie einander beinahe in den Haaren lagen; der Räuber, welcher vor dem Fenster stand, konnte nichts anderes vernehmen als den Ausruf: »Wo sind meine zwei Pfennige? gieb mir meine zwei Pfennige!« Mit einem Male erblickte der, welcher sie dem Andern schuldete, den Räuber durchs Fenster lugen, und blitzschnell mit der Hand zum Fenster hinaus langend, riß er ihm die Mütze vom Kopfe und reichte sie seinem Bundesbruder mit den Worten: »Da, nimm das für deine vermaledeiten zwei Pfennige!« Entsetzt rannte der Räuber davon, und als er halbtodt seine Gefährten eingeholt hatte, rief er aus: »Brüder, danken wir Gott, daß wir mit dem Leben davon gekommen sind! Wir haben das Gold mit den Helmen vertheilt, nun sind aber alle Todten auferstanden in so großer Zahl daß auf Einen kaum zwei Pfennige kommen, Einem konnte man die nicht einmal geben, da wurde mir die Mütze vom Kopf gerissen und ihm statt zweier Pfennige ausgehändigt.«

[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]

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