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Märchenbasar

Ein teuflischer Tanzmeister

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Es war gerade nicht der Teufel selbst, aber mindestens ein ebenso gesinnter und verschmitzter Geist, der sich zur Lebensaufgabe gesetzt hatte, andere Leute stets zu schikanieren und allenthalben Unglück anzurichten.
Er ging einst am freundlichen Ufer des Huronsees spazieren und sah eine Menge lustiger Enten vor sich auf dem Wasser herumsegeln und sich köstlich nach Entenart amüsieren. »Ach«, rief er ihnen zu, »das freut mich doch übermenschlich, daß ihr lieben Enten so schön vergnügt und heiter seid; kommt doch auch einmal mit mir in meine Hütte, damit ich euch einen neuen schönen Tanz lehren kann, den jetzt die Seelen im Himmel tanzen.«
Einige bejahrtere Schnatterer schüttelten bedenklich die Köpfe dazu und wisperten: »Laßt uns nicht hingehen; denn das ist Menabuscho, der Übeltäter.«
Doch die jüngeren waren anderer Meinung; der schöne Mann sprach ja so freundlich und liebevoll, daß es eine wahre Ungezogenheit gewesen wäre, wenn sie sich so kalt gegen ihn benommen hätten. Sie steuerten also dem Land zu, und die anderen folgten dann auch.
Als sie sich nun alle in der Hütte befanden, nahm Menabuscho einen großen Sack, hängte ihn sich um und ließ die Enten einen Kreis um sich bilden. »Jetzt«, rief er, »müßt ihr alle eure Augen schließen und sie ja nicht eher öffnen, als bis ich’s sage, denn sonst könnte euch leicht etwas Schreckliches passieren. Ich nehme jetzt also meine Flöte und spiele; sobald ich euch das betreffende Kommando gebe, macht ihr die Augen auf und tanzt mir nach!«
Die Enten gehorchten auch recht schön und verhielten sich ganz ruhig, doch hob jede schon ungeduldig das linke Bein auf, um gleich losstürzen zu können. Aber das erwartete Zeichen kam nicht und kam nicht; nur hörte man dann und wann ein geheimnisvolles Quaken das Flötenspiel übertönen, das war alles.
Da ging denn endlich der kleinsten Ente die Geduld aus, und sie schielte unbemerkt zu Menabuscho hinüber, der in der linken Hand seine Flöte hielt und in der rechten einen dicken Knüppel, womit er jedesmal die nächste Ente niederschlug und in seinen Sack steckte. Langsam schlich sie sich darauf zur halboffenen Tür und schrie: »Macht die Augen auf, denn Menabuscho bringt euch um und steckt euch in seinen Sack!« Dann flog sie fort.
Menabuscho eilte ihr schnell nach und schlug nach ihr, traf sie aber nicht tödlich; doch ihr Körper erhielt dadurch jene breite, flache Gestalt, die wir heute noch beim ganzen Entengeschlecht wahrnehmen.

Quelle: Karl Knortz, Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas

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