So lebten sie. Einmal im Frühlinge trieb er die braven Kühe in das Gebirge auf die Weide. Die Kühe kauten und kauten; er schaute ihnen dabei zu, und da er sonst gar nichts zu tun und zu denken hatte, so schlief er ein. Als er erwachte, waren die Kühe fort! Nun hatte er gleich etwas zu tun und zu denken, lief bergauf, bergab, rief und lockte, aber die Kühe blieben verschwunden.
Wie er so angstvoll umherirrte, bemerkte er unten auf der Ebene drei Männer, die miteinander erbittert kämpften. Er lief zu ihnen hinab und sah, daß alle drei schon aus vielen Wunden bluteten. »Was wollt ihr denn nur von einander, ihr Männer?« fragte er, »weßhalb schlagt ihr euch so grausam«. – »Wir sind Brüder,« erwiderten sie, »und wenn Brüder uneins sind, so ist es schlimmer, als zwischen Fremden. Wir können uns nämlich wegen dreier Dinge, die wir untereinander zu teilen haben, nicht einigen.«
»Welche wären denn dies?« fragte der Mann. Sie erwiderten: »Ein Kupferkessel, eine eiserne Keule und ein Paar Stiefel. Das sind aber nicht Sachen, wie man sie tagtäglich findet; denn sagt man zu dem Kupferkessel: ‚Zaundilindi, zaundilind, koch‘ mir einen Brei geschwind!‘ so ist er voll mit fettem Reisbrei; kann man jemanden nicht leiden, so sagt man zu der Keule: ‚Lauf hin und erschlag ihn!‘ und die Keule tut es; und will man schnell vorwärts kommen, so zieht man einfach die Stiefel an, und diese tragen einen im Nu dorthin, wo man sein will. Du siehst also, daß es schwer ist, sich beim Teilen solcher Dinge zu einigen.«
Der Mann dachte lange nach und dann sagte er: »Das beste von den drei Dingen ist sicherlich der Kessel, denn alles auf der Welt dreht sich ums Essen. Gut ist auch die Keule, denn ein jeder Mensch hat seine Feinde; die Stiefel wären noch am leichtesten zu entbehren, denn überall ist es gut, daheim aber am besten. Darum meine ich, ihr solltet einen Wettlauf unternehmen: wer zuerst ankommt nimmt sich den Kessel, der zweite nimmt die Keule und der letzte die Stiefel!«
Dieser Vorschlag sagte den drei Brüdern sehr zu, und sie baten den Mann bei den Sachen zu bleiben, worauf sie sich entfernten, um sich zum Wettlaufe aufzustellen. Sie gingen weit, weit weg, denn ein jeder wollte die Gegner schon in voraus ermüden. Als sie der Mann nicht mehr sah, nahm er schnell Kessel und Keule, zog die Zauberstiefel an und befahl diesen, ihn zu seinen Kühen zu tragen. Im Nu war er in einem schönen Tale, wo er die Kühe auf einer saftigen Kleeweide fand. Er trieb sie nach Hause, wo ihn seine Mutter halb verhungert erwartete. »Wo bleibst du nur so lange, Söhnchen, und lässest deine alte Mutter darben?« schalt sie jammernd. »Sei nur still und schau«, antwortete er vergnügt; stellte den Kessel vor sich hin, sagte das Sprüchlein her und der Dampf eines herrlichen Pilaw1 durchdrang die Hütte. Drei Tage lang taten sie sich gütlich. Als er dann die Kühe wieder ins Gebirge trieb, sagte ihm die Mutter: »Nimm nur den Kessel mit, dann kannst du essen, so oft dich hungert.« Er tat also, und als er sich abends am Wegrande niederließ, kam ein Hadschi2 vorbei und sprach zu ihm: »Hast du, o Hirte, nichts zu essen? Ich sterbe Hungers.« – »Setze dich nur,« sagte der Mann, und schon dampfte in dem Kessel der Pilaw.
»Das ist eine sehr gute Sache«, meinte der Hadschi; »ich habe auch etwas, was nicht schlecht ist: einen kleinen Beutel, aus dem jedesmal, so oft man ihn schüttelt, ein Dukaten herausfällt. Dein Kessel gefällt mir aber besser, und wenn du willst, so tauschen wir. Sieh selbst, ob es wahr ist.« Und der Hadschi reichte dem Manne das Beutelchen. Dieser schüttelte es fünf, sechs Mal, und es fielen richtig fünf, sechs Dukaten heraus. Das gefiel ihm. Er gab also dem Hadschi den Kessel, dieser setzte sich auf und ritt weiter. Nach einer Weile sagte der Mann zu der Keule: »Geh hin und erschlag ihn!« Die Keule verschwand. Dann zog der Mann die Stiefel an und wünschte sich zu dem Hadschi. Dieser lag bereits tot am Boden und neben ihm die Keule. Nun nahm der Mann wieder Kessel und Keule an sich, wünschte sich zu seinen Kühen und trieb sie heim.
Zu Hause sagte er zu seiner Mutter: »Geh du, Mutter, zum Kaiser und freie seine Tochter für mich.« – »Das getraue ich mich nicht,« sagte die alte Frau. Aber der Sohn ermutigte sie: »Geh nur zu, der Kaiser wird dir nichts tun.« Sie nahm also den Rucksack, tat ein großes Stück Aschenbrot hinein und ging. Vor des Kaisers Türe verlor sie aber wieder den Mut und ging um das Haus herum, wie die Katze um den heißen Brei. Da fragten sie des Kaisers Diener: »Worauf wartest du denn eigentlich, Alte?« Sie erwiderte: »Ich möchte gerne des Kaisers Tochter für meinen Sohn freien, aber ich traue mich nicht!« – »Tritt nur ein,« sagten sie, »es wird dir nichts geschehen.« Sie trat also ins Zimmer und als sie der Kaiser fragte, was sie wolle, sagte sie: »Ich grüße dein weißes Antlitz und mein Sohn schickt mich, damit ich für ihn um deine Tochter werbe. Ich sage es dir, und du entscheide dich, wie du willst. Im übrigen wäre mein Sohn ein tüchtiger Bursche.« – Der Kaiser lachte und sagte: »Komm näher, Alte, ich will dir etwas vom Fenster aus zeigen. Siehst du dort im Hofe die Viehtränke? Wenn sie dein Sohn ganz mit Dukaten anfüllen kann, und wenn er überdies von seinem Hause bis zu dem meinen einen Pflastersteig von gelben Golddukaten baut, dann kann er meine Tochter haben, und ihr könnt schon heute beginnen die Hochzeitsgäste einzuladen.«
Die Alte bedankte sich für die Auskunft und berichtete alles getreulich ihrem Sohne: »Der Kaiser läßt dich grüßen, und du mögest in seinen Hof kommen und dort die Tränke mit Dukaten anfüllen; dann mögest du von unserem Hause bis zu dem seinen einen Pflastersteig von reinen Golddukaten bauen. Vermagst du das, so kannst du den Brautzug entsenden und das Mädchen abholen lassen.« – Der Bursche ging nun zu der Viehtränke und schüttelte über dieser drei Tage lang unaufhörlich das Beutelchen. Wären nicht lauter Dukaten herausgefallen, so wäre es recht langweilig gewesen. Als der Kaiser am dritten Tage das Fenster öffnete, da blinkte es ihm aus seinem Hofe wie die Sonne selbst entgegen. Der Bursche baute nun auch den goldenen Steig und führte auf diesem die schöne, liebreizende Kaiserstochter heim.
Quelle:
[Bosnien: Milena Preindlsberger-Mrazovic: Bosnische Volksmärchen]