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(4)
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Im Laufe der Zeit ließen seine Kräfte nach, und eines Tages war er so schwach, daß er das Bett hüten mußte. Die Söhne holten die besten Ärzte, aber keiner konnte ihm die Gesundheit wiedergeben, und sie verbargen nicht, daß sein Ende nahe wäre. So fügte sich der König in sein Schicksal und machte sich gefaßt, ins Jenseits einzugehen.
Einmal, als niemand in seinem Schlafgemach war, öffnete sich die Tür, und ein Bettler trat ein. Zornig runzelte der König die Stirn. „Zürne mir nicht, Herr“, sprach der Bettler. „Ich bin nicht hier, um zu betteln. Vielmehr will ich dir einen wichtigen Rat geben, vorausgesetzt, daß du mich anhörst.“ — „Sprich, aber schnell!“ erwiderte der König mit schwacher Stimme. „Du siehst, daß ich im Sterben liege.“ — „Nein, Herr, dein letztes Stündlein, hat noch nicht geschlagen. Es gibt eine Arznei, die dir Genesung bringen kann.“ — „Ich glaube dir nicht“, seufzte der König. „Schüttle nicht ungläubig dein Haupt, denn ich spreche die reine Wahrheit, wenn ich sage, daß der Heilapfel dich retten kann. Wenn du den ißt, wirst du gesund. Sende deine Söhne aus, ihn dir zu holen. Einem von ihnen wird das sicherlich gelingen. Und nun lebe wohl!“ Nach diesen Worten verließ der Bettler das Schlafgemach. Der König rief ihn zurück, um ihn zu fragen, wo denn der Garten zu finden wäre, in dem der Apfel wüchse, doch der Diener, der auf seinen Ruf erschien, sagte, er hätte allezeit hinter der Tür zum königlichen Schlafgemach gestanden, aber keinen Menschen hineingehen oder herauskommen sehen.
Da wurde der König nachdenklich und ließ seine Söhne rufen. „Liebe Kinder!“ sprach er, als sie an seinem Lager versammelt waren. „Mein letztes Stündlein hat noch nicht geschlagen, denn es gibt einen Heilapfel, der mir die Gesundheit wiedergeben kann. Macht euch deshalb auf die Suche nach ihm. Wer ihn findet, der soll mein Thronerbe werden.“ Der Auftrag mißfiel den beiden älteren Söhnen, denn sie waren feige und gingen lieber zu Zechgelagen oder Reigentänzen, als daß sie zu gefährlichen Abenteuern auszogen. Dem jüngsten Sohn dagegen waren diese Gedanken fremd, er freute sich von Herzen über die Möglichkeit, seinem lieben Vater das Leben zu erhalten, und war bereit, notfalls sein eigenes dafür zu wagen. Noch am selben Tage machten sich die drei Söhne auf die Reise, jeder in einer anderen Richtung.
Viele Wochen zogen ins Land. Die Straße, über die der älteste Sohn wanderte, führte eines Tages durch eine menschenverlassene Gegend. Plötzlich kam ein alter Bettler herbeigehinkt und flehte: „Oh, mildtätiger Herr, schenke mir eine kleine Gabe!“ Verächtlich warf der Königssohn ihm eine Kupfermünze vor die Füße und wollte weitergehen. Aber der Bettler flehte aufs neue: „Schenke mir auch ein Stück Brot, mildtätiger Herr, ich habe Hunger und kann mich kaum noch auf den Beinen halten!“ Schweigend setzte der Königssohn seinen Weg fort, denn er war zu hochmütig, um dem Alten auch nur zu antworten. Aber dann bedachte er sich und rief über die Schulter zurück: „He, Bettler! Sage mir gefälligst zum Entgelt für die Kupfermünze, wo ich den Garten finde, in dem der Heilapfel wächst!“ — „Verfolge deine Straße, sie wird dich zu dem Wundergarten führen“, antwortete der Alte. „Aber merke dir: Hast du den Apfel gepflückt, dann mußt du den Garten so schnell wie möglich verlassen!“ — „Ja, ja!“ brummte der Königssohn gleichgültig und wanderte weiter.
Nach vielen Stunden gelangte er an ein großes Tor, und als er es öffnete, erblickte er einen Garten, in dem keine Bäume wuchsen, ausgenommen einen Apfelbaum, der mittendrin auf grünem Rasen stand. Dagegen war der Garten voll von wundersamen Blumen, die einen sinnverwirrenden Duft verbreiteten. Zögernd ging der Königssohn auf den Baum zu und sah, daß dieser keine Früchte trug; nur an einem Zweig, der sich bis zur Erde bog, hing ein schöner rotbäckiger Apfel. Er pflückte ihn ab und betrachtete ihn von allen Seiten, verwundert, weil er wie ein ganz gewöhnlicher Apfel aussah. In diesem Augenblick überkam ihn eine unwiderstehliche Müdigkeit, und er streckte sich im grünen Grase aus.
Beim Einschlafen sah er noch, daß jemand auf ihn zukam, und er erkannte den Bettler, den er unterwegs getroffen hatte. Der Bettler beugte sich über ihn, nahm ihm den Apfel aus der Hand, hielt ihn an den Zweig, an dem er bisher gehangen hatte, und er wuchs wieder daran fest. Dann brach der Bettler ein Zweiglein ab, berührte den Königssohn damit und flüsterte: „Du bist es nicht wert, deinem Vater den Heilapfel zu bringen. Warum hast du meinen Rat mißachtet? Jetzt wirst du solange als pechschwarzer Rabe umherfliegen müssen, bis dich jemand erlöst!“ Da verwandelte sich der Königssohn In einen schwarzen Raben und flog davon. Drei Tage später zog der mittlere Sohn durch die menschenverlassene Gegend und erlebte das gleiche Schicksal wie der älteste.
Und wiederum drei Tage später kam der jüngste Sohn des Weges. Auch ihm begegnete der Bettler, doch bevor dieser den Mund auftat, warf ihm der Königssohn schon eine Goldzechine in die Mütze. „Sicher bist du auch hungrig, armer Mann“, sagte er dabei. „Hier hast du obendrein die Hälfte meines Brotes.“ Als er aber weitergehen wollte, hielt der Alte ihn zurück, dankte ihm und sprach: „Königssohn, ich kenne den Zweck deiner Wanderung. Du bist auf dem richtigen Wege. Hast du den Garten erreicht, dann pflücke den Apfel und laufe damit fort, so schnell dich deine Füße tragen wollen. Heute ist der letzte Tag, dein Vater muß den Heilapfel gegessen haben, bevor noch der Mond am Himmel steht, sonst ist er des Todes. Auch dir und deinen Brüdern droht große Gefahr, wenn du meinen Rat nicht befolgst.“
Diese Worte verdoppelten den Eifer des Jünglings. Schon nach kurzer Zeit hatte er den Garten erreicht und ging hinein. Er achtete nicht auf die Blumen, die wiederum einen betäubenden Duft verströmten, sondern ging spornstreichs auf den rotbäckigen Apfel zu und pflückte ihn ab. Dem Rat des alten Bettlers folgend, wollte er sich dann eilig zum Gehen wenden, aber da wurde ihm der Kopf schwer vor Müdigkeit. Schon taumelte er auf den Rasen hin, als es über ihm rauschte. Mühsam riß er die schlaftrunkenen Augen auf und sah, daß zwei Raben über ihm kreisten. Ob das etwa meine Brüder sind? dachte er und erschrak derart, daß seine Müdigkeit wie weggeblasen war und er eilends aus dem Garten rannte.
Jenseits des Tores erwartete ihn der alte Bettler. „Du hast die Prüfung bestanden, Königssohn!“ sprach er. „Ich machte mir schon große Sorge um dich. Und jetzt kannst du dich getrost ins Gras setzen.“ Als der Königssohn seiner Aufforderung gefolgt war, fuhr er fort: „Nimm dieses Zweiglein an dich. Wenn dein Vater gesund geworden ist und sein Bett verläßt, dann laufe aufs Feld hinaus. Dort werden zwei Raben kommen und sich vor dich hinsetzen. Berühre sie mit diesem Zweig.“ Wieder fielen dem Königssohn vor Müdigkeit die Augen zu, und er träumte, daß der Bettler ihn am Gürtel nahm und sich mit ihm in die Luft schwang. Es verging einige Zeit. Als er die Augen aufschlug, dunkelte es schon. Vor sich sah er das Schloß seines Vaters und glaubte anfangs, vom Heilapfel nur geträumt zu haben; aber dann merkte er, daß er wirklich einen Apfel in der Hand hielt. Weil ihm einfiel, daß sein Vater den Apfel gegessen haben mußte, bevor der Mond aufging, lief er schnell wie eine Gemse ins Schloß hinein. Der König aß den Apfel, wurde gleich wieder gesund und sprang vor Freude mit einem einzigen Satz aus dem Bett, in dem er so lange gelegen hatte. Als der Königssohn das sah, stürzte er aufs Feld hinaus, wo schon die beiden Raben kreisten. Sie ließen sich zu seinen Füßen nieder, und als er sie mit dem Zweiglein berührte, das ihm der alte Bettler gegeben hatte, siehe, da standen seine beiden Brüder vor ihm. Am nächsten Tage veranstaltete der König ein großes Freudenfest. Alle jubelten und lachten, nur die beiden älteren Königssöhne zogen saure Gesichter, denn es wurmte sie, daß der Jüngste Thronfolger geworden war und sie nichts dagegen machen konnten.
Woher ich das weiß? Weil ich auch auf dem Freudenfest war
Einmal, als niemand in seinem Schlafgemach war, öffnete sich die Tür, und ein Bettler trat ein. Zornig runzelte der König die Stirn. „Zürne mir nicht, Herr“, sprach der Bettler. „Ich bin nicht hier, um zu betteln. Vielmehr will ich dir einen wichtigen Rat geben, vorausgesetzt, daß du mich anhörst.“ — „Sprich, aber schnell!“ erwiderte der König mit schwacher Stimme. „Du siehst, daß ich im Sterben liege.“ — „Nein, Herr, dein letztes Stündlein, hat noch nicht geschlagen. Es gibt eine Arznei, die dir Genesung bringen kann.“ — „Ich glaube dir nicht“, seufzte der König. „Schüttle nicht ungläubig dein Haupt, denn ich spreche die reine Wahrheit, wenn ich sage, daß der Heilapfel dich retten kann. Wenn du den ißt, wirst du gesund. Sende deine Söhne aus, ihn dir zu holen. Einem von ihnen wird das sicherlich gelingen. Und nun lebe wohl!“ Nach diesen Worten verließ der Bettler das Schlafgemach. Der König rief ihn zurück, um ihn zu fragen, wo denn der Garten zu finden wäre, in dem der Apfel wüchse, doch der Diener, der auf seinen Ruf erschien, sagte, er hätte allezeit hinter der Tür zum königlichen Schlafgemach gestanden, aber keinen Menschen hineingehen oder herauskommen sehen.
Da wurde der König nachdenklich und ließ seine Söhne rufen. „Liebe Kinder!“ sprach er, als sie an seinem Lager versammelt waren. „Mein letztes Stündlein hat noch nicht geschlagen, denn es gibt einen Heilapfel, der mir die Gesundheit wiedergeben kann. Macht euch deshalb auf die Suche nach ihm. Wer ihn findet, der soll mein Thronerbe werden.“ Der Auftrag mißfiel den beiden älteren Söhnen, denn sie waren feige und gingen lieber zu Zechgelagen oder Reigentänzen, als daß sie zu gefährlichen Abenteuern auszogen. Dem jüngsten Sohn dagegen waren diese Gedanken fremd, er freute sich von Herzen über die Möglichkeit, seinem lieben Vater das Leben zu erhalten, und war bereit, notfalls sein eigenes dafür zu wagen. Noch am selben Tage machten sich die drei Söhne auf die Reise, jeder in einer anderen Richtung.
Viele Wochen zogen ins Land. Die Straße, über die der älteste Sohn wanderte, führte eines Tages durch eine menschenverlassene Gegend. Plötzlich kam ein alter Bettler herbeigehinkt und flehte: „Oh, mildtätiger Herr, schenke mir eine kleine Gabe!“ Verächtlich warf der Königssohn ihm eine Kupfermünze vor die Füße und wollte weitergehen. Aber der Bettler flehte aufs neue: „Schenke mir auch ein Stück Brot, mildtätiger Herr, ich habe Hunger und kann mich kaum noch auf den Beinen halten!“ Schweigend setzte der Königssohn seinen Weg fort, denn er war zu hochmütig, um dem Alten auch nur zu antworten. Aber dann bedachte er sich und rief über die Schulter zurück: „He, Bettler! Sage mir gefälligst zum Entgelt für die Kupfermünze, wo ich den Garten finde, in dem der Heilapfel wächst!“ — „Verfolge deine Straße, sie wird dich zu dem Wundergarten führen“, antwortete der Alte. „Aber merke dir: Hast du den Apfel gepflückt, dann mußt du den Garten so schnell wie möglich verlassen!“ — „Ja, ja!“ brummte der Königssohn gleichgültig und wanderte weiter.
Nach vielen Stunden gelangte er an ein großes Tor, und als er es öffnete, erblickte er einen Garten, in dem keine Bäume wuchsen, ausgenommen einen Apfelbaum, der mittendrin auf grünem Rasen stand. Dagegen war der Garten voll von wundersamen Blumen, die einen sinnverwirrenden Duft verbreiteten. Zögernd ging der Königssohn auf den Baum zu und sah, daß dieser keine Früchte trug; nur an einem Zweig, der sich bis zur Erde bog, hing ein schöner rotbäckiger Apfel. Er pflückte ihn ab und betrachtete ihn von allen Seiten, verwundert, weil er wie ein ganz gewöhnlicher Apfel aussah. In diesem Augenblick überkam ihn eine unwiderstehliche Müdigkeit, und er streckte sich im grünen Grase aus.
Beim Einschlafen sah er noch, daß jemand auf ihn zukam, und er erkannte den Bettler, den er unterwegs getroffen hatte. Der Bettler beugte sich über ihn, nahm ihm den Apfel aus der Hand, hielt ihn an den Zweig, an dem er bisher gehangen hatte, und er wuchs wieder daran fest. Dann brach der Bettler ein Zweiglein ab, berührte den Königssohn damit und flüsterte: „Du bist es nicht wert, deinem Vater den Heilapfel zu bringen. Warum hast du meinen Rat mißachtet? Jetzt wirst du solange als pechschwarzer Rabe umherfliegen müssen, bis dich jemand erlöst!“ Da verwandelte sich der Königssohn In einen schwarzen Raben und flog davon. Drei Tage später zog der mittlere Sohn durch die menschenverlassene Gegend und erlebte das gleiche Schicksal wie der älteste.
Und wiederum drei Tage später kam der jüngste Sohn des Weges. Auch ihm begegnete der Bettler, doch bevor dieser den Mund auftat, warf ihm der Königssohn schon eine Goldzechine in die Mütze. „Sicher bist du auch hungrig, armer Mann“, sagte er dabei. „Hier hast du obendrein die Hälfte meines Brotes.“ Als er aber weitergehen wollte, hielt der Alte ihn zurück, dankte ihm und sprach: „Königssohn, ich kenne den Zweck deiner Wanderung. Du bist auf dem richtigen Wege. Hast du den Garten erreicht, dann pflücke den Apfel und laufe damit fort, so schnell dich deine Füße tragen wollen. Heute ist der letzte Tag, dein Vater muß den Heilapfel gegessen haben, bevor noch der Mond am Himmel steht, sonst ist er des Todes. Auch dir und deinen Brüdern droht große Gefahr, wenn du meinen Rat nicht befolgst.“
Diese Worte verdoppelten den Eifer des Jünglings. Schon nach kurzer Zeit hatte er den Garten erreicht und ging hinein. Er achtete nicht auf die Blumen, die wiederum einen betäubenden Duft verströmten, sondern ging spornstreichs auf den rotbäckigen Apfel zu und pflückte ihn ab. Dem Rat des alten Bettlers folgend, wollte er sich dann eilig zum Gehen wenden, aber da wurde ihm der Kopf schwer vor Müdigkeit. Schon taumelte er auf den Rasen hin, als es über ihm rauschte. Mühsam riß er die schlaftrunkenen Augen auf und sah, daß zwei Raben über ihm kreisten. Ob das etwa meine Brüder sind? dachte er und erschrak derart, daß seine Müdigkeit wie weggeblasen war und er eilends aus dem Garten rannte.
Jenseits des Tores erwartete ihn der alte Bettler. „Du hast die Prüfung bestanden, Königssohn!“ sprach er. „Ich machte mir schon große Sorge um dich. Und jetzt kannst du dich getrost ins Gras setzen.“ Als der Königssohn seiner Aufforderung gefolgt war, fuhr er fort: „Nimm dieses Zweiglein an dich. Wenn dein Vater gesund geworden ist und sein Bett verläßt, dann laufe aufs Feld hinaus. Dort werden zwei Raben kommen und sich vor dich hinsetzen. Berühre sie mit diesem Zweig.“ Wieder fielen dem Königssohn vor Müdigkeit die Augen zu, und er träumte, daß der Bettler ihn am Gürtel nahm und sich mit ihm in die Luft schwang. Es verging einige Zeit. Als er die Augen aufschlug, dunkelte es schon. Vor sich sah er das Schloß seines Vaters und glaubte anfangs, vom Heilapfel nur geträumt zu haben; aber dann merkte er, daß er wirklich einen Apfel in der Hand hielt. Weil ihm einfiel, daß sein Vater den Apfel gegessen haben mußte, bevor der Mond aufging, lief er schnell wie eine Gemse ins Schloß hinein. Der König aß den Apfel, wurde gleich wieder gesund und sprang vor Freude mit einem einzigen Satz aus dem Bett, in dem er so lange gelegen hatte. Als der Königssohn das sah, stürzte er aufs Feld hinaus, wo schon die beiden Raben kreisten. Sie ließen sich zu seinen Füßen nieder, und als er sie mit dem Zweiglein berührte, das ihm der alte Bettler gegeben hatte, siehe, da standen seine beiden Brüder vor ihm. Am nächsten Tage veranstaltete der König ein großes Freudenfest. Alle jubelten und lachten, nur die beiden älteren Königssöhne zogen saure Gesichter, denn es wurmte sie, daß der Jüngste Thronfolger geworden war und sie nichts dagegen machen konnten.
Woher ich das weiß? Weil ich auch auf dem Freudenfest war
Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)