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Lippo

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Lippo war ein fleißiger Jäger. Vor langer, langer Zeit ging er einmal mit zwei Gefährten auf die Rentierjagd. Sie streiften den ganzen Tag durch den Wald, bis die Nacht sie überraschte. In einer Hütte fanden sie Zuflucht vor der Dunkelheit. Hier verbrachten sie die Nacht. Am nächsten Morgen standen sie früh auf.
Bevor sie die Hütte verließen, schüttelte Lipp seine Schier und sprach: „Heute muß es Beute geben, die erste für den einen Schneeschuh, für den anderen die zweite und die dritte für Stöcke.“ Und wirklich, kaum hatten sie sich in Bewegung gesetzt, da fanden sie auch schon die Spuren von drei wilden Rentieren. Sie verfolgten die Fährten und stießen auf die drei Tiere. Zwei von ihnen liefen nebeneinander, Geweih an Geweih, das dritte dagegen lief abseits allein. „Los Männer“, rief Lippo seinen Begleitern zu, „verfolgt diese beiden! Sie sind sicher für euch bestimmt. Ich halte mich an den Einzelgänger!“ So lief denn Lippo, so schnell er konnte, hinter dem Rentier her. Aber trotz aller Anstrengung holte er es bis zum Abend nicht ein, obwohl er ein schneller Schiläufer war. Schließlich kam er an ein Haus, das im Wald lag. Hier rannte das Rentier auf den eingezäunten Hof, und Lippo folgte ihm. Auf dem Hof stand der greise Hausherr. Sein Bart und seine Kopfhaare bestanden aus Baumflechten, wie man sie bei uralten Fichten findet. „Oho!“ entrüstete er sich. „Was für ein Krötenkerl hat heute meinen Hengst in Schweiß gebracht?“ Lippo fuhr dicht an den Alten heran, begrüßte ihn und sprach: „Jawohl, ich war hinter ihm her, bekam ihn aber doch nicht zu fassen, bis er hier auf deinen Hof lief.“ Der Greis, der kein geringerer war als Tapio, der Waldgeist, entgegnete darauf: „Da du meinen Hengst nun einmal bis zum späten Abend gejagt hast, darfst du bei mir übernachten.“ Also trat Lippo in das Haus des Waldgeistes. Hier sah er wilde Rentiere und Elche, Bären, Füchse, Wölfe und überhaupt alle jagdbaren Tiere des Waldes, die man sich nur denken kann. Tapio bewirtete seinen Gast und behandelte ihn aufs Beste. Am nächsten Morgen wollte Lippo wieder fort, doch er fand seine Schier nicht. Er wandte sich an Tapio, aber der gab keine Antwort, sondern fragte: „Willst du nicht bleiben und mein Schwiegersohn werden? Ich habe eine Tochter.“ Lippo erwiderte: „Das würde ich gern tun, aber ich bin ein armer Mann.“ – „Mach dir deswegen keine Sorgen“, beruhigte ihn Tapio. „Armut ist keine Schande! Von uns bekommst du alles, was dein Herz begehrt.“ So kam es denn, daß der flinke Jäger dablieb. Er heiratete Tapios Tochter und wurde der Schwiegersohn des Waldgeistes.

Drei Jahre vergingen, da gebar die Tochter Tapios einen Sohn. Jetzt bekam Lippo Sehnsucht, er wollte seine Heimat wiedersehen. Darum bat er Tapio, ihn mit Frau und Kind ziehen zu lassen und ihm selbst den Weg zu weisen. Tapio aber sprach: „Ich will dich gern gehen lassen, wenn du mir Schier schaffst, die ganz nach meinem Sinn sind.“ Lippo ging in den Wald und machte sich an die Arbeit. Während er die Bretter schnitt, kam eine Meise geflogen, setzte sich auf einen Ast und sang: „Gib auf den Rat der Meise acht, dann weißt du, wie man Bretter macht. Ein Zweiglein binde unten fest, das dich die Spur erkennen läßt!“ Lippo warf einen Stock nach dem Vogel und schimpfte: „Du Narr, was piepst du da für dummes Zeug zusammen?“ Er machte die Schier so gut er es nur vermochte und schnitzte sogar allerlei Verzierungen ein. Dann brachte er sie Tapio, der sie prüfte und ausprobierte. „Diese Bretter taugen nichts“, sagte er bald darauf und gab sie zurück. Lippo machte sich am nächsten Tag noch einmal ans Werk. Wieder setzte sich die Meise auf einen Ast und sang: „Gib auf den Rat der Meise acht, dann weißt du, wie man Bretter macht. Ein Zweiglein binde unten fest, das dich die Spur erkennen läßt!“ „Du willst mich wohl zum Besten halten!“ rief Lippo und warf zornig ein Stück Holz nach dem Vogel. Er verstand nicht, was die Meise meinte, und so fertigte er die Schneeschuhe in der üblichen Weise an und brachte sie Tapio. „Das sind keine Bretter für mich“, wie der Waldgeist die Schier abermals zurück. Also ging Lippo noch einmal in den Wald und begann mit der Arbeit. Wieder saß die Meise dicht vor der Nase und sang ihr Lied: „Gib auf den Rat der Meise acht, dann weißt du, wie man Bretter macht. Ein Zweiglein binde unten fest, das dich die Spur erkennen läßt!“ Da wurde Lippo endlich stutzig. Vielleicht sollte ich tun, was sie sagt, dachte er. Sie wird doch nicht umsonst so singen! Er befestigte also unten an der Laufrinne einen kleinen Zweig, genau unter der Bindung. So übergab er Tapio die Schneeschuhe. „Siehst du, das sind Bretter, wie ich sie haben will!“ lobte ihn Tapio, nachdem er sie ausprobiert hatte. „Jetzt sollst du auch in deine Heimat kommen.“ Vor der Abfahrt aber sprach der Waldgeist: „Ich laufe voraus, du folgst meiner Spur und richtest dir dein Nachtlager immer dort ein, wo du den Abdruck vom Ring meines Schistocks im Schnee findest. Aber bau dir das Schutzdach so dicht, daß die Sterne des Himmels nicht hindurchscheinen können.“ Als Tapio nun vorauseilte, zeichnete das Zweiglein an seinen Schiern deutlich sichtbare Spuren in den Schnee. Nach ihnen richtete sich Lippo mit Frau und Kind. Erst am Abend fand er den ersten Abdruck vom Ring des Schistockes. An der gleichen Stelle lagen auch große Stücke eines gebratenen Elches für die Abendmahlzeit. Mann und Frau bauten gemeinsam einen sicheren Unterschlupf aus Fichtenzweigen. Sie versahen ihn mit einem besonders festen Dach und zogen den Schlitten, in dem das Kind lag, hinein. Hier verbrachten sie ungestört die Nacht.
Schon früh am Morgen machten sie sich wieder auf den Weg und nahmen den Rest des Elchbratens als Wegzehrung mit. Erst am Abend entdeckten sie das zweite Haltezeichen, den Ringabdrucks des Schistocks, im Schnee. Hier lag ein zerlegtes und gebratenes Rentier. Sie vergaßen auch nicht, eine dichte Hütte aus Nadelbaumzweigen zu errichten, und zogen den Schlitten mit dem Kind hinein. Nachdem sie hier die zweite Nacht geruht hatten, zogen sie des Morgens wohlgemut weiter. Erst gegen Abend fanden sie die dritte gekennzeichnete Stelle, an der hing ein knusprig gebratener Auerhahn für sie zum Abendbrot bereitlag.
„Schau an, jetzt ist die Heimat nicht mehr fern, denn vor uns liegt nur noch ein gebratener Vogel“, sagte Lippo. Sie waren so gespannt vor Erwartung, daß sie nur ein leichtes Schutzdach aus Zweigen bauten, unter das sie den Schlitten mit dem Kind schoben. Dann legten sie sich zur Ruhe nieder. In der Nacht klärte sich der Himmel auf, und die Sonne blinzelte durch das dünne Dach auf sie hernieder. Sie hatten das Dach nur locker zusammengefügt.

Als sich Lippo am Morgen erhob, war seine Frau nicht zu finden. Er ging hinaus, um sich nach ihr umzuschauen, doch nirgends konnte er Schispuren entdecken.
Da wußte Lippo nicht, wohin er sich wenden sollte. Er sah auch die Spur nicht, die ihm den Heimweg wies. Als er nun vor der Hütte saß und Ausschau hielt, lief röhrend ein Elch vorüber. Sonst zeigte sich nichts. Schließlich wurde es dunkel, und Lippo mußte auch die nächste Nacht in der Hütte verbringen. Am Morgen fand er wieder einen gebratenen Auerhahn, und wieder lief röhrend ein Elch vorüber. Viele, viele Jahre hauste nun Lippo mit seinem Kind unter dem Schutzdach aus Fichtenzweigen. Jeden Morgen lag ein gebratener Auerhahn da, und jeden Tag rannte ein röhrender Elch vorüber. Das Kind wuchs heran und wurde ein überaus kluger Knabe. Eines Tages bat er seinen Vater, ihm ein langes Rohr anzufertigen. Da wollte er durchschauen, um zu sehen, wie weit es noch bis nach Haus sei. Lippo hatte Zeit und erfüllte dem Jungen den Wunsch. Als der Knabe durch das Rohr blickte, rief er sofort: „Wir sind ja nicht weit von deiner Heimat entfernt. Die Zäune, hinter denen die Felder liegen, sind ganz in der Nähe.“ Freudestrahlend machten sie sich auf den Weg und nach kurzer Zeit waren sie daheim. Dieser kluge Knabe aber ist der Stammvater aller Lappländer geworden.

Märchen aus Finnland

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