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Wie ein Mann Hausfrau war

3.7
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Es lebte einmal ein Mann, der mit seinem Weib ständig unzufrieden war, weil er glaubte, sie hätte es leichter als er. So sagte er: »Ich muß draußen schwer arbeiten, derweilen du daheim hin und her spazierst und nur Zeit vergeudest. Ein wahrlich goldenes Leben!« Das Weib erwiderte: »Wenn du glaubst, ich führte ein goldenes Leben, so könnten wir doch einmal tauschen. Ich werde draußen deine Tagesarbeit verrichten, und du bist statt meiner Hausfrau! Wir werden ja sehen, wer es besser hat!« Dem Mann war es recht. Er sagte: »Ich werde morgen Hausfrau sein, du aber gehst in den Wald mähen!«
Es war gerade ein Sonnabend. Das Weib ging auf die Wiese, der Mann blieb zu Hause.
Bevor das Weib sich auf den Weg machte, lehrte es den Mann noch: »Ist der Schatten zwei Schritte lang, komme ich zur Mahlzeit nach Hause. Heute ist Sonnabend, koche uns zu Mittag einen Brei und mache frische Butter dazu. Und vergiß die Kuh nicht! Die Kuh muß auf die Weide!« Der Mann erwiderte lachend: »Weiß schon Bescheid! Werde alles tun, was notwendig, mach dir meinetwegen keine Sorgen!«
Das Weib ging mähen, der Mann aber zündete sich die Pfeife an und dachte: >Ich werde zeitig den Brei aufsetzen.< Er ging, wusch den Kessel aus und kippte Wasser hinein. Die Pfeife jedoch wollte nicht brennen und störte den Mann bei seiner Arbeit. Er zündete sie wieder an und wollte seine Arbeit fortsetzen. Unter dem Kessel entfachte er ein recht großes Feuer, damit der Brei schneller gar wurde. Dann rührte er eifrig um, damit der Brei nicht anbrannte.
Die Kuh hatte der Mann ganz und gar vergessen. Auf einmal begann sie zu muhen. Jetzt fiel dem Mann ein, daß sie noch gar nichts zu fressen bekommen hatte. Der Mann dachte nun, bringe ich die Kuh auf die Weide, brennt der Brei an. Ich müßte erst noch Wasser hinzuschütten, damit er nicht so heftig kocht. Der Mann ging zum Brunnen, holte Wasser und schüttete es in den Kessel. Es war jedoch zuviel Wasser, es floß über den Rand des Kessels und löschte das Feuer. So zündete der Mann das Feuer noch einmal an, doch die nassen Scheite wollten nicht brennen. Und da muhte auch die Kuh schon wieder. Er dachte im stillen, warte, warte schon, ich komme gleich und bringe dich auf die Weide. Aber erst muß ich das Feuer anmachen.
Es ging nicht anders, als daß der Mann trockene Scheite holen mußte, bis schließlich unter dem Kessel wieder ein lustiges Feuerchen brannte. Doch da muhte die Kuh schon wieder. Nichts weiter, als schnell zur Kuh. Bei sich dachte der Mann, führe ich die Kuh zur Weide, könnte etwas mit dem Feuer oder dem Brei schiefgehen. Ich werde die Kuh lieber näher am Hause lassen. In der Nähe wächst schönes, saftiges Gras, das kann sie ruhig fressen. Man kann aber der Kuh nicht glauben, denn solange ich hier den Brei koche, kann sie ins Korn laufen. Ich werde die Kuh festbinden müssen.
Der Mann ging und band der Kuh einen Strick um den Hals, um sie dann in der Nähe des Hauses fressen zu lassen. Selbst kehrte er zurück ins Haus, um den Brei weiterzukochen. Plötzlich fiel ihm ein, daß die Butter noch nicht fertig war. Schnell holte er aus dem Speicher Rahm und Butterfaß und machte sich ans Buttern. Beim Buttern verspürte er auf einmal starken Durst. Der Mann warf den Butterlöffel beiseite, richtete sich auf und ging aus dem Haus vor den Speicher zum Bierfaß, um sich einen den Durst löschenden Schluck Bier zu gönnen.
Als er aus dem Haus ging, vergaß er jedoch, die Tür zu schließen. Vor dem Haus trollte sich gerade die alte Sau mit ihren sieben Ferkeln. Als sie die Haustür offenstehen sah, marschierte sie zur offenen Tür hinein, die Ferkel hinterdrein. Der Mann machte sich eben am Bierfaß zu schaffen, da sah er, wie die Sau mit den Ferkeln ins Haus spazierte. Sogleich fiel dem Mann ein, daß er die Rahmschüssel auf dem Fußboden hatte stehen lassen, Sau und Ferkel konnten sich daran genugtun. Der Mann sprang auf und lief ins Haus, um die Sau herauszutreiben. Dabei vergaß er ganz und gar das Bierfaß.
Als der Mann ins Haus gelangte, war die Sau schon am umgekippten Butterfaß und ließ sich den Rahm schmecken. Sofort ergriff der Mann den Besenstiel und setzte der Sau damit eins über. Die Sau fiel daraufhin um, strampelte noch ein wenig mit den Beinen und war tot! Verärgert trieb der Mann die Ferkel aus dem Haus und schaffte auch die tote Sau hinaus. Jetzt erst fiel dem Mann das Bierfaß ein, das er nicht zugedreht hatte. Er lief zum Speicher, um nachzusehen. Das Bierfaß war leer, das Bier floß auf dem Fußboden als Bächlein.
Der Mann schaute sich um, woher er neuen Rahm bekäme, um noch einmal zu buttern. Er fand auch wirklich welchen, und nun begann er von neuem zu buttern. Dann aber dachte er, daß ins Bierfaß neues Wasser hinein muß. Aber was dann, wenn wieder etwas mit dem Butterfaß passiert? Der Mann nahm das Butterfaß mit und stellte es auf den Brunnenrand. Beim Wasserschöpfen stieß er mit dem Eimer dagegen, und das Butterfaß sauste — schwupp! — in den Brunnen. Du liebe Zeit! Nun war der letzte Rahm im Brunnen, woraus sollte er nun Butter machen?
Da fiel ihm zum Glück der Breikessel ein. Er kippte das Wasser ins Bierfaß und ging, nach dem Brei zu sehen. Da quoll aus dem Haus schon dicker, schwarzer Qualm, der Brei war völlig angebrannt. Doch der Mann tröstete sich: »Was macht mir schon der Gestank, Hauptsache, es schmeckt!« So kostete er den Brei und fand, man konnte ihn noch essen. Woher aber Butter nehmen? Vielleicht hatte das Weib welche im Speicher zurückgelegt? Die könnte man an Stelle der frischen Butter nehmen. Man mußte also suchen.
Und der Mann ging in den Speicher. Hier suchte er und suchte, konnte aber nichts finden. Schließlich dachte er, vielleicht hat sie das Buttergefäß in irgendein tiefes Faß gesteckt. Da stand ein hohes und enges Faß, und auf dessen Grund war etwas Mehl. Der Mann langte hinein, um darin das Buttergefäß zu suchen. Zum Unglück aber fiel er Hals über Kopf hinein ins Mehl. Nun konnte er nicht mehr heraus. Da nieste er und nieste, die Nasenlöcher waren voller Mehl, aber an ein Herauskommen war nun einmal nicht mehr zu denken.
Zur Mittagszeit kam die Hausfrau nach Hause. Sie begann, den Mann zu suchen, konnte ihn aber nicht finden. An Stelle seiner sah sie auf dem Hof die tote Sau, der ganze Fußboden des Hauses aber war voller Rahm. Dann erblickte sie in Hofnähe die Kuh, die sich das Bein gebrochen hatte. Die Kuh hatte sich im Strick verfangen und konnte sich nicht mehr bewegen. Der Brei im Kessel war ganz und gar angebrannt. Allein den Mann konnte die Frau nirgends sehen. Schließlich ging sie, um ihn im Speicher zu suchen. Da fand sie ihn, wie er mit dem Kopf im Faß steckte. Das Weib half dem Mann aus dem Faß und säuberte seinen Kopf von der dicken Mehlschicht.
Die gute Frau hat mit ihrem Mann überhaupt nicht geschimpft, obwohl ihm alles so schiefgeraten war. Sie machten das Haus zusammen sauber, kochten einen neuen Brei und ließen ihn sich schmecken. Und dann war der Tag auch zu Ende. Seitdem war der Mann nie wieder mit seinem Weib unzufrieden, denn er kannte nun selbst die Mühen der Hausarbeit.

Quelle:
(Estland)

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